Freitag, 30. August 2013

Sissi (1955) Ernst Marischka

Inhalt: Die 16jährige bayerische Prinzessin Elisabeth, genannt „Sissi“ (Romy Schneider), führt ein freies Leben im Haus ihres Vaters, des Herzogs Max (Gustav Knuth), mit dem sie am liebsten viel Zeit in der Natur verbringt. Für eine Rolle am Hof wurde ihre ältere Schwester Helene (Uta Franz) erzogen, die sich ganz ihrer strengen Mutter Ludovika (Magda Schneider) unterordnete. Als diese die Nachricht vom Wiener Hof erreicht, dass ihre Schwester Erzherzogin Sophie (Vilma Degischer) die Vermählung ihres Sohnes, Kaisers Franz Joseph (Karlheinz Böhm), mit ihrer Tochter Helene wünscht, sieht sie sich am Ziel ihrer Wünsche.

Kurzfristig planen sie ein Treffen in Bad Ischl, um die Verlobung von Franz Joseph mit Helene bekannt zu geben. Um es wie einen normalen Ausflug aussehen zu lassen, nehmen sie Sissi mit, die sich zuerst darüber freut, dann aber feststellen muss, dass sie in ihrem Hotelzimmer bleiben muss. Doch sie lässt sich nicht einsperren, klettert aus dem Fenster und besorgt sich eine Angel, mit der sie sich zu dem nahe gelegenen Fluss begibt. Statt eines Fisches verfängt sich die Kutsche des Kaisers in der Angelschnur, die sich kurz vor der Ankunft in Bad Ischl befand. Gegen den Rat des Majors (Josef Meinrad) seiner Wache steigt Franz Joseph zu der hübschen junger Frau aus und bittet sie um ein gemeinsames Treffen bei der Jagd, wohin er sich ohne seinen Hofstaat begeben kann…


"Sissi" ist seit Jahrzehnten ein Phänomen im deutschsprachigen Kino. Einerseits gibt es nur wenige Filme dieser Zeit, die heute noch ähnlich bekannt sind, andererseits spaltet er die Haltung des Publikums in klare Pro- und Contra-Lager, als behandele "Sissi" Themen von gesellschaftlicher Brisanz. Nicht einmal eine eindeutige Genre-Zuordnung lässt sich feststellen, da sich Ernst Marischkas Film zwar an historischen Ereignissen orientierte, gleichzeitig aber auf die Mitte der 50er Jahre populären Insignien des Heimatfilms setzte mit einer romantischen Liebesgeschichte inmitten einer idyllischen Landschaft. Stoffe, die innerhalb einer adeligen Gesellschaft spielten, waren generell populär im Unterhaltungsfilm – Regisseur Marischka selbst hatte ein Jahr zuvor Romy Schneider in „Mädchenjahre einer Königin“ als junge Königin Victoria von England besetzt - aber die Geschichte der schönen bayerischen Prinzessin Elisabeth, die zur österreichischen Kaiserin aufstieg, ging weit darüber hinaus und hatte die Gemüter seit der damaligen Inthronisierung von "Sissi" ununterbrochen bewegt.

Schon 1932 hatte Regisseur und Drehbuchautor Ernst Marischka das Theaterstück "Sissis Brautfahrt" - von Fritz Kreisler vertont - in Wien auf die Bühne gebracht, eine Hollywood-Verfilmung unter dem Titel "The King steps out" (1936) folgte nur wenig später. Deshalb war Marischka gezwungen die Rechte für einen "Sissi" - Film neu zu erwerben, weshalb er auf den Roman von Marie Blank-Eimann über die Jugendjahre der späteren Kaiserin zurückgriff, der 1933 erstmals als Fortsetzungsroman erschienen war, auf dessen Basis er sein Drehbuch umschrieb. Jede der Publikationen über das Leben von "Sissi" war von Erfolg gekrönt, aber der "Sissi"- Hype, den Marischka Mitte der 50er Jahre auslöste, stellte alle bisherigen Ergebnisse in den Schatten. Nicht nur die zwei Fortsetzungen, die an der Kinokasse für Rekorde sorgten, sind beredte Zeugen der hohen Nachfrage nach weiteren "Sissi"-Geschichten, sondern auch der maßgebliche Einfluss auf das Leben der Hauptdarstellerin Romy Schneider in der Titelrolle - nicht zuletzt der Grund für die bis heute anhaltende Popularität des Films.

Auf Grund dieser äußeren Umstände, existieren nur wenige objektive Auseinandersetzungen mit dem Film, der je nach persönlicher Vorliebe als klischeehafte, kitschige Unterhaltung im Heimatfilm-Stil oder als romantischer Liebesfilm, getragen von einer berührenden Romy Schneider, betrachtet wird. Tatsächlich stimmen beide Betrachtungsweisen gleichzeitig, was den Erfolg des Films ausmachte. Die erste Hälfte von "Sissi" ist reinstes Heimatfilmkino mit zwei Protagonisten, die in Liebe füreinander entflammen, obwohl die Gesellschaft gegen diese Verbindung ist - eines der klassischen Motive des Genres. Obwohl Franz Joseph (Karlheinz Böhm) schon als Kaiser die KuK - Monarchie regiert, ist es seine Mutter, Erzherzogin Sophie (Vilma Degischer), die über sein Liebesleben bestimmt und ihn mit Prinzessin Helene (Uta Franz), der Tochter ihrer Schwester Herzogin Ludovika (Magda Schneider), verheiraten will.

Dass dieser Plan durchkreuzt wird, entspringt einer ebenso für das Genre typischen Story-Konstruktion. Anstatt die 16jährige Prinzessin Elisabeth (Romy Schneider) bei ihrem sympathischen Vater Max zu lassen - eine Paraderolle für Gustav Knuth als wenig elitär auftretender Kumpeltyp, der als Gegenentwurf zu den gestrengen Frauen seiner Generation die tradierten Geschlechterrollen bestätigte - wird sie von ihrer Mutter zwar nach Bad Ischl zum Treffpunkt mit der Kaiserfamilie mitgenommen, dort aber unter Verschluss gehalten, da sie als Repräsentantin nicht ernst genommen wird. Ergänzt wird diese Haltung noch von der komödiantischen Rolle eines übertrieben lächerlich agierenden Wachoffiziers (Josef Meinrad), der für die Sicherheit des Kaisers zuständig ist, letztlich aber nur den Grad der Fehleinschätzung von Sissi erhöhen soll, die selbstverständlich ausreißt und zufällig auf den jungen Franz-Joseph trifft. Diese ideale Fügung einer unvoreingenommenen ersten Begegnung führt Genre gerecht zu sofortiger inniger Liebe, die sich in einer weiteren heimlichen Verabredung manifestiert.

Konstellationen dieser Art sind häufig im Heimatfilm anzutreffen, aber selten verfügten sie über ähnlich überzeugende Protagonisten. Es ist weniger ihre Attraktivität und ihr natürliches Spiel, als die Authentizität ihrer kurzen Auflehnung gegen das Establishment, die eine bleibende Wirkung hinterlässt. Paare, die entgegen den Vorstellungen ihrer Umgebung zusammen kamen, waren im Heimatfilm keine Seltenheit, aber sie stellten die traditionelle Ordnung damit selten in Frage - die Gegengründe für ihre Verbindung lagen meist in ungerechtfertigten Vorurteilen oder lang anhaltenden Fehden ihrer Familien. Romy Schneider und Karlheinz Böhm waren zudem keine typischen Genre-Darsteller, von denen viele nach dem Ende der Heimatfilm-Ära wieder aus dem Kino verschwanden, sondern ihr weiterer Lebensweg bewies eine Individualität, die ihnen schon in "Sissi" anzumerken ist.

Ihrer Liebesgeschichte kommt es entgegen, dass sich der Film in seiner zweiten Hälfte Richtung Historiendrama neigt. Ihre Verbindung ist zwar ein Affront für die beiden Mütter, sowie eine Zurückweisung von Helene, aber der junge Kaiser kann sich damit als Autorität profilieren, der seine Haltung durchzusetzen in der Lage ist. Auch Sissi wird zunehmend gezwungen, ihren jugendlichen Überschwang zurückzunehmen und sich mit ihrer zukünftigen Rolle der höchsten Frau im Staat auseinanderzusetzen. Der Vorteil dieser Konstellation liegt darin, dass Marischka auf die typische, häufig sehr konstruiert wirkende Dramatisierung am Ende eines Heimatfilms verzichten konnte, da allein schon die gestrengen Regeln am Wiener Hof, denen sich Sissi unterordnen muss, genug Dramatik vermittelten. Die letzten Minuten des Films sind entsprechend eine Konzession an das Publikum, denn die Pracht der Inszenierung der Hochzeit von Franz und Sissi täuscht über die schwere Last hinweg, die in Zukunft auf sie wartet.

Kritikpunkte zu "Sissi" lassen sich genügend finden - der historische Hintergrund kam über die Funktion eines äußeren Rahmens nicht hinaus, vor dem Marischka eine typische Heimatfilmstory entwickelte, die alle vertrauten Klischees bediente, weshalb sich auch Romy Schneider und Karlheinz Böhm später von dem Film distanzierten. Genre immanent betrachtet, lässt sich eine überdurchschnittliche Umsetzung konstatieren, weshalb der anhaltende Erfolg des Films kein Zufall ist. Getragen von einer sehr guten Besetzung, entwickelte „Sissi“ eine abwechslungsreiche, stimmige Story, die erst in den letzten Minuten ihren ausgewogenen Rhythmus verliert, als sich der Film nur noch den Massenszenen der Hochzeit unterordnet.

"Sissi" Österreich 1955, Regie: Ernst Marischka, Drehbuch: Ernst Marischka, Darsteller : Romy Schneider, Karlheinz Böhm, Magda Schneider, Gustav Knuth, Josef Meinrad, Vilma Degischer, Uta FranzLaufzeit : 98 Minuten 

Montag, 26. August 2013

Der Stern von Afrika (1957) Alfred Weidenmann

Inhalt: Nachdem sich Hans-Joachim Marseille (Joachim Hansen) 1938 freiwillig bei der Luftwaffe gemeldet hatte, wurde zwar sein fliegerisches Talent offensichtlich, hatte ihn aber nur das Eingreifen seines besten Freundes Robert Franke (Hansjörg Felmy) vor dem Rauswurf bewahrt, da er zu eigensinnig und unmilitärisch agierte. Die Fliegerei ist für Marseille ein großer Spaß, weshalb ihn die Nachricht vom Kriegsbeginn genauso überrascht wie seine Kameraden, darunter neben Robert noch Albin Droste (Horst Frank) und Answald Sommer (Peer Schmidt).

Bei einem der ersten Einsätze am Atlantik wird Robert abgeschossen, der nur mit Glück überlebt, nachdem er eine Nacht auf dem Meer verbracht hatte. Erstmals spürt Marseille die Gefahr, die ihre Flüge begleitet, aber nachdem sie nach Afrika versetzt wurden, beginnt sein unaufhaltsamer Aufstieg als Kampfflieger. Gegen die zahlenmäßig überlegenen britischen Flugzeugstaffeln schert er aus dem Flieger-Pulk aus und greift sie individuell an. Das widerspricht militärischen Gepflogenheiten, aber seine Abschusszahlen geben ihm Recht, die ständig neue Rekordhöhen erklimmen…


Einen Film über den von der NS-Propaganda in den ersten Kriegsjahren hochgejubelten Kampfflieger Hans-Joachim - genannt "Jochen" - Marseille in die Hände des Regisseurs Alfred Weidenmann und des Drehbuchautors Herbert Reinecker zu legen, scheint jedes Klischee an einen 50er Jahre Kriegsfilm zu erfüllen, der keine kritische Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Diktatur suchte, sondern die Heroisierung des tapferen Wehrmachtssoldaten beabsichtigte, der nur seine Pflicht tat. Weidenmann, Jahrgang 1918, drehte schon als junger Mann Reportage-Filme für die Hitlerjugend, nachdem er als Presse- und Propaganda-Referent der HJ mehrere Bücher verfasst und herausgegeben hatte. 1944 erschien sein Propaganda-Film "Junge Adler", zu dem Reinecker ebenfalls das Drehbuch schrieb und in dem mit Dietmar Schönherr, Hardy Krüger und Gunnar Möller drei später renommierte Darsteller ihr Debut gaben - eine weitere Parallele zu "Der Stern für Afrika", der für Joachim Hansen, Hansjörg Felmy und Horst Frank zum Beginn ihrer erfolgreichen Karrieren wurde.

Auch in "Canaris" (1954) hatte sich Alfred Weidenmann schon mit einer realen Figur der jüngeren Geschichte befasst, aber "Der Stern von Afrika" bedeutete eine Zäsur im deutschen Kriegsfilm-Genre, denn erstmals wurden wieder ausführliche Kampfhandlungen gezeigt. Nachdem es 1956 zu einem Jahr ohne Kriegsfilme im deutschen Kino gekommen war, bereitete die Wiedereinführung einer deutschen Armee - die ersten Wehrpflichtigen wurden Anfang 1957 eingezogen - den Weg zu einer konkreteren Darstellung des deutschen Soldatentums. Dazu bot sich Hans-Joachim Marseille als ideale Identifikationsfigur an, denn Abschusszahlen von allein kämpfenden Piloten ließen sich leichter vermarkten und darstellen als Ergebnisse komplexer militärischer Aktionen, weshalb sich auch die Nationalsozialisten seiner Popularität bedient hatten. Entsprechend wird in „Der Stern von Afrika“ nur so mit Zahlen um sich geschmissen, wenn gut aussehende junge Offiziere ihren „Jochen“ angesichts ständiger neuer Rekorde hochleben lassen, als ging es um eine 100m-Bestzeit und nicht um den Tod von Menschen.

Zudem entwickelte der Film um die Kameraden „Jochen“ Marseille (Joachim Hansen), dessen besten Freund Robert Franke (Hansjörg Felmy), den etwas widerborstigen Albin Droste (Horst Frank) und den Witzbold Answald Sommer (Peer Schmidt) eine lockere, meist gut gelaunt agierende Männertruppe, die sich weder besonders militärisch gibt, noch Berührungspunkte mit den Nationalsozialisten und deren Ideologie zu haben scheint. Wie in dem kurz darauf entstandenen Kriegsfilm „Haie und kleine Fische“ (1957) vermitteln auch hier Aufnahmen von sich bei einem Segeltörn vergnügenden jungen Menschen zuerst das Bild eines friedlichen Lebens, über das plötzlich ein schrecklicher Krieg hereinbricht, der die Jugend Deutschlands zerstören sollte – eine Botschaft, die Weidenmanns Film noch mehrfach wiederholt, auch aus den Worten eines alten Franzosen (Erich Ponto), nachdem er mit Marseille in Paris eine Partie Billard spielte. Dass die jungen Offiziere Paris besuchen konnten, weil Frankreich von Deutschland besetzt wurde, das als Aggressor für den Ausbruch des Krieges erst verantwortlich war, wird ebenso wenig erwähnt, wie Zusammenhänge zu den Aktionen des Afrika-Corps hergestellt werden, zu dem die jungen Flieger nach ihrem ersten Einsatz am Atlantik versetzt werden.

Ihr Zelt-Lager im afrikanischen Wüstensand erinnert mehr an eine Abenteuer-Expedition, bei der ausführlich gefeiert (mit Roberto Blanco in seiner ersten Rolle als Stimmungskanone, selbstverständlich frei von rassistischen Ressentiments) und viel geflogen wird, was Weidenmann die Gelegenheit gab, schicke Bilder von schnell startenden und landenden Messerschmidt-Jagdflugzeugen, sowie erfolgreiche Luftkämpfe aus der Ego-Shooter-Perspektive zu zeigen. Weidenmann gelang es sogar, Marseilles Besuch in seiner Heimatstadt Berlin, wo ihm nach seinem 100. Abschuss höchste militärische Ehren zuteil wurden - ein von der NSDAP propagandistisch genutzter Vorgang - ohne die geringsten Verweise auf die herrschende Diktatur darzustellen. Weder Hitlergruß, noch SS-Uniformen sind in „Der Stern von Afrika“ zu sehen, nicht einmal die typischen patriotischen und selbst beweihräuchernden Redewendungen sind zu hören. Im Gegenteil lässt Marseille erkennen, dass ihm die gesamten Ehrenbekundungen eher unangenehm sind, und der Film zeigt ihn einzig bei einer Rede in seiner ehemaligen Schule, in der er nicht von seinen Taten, sondern von seinen Kameraden erzählt. Dabei erwähnt er vor den aufmerksam zuhörenden Schülern auch den fröhlichen Answald Sommer, um sich kurz darauf selbst zu berichtigen, dass dieser jetzt tot wäre – viel unrealistischer und beschönigender hätten Weidenmann und Reinecker diese Situation nicht inszenieren können.

Mit dieser idealisierten, die eigene Verantwortung verharmlosenden Charakterisierung, entsprach Weidenmann der Haltung eines Großteils der ehemaligen Wehrmachtssoldaten, die sich Mitte der 50er Jahre als Opfer betrachteten. Mehrfach thematisierte er in „Der Stern von Afrika“ auch die Frage nach dem Sinn ihres Handelns. Als Marseille, Selbstzweifel äußernd, seinem Vorgesetzten diese Frage stellt, deutet dieser an, dass der persönliche Einsatz für eine Sache über dem System steht – eine Aussage, die Vielen aus dem Herzen gesprochen haben dürfte, weshalb der Film an der Kinokasse sehr erfolgreich war, obwohl die zeitgenössische Kritik nicht nur die wenig realistische Darstellung des Kampffliegers bemängelte, sondern auch einen Propagandacharakter erkannte, der an die hintergründig beeinflussenden Filme der NS-Zeit erinnerte. Einerseits zurecht, denn mit einer Aufarbeitung historischer Fakten hat „Der Stern von Afrika“ nichts gemeinsam - die tatsächliche Rolle der Wehrmacht wurde bekanntlich erst Jahrzehnte später dokumentiert - andererseits verwendete Weidenmann die selben filmischen Mittel, um die Tragik des Geschehens nicht weniger deutlich herauszuarbeiten.

Der zuerst locker abenteuerliche Charakter des Films wandelt sich zunehmend in Richtung eines Melodramas. Mit dem Auftreten von Brigitte (Marianne Koch), die als Lehrerein Marseilles Rede vor den Schülern mit anhörte, beginnt eine tragische Liebesgeschichte, die die militärischen Aktionen in den Hintergrund drängt. Sowohl Brigittes Bitte an ihren Geliebten, zu desertieren, der Marseille keineswegs vehement widerspricht, als auch ihre körperliche Liebe in Italien als unverheiratetes junges Paar, sind reine Fantasie, aber diese Szenen verfehlen ihre Wirkung nicht. Es mag eine unrealistische Idealisierung des echten Hans-Joachim Marseille sein, aber der Protagonist in Weidenmanns Film will weder weiter kämpfen, noch irgendwelche Orden erringen, sondern mit seiner Brigitte ein glückliches Leben führen. Dass er doch wieder zu seiner Einheit zurückkehrt, ist dem plötzlichen Auftreten seines besten Freundes Robert zu verdanken, der ihn mit gemessenen Worten an seine Verantwortung erinnert, eine erneute Rechtfertigung der Wehrmachtssoldaten.

Der Vorwurf einer verharmlosend bis verlogenen Darstellung der historischen Ereignisse ist gerechtfertigt, sollte aber im Zusammenhang mit dem Zeitgeist Mitte der 50er Jahre betrachtet werden. Die inszenatorischen Mittel, die den Film weniger als Biographie, denn als reinen Unterhaltungsfilm ausweisen, wendete Weidenmann gleichwertig an, So attraktiv „Der Stern von Afrika“ vom Kameradschaftsleben im afrikanischen Wüstensand erzählt – dabei historische Fakten auf ein Minimum reduzierend – so bewegend gelingt die Liebesgeschichte zwischen Brigitte und Hans-Joachim, deren Ende weder Hurra-Patriotismus, noch Soldatenherrlichkeit vermittelt. Der Tod des 23jährigen Mannes wird von Weidenmann als sinnloses Opfer inszeniert und das letzte eindrucksvolle Bild gilt der jungen Frau, wie sie weinend auf ihrem Pult zusammenbricht, während der Knabenchor verstummt.

"Der Stern von Afrika" Deutschland 1957, Regie: Alfred Weidenmann, Drehbuch: Herbert Reinecker, Udo Wolter, Darsteller : Joachim Hansen, Marianne Koch, Hansjörg Felmy, Horst Frank, Peer Schmidt, Siegfried SchürenbergLaufzeit : 99 Minuten 

weitere im Blog besprochene Filme von Alfred Weidenmann: 

"Junge Adler" (1944)
"Weg in die Freiheit" (1952)

Sonntag, 18. August 2013

Herrliche Zeiten im Spessart (1967) Kurt Hoffmann

Inhalt: Nachdem die fünf zum Mond geschossenen Gespenster und früheren Räuber Onkel Max (Rudolf Rhomberg), Hugo (Joachim Teege), Toni (Hans Richter), Roland (Klaus Schwarzkopf) und Kathrin (Kathrin Ackermann) nach jahrelangem Aufenthalt im All endlich den technischen Defekt an ihrer Rakete beseitigen konnten, landen sie ausgerechnet auf dem Dach des Hotels von Annelieses Vater Konsul Mümmelmann (Willi Millowitsch). Anneliese (Liselotte Pulver) erinnert sie an die Comtesse Franziska, der sie schon mehrfach in der Vergangenheit geholfen hatten, weshalb sie ihr sofort ihre Unterstützung anbieten.

Ihr ist ihr us-amerikanischer Bräutigam Frank Green (Harald Leipnitz) am Tag der Hochzeit abhanden gekommen, weshalb diese zu platzen droht. Obwohl er aus dem Militärdienst austreten wollte, wurde er von General Teckel (Hubert von Meyerinck) dazu verpflichtet, an einer Abhöraktion teilzunehmen. Die fünf ehemaligen Räuber schlagen vor, ihn mit ihrer Rakete noch rechtzeitig zu holen, weshalb sie gemeinsam mit Anneliese starten. Doch sie beherrschen die Technik nach wie vor nicht richtig, weshalb sie anstatt an dem Militärbunker im tiefen Mittelalter landen…


Regisseur Kurt Hoffmann drehte 1971, obwohl selbst erst 60 Jahre alt, mit "Der Kapitän" seinen letzten Kinofilm - nur noch einmal sollte er 1976 eine Arbeit für das Fernsehen abliefern, einem Medium, an dem er sich nicht weiter interessiert zeigte. Sein Ruf als innovativer Spezialist für gehobene Unterhaltungsfilme hatte in den 60er Jahren zunehmend gelitten, obwohl seine Filme an der Kinokasse nach wie vor erfolgreich liefen. Die Verfilmungen der Tucholsky-Romane "Schloss Gripsholm" (1963) und "Rheinsberg" (1967) waren sehr populär, dazu brachte er mit "Dr.Hiob Prätorius" (1965) und "Hokuspokus" (1966) zwei Curt-Götz-Stücke erneut auf die Leinwand - jeweils mit seinen zwei bevorzugten Darstellern Heinz Rühmann und Liselotte Pulver in den Hauptrollen - , die beide für ihre hohen Zuschauerzahlen ausgezeichnet wurden. Einen Erfolg, den er auch bei der Umsetzung des damals aktuellen und erfolgreichen Romans "Morgens um Sieben ist die Welt noch in Ordnung" (1968) von Eric Malpass wiederholte.

Trotzdem galt Hoffmann bei der Filmkritik als altmodisch, da sich sein gediegener Unterhaltungs-Stil seit den 50er Jahren nur wenig verändert hatte. Eine Ausnahme in seinem Oevre bildeten neben "Wir Wunderkinder" (1958) die Spessart-Filme "Das Wirtshaus im Spessart" (1958) und "Das Spukschloss im Spessart" (1960), die als musikalisch-kabarettistische Nummern-Revuen ein wenig über die Stränge schlagen durften und Seitenhiebe auf die gesellschaftlich-politischen Entwicklungen in der Bundesrepublik austeilten. Dass Kurt Hoffmann gemeinsam mit Drehbuchautor Günter Neumann erneut zu der Spessart-Thematik griff, um mit "Herrliche Zeiten im Spessart" sieben Jahre nach dem zweiten Teil wieder die Räuber auf die Gegenwart loszulassen, kann nur als Versuch gewertet werden, sich inhaltlich und inszenatorisch den späten 60er Jahren zu nähern. Der Unterschied zum Vorgängerfilm "Das Spukschloss im Spessart" fiel entsprechend groß aus, nicht nur weil der Gesangsanteil auf ein Minimum reduziert wurde. Atmete die bundesrepublikanische Gegenwart damals noch den Zeitgeist der 50er Jahre, herrschte in "Herrliche Zeiten im Spessart" die Modernität der kommenden 70er Jahre - eklatant zeigt sich daran der gesellschaftliche Umbruch in den 60er Jahren.

Kein altes Wirtshaus oder ein verwunschenes Schloss bildeten mehr den Hintergrund, sondern ein moderner Hotelbau, der von Konsul Mümmelmann (Willy Millowitsch), Annelieses (Lieselotte Pulver) Vater, geleitet wird. Auch Liselotte Pulver, die hier mit Ende 30 einen ihrer letzten Kinoauftritte (und den letzten von zehn Filmen unter Kurt Hoffmann) absolvierte, bevor sie begann, hauptsächlich für das Fernsehen zu arbeiten, wirkte weniger mädchenhaft als in den Vorgängerfilmen, auch wenn ihre geplante Hochzeit mit dem US-Amerikaner Frank Green (Harald Leipnitz) den Rahmen für die episodenhafte Story abgibt. Dieser war auf Wunsch von Anneliese aus dem Militärdienst ausgeschieden, hatte aber die Rechnung ohne General Teckel (Hubert von Meyerinck) gemacht, womit die neben Liselotte Pulver zweite wesentliche Konstante der Spessart-Trilogie benannt ist. Während von Meyerinck, nach seiner Beamtenrolle in „Das Spukschloss im Spessart“, wieder in seine angestammte Rolle als fanatischer Militär schlüpfte, der Green zu sich beordert, womit er die Hochzeit gefährdet, konnte Liselotte Pulver nicht mehr die Rolle der Comtesse aus den zwei ersten Filmen annehmen, da sie diese in der Gegenwart von 1960 schon verkörpert hatte.

Trotzdem kommt es schnell zu der Widerbegegnung mit den fünf Räubern, die am Ende von „Das Spukschloss im Spessart“ als Gespenster zum Mond geschossen wurden. Auf Grund eines technischen Defekts mussten sie jahrelang im All verweilen, bis sie nach der Reparatur der Rakete ausgerechnet auf dem Hoteldach landen. Nur Hans Richter spielte erneut einen der fünf Räuber aus dem Vorgängerfilm, die ihr Gespensterdasein inzwischen wieder aufgegeben hatten. Aber um Logik musste sich das Drehbuch auch nicht kümmern, das die Rahmenhandlung nur dazu nutzte, die Protagonisten per Rakete durch die Zeit reisen zu lassen, um sie von der Vergangenheit bis in die Zukunft unterschiedliche Abenteuer erleben zu lassen, wo sie jedes Mal Hubert von Meyerinck als Militär und Harald Leipnitz als verhindertem Liebhaber begegnen sollten. Im Gegensatz zu „Das Spukschloss im Spessart“, das auch nur über einen rudimentären Handlungsfaden verfügte, ist diese filmische Anlage konsequenter, da der Episodencharakter klar herausgearbeitet wird.

Zudem gaben die von klamaukhaft bis komisch qualitativ sehr unterschiedlich angelegten Einzelstorys Kurt Hoffmann die Gelegenheit eine Vielzahl junger Schönheiten in erotischen Rollen auftreten zu lassen - Hannelore Elsner, Vivi Bach oder Gila von Weitershausen zeigten sich zwar leicht geschürzt, aber für barbusige Momente wurde trotzdem schon gesorgt, womit Hoffmann auf der Höhe der damals beginnenden „Nackt-Welle“ im Film angekommen war. Das galt allerdings weniger für die Satire, die sich ähnlich wie in den beiden ersten „Spessart“- Filmen von der harmlosen Seite zeigte. Galten die Anspielungen dort hauptsächlich damaligen bundesdeutschen Eigenheiten, ist die Thematik in „Herrliche Zeiten im Spessart“ zeitloser. Wie ein roter Faden spinnt sich die Kritik an militärischem Gehabe und dem menschlichen Drang, Konflikte auf dem Schlachtfeld auszutragen, durch die Rahmenhandlung und die jeweiligen Episoden – dabei auch geschickt die verbreitete Eigenart ironisierend, kriegerische Absichten in eine friedvolle Sprache zu kleiden – kommt dabei aber über einen konservativ geprägten Konsens nicht hinaus, der angesichts der heftigen Auseinandersetzungen um den sich parallel zuspitzenden Vietnam-Krieg nichts riskierte.

Sieht man von dieser sanft geäußerten Kritik am Militarismus einmal ab, bleibt eine Komödie zurück, die nur wenig aus dem deutschen Komödienallerlei der späten 60er/frühen 70er Jahre heraustrat, die mehr den deftigen als den filigranen Humor pflegten, wie er viele Filme Kurt Hoffmanns zuvor auszeichnete. Von dessen eleganten Stil ist hier nur noch wenig geblieben, weshalb es konsequent war, unter den geforderten Produktionsbedingungen nicht mehr weiter als Regisseur zu arbeiten. „Herrliche Zeiten im Spessart“ wurde kein schlechter Film, ist aber weder von eigenständigem, modernen Zuschnitt, noch verfügte er über die damals als altmodisch bezeichneten Qualitäten Hoffmanns, denen einige sehr gute Filme der Nachkriegszeit zu verdanken sind.

"Herrliche Zeiten im Spessart" Deutschland 1967, Regie: Kurt Hoffmann, Drehbuch: Günter Neumann, Darsteller : Liselotte Pulver, Harald Leipnitz, Hannelore Elsner, Vivi Bach, Rudolf Rhomberg, Hubert von Meyerinck, Hans Richter, Laufzeit : 104 Minuten

weitere im Blog besprochene Filme von Kurt Hoffmann:
"Drei Männer im Schnee" (1955)
"Heute heiratet mein Mann" (1956)
"Das Wirtshaus im Spessart" (1958)
"Wir Wunderkinder" (1958)
"Das Spukschloss im Spessart" (1960)
"Schloss Gripsholm" (1963)

Samstag, 17. August 2013

Das Spukschloss im Spessart (1960) Kurt Hoffmann

Inhalt: Die fünf Räuber Onkel Max (Georg Thomalla), Hugo (Curt Bois), Jockel (Hans Richter), Toni (Paul Esser) und als einzige Frau Katrin (Hanne Wieder) sollen unter der Aufsicht von Von Teckel (Hubert von Meyerinck) hingerichtet werden, aber dem Volk ist diese Strafe nicht hart genüg. Sie fordern, die Fünf in dem alten Wirtshaus im Spessartwald einzumauern, damit sie dort elendig verhungern. Von Teckel ist einverstanden und sperrt sie scheinbar für immer hinter einer Mauer ein, aber er konnte nicht mit den intensiven Arbeiten am Ausbau des Autobahnnetzes in der jungen Bundesrepublik Deutschland rechnen, denen Jahrhunderte später das Wirtshaus zum Opfer fiel. Inzwischen zu Gespenstern geworden, wollen sie sich eine neue Bleibe suchen, weshalb sie sich an das Schloss der Comtesse Franziska von Sandau erinnern, das in der Nähe gelegen ist.

Dort lebt inzwischen deren Nachfahre Charlotte (Liselotte Pulver), die nicht nur das alte Gemäuer von ihrem Vater geerbt hatte, sondern auch dessen Schulden. Deshalb steht ihr das Wasser bis zum Hals und die Pfändung des Schlosses kurz bevor. Die Ankunft der Gespenster erzeugt des nachts seltsame Vorkommnisse im Schloss, weshalb sie und ihre Tante Yvonne (Elsa Wagner) froh sind, als mit Martin „Dings“ (Heinz Baumann) ein junger Mann vor der Tür steht, der behauptet, in der Nähe einen Unfall gehabt zu haben, weshalb er um eine Unterkunft für eine Nacht bittet. Sie ahnen noch nicht, dass sein Besuch geplant war, aber die Gespenster, die sich Charlotte als ihre Freunde vorstellen, erweisen sich bald als hilfreiche Gesellen…


Nach dem großen Erfolg mit "Das Wirtshaus im Spessart" (1958), der seine kabarettistischen Seitenhiebe auf die Bundesrepublik Deutschland mit einer komödiantischen Geschichte aus alten Räuber-Zeiten und viel Musik verband, ließ Regisseur Kurt Hoffmann mit "Wir Wunderkinder" (1958) einen Film folgen, der seine Kritik unmittelbarer und vor einem ernsthafteren Hintergrund formulierte. Zu verdanken waren die respektlosen Anspielungen auf die "Wirtschaftswunderjahre" in beiden Filmen dem Duo Wolfgang Neuss / Wolfgang Müller, das besonders in "Wir Wunderkinder" zu Hochform auflief. Nach einigen weiteren Filmen des viel beschäftigten Regisseurs (unter anderen "Das schöne Abenteuer" (1959), ebenfalls mit Liselotte Pulver), die an den Kinokassen deutlich schwächer abschnitten und heute nahezu unbekannt sind, griff Hoffmann bei "Das Spukschloss im Spessart" erneut auf die alte Erfolgsformel zurück.

Zwar waren außer Hauptdarstellerin Liselotte Pulver, Hans Clarin, Hubert von Meyrinck in seiner ewigen Rolle als preußischer Kommiskopp (auch wenn er hier einen Bonner Staatsbeamten mimt) und Paul Esser Niemand der früheren Besetzung aus "Das Wirtshaus im Spessart" wieder mit an Bord, aber mit Hanne Wieder, Curt Bois, Hans Richter und Georg Thomalla wurde geeigneter Ersatz gefunden. Allerdings nicht für Wolfgang Neuss und Wolfgang Müller, nach dessen Unfall-Tod auch auf Neuss verzichtet wurde - ein herber Verlust, der sich deutlich in der Qualität der ironischen Anspielungen niederschlägt, die in „Das Spukschloss im Spessart“ gröber und weniger wirkungsvoll ausfielen, obwohl die Handlung diesmal in der Gegenwart spielte - zeitweise sogar unmittelbar in Bonn am Rhein, der damaligen Hauptstadt der BRD.

Um einen Zusammenhang zum ersten Film herzustellen, transferierten die Drehbuchautoren Heinz Pauck und Günter Neumann fünf der Räuber aus dem Spessartwald in die Gegenwart, wo sie diesmal als Geister ihr Unwesen treiben sollten. Der Film beginnt noch in der Vergangenheit, wo die Räuber statt am Strang zu enden, im titelgebenden Wirtshaus eingemauert werden, um sie dort qualvoller sterben zu lassen - Initiator dieses Vorgangs ist natürlich Hubert von Meyerinck als zackiger Offizier. Doch ein paar Jahrhunderte später, als das Wirtshaus einer Autobahntrasse weichen muss, kommen die Fünf wieder frei, die als Gespenster "überlebt" haben. Sie erinnern sich an das Schloss der Comtesse Franziska von Sandau, die in Teil 1 am Ende den Räuberhauptmann heiratete, und freuen sich, sie dort wieder zu sehen. Tatsächlich handelt es sich um deren Ur-Urenkelin Charlotte (Liselotte Pulver), die sie ebenfalls sofort in ihr Herz schließen, womit sich der Kreis zwischen den beiden Filmen schließt.

Auch in „Das Spukschloss im Spessart“ sind es wieder die Räuber, die für die respektlosen Sprüche und Anspielungen zuständig sind und sich nicht an die damals gängigen Moralvorstellungen halten mussten. Hanne Wieder darf deshalb eine hemmungslos promiskuitiv handelnde Schöne mimen, die vor allem im Duett mit Prinz Kalaka, den Hans Clarin als hektischen, sexgeilen Trottel gibt, ihre Reize einzusetzen weiß. Besonders an dieser Konstellation wird der stark angestaubte Charakter des Films sichtbar. Clarins zwar nicht unsympathische, aber klischeehafte Verkörperung eines reichen Scheichs, der nach Deutschland kommt, um die Finanzierung einer Talsperre zu übernehmen, lässt kaum ein Vorurteil aus, so wie Hanne Wieders Darstellung einer selbstbewusst erotisch auftretenden Frau keine emanzipatorische Züge trägt, da ihr nur als Räuberin aus dem Mittelalter ein solches Benehmen zugestanden wurde. Liselotte Pulver, die in „Das Wirtshaus im Spessart“ noch überzeugend in einer „Hosenrolle“ auftrat, verkörpert hier dagegen nicht nur Bravheit und Anstand pur, sondern wird in eine Liebesgeschichte mit dem jungen Martin Hartog (Heinz Baumann) verwickelt, die bemüht und konstruiert wirkt.

Deutlich wird daran auch, wie wenig „Das Spukschloss im Spessart“ letztlich riskierte. Für die wenigen konkreten Anspielungen – etwa wenn sich hinter dem Putz des Bonner Gerichtsgebäudes noch ein Hakenkreuz befindet, oder Hanne Wieder gegenüber Prinz Kalaka andeutet, es gäbe noch viel „Braune“ in Deutschland – sind ausschließlich die „Gespenster“ zuständig und als Karikatur auf den Bonner Beamten muss wie gewohnt einzig Hubert von Meyerinck herhalten. Dagegen wird das Potential um die Versteigerung des Schlosses der Comtesse - ein häufig gewähltes Motiv dieser Phase, siehe „Das Schloss in Tirol“ (1957) oder „Die Mädels vom Immenhof“ (1955) - verschenkt. Kaum hat Martin Hartog die bezaubernde Comtesse kennen gelernt, hat er seine ursprüngliche Intention, ihr Schloss unter einem Vorwand zu besuchen, um die Umbaumaßnahmen zu planen, schon vergessen. Er handelte im Auftrag seines Vaters, dessen Unternehmen Charlotte 100.000 Mark schuldet, weshalb die Pfändung kurz bevor steht. Eventuelle Seitenhiebe auf einen rücksichtslosen Kapitalismus wagte der Film natürlich nicht, denn nachdem sich Martin mit seinem Vater kurz entzweite, erweist sich dieser wenig später ebenfalls als anständiger Charakter, der Charlotte ihr Schloss nicht wegnehmen will. Als sich dann auch noch ein blöder US-Amerikaner findet, der 100.000 Mark für die fünf Gespenster bezahlt, um sie mit einer Rakete zum Mond zu schießen, ist nicht nur diese Schuld getilgt, sondern stellt sich auch die Frage, warum der Film nicht gleich mit hinauf geschossen wurde?

„Das Spukschloss im Spessart“, das sich selbst „Grusical“ nennt, da der Anteil an Gesangseinlagen gegenüber „Das Wirtshaus im Spessart“ deutlich gesteigert wurde, bedarf eines sehr nostalgischen Blicks, um sich an dem nur in seltenen Momenten ironischen, meist albernen und klischeehaften Treiben zu erfreuen – einzig die Tricks um die Gespenster können noch atmosphärisch überzeugen. Besonders Liselotte Pulver, deren erfrischendes Spiel immer auch selbstbewusste, emanzipatorische Züge trug, ist hier als nettes Mädel zu einseitig charakterisiert, während Heinz Baumann viel zu blass agiert, um nur einen Moment lang den knallharten Geschäftsmann zu verkörpern. Der Spagat zwischen kritisch-ironischen Anspielungen und einer unterhaltenden Komödie, der in „Das Wirtshaus im Spessart“ noch zeitweise gelang, wird in „Das Spukschloss im Spessart“ zu sehr an die Gespenster-Effekte und dem krampfhaften Bemühen, die Story im letzten Drittel noch nach Bonn zu versetzen, verschenkt, weshalb der Film den Eindruck eines Sammelsuriums hinterlässt, dessen Einzelteile nicht überzeugen können.

"Das Spukschloss im Spessart" Deutschland 1960, Regie: Kurt Hoffmann, Drehbuch: Günter Neumann, Heinz Pauck, Darsteller : Liselotte Pulver, Heinz Baumann, Georg Thomalla, Hanne Wieder, Hans Clarin, Hubert von Meyerinck, Hans Richter, Laufzeit : 97 Minuten

weitere im Blog besprochene Filme von Kurt Hoffmann:
"Drei Männer im Schnee" (1955)
"Heute heiratet mein Mann" (1956)
"Das Wirtshaus im Spessart" (1958)
"Wir Wunderkinder" (1958)
"Schloss Gripsholm" (1963)
"Herrliche Zeiten im Spessart" (1967)

Mittwoch, 14. August 2013

Die Zürcher Verlobung (1957) Helmut Käutner

Inhalt: Die bisher wenig erfolgreiche Schriftstellerin Juliane Thomas (Lieselotte Pulver) beendet enttäuscht die Beziehung mit ihrem untreuen Freund Jürgen Kolbe (Wolfgang Lukschy) und fährt nach Berlin zu ihrem Onkel Dr.Julius Weyer (Werner Finck), einem Zahnarzt, um die Angelegenheit zu verdauen. Damit sie auf andere Gedanken kommt, dient sie sich als Zahnarzthelferin an, zeigt dabei aber nur wenig Engagement. Das ändert sich, als mit Dr. Jean Berner (Paul Hubschmid) ein attraktiver Mann im Wartezimmer erscheint, der seinen Freund Paul Frank (Bernhard Wicki) begleitet, den die Zahnschmerzen zum Arzt trieben. Obwohl schon mit Alkohol beruhigt, erweist sich Frank wenig souverän im Patientenstuhl, während dessen Freund Ruhe und Gelassenheit ausstrahlt, weshalb sich Juliane Hals über Kopf in ihn verliebt.

Wieder zu Hause in Hamburg, nimmt sie dieses Erlebnis zum Anlass, ein Drehbuch zu schreiben. Den ungehobelten Paul Frank nennt sie darin „Büffel“ und aus ihrer Begegnung mit Dr. Berner lässt sie eine Liebesgeschichte entstehen - selbstverständlich mit Happy-End. Zu ihrer Überraschung wird ihr Drehbuch angenommen und sie soll bei dem Regisseur vorsprechen, bei dem es sich ausgerechnet um den besagten „Büffel“ handelt…


"Die Zürcher Verlobung" gehört zu den unverwüstlichen Komödien des Fernsehzeitalters, die meist an irgendwelchen Sonntagnachmittagen wiederholt werden, was der Reputation nicht unbedingt dienlich war. Dabei drehte Regisseur Helmut Käutner nach seinem Erfolg mit der Zuckmayer-Verfilmung „Der Hauptmann von Köpenick“ (1956) im Jahr darauf neben „Monpti“ noch eine zweite Komödie, die neben ihrem intelligenten, charmanten und witzigen Drehbuch nach dem Roman von Barbara Noack noch eine weitere, Mitte der 50er Jahre im deutschen Film, seltene Eigenschaft aufwies – sie befand sich auf der Höhe der Zeit, oder genauer, war ihr vielleicht sogar ein wenig voraus. Selten beschäftigte sich ein humorvoll angelegter Film dieser Phase so unmittelbar mit der bundesrepublikanischen Gegenwart und wurde zudem von Käutner, obwohl die Handlung unter Filmprominenz und Besserverdienenden angelegt ist, gleichzeitig selbstironisch und ohne kitschige Peinlichkeiten inszeniert.

Neben Liselotte Pulver, die zwischen den Kurt Hoffmann Filmen „Heute heiratet mein Mann“ (1956) und „Die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“ (1957) erstmals mit Helmut Käutner zusammen arbeitete, wählte er nicht zufällig Bernhard Wicki für die Rolle des Regisseurs Paul Frank aus, dessen im Film vertretene Meinung viel über Käutners eigene Haltung verrät. Wicki hatte nicht nur in „Die letzte Brücke“ (1954) unter ihm seine erste Hauptrolle gespielt, er ging noch im selben Jahr bei den Dreharbeiten zu „Monpti“ als Assistent bei ihm in die Lehre, bevor er selbst mit „Die Brücke“ (1959) als Regisseur reüssierte – entsprechend viel Persönliches wird in „Zürcher Verlobung“ spürbar, von Käutner noch auf die Spitze getrieben, indem er selbst in einem Cameo-Auftritt als Journalist äußert, er fände es nicht gut, wenn ein Regisseur in seinem eigenen Film mitspielt. Auch Sonja Ziemann tritt als sie selbst auf und spielt darin mit ihrem Image, nicht die talentierteste zu sein.

Dieser hintergründige, selbstironische Humor zeichnet den gesamten Film aus, der nach außen hin eine scheinbar normale Liebesgeschichte erzählt. Im Mittelpunkt steht Juliane Thomas (Liselotte Pulver), die in einem großen 50er Jahre - Wohnblock in Hamburg lebt. Zu Beginn sieht man sie enttäuscht Reliquien einer vergangenen Liebes-Affäre verbrennen, um dann - um Abstand zu gewinnen - nach Berlin zu ihrem Onkel, dem Zahnarzt Dr.Julius Weyer (Werner Finck), zu fahren, der sie mit den freundlichen Worten empfängt, wann endlich eine ihrer Beziehungen klappt und sie einen ordentlichen Job findet. Finck wiederholte damit seine Rolle als Zahnarzt in „Heute heiratet mein Mann“, in dem Liselotte Pulver ebenfalls eine selbstbewusste, junge Frau spielte, allerdings noch nicht mit der Konsequenz wie in „Die Zürcher Verlobung“. Die Szene, in der sich Lieselotte Pulver in knappem Negligé über ihren ins Nebenzimmer ausgelagerten Ex (Wolfgang Lukschy) beugt, um die Schallplatte auszumachen, während er versucht, sie zu sich ins Bett zu ziehen, erzählt eine andere Geschichte als im konservativ geprägten Heimatfilm oder moralisch genormten Komödien dieser Zeit – Sex vor der Ehe ist hier genauso selbstverständlich wie unsichere Arbeitsverhältnisse.

Ihre Erlebnisse als Zahnarzthelferin bei ihrem Onkel, hatte die selbstbewusste Juliane in einem Drehbuch umgesetzt, welches sie an diverse Produktionsgesellschaften geschickt hatte. Im Mittelpunkt ihrer Story stehen zwei Männer – Einer, den sie "Büffel" nennt, da er einen besonders unfreundlichen und gleichzeitig feigen Eindruck hinterließ, als er auf denkbar unvorteilhafteste Weise auf dem Zahnarztstuhl randalierte, und im Gegensatz dazu, dessen Freund und Begleiter Dr. Jean Berner (Paul Hubschmid), einem attraktiven Schweizer Arzt, in den sich die junge Frau sofort verliebt, weshalb sie aus dieser Begegnung eine romantische Liebesgeschichte entwickelte. Ihre Freude, als ihr Drehbuch angenommen wird, ist zuerst sehr groß, trübt sich aber, als sie sich bei dem Regisseur des geplanten Films vorstellt, bei dem es sich um Niemand Anderen als den von ihr beschriebenen "Büffel" handelt. Paul Frank (Bernhard Wicki), der sich gut getroffen findet, gefällt das Drehbuch gerade deshalb, hält aber die Liebesgeschichte für unrealistisch und kitschig – besonders das typische Happy-End lehnt er ab.

Von ihm darauf angesprochen, ob sie selbst in seinen Freund verliebt wäre, widerspricht Juliane diesem Verdacht und erfindet in ihrer Erklärungsnot einen anderen Mann, mit dem sie sich demnächst in Zürich verloben würde. Die Titel gebende „Zürcher Verlobung" ist entsprechend eine Fälschung, die der Film zum Anlass für eine Vielzahl an Diskussionen nimmt, die bis heute aktuell geblieben sind. Allein die Frage, ob sich die Story nach dem Willen des Publikums richten soll oder künstlerische Gesichtspunkte wichtiger sind, wird wiederholt aufgeworfen. Beide Haltungen gelten nicht als vereinbar und geben die unterschiedlichen Herangehensweisen an einen Film wider – während der Produzent von Julianes Liebesgeschichte sehr angetan ist und schon die Begeisterung des Publikums vor Augen hat, lässt Regisseur Paul Frank ständig das Drehbuch ändern, um die Story authentischer und realistischer werden zu lassen.

Trotz dieser Thematik blieb Käutner in „Die Zürcher Verlobung" schwerelos und siedelte die Handlung, deren Liebesgeschichte sich unerwartet und untypisch entwickelt, vor den verschneiten Berge um St.Moritz an. Und bewies damit, dass auch deutsche Komödien der 50er Jahre geistreich, witzig und modern wirken konnten.

"Die Zürcher Verlobung" Deutschland 1944, Regie: Helmut Käutner, Drehbuch: Helmut Käutner, Heinz Pauck, Barbara Noack (Roman), Darsteller : Liselotte Pulver, Bernhard Wicki, Paul Hubschmid, Rudolf Platte, Wolfgang Lukschy, Werner Finck, Maria Sebaldt, Sonja Ziemann, Laufzeit : 103 Minuten

weitere im Blog besprochene Filme von Helmut Käutner:

Montag, 12. August 2013

Playgirl (1966) Will Tremper

Inhalt: Alexandra Borowski (Eva Renzi) ist ein sehr hübsches Model, das ihre große Attraktivität beim männlichen Geschlecht auch privat nutzt. Gewohnt begehrt zu werden, verfügt sie über eine Vielzahl von Bewunderern, deren Einfluss ihre Karriere fördern soll.

Als sie beruflich nach Berlin kommt, weiß sie schon genau, an wen sie sich richten muss - an den Baulöwen Steigewald (Paul Hubschmied), mit dem sie früher eine Affäre hatte. Dieser scheint aber wenig begeistert zu sein, weshalb er selbst nie erreichbar ist, sondern jedes Mal seinen Mitarbeiter Siegbert Lahner (Harald Leibniz) vorschickt. Dieser verliebt sich sofort in Alexandra und auch sie verliert langsam die Kontrolle über ihre eigene Vorgehensweise...


Will Tremper gehörte zu den wenigen deutschen Drehbuchautoren und Regisseuren, die schon in den 50er Jahren Genre-Beiträge zu kontroversen Themen schrieben und später auch drehten, was damals für erhebliches Aufsehen sorgte. Als Autor war er erstmals an „Die Halbstarken“ (1956) beteiligt, einem Film über die angeblichen Gefahren durch die aufbegehrende Jugend während der Rock’n Roll-Ära, gefolgt von einer Zusammenarbeit mit Regisseur Frank Wisbar in „Nasser Asphalt“ (1958) über den Sensations-Journalismus. Seine erste Regie, der nur noch vier weitere bis 1970 („Mir hat es immer Spaß gemacht“) folgen sollten, führte er in „Flucht nach Berlin“ (1961). Sein vorletzter Film „Playgirl“ provozierte 1966 das „vor  68er Deutschland“ mit einer Thematik, die heute nicht weniger zeitgemäß ist, weshalb es überrascht, dass Will Tremper und seine Filme inzwischen fast unbekannt sind.

Einer der Gründe dafür lag in Trempers unverhohlener Nähe zum Trivialen. Seine Filme analysierten das damalige Deutschland weder intellektuell, noch begab er sich auf das Feld des harmlosen Kabaretts wie in „Herrliche Zeiten im Spessart“ (1967), sondern er dokumentierte die damalige Gegenwart an Hand von Autos, Klamotten, Hits und Prominenten und lässt die Menschen sprechen, wie ihnen das Maul gewachsen ist, was dem Film eine erfrischende Vulgarität verleiht. Politische Ereignisse spielten für das entsprechende Zeitgefühl dagegen nur eine untergeordnete Rolle, was „Playgirl“ authentisch wirken lässt, obwohl die Story unter den so genannten „Schönen und Reichen“ spielt – und denen, die dazu gehören wollen.

Zwar kommt Alexandra Borowski (Eva Renzi) das erste Mal nach Berlin, aber sie ist schon länger ein erfolgreiches Fotomodell und hat viele Kontakte. In Berlin will sie den reichen Baulöwen Joachim Steigewald (Paul Hubschmied) wieder treffen, mit dem sie früher eine Affäre hatte. Doch der lässt sie von seinem Mitarbeiter Siegbert Lahner (Harald Leibniz) mit der vorgeschobenen Behauptung abfangen, er wäre auf Dienstreise. Stattdessen kümmert sich Lahner persönlich um die schöne Alexandra und verliebt sich natürlich prompt in sie.

Die Story selbst spielt kaum eine Rolle, sie verläuft linear ohne besondere Überraschungen oder Nebenhandlungen – es ging Tremper vor allem um den nahezu dokumentarischen Charakter seines Films. Sämtliche Darsteller agieren realistisch - besonders Eva Renzi ist nicht nur sehr hübsch, so dass man ihr den Beruf als Model abnimmt, sondern in ihrer Art so reizend, dass die Reaktionen der Männer nachvollziehbar sind. Auch Harald Leibniz wirkt als Möchtegern - Lebemann mit Jaguar, der eine hübsche Verlobte hat, parallel mit Alexandra flirtet und nebenbei noch mit seiner Sekretärin schläft, gleichzeitig überzeugend und bieder. Solche Rollen werden häufig klischeehaft oder betont satirisch angelegt, aber Will Tremper meinte es ernst mit seinen Figuren und ließ keinen Zweifel an deren realistischer Charakterisierung Mitte der 60er Jahre.

Deutschland befand sich damals in einem gesellschaftlichen Umbruch – die Vorboten der Moderne sind in Trempers Film genauso gegenwärtig, wie das reaktionäre Denken der Vergangenheit. Wenn Siegbert „Ich mag keine Neger, denn sie nehmen uns die Frauen weg“ sagt, dann wird er zwar von Alexandra sanft dafür getadelt, aber danach gehen sie schnell wieder zur Tagesordnung über. Rockmusik oder eine neue politisch gefärbte kritische Denkweise hatten noch keinen Einzug in das allgemeine Bewusstsein gehalten, auch nicht in das der „nachtaktiven“ Menschen, die sich selbst für modern und unbürgerlich hielten. Siegbert führt Alexandra stolz in eine Jazz-Bar, in der Paul Kuhn mit Zigarette ein letztes Lied am Klavier gibt. Das ist für ihn der ultimative Ausdruck der Coolness. Alexandra verkörpert zwar schon optisch einen „neuen“ moralisch legeren Frauentyp, der sich promiskuitiv wie ein „Playgirl“ benimmt, mit verschiedenen Männern anbandelt und ins Bett geht, aber das entspringt keinem Selbstbewusstsein, sondern tiefer Unsicherheit und der Suche nach Liebe und Geborgenheit - die Männer können sie deshalb unwidersprochen als „verrückt“ bezeichnen.

Der gesamten Konstellation haftet nichts emanzipatorisches an, sondern sie zeigt im Gegenteil Frauen, die den Männern ständig Honig um den Bart schmieren („endlich mal ein großer Mann“), um deren Gunst zu erringen. Dazu gehörte auch, dass sie ihre eigene Intelligenz bewusst leugnen. Bei den jungen nach 1940 geborenen Menschen schien zudem das Geschichtsbewusstsein immer mehr nachzulassen, denn Tremper lässt mehrfach eine junge Frau fragen, was denn damals „mit dem Hitler oder so...“ gewesen wäre, womit sich der Regisseur auf ein vermintes Feld wagte. Sein abwechslungsreicher, unterhaltender, sehr authentischer Film zeigte die Deutschen Mitte der 60er Jahre ohne Schönfärberei und Idealismus, verzichtete aber auch auf Kritik oder einen intellektuellen Überbau, womit er Unterhaltungsfilm und Dokumentation geschickt vermischte. Doch es half nicht, dem Film die gerechtfertigte Seriösität zu verleihen – allein dass eine junge Frau hier wie ein „Playgirl“ agierte, genügte schon zur Provokation, ganz abgesehen von den vielen sehr genau getroffenen Verhaltensmustern der Deutschen, an denen sich bis heute nur wenig geändert hat.

"Playgirl" Deutschland 1966, Regie: Will Tremper, Drehbuch: Will Tremper, Darsteller : Eva Renzi, Paul Hubschmid, Harald Leipnitz, Umberto Orsini, Elga StassLaufzeit : 85 Minuten


weitere im Blog besprochene Filme von Will Tremper:

Mittwoch, 7. August 2013

Das Schloss in Tirol (1957) Géza von Radványi



Inhalt: Comtesse Resi (Erika Remberg) lebt mitten in den Bergen Tirols im malerischen Schloss ihrer Vorväter, aber ihr Glück ist getrübt. Die Gerichtsvollzieher bereiten unter der Aufsicht des Rechtsanwalts Dr.Altbauer (Richard Romanovsky) die Versteigerung des Inventars vor, da sie die laufenden Kosten nicht mehr bezahlen kann. Die Comtesse hatte versucht, dass Schloss zu vermieten, aber bisher hatte sich kein Interessent gemeldet. Bis plötzlich laut knatternd ein kleiner Hubschrauber neben dem Schloss landet, diesem der junge Ingenieur Thomas Stegmann (Karlheinz Böhm) entsteigt und gegenüber Resi, die gerade die Kuh melkt, um ein Gespräch mit der Hausherrin bittet. Er möchte das Schloss, samt Personal und Inventar, für ein paar Tage mieten, um einen reichen amerikanischen Geschäftsmann (Gustav Knuth) zu beeindrucken, mit dem er ein großes Geschäft plant. Als Comtesse will er diesem seine Verlobte Gloria (Christiane Nielsen) vorstellen, die er am nächsten Tag erwartet. 

Resi, die ihn in dem Glauben belässt, sie wäre nur das Hausmädchen, rügt ihn wegen dieser Mogelei, lässt aber auch deutlich werden, dass ein paar Tage Miete zu wenig sind. In seinem Überschwang verspricht Thomas Stegmann, dass Schloss ein ganzes Jahr zu mieten, sollte das Geschäft erfolgreich verlaufen, da er es sich dann leisten kann. Mit dieser Aussicht lassen sich auch die Gläubiger überreden, nicht nur die Frist etwas zu verlängern, sondern auch das Personal für den US-Amerikaner zu spielen…


Der Heimatfilm "Das Schloss in Tirol" entstand mit Karlheinz Böhm in der Hauptrolle zwischen dem zweiten und dritten Teil der "Sissi" -Trilogie, die ihn zu einem großen Kinostar werden ließ. Anders als sein ebenfalls 1957 gedrehter Abenteuerfilm "Blaue Jungs", setzte "Das Schloss in Tirol", der zwei Monate vor "Sissi - Schicksalsjahre einer Kaiserin" (1957) in die deutschen Kinos kam, auf eine verwandte Thematik um Adel, Liebe und ein wenig Dramatik, ist aber trotzdem fast vollständig in Vergessenheit geraten, obwohl die äußerlichen Zutaten stimmten. An der Seite von Karlheinz Böhm spielte Erika Remberg - die zuvor neben Adrian Hoven in "Kaiserjäger" (1956) und gemeinsam mit Böhm in "Ich war ein häßliches Mädchen" (1955) zu sehen war - die hübsche, junge Comtesse Resi, und bereicherten die erfahrenen und beliebten Darsteller Maria Andergast, Richard Romanovsky und Gustav Knuth - ebenfalls ein wichtiger Protagonist in der "Sissi"-Trilogie - die Besetzung.

Der später in der Fernsehserie "Hallo - Hotel Sacher...Portier" (1973 - 1976) und ab 1971 als Wiener Tatort Kommissar erfolgreiche Fritz Ekhardt schrieb das Drehbuch gemeinsam mit dem ungarischen Regisseur Géza von Radványi, der vor und nach dem 2.Weltkrieg schon mehrere Produktionen geleitet hatte, aber erst mit "Der Arzt von Stalingrad" (1958) und "Mädchen in Uniform" (1958) bekannt werden sollte. Interessant ist die Beteiligung der Wiener Schriftstellerin Gina Kaus am Drehbuch, die nach ihrer Flucht vor den Nationalsozialisten 1938 in Hollywood arbeitete, dabei unter anderen am Drehbuch zu "All I desire" (All meine Sehnsucht, 1953) von Douglas Sirk mitwirkte, und deren 1940 geschriebener Roman "Teufel nebenan" 1956 unter dem Titel "Teufel in Seide" in Deutschland verfilmt wurde. Mit Kurt Nachmann war zudem noch ein weiterer Autor am Drehbuch beteiligt, der für einige der in den 50er Jahren üblichen Adaptionen beliebter Vorkriegsfilme verantwortlich war - wie "Heimatland" (1955), "Der Kongress tanzt" (1955) oder "Wenn wir alle Engel wären" (1956).

Die Autoren versuchten das Kunststück, die populäre Adels-Thematik und typische Elemente des Heimatfilms - beeindruckende Bergpanoramen und traditionelles Brauchtum - mit der Wirtschaftswundergegenwart und moderner Technologie zu kombinieren. Einerseits leugneten sie mit der Figur der Comtesse Resi (Erika Remberg), die nach dem Tod ihres Vaters allein für das herrschaftliche Schloss verantwortlich ist, die Tatsache, dass in Österreich seit 1919 das Führen eines Adelstitels untersagt war, andererseits schickten sie mit dem Ingenieur Thomas Stegmann (Karlheinz Böhm) einen Konstrukteur in die friedlichen Berge, der mit seinem eigenen Hubschrauber herbei geflogen kommt. Doch statt die Gegensätze aufeinander prallen zu lassen, schwelgt der Film abwechselnd in Landschaftsbildern und Hubschrauber-Kunststückchen. Vielleicht sollten damit unterschiedliche optische Bedürfnisse befriedigt werden, stattdessen entstand der uneinheitliche Charakter einer Handlung, die modernes Business und gefühlige Romantik so verband, dass sie letztlich beiden Seiten nicht gerecht wurde.

Die ersten Minuten des Films sind noch viel versprechend, wenn der Ingenieur Stegmann auf eine junge Frau trifft, die sich nicht als Comtesse und damit als Schlossherrin offenbart, sondern ihn im Glauben belässt, sie wäre nur das Hausmädchen. Ihr lockerer Umgangston wirkt modern, sein Anliegen das Schloss ein paar Tage mieten zu wollen, um ein Geschäft abzuwickeln, ebenso nachvollziehbar, wie ihre finanziellen Probleme, weshalb der Gerichtsvollzieher schon vor der Tür steht - kein seltener Vorgang im Heimatfilm, wie die „Immenhof“ (1955) – Filme mit Heidi Brühl schon zeigten. Dass die weitere Handlung jede Schlüssigkeit verliert, liegt nicht an der gewohnt konstruierten Verwechslungsgeschichte, sondern an der unnötigen Kombination mit angeblich modernen Geschäftspraktiken. Schon dass Stegmann anbietet, dass Schloss gleich für ein Jahr anzumieten, wenn das Geschäft mit dem US-Amerikaner erfolgreich verläuft, widerspricht jeder seriösen Kostenkalkulation und soll nur das Schauspiel der Gläubiger in Gang setzen, die in der Hoffnung, doch noch an ihr Geld zu kommen, sich bereit erklären, das Schlosspersonal zu mimen.

Die gesamte Hintergrundstory um den Hubschrauber – welcher junge Ingenieur, der einen Finanzier sucht, kann sich schon ein solches, wenn auch abgespecktes Gerät leisten? – wirkt zunehmend lächerlich. Nicht nur, dass Karlheinz Böhm im gut sitzenden Anzug und mit akkuratem Scheitel in den Hubschrauber steigt als wäre es eine bequeme Luxuslimousine, und das es gegenüber den zufällig am Schloss vorbei gekommenen Herren der „Vereinigten Motorwerke“ am Ende genügt, wenn er kurz sein futuristisches Verkehrskonzept vorträgt, dass diese nach etwa zehn Minuten ihre Unterschrift unter einen Millionenvertrag setzen, auch der angeblich so knallharte US-Kapitalist Jack Hover (Gustav Knuth), für den der ganz Zirkus erst veranstaltet wird, erweist sich als deutschstämmiger Heimatliebender, der sich in Sophie (Maria Andersgast) verguckt und den es nicht stört, dass er gerade sein in Jahrzehnten verdientes Vermögen am Aktienmarkt verloren hat („so etwas kommt ja ständig vor“) – hauptsache er kann sich von seiner Lebensversicherung noch ein kleines Häuschen in den Tiroler Bergen leisten.

Der Kritik an dieser dümmlichen und vereinfachenden Darstellung von Business und Technik ließe sich entgegnen, dass auch die diversen Dramen im deutschen Heimatfilm kaum glaubwürdiger gestaltet wurden, aber das hieße das Publikum zu unterschätzen. Dass sich Gloria (Christiane Nielsen), die Verlobte von Klaus Stegmann, als eitles und ehrgeiziges Fotomodell erweist, damit sie ohne großes Federlesen entsorgt werden kann, um dem Traumpaar nicht im Wege zu stehen, gehörte zum guten Ton im Heimatfilm – auch wenn die Frage, warum der männliche Held eine solche Frau zuvor noch heiraten wollte, nie beantwortet wird – aber die knatternde Nebenstory um den Hubschrauber und angebliche Deals mit der Wirtschaft störten die zarte Liebesgeschichte innerhalb der schönen Tiroler Berglandschaft athmosphärisch und ließen keine romantischen Emotionen zu. Der gedankliche Ansatz, einen Heimatfilm mit einer Technikstory zu verbinden, in der ein Hubschrauber nicht nur die Pferdekutsche ersetzt, sondern auch den ersten Tanz absolviert (Stegmann fliegt mit Resi Kreisel zu Walzermusik), ist zwar originell, aber zu schwach und inkonsequent umgesetzt, um dem Film einen kompakten Gestus zu verleihen.

"Das Schloss in Tirol" Österreich 1957, Regie: Géza von Radványi, Drehbuch: Fritz Eckhardt, Gina Kaus, Kurt Nachmann, Géza von Radványi, Darsteller : Karlheinz Böhm, Erika Remberg, Gustav Knuth, Maria Andergast, Richard RomanovskyLaufzeit : 87 Minuten

weitere im Blog besprochene Filme von Géza von Radványi: