Mittwoch, 29. Januar 2014

Das verbotene Paradies (1958) Max Nosseck

Inhalt: „Das verbotene Paradies“ beginnt, begleitet vom Off-Kommentar Georg Thomallas, mit dokumentarischen Aufnahmen deutschen Badevergnügens und zeichnet die Entwicklung von hochgeschlossenen Badeanzügen und Geschlechtertrennung bis zum freizügigen Bikini nach. Doch damit nicht genug, denn auch die FKK-Bewegung wird in bunten Bildern wieder gegeben, die vor allem junge unbekleidete Frauen bei gymnastischen Übungen auf der Wiese, am Strand und im Wasser zeigen.

Ein Ruderboot mit fünf neugierigen älteren Insassen nähert sich vom See aus einem abseits gelegenen Camp mit jungen Leuten in Badebekleidung. Diese fühlen sich beobachtet, stürzen sich ins Wasser und kippen das Boot um, was eine Diskussion zwischen der Besitzerin der Ferienanlage, Margit Sund (Maly Delschaft), und dem Ehepaar Dettmann zur Folge hat. Herr Dettmann (Bruno Fritz) äußert sich empört darüber, dass der Ruf seiner Tochter Inge (Brigitte Olm), die sich im Camp aufhielt, darunter leidet und ist gegen deren Verbindung mit Margit Sunds Sohn Thomas (Siegfried Breuer Jr.). Erneut scheint eine Liebe an den moralischen Vorstellungen der Eltern zu scheitern, was Dr. Theo Krailing (Jan Hendriks), einem Jugendfreund Margit Sunds, dazu animiert, eine Geschichte aus seiner Jugend zu erzählen, um die Anwesenden umzustimmen…

Der von der PIDAX am 24.01.2014 herausgebrachte Film "Das verbotene Paradies" gehört zu den Skurrilitäten einer sich verändernden Gesellschaft, Ende der 50er Jahre. Obwohl er dank reichlicher Nacktaufnahmen in den ersten Minuten als früher Erotik-Film bekannt sein müsste, geriet er schnell in Vergessenheit, da die Freiwillige Selbstkontrolle die Veröffentlichung vierzehnmal zurückpfiff und dafür sorgte, dass die offenherzigen Bilder des Beginns dank einer die moralischen Grenzen einhaltenden Handlung wieder relativiert wurden. Unterhaltender Einblick in eine Phase des Widerstreits zwischen 50er Jahre Moral und Moderne (Die grünen Links führen zur Amazon-Bestellseite).











Angesichts der jungen Frauen, die sich - fast verschämt zwischen dokumentarischen Bildern eingeblendet - in den ersten 10 Minuten des Films nackt auf der Leinwand tummeln - meist aus einer Totalen bei gymnastischen Gruppenübungen betrachtet, aber auch die körperlichen Vorzüge aus der Nähe in Augenschein nehmend - überrascht es nicht, dass der von Arthur Brauner produzierte Film 1958 vierzehnmal vor seiner Aufführung von der FSK abgelehnt wurde, wie die "PIDAX Film" auf der Hülle ihrer DVD erwähnt. So harmlos und ohne sexuelle Attitüde die Nacktaufnahmen aus heutiger Sicht wirken, erfüllte "Das verbotene Paradies" die Voraussetzungen für einen veritablen Skandal und hätte es zum Ruf eines frühen Erotik-Films bringen können, denn die Einbindung in historische Dokumente deutscher Badekultur und Georg Thomallas launiger Kommentar aus dem Off lassen nicht übersehen, dass entgegen der selbst gewählten alters- und geschlechterübergreifenden Thematik fast ausschließlich junge und attraktive Frauen nackt ins Bild gerückt wurden.

Doch das Gegenteil trat ein. "Das verbotene Paradies", welches mit Wolfgang Lukschy, Günter Pfitzmann, Siegfried Schürenberg und Ingeborg Schöner über damals bekannte Darsteller verfügte und unter der Regie Max Nossecks (als Max Meier) entstand, der während seines Exils nach der Flucht vor den Nationalsozialisten auch in Hollywood arbeitete, erregte weder Aufmerksamkeit, noch blieb er in Erinnerung. Leider lassen sich die von der FSK erwirkten Änderungen nicht mehr nachvollziehen, aber dem Film gelang in seiner endgültigen Fassung das Kunststück, jeden weiteren provokativen oder erotischen Anflug im Keim zu ersticken. Stattdessen entstand ein Unikat, das nach dem dokumentarischen Beginn zwar in der damaligen Gegenwart anknüpfte, diese aber nur als Rahmen für die tatsächliche Handlung des Films nutzte - eine vor 1914 spielende Story über den fiktiven Lehrer Professor Wetterstein (Wolfgang Lukschy), der mit seinen Ideen über die Körperkultur im Freien bei seinen konservativen Zeitgenossen aneckte.

Ob dessen pädagogischen Vorstellungen der Anfang des letzten Jahrhunderts aufkommenden "FKK"-Bewegung nahe standen, wird im Film nicht näher erläutert, denn von Nackten ist nichts mehr zu sehen. Zwar beschwört die Rahmenhandlung einen moralischen Konflikt in der Gegenwart, aber dieser erscheint seltsam zahnlos, als hätte die FSK hier eingegriffen. Als Auslöser dient ein Streit zwischen jungen Leuten in züchtiger Badebekleidung, die in einem Zeltlager abseits des sonstigen Strandlebens campieren, und Neugierigen mittleren Alters, die mit einem Boot über den See fahren, um sich deren Treiben näher anzusehen. Es ist gut vorstellbar, dass ursprünglich die Konfrontation von Spannern und Nackten beabsichtigt war, wie es die Zeichnung auf dem der DVD beigefügten Nachdruck der "Illustrierten Filmbühne" vermittelt. Damit hätte sich auch deren rüde Reaktion erklärt, das Boot mit den "Spießern" umzukippen. Stattdessen entstand eine konstruiert wirkende Diskussion zwischen der Besitzerin der Ferienanlage Margit Sund (Maly Delschaft) und dem Ehepaar Dettmann, deren Tochter Inge (Brigitte Olm) sich gegen den Willen ihrer Eltern in dem keineswegs verrucht wirkenden Camp aufhielt und Gegenstand von Klatsch und Tratsch wurde.

Anstatt das Verhalten der älteren Generation zu hinterfragen, gerät nur die Beziehung von Inge zu Thomas (Siegfried Breuer Jr.), dem Sohn Margit Sunds, in den Fokus, die von den Dettmanns auf Grund der Ereignisse missbilligt wird. Damit schlägt die Stunde des Dr. Theo Krailing (Jan Hendriks), der wie gerufen erstmals nach Jahrzehnten bei Margit Sund auftaucht und eine Geschichte aus ihrer gemeinsamen Jugend erzählt, womit die eigentliche Handlung des Films beginnt. Diese verdankt ihren Unterhaltungswert vor allem einem überzeugend als hinterlistigem Assessor auftretenden Günter Pfitzmann, der nach außen Moral predigt und die Klage gegen den angeblich unsittlichen Professor selbst übernimmt, mit den Kameraden der schlagenden Verbindung aber gerne zwielichtige Lokale aufsucht und das hübsche Industriellen-Töchterchen Elsa (Ingeborg Schöner) wegen der Mitgift heiraten will, da ihm seine Gläubiger auf den Fersen sind. Entsprechend nimmt die Story mehr einen komödiantischen als dramatischen Charakter an und hätte als solitärer Film besser funktioniert.

Dass die Macher ursprünglich ein Plädoyer für die Freikörperkultur beabsichtigten, lässt sich nur noch rudimentär an dem knapp 80minütigen Film ablesen, denn offensichtlich blieb nur die vor dem ersten Weltkrieg spielende Story von Veränderungen verschont, da sie einen moralisch akzeptierten Konsens widerspiegelte. Mit den Absichten des Pädagogen Professor Wetterstein, der die Ausübung sportlicher Betätigung im Freien für Heranwachsende propagierte, um sie vor schädlichen Einflüssen zu bewahren, konnte Ende der 50er Jahre Jeder mitgehen. Nicht aber mit den Freuden der nach dem Krieg wieder auflebenden Freikörperkultur, die in den 60er Jahren ihren Durchbruch erlebte. Dafür kam "Das verbotene Paradies" noch zu früh, dessen Gegenwartsbezug rückständiger wirkt als die Ereignisse kurz nach der Jahrhundertwende. Dass dank der Erzählung von Theo Krailing Inge und Thomas am Ende wieder eine Chance bekommen, ändert daran nichts - zu brav und moralisch integer werden sie beschrieben, als das sich daraus ein Plädoyer für mehr Toleranz, über die Vorstellungen eines Professor Wetterstein hinaus, ableiten ließe.

Dass „Das verbotene Paradies“ keinen bleibenden Eindruck hinterließ, ist schade und verständlich zugleich. Als Gesamtwerk wirkt der Film uneinheitlich, ist in seiner Intention nicht schlüssig und verliert seine aufklärerische Absicht an typische Komödienelemente. Gleichzeitig zeigt sich in seiner Handlung trefflich der Widerstreit zwischen Moderne und der sehr konservativen Nachkriegsgesellschaft. Die Nacktaufnahmen des Beginns wurden akzeptiert, aber die folgende Handlung durfte nicht vom moralischen Pfad abweichen.

"Das verbotene Paradies" Deutschland 1958, Regie: Max Nosseck, Drehbuch: H.G. Bondy, Darsteller : Wolfgang Lukschy, Günter Pfitzmann, Jan Hendricks, Siegfried Schürenberg, Ingeborg Schöner, Bruno Fritz, Georg Thomalla (Specher), Laufzeit : 78 Minuten

Montag, 27. Januar 2014

Wo der Wildbach rauscht 1956 Heinz Paul

Inhalt: Der reiche Bauer Andrä Muralt (Walter Richter) ist es gewohnt, sich durchzusetzen - der Ruf, mit seinem Geld noch jede Frau herumbekommen zu haben, eilt ihm voraus. Doch die Magd Maria (Ingeborg Cornelius) widersetzt sich ihm, denn sie liebt Lorenz Gerold (Jürgen Goslar), den Sohn des Bürgermeisters (Michl Lang). 

Dieser hat zwar ganz andere Vorstellungen hinsichtlich seiner zukünftigen Schwiegertochter, aber er willigt in die Ehe seines Sohnes mit Maria ein, um Muralt zu erniedrigen. Unerwartet nimmt Muralt die scheinheilige Einladung zu den Feierlichkeiten an, aber ihm wird zuerst der Tanz mit der Braut verweigert, bevor er rausgeschmissen wird. Betrunken kehrt er in sein Haus zurück, wo er sich mit seiner Haushälterin Agnes (Ingmar Zeisberg) tröstet, die ihn schon lange heimlich liebt...


Oberflächlich betrachtet ließe sich "Wo der Wildbach rauscht" auf die im Heimatfilm üblichen Liebesverwirrungen und Irrungen reduzieren, die sich nach dramatischen Auseinandersetzungen schlussendlich zum Guten wenden - eine sichere Erfolgsformel im bundesdeutschen Kino Mitte der 50er Jahre, wie der große Zuschauerzuspruch bewies, der sich Anfang der 70er Jahre überraschend wiederholte (und Regisseur Jürgen Enz zu seiner Softsex-Variante "Wo der Wildbach durch das Höschen raucht" (1974) motivierte).

Schon die erste Szene, in der sich der massige Bauer Andrä Muralt (Walter Richter) der jungen blonden Magd Maria (Ingeborg Cornelius) aufdrängt, die ihn sich nur mit Mühe vom Leibe halten kann, verteilt die Sympathien in Gut und Böse und scheint damit die gängigen Klischees zu erfüllen. Der reiche Muralt glaubt, dass er Jeden kaufen kann, aber an der Jungfrau Maria beißt er sich die Zähne aus. Sie liebt Lorenz Gerold (Jürgen Goslar), den Sohn des Bürgermeisters (Michl Lang), der zwar andere Vorstellungen hinsichtlich seiner zukünftigen Schwiegertochter hat, aber dennoch zustimmt, um die Schmach des im ganzen Ort unbeliebten Muralt noch zu steigern. Mit Agnes (Ingmar Zeisberg), der Haushälterin des reichen Bauern und dessen Großknecht Wolf (Emmerich Schrenk) wird die Konstellation noch komplexer, denn Agnes liebt heimlich ihren Chef, weshalb sie sich wiederum des aufdringlichen Wolf erwehrt.

Die Hochzeitsfeierlichkeiten werden erwartungsgemäß zum Spießrutenlauf für Muralt, dem zuerst der Tanz mit der Braut verweigert wird, bevor der Bürgermeister ihn rauswerfen lässt. Betrunken macht er sich - wieder nach Hause zurückgekehrt - über die willige Agnes her, aber erst ein tragischer Unglücksfall lässt die Situation endgültig explodieren. Wenige Monate nach diesen Ereignissen begegnen sich Muralt und Lorenz Gerold auf einer schmalen Brücke über dem titelgebenden Wildbach, nicht bereit dem Anderen den Vortritt zu lassen. Der junge Ehemann Lorenz verliert den Halt und stürzt tödlich in den Bach, worauf passiert, was passieren muss. Muralt hat keine Chance gegen die vorherrschende Meinung, die ihn des Rachemords beschuldigt - einzig die daran zweifelnde Aussage der Witwe verhindert die Todesstrafe. Doch für zwanzig Jahre wird der vermeintliche Täter weggesperrt, bevor die Handlung eine Generation später denselben Faden wieder aufnimmt.

Unschwer lässt sich die kalkulierte Dramatik aus einer Handlung herauslesen, die erneut die Mär von Liebe und Hass inmitten einer wilden und unberührten Landschaft erzählte, aber am Beispiel dieses Heimatfilms lassen sich die Unterschiede zwischen äußerlich ähnlich angelegten Filme analysieren. Der Anteil an Naturaufnahmen oder der Darstellung heimatlicher Bräuche wurde in "Wo der Wildbach rauscht" auf ein Genre-Minimum beschränkt, denn die komplexe Story ließ keine Zeit dafür. Um die Handlung vor und nach dem zentral gelegenen Zeitsprung von 20 Jahren voranzutreiben, jagt hier ein Ereignis das nächste. Liebe, Ablehnung, Hochzeit, sogar der Tod des jungen Ehemanns und die anschließende Verurteilung des angeblichen Mörders werden so schnell abgehandelt, dass sie ohne kitschige oder übertriebene Emotionen auskommen.

An den zwei Liebesgeschichten, die die jeweiligen Hälften prägen, lässt sich der notwendige Pragmatismus des Drehbuchs demonstrieren. Sowohl die Gefühle zwischen Maria und Gerold, als auch zwischen Marias Sohn Lenz (Albert Rueprecht) und der hübschen Kellnerin Regina (Helga Frank) zwanzig Jahre später, werden als schon gegeben vorausgesetzt. Die häufig konstruiert wirkenden Begegnungs-Stories vieler Heimat- und Liebesfilme fallen hier unter den Tisch, wie auch die zwanzigjährige Haftzeit des auf Rache sinnenden Großbauern wie im Flug vergeht. Dass von den Beteiligten in der zweiten Hälfte des Films Niemand zwanzig Jahre älter aussieht, spielt schon keine Rolle mehr, denn "Wo der Wildbach rauscht" ist ein Heimatfilm im Zeitraffertempo.

Kritisch ließe sich anmerken, dass wegen der dichten, abwechslungsreichen Handlung die emotionale Ebene vernachlässigt wurde, weshalb die hier gezeigten Gefühle von Liebe und Hass kaum Gelegenheit zur Entfaltung bekamen und nur an Hand der eintretenden Ereignisse begründet wurden. Ein gerechtfertigter Einwurf, gäbe es nicht die schauspielerische Leistung Walter Richters, der die zentrale Figur des unbeliebten, reichen Bauern nicht nur mit Leben erfüllte, sondern eine glaubwürdige Wandlung vollzog, die ihn vom Feindbild zum Sympathieträger werden ließ. Steht Muralt zu Beginn noch als rücksichtsloser Machtmensch da, wird er zunehmend zur tragischen Figur. Keineswegs nur wegen der ungerechtfertigten Gefängnisstrafe, die der Film in ihrer tatsächlichen Tragweite gar nicht vermittelte, sondern durch das Verhalten der übrigen Dorfbewohner. Der zu Selbstjustiz neigende Mob unter der Führung des Bürgermeisters und Marias Sohn Lenz, der Muralt den Tod seines Vaters nicht verzeihen kann, übernehmen in ihrer sturen Uneinsichtigkeit zunehmend die Bösewicht-Rolle.

Regisseur Heinz Paul, schon seit Stummfilmzeiten aktiv und während der Zeit des Nationalsozialismus auch mit Propagandafilmen beauftragt („Kameraden auf See“, 1938), drehte nach dem Krieg nur noch wenige Filme. „Wo der Wildbach rauscht“ blieb sein einziger Heimatfilm. Er verzichtete darin nicht nur auf ein eindeutiges Gut- und Böse-Schema, sondern unterwanderte auch die moralischen Standards, indem er die Auswirkungen unehelichen Geschlechtsverkehrs nicht negativ bewertete. Hätte "Wo der Wildbach rauscht" auf das zwar kurz gehaltene, angesichts der vorher geschilderten Konflikte aber unglaubwürdige Happy-End verzichtet, gehörte er zu den besseren Vertretern des Genres, aber auch so bietet er tadellose Heimatfilm-Unterhaltung.

"Wo der Wildbach rauscht" Deutschland 1956, Regie: Heinz Paul, Drehbuch: Hans Weihmayr Lippl, Darsteller : Walter Richter, Ingeborg Cornelius, Ingmar Zeisberg, Helga Frank, Jürgen Goslar, Lucie Englisch, Franz Muxeneder, Laufzeit : 96 Minuten

Donnerstag, 16. Januar 2014

Frühstück im Doppelbett (1963) Axel von Ambesser

Inhalt: Seit ihrer Hochzeit 1960 haben Henry (O.W.Fischer) und Liane (Liselotte Pulver) viel Zeit im gemeinsamen Doppelbett verbracht, besonders an den folgenden Hochzeitstagen, weshalb sich Liane auch an ihrem dritten Jahrestag auf ein gemeinsames Frühstück mit ihrem Mann freut. Doch weit gefehlt – weder gibt es besondere Speisen, noch Geschenke. Ihr Mann ist schon lange bei der Arbeit in seinem Zeitungsverlag und nur das Hausmädchen Cilly (Ruth Stephan) serviert wie gewohnt das tägliche Frühstück.

So schnell gibt Liane nicht auf, zieht sich schick an und geht ins Pressehaus ihres Mannes, ohne sich von dessen Vorzimmerdame (Edith Hancke) aufhalten zu lassen. Doch es hilft nicht, denn er hat den Hochzeitstag vergessen und will abends nur noch ins Bett, ohne zu begreifen, warum seine Frau den ganzen Tag so einen Aufriss macht. Erst am nächsten Tag evrsteht er ihr Verhalten und geht zum direkten Angriff über. Zuerst beschwert er sich bei ihr, nicht an ihr Jubiläum gedacht zu haben, um danach zerknirscht zu gestehen, sich im Datum vertan zu haben. Liane ist beruhigt und freut sich auf ein feudales Abendessen, worauf sie sich mit ausführlicher Schönheitspflege vorbereitet – doch ihr Mann versetzt sie, da er zu einem wichtigen Termin muss…

Die von der PIDAX am 17.01.2014 herausgebrachte DVD "Frühstück im Doppelbett" füllt nicht nur eine Lücke im umfangreichen Oevre Liselotte Pulvers, sondern gibt einen Einblick in die frühen 60er Jahre, der beweist, dass Fitness- und Gesundheitswahn oder die "sexuelle Revolution" schon früh in der Bundesrepublik ankamen. Der Film geriet trotz seiner prominenten Besetzung in Vergessenheit, da er sich sehr nah am damaligen Zeitgeschehen orientierte - genau das macht ihn heute wieder interessant.(Die grünen Links führen zur Amazon-Bestellseite).














Mit "Frühstück im Doppelbett" entriss die „Pidax film media ltd.“ erneut einen Film der Vergessenheit, der angesichts der beteiligten Künstler sofort die Frage provoziert, warum er zuvor in der Versenkung verschwand. Die Besetzung mit Liselotte Pulver, die im selben Jahr den Bambi als beste nationale Darstellerin verliehen bekam, O.W.Fischer, seit Beginn der 50er Jahre erfolgreich, dem dank der Karl-May-Filme sehr populären Lex Barker und der als "Sex-Bombe" bekannten Ann Smyrner erfüllte höchste Ansprüche, aber auch Regisseur Axel von Ambesser und Autor Ladislas Fodor gehörten zu den erfolgreichsten Vertretern ihrer Zunft. Fodor schrieb parallel die Drehbücher zu der "Mabuse" - Filmreihe und Von Ambessers ebenfalls mit Liselotte Pulver in der Hauptrolle im Jahr zuvor herausgebrachter Film "Kohlhiesls Töchter" (1962) gehört heute noch zu den bekanntesten deutschen Filmkomödien dieser Zeit.

Doch Von Ambesser und Fodor verstanden "Frühstück im Doppelbett" nicht als reinen Unterhaltungsfilm, sondern als Gesellschaftssatire, die das Schicksal vieler zeitaktueller Filme ereilte - sie wurde schnell altmodisch. Während die Story um das junge Ehepaar Henry (O.W.Fischer) und Liane Clausen (Lieselotte Pulver), das in den Routinemodus verfällt und sich scheiden lassen will, wenig überraschend verläuft, vergeht kaum eine Minute, in der nicht irgendeine Anspielung auf gegenwärtige Ereignisse oder gesellschaftliche Entwicklungen geäußert wird - meist aus dem Mund O.W.Fischers in der Rolle eines Zeitungsverlegers (sein Vorname „Henry“ spielte auf Stern-Herausgeber und Chefredakteur „Henry Nannen“ an), aber immer aus einer konservativen Haltung heraus. Zwar geben sich die Eheleute Clausen modern, jonglieren mit neuen Partnern und gehen scheinbar leichtfertig mit einer Scheidung um, aber damit wollten die Macher nur aktuelle Strömungen in der jungen BRD persiflieren. Ernst meinten sie es damit nicht, denn geradezu penetrant betont der Film, dass es zu keinen sexuellen Interaktionen mit den geplanten Nachfolgern kommt – entsprechend rückständig erscheint der Film heute in seiner Betonung der klassischen Geschlechterrollen etwa im Vergleich zu dem im selben Jahr erschienenen Liebesfilm "Schloss Gripsholm".

Besonders Liselotte Pulver, die häufig moderne, selbstständig agierende Frauenrollen spielte, wirkt trotz ihres gewohnt frechen Mundwerks als verwöhnte Ehefrau, die sich nur um ihr Aussehen und die Wohnungseinrichtung kümmert, fehlbesetzt. Die Hausarbeit wird ihr von Cilly (Ruth Stephan) abgenommen und von Kindern ist nie die Rede, weshalb ihre Rolle ganz untypisch nicht der Identifikation diente. Möglicherweise konnten ihre Vorwürfe an den viel beschäftigten Ehemann, der glatt den dritten Hochzeitstag vergisst, das damalige Publikum noch überzeugen, aber aus heutiger Sicht wirken ihre Reaktionen unangemessen. Nachdem Henry am nächsten Tag noch gerade die Kurve bekommen hatte – er behauptet sich im Datum geirrt zu haben – versetzt er seine Frau beim geplanten Abendessen, weil er die einmalige Gelegenheit bekam, Nikita Chruschtschow, den Regierungschef der UDSSR, zu interviewen und es ihm vom Flughafen aus nicht mehr gelingt, sie zu benachrichtigen. Ihr folgendes Techtelmechtel mit dem Fitnesstrainer Victor (Lex Barker) und die plötzliche Scheidungsforderung, weil ihr Mann darauf äußerlich gelassen reagierte, wirken völlig überzogen, weshalb dieser Konstellation von Beginn an die Glaubwürdigkeit fehlte.

Entsprechend kann es nicht funktionieren, „Frühstück im Doppelbett“ auf eine reine Komödie zu reduzieren, viel mehr sollte der Film als das betrachtet werden, als das ihn Von Ambesser und Fodor beabsichtigten – als zugespitzte satirische Betrachtung der frühen 60er Jahre. Für diese These sprechen auch die künstliche, theaterartige Kulisse oder die Einblendungen von Nikita Chruschtschow, der angeblich direkt mit Henry kommuniziert. Keinen Moment versuchte der Film, real zu wirken – einmal findet Liselotte Pulver unter Fotografien Prominenter wie Franz-Josef Strauß, Konrad Adenauer oder Willy Brandt auch ein Fotos von sich in der Rolle der weniger schönen Kohlhiesl Tochter aus ihrem letzten Film. Die Macher planten einen Rundumschlag auf alle neuen Zeiterscheinungen, der beweist, dass fast alles, was heute noch populär ist, damals schon seinen Anfang nahm.

Lex Barkers, seinen sonstigen Heldentypus kontrastierende Rolle ist eine Verballhornung des beginnenden Fitness- und Gesundheitswahns, die in ihrer klischeehaften Ausgestaltung nichts an Aktualität verloren hat. Yoga, Gemüsesäfte und Schlankheitsmaschinen bestimmten schon die Freizeit der Besserverdienenden und was die Macher davon hielten, zeigte sich in ihrer Charakterisierung des Yoga- und Fitnesstrainers Victor, der ständig Lebensweisheiten von sich gibt, dabei sein Einkommen aber nicht vergisst. Zudem hat er keine Hemmungen, sofort nach Henrys Abwesenheit dessen Frau anzubaggern, um genauso schnell den Schwanz einzuziehen, als dieser vermittelt, nichts dagegen zu haben. War Victor zu Beginn noch ganz der charmante Draufgänger, wird er plötzlich zum ungeschickten Frischluftfanatiker, weshalb Liane die Nacht bei ihm auf dem Balkon in einem Schlafsack übernachten muss. Natürlich ohne Sex – idiotischer hätte man diese Figur kaum degradieren können.

Ann Smirnow als sexuell erfahrene Jung-Autorin Claudia, die ihren erotischen, autobiografischen Roman von Henry verlegen lassen will, kommt dagegen besser weg, aber ihre Rolle spielte ironisch auf die zunehmenden Sex-Welle seit Nabokovs Erfolg mit „Lolita“ an. Mehrfach verwendet Henry spöttisch den Begriff „Sexuelle Revolution“ in diesem Zusammenhang, der offensichtlich keine 68er-Erfindung war. Auch Bemerkungen zur „Spiegel“-Affäre oder über das fortgeschrittene Alter von Bundeskanzler Konrad Adenauer fallen, aber „Frühstück im Doppelbett“ kann seine konservative Gesinnung nicht verbergen. Besonders die wiederholt von der Hausangestellten Cilly vorgetragenen Klassenkampf - Parolen sollten, angesichts ihres gut bezahlten Arbeitsplatzes, nur der Lächerlichkeit preisgegeben werden – inclusive ihres angeblich allwissenden Arbeiterführer-Bruders.

Bei seinem Erscheinen traf der Film noch auf eine mehrheitliche Zustimmung, aber die fortschreitende Entwicklung der 60er Jahre überholte dessen keineswegs immer unzutreffende, aber zu einseitigen ironischen Seitenhiebe schnell – zwei Jahre später drehte Axel von Ambesser die Episode „Lolita“ zu der frühen Erotik-Komödie „Das Liebeskarussell“(1965). Für ein Publikum der 70er Jahre musste der Film schon altmodisch wirken - erst aus heutiger Sicht verbirgt sich dahinter dessen Stärke als stimmiges Zeitdokument der frühen 60er Jahre.

"Frühstück im Doppelbett" Deutschland 1963, Regie: Axel von Ambesser, Drehbuch: Ladislas Fodor, Darsteller : Liselotte Pulver, O.W.Fischer, Lex Barker, Ann Smirnow, Ruth Stephan, Edith Hancke, Laufzeit : 96 Minuten

weitere im Blog besprochene Filme von Axel von Ambesser:

Sonntag, 12. Januar 2014

Das Paradies (La philosophie dans le boudoir) 1971 Jacques Scandelari

Inhalt: Zenoff (Lucas de Chabanaix) kommt zu einem prächtigen Schloss, umgeben von einer großflächigen Parkanlage, die Yald (Fred Saint-James) gehört, der hier umgeben von seinen Anhängern ein Leben jenseits bürgerlicher Wertvorstellungen führt - nur der eigenen Lust verpflichtet. Entsprechend ablehnend reagiert er auf das Ansinnen des jungen Zenoff, der seine Geliebte Xenia (Souchka) von hier abholen will, denn Besitzdenken ist ihm fremd. Er selbst will Xenia heiraten, die ihm aber nicht allein gehören wird, sondern sich nach ihrem eigenen Wunsch mit Jedem einlassen darf.

Zenoff reagiert empört, auch weil er Yalds Philosophie als Diktatur versteht, mit der dieser nur seine eigenen Vorstellungen umsetzen will. Er wird mehrfach Zeuge von harten Bestrafungen, die Jeden ereilen, der gegen dessen Ideen verstoßen hat. Yald versucht ihm zu erklären, dass die Strafen der Erziehung des Verurteilten dienen, damit dieser ganz in den Zustand völliger innerer Freiheit geraten kann. Auch Zenoff sollte dieses begreifen, aber er will nur Xenia zurück, die ganz im Bann Yalds zu stehen scheint...



Über den im Alter von 55 Jahren 1999 verstorbenen französischen Regisseur und Drehbuchautor Jacques Scandelari lassen sich nur wenige Informationen finden, obwohl seine Vita einige bemerkenswerte Details aufweist. Die gesellschaftliche Umbruchsphase der 60er Jahre - das Aufbegehren gegen verkrustete Strukturen und die damit einhergehende sexuelle Revolution - wurde zur Initialzündung seines filmischen Werks, das innerhalb weniger Jahre zwischen 1971 und 1978 entstand und dessen erotische Ausrichtung bis zur Pornografie - 1977 und 1978 drehte er unter dem Pseudonym Marvin Merkens drei Schwulen-Pornos in New York – signifikant für seinen Stil wurde.

Auch der Einfluss des 20 Jahre älteren Erotikfilm-Pioniers José Bénazéraf lässt sich unschwer feststellen. Bénazéraf produzierte Scandelaris frühen Kurzfilm "Models International" (1966) und schrieb das Drehbuch dazu, dass sich thematisch an seinen Film "Cover-Girls" (Cover Girls - die ganz teuren Mädchen, 1964) anlehnte. Zudem wirkte Scandelari gemeinsam mit Jean-Pierre Deloux am Drehbuch zu Bénazérafs Film "Joë Caligula - Du suif chez les dabes" (Joe Caligula, 1966) mit, eine Zusammenarbeit, die sie beim Drehbuch zu "La philosophie dans le boudoir" wiederholten. Der deutsche Titel "Das Paradies" verschweigt, dass sie sich damit konkret auf einen Text Marquis de Sades bezogen, der auch unter dem Titel "Die lasterhaften Lehrmeister" als Grundlage zur Erziehung junger Damen von De Sade erdacht wurde.

Wichtiger war für Scandelari die darin enthaltene Aufforderung "Franzosen, noch eine Anstrengung, wenn ihr Republikaner sein wollt", womit De Sade die sittlich-moralische Befreiung nach der französischen Revolution forcieren wollte - der Bürger sollte seinen aggressiven Trieben frei nachgehen dürfen. Die Parallelen zur Phase des tief greifenden gesellschaftlichen Wandels Ende der 60er Jahre waren offensichtlich, weshalb Scandelari in seinem Drehbuch eine Kombination aus den sado-masochistischen Ideen De Sades und den gesellschaftspolitischen Forderungen der Protestbewegung herzustellen versuchte. Filme über freie Liebe und die Ablehnung jeden Besitzdenkens - emotional wie materiell - hatten zu dieser Zeit Konjunktur, aber Scandelari entwickelte daraus ein Szenario, dass nur innerhalb eines begrenzten Raumes stattfand und dank seiner erotischen Bildsprache zum Voyeurismus einlud.

Damit verabschiedete sich der Film von De Sades generalistischem Ansatz und schuf eine Welt von wenigen Wissenden unter der Leitung ihres charismatischen Anführers Yald (Fred Saint-James), nach dessen Philosophie die Gemeinschaft in einem pompösen Schloss, umgeben von einem riesigen Park, ihren individuellen, nur der eigenen Lust gehorchenden Lebensvorstellungen nachgeht. Scandelari bemühte sich gar nicht erst, diese Ausgangssituation als Keimzelle für eine umfassende Metamorphose zu postulieren, sondern betonte die Abgrenzung zur Außenwelt. Wer gegen das Gesetz der absoluten Freiheit verstößt, bekommt die Möglichkeit, sich durch eine Flucht aus dem Gelände der Strafe zu entziehen, aber keiner der Delinquenten nimmt diese Chance wahr, sondern unterzieht sich lieber Yalds Urteil.

Der junge Mann Zenoff (Lucas de Chabaneix) tritt von Außen in diesen abgeschlossenen Zirkel und übernimmt damit die Position des Skeptikers, der Yalds Philosophie für verlogen und egoistisch hält. Er ist nur gekommen, um seine Geliebte Xenia (Souchka) zu sich zu holen, muss aber feststellen, dass diese sich völlig den Vorstellungen Yalds verschrieben hat und ihm nicht folgen will. Der Film erzählt keine typische Story, sondern schildert die Konfrontation zwischen bürgerlichen Vorstellungen und einer Gesellschaft, die sich nur ihrer Lust und ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten unterordnet. Scandelari setzte sich damit zwischen alle Stühle, denn für ein anti-bürgerliches Statement ist Yalds Gegenentwurf zu dekadent und auf einen Anführer zugeschnitten, aber auch der in seiner Kleingeistigkeit verharrende Zenoff, dessen Liebe zu Xenia genau die egoistischen Züge annimmt, die Yald zuvor kritisierte, eignet sich nicht zur Identifikation.

"La philosophie dans le boudoir" ist in seiner Kombination aus Provokation, Extravaganz, Erotik und Utopie ein Kind seiner Zeit, aber der Film hat seine Kraft nicht verloren. Die erotischen Darstellungen, auch hinsichtlich einiger ungewöhnlicher sexueller Vorlieben, verfügen nicht mehr über ihre damalige Wirkung, aber Scandelaris Bildsprache, die extremen Kamerawinkel, Hell-Dunkel- und Spiegeleffekte verweisen auf die Schule Bénazérafs und können in ihrer optischen Opulenz nach wie vor überzeugen. Auch der philosophische Ansatz befeuert bis heute den Diskurs, da er sich weder einer Seite anbiederte, noch Realität behauptete, sondern die Widersprüche zwischen Macht und Freiheit, Lust und Schmerz zuließ.

"La philosophie dans le boudoir" Frankreich 1971Regie: Jacques Scandelari, Drehbuch: Jacques Scandelari, Jean-Pierre Deloux, Marquis De Sade (Literaturvorlage), Darsteller : Souchka, Lucas De Chabaneix, Fred Saint-James, Marc Coutant, SabryLaufzeit : 89 Minuten

"Das Paradies" lief in der seltenen deutsch synchronisierten Fassung am 03.01.2014 beim 12. Hofbauer-Kongress in Fürth nach "Die Ernte der sündigen Mädchen". Scandelari wurde unmittelbar von José Bénazéraf beeinflusst, der auch als wichtiger Wegbereiter der deutschen Erotik-Filmszene gilt und bei der deutschen Produktion "St.Pauli zwischen Nacht und Morgen"  Regie führte. 

Freitag, 10. Januar 2014

Soviel nackte Zärtlichkeit (1968) Günter Hendel

Inhalt: Peter Kremer (Erich Fritze) ist nach 20 Jahren in Kanada wieder nach Deutschland zurück gekehrt, hat sich in der Nähe von München auf dem Land ein Haus gekauft und beabsichtigt, dort in Ruhe von seinem hart erarbeiteten Vermögen zu leben. Bevor er erstmals zu seinem Landsitz fahren will, übernachtet er in einem Münchner Hotel, wo er am späten Abend von einer nur mit einem Handtuch bekleideten Frau überrascht wird, die an seine Zimmertür klopft.

Kitty (Erika Remberg) hatte Ärger mit einem aufdringlichen Kerl, der ihre Kleider zerriss, weshalb sie Peter Kremer bittet, zu ihrem Bruder Jochen (Lutz Hochstraate) in der Nähe zu fahren, um ihr etwas zum Anziehen zu holen. Kremer hilft der hübschen jungen Frau gerne, mit der er auch den nächsten Tag verbringt. Schon lange von seiner Ehefrau getrennt lebend, verliebt er sich spontan und nimmt Kitty und ihren jüngeren, kränkelnden Bruder mit zu seinem neuen Haus auf dem Land...


An Günter Hendels allgegenwärtiger Mitwirkung an seinem ersten Film "Soviel nackte Zärtlichkeit" wird nicht nur die Bedeutung dieses Films für ihn selbst ersichtlich, sondern zeigte sich die Aufbruchstimmung, die unter den Filmschaffenden Ende der 60er Jahre in Deutschland herrschte. Die Aufweichung eherner moralischer Strukturen, eine Atmosphäre kontroverser gesellschaftspolitischer Diskussionen und der Einfluss des europäischen Genre-Kinos schufen die Basis für etwas Neues. Dass Hendel neben der Produktion, der Regie und dem Drehbuch in einer prägenden Nebenrolle mitspielte und die Filmmusik komponierte, lässt nur einen Schluss zu - er wollte diesen Film unbedingt machen. Nur die Kameraarbeit überließ er Franz Vass, der seine Begeisterung teilte, wie er mit seinen Produktionen "Jungfrau aus zweiter Hand" (1967) und "Vulkan der höllischen Triebe" (1968) zuvor schon bewies.

"Soviel nackte Zärtlichkeit" beginnt entsprechend mit der Konfrontation von konservativen Wertvorstellungen und den Insignien der Moderne - eine Auseinandersetzung, die stilbildend für den Film sein sollte und Hendels Haltung widerspiegelte. Der Pfarrer eines kleinen bayerischen Dorfes kommt nach München, um die junge Eva (Doris Arden) aus einem Strip-Lokal zurückzuholen, wo sie als Animiermädchen arbeitet. Die Rolle des Priesters übernahm Hendel konsequenterweise gleich selbst, denn dieser greift im weiteren Verlauf des Films noch mehrfach in die Handlung ein. Ohne Moralpredigten und bigottes Getue betrachtet er das Leben mehr von seiner praktischen Seite – seine konservative Haltung damit tatkräftig verteidigend. Das klappt auch bei der blonden Eva, die ihm brav in die ländliche Heimat folgt, nachdem er dem Bar-Keeper einen Faustschlag verpasste.

Neben dem Priester und Eva gehörten Hendels Sympathien noch dem Polizisten des Dorfes (Klaus Krüger), aber innerhalb des Films spielen sie nur eine Nebenrolle. Die drei Protagonisten verkörperten dagegen die extremen Haltungen des damaligen Diskurses in der BRD, woraus Hendel fast unmerklich eine Thriller-Handlung entwickelte. Peter Kremer (Erich Fritze) steht stellvertretend für das alte Deutschland. Kurz nach dem Krieg war er für zwanzig Jahre nach Kanada ausgewandert, wo er sich mit harter Arbeit ein Vermögen verdiente. Jetzt hat er sich einen Landsitz im Voralpenland zugelegt, wo er seinen Lebensabend in Ruhe genießen will. Was dem körperlich fitten Selfmade-Man zu seinem Glück noch fehlt, ist eine Frau, denn seine kinderlos gebliebene Ehe ist schon vor vielen Jahren in Kanada gescheitert. Als die hübsche Kitty (Erika Remberg), nur mit einem Handtuch verhüllt, vor seiner Hotelzimmertür in München steht – angeblich hatte ein aufdringlicher Kerl ihr Kleid zerrissen - reagiert er ganz als Kavalier alter Schule, aber seine innere Begeisterung kann er kaum verbergen.

Während sich Kitty und er am folgenden Tag schnell näher kommen, gesellt sich noch eine weitere Figur dazu, die klischeehaft alle damaligen Vorurteile gegen die deutsche Jugend bestätigte. Kittys jüngerer, kränklicher Bruder Jochen (Lutz Hochstraate) zeichnet sich vor allem dadurch aus, jede ihm gewährte Vergünstigung skrupellos anzunehmen, ohne selbst irgendetwas zu leisten - außer, dass er sich mehr schlecht als recht als Schriftsteller versucht. Da Kremer Kitty zu seinem neuen Wohnsitz mitnehmen möchte, kommt er um ihren Bruder nicht herum, den sie auf Grund seiner Krankheit nicht allein lassen kann. Auch auf dem Land kennt Jochen keine Hemmungen, raucht trotz seiner Lungenbeschwerden, trinkt Alkohol, okkupiert den neuen Farbfernseher und hört laut Musik. Zudem verführt er die dank der Fürsprache des Priesters als Haushaltshilfe eingestellte Eva zum Sex und sieht gemeinsam mit ihr Pornos – das teure Abspielgerät hat er selbstverständlich mit dem Geld Kremers bezahlt.

Dagegen wirkt der seriös auftretende Geschäftsmann angenehmer, aber er will die gesellschaftlichen Veränderungen in Deutschland nicht wahrhaben und verharrt in alten Rollenbildern, was ihn berechenbar werden lässt. Die geheimnisvollste Figur bleibt lange Zeit die sich zwischen diesen Polen bewegende Kitty, die an einer ernsthaften Krankheit zu leiden scheint, aber die Situation zwischen den drei Akteuren spitzt sich zunehmend zu und führt zu überraschenden Wendungen, die ihre jeweiligen Positionen relativieren. Auch wenn sich Hendels Film einige konstruierte Drehbuch-Kniffe leistet, entsteht doch das schlüssige Bild einer sich verändernden Gesellschaft, das der Regisseur in dem gewählten Mikrokosmos unterhaltsam zuspitzte. Sex und Habgier, Eigensinn und Überlegenheitsgefühl gehen eine unheilvolle Allianz ein - „Soviel nackte Zärtlichkeit“ erweist sich am Ende als Wunschtraum.

Hendels Haltung dazu lässt sich an seiner Rolle als Priester ablesen – grundsätzlich konservativ, aber die neuen Realitäten annehmend, greift er nur ein, wenn er es für nötig hält. Ansonsten sieht er sich die brodelnde Angelegenheit gelassen von Außen an und wartet ab, bis sich die Protagonisten selbst erledigt haben.

"Soviel nackte Zärtlichkeit" Deutschland 1968, Regie: Günter Hendel, Drehbuch: Günter Hendel, Darsteller : Erika Remberg, Erich Fritze, Lutz Hochstraate, Doris Arden, Günter HendelLaufzeit : 81 Minuten

"Soviel nackte Zärtlichkeit" lief am 02.01.2014 als erster Film des 12. Hofbauer-Kongresses in Nürnberg - die Aufnahmen wurden während der Aufführung von der seltenen, leider schon befallenen Filmkopie gemacht.

Mittwoch, 8. Januar 2014

Vulkan der höllischen Triebe (1968) Peter Hauser

Inhalt: Auf einer Party interessieren sich Jürgen und seine Kumpels weniger für die Mädchen als für ein großes Ding, dass sie drehen wollen. Gemeinsam kommt ihnen die Idee, ein paar heiße Bräute für wohlhabende Freier zu organisieren, um diese im großen Stil auszunehmen. Jürgen erinnert sich an Karin und ihre Freundin, die in Hamburg als Prostituierte arbeiten, und kümmert sich persönlich darum, sie nach München zu holen.

Obwohl sie die Feier ganz groß aufziehen, bleibt der Erfolg aus. Einzig Karin gelingt es, einen potenten Geschäftsmann für sich zu begeistern, von dem sie einen Scheck über 1000 Mark erhält. Jürgen und seine Freunde fälschen den Scheck auf 10000 Mark, aber der größere Coup bahnt sich in Form der Lohngelder an, von denen sie zufällig von Karin erfahren...


Der Filmtitel lässt keinen Zweifel daran, dass sich Regisseur und Drehbuchautor Peter Hauser nicht mit halben Sachen aufhalten wollte. Menschliche Triebe allein genügten nicht - eruptiv sollten sie sich ihre Bahn aus den Tiefen der menschlichen Abgründe brechen. Die Initialzündung für diese Ende der 60er Jahre populäre Mischung aus Sex, Habgier und Tod lässt sich auf den Kameramann und Produzenten Franz Vass zurückführen, der im Jahr zuvor mit "Jungfrau aus zweiter Hand" (1967) einen thematisch verwandten, allerdings prominenter besetzten und unter dem erfahrenen Regisseur Akos Rathonyi entstandenen Film produzierte. Trotz populärer Mimen wie Ingrid van Bergen oder Wolfgang Preiss blieb dem Film der Erfolg versagt, weshalb Franz Vass bei "Vulkan der höllischen Triebe" fast ausschließlich auf Newcomer setzte, die den Film aber nicht als Sprungbrett für eine Film-Karriere nutzen konnten. Auch Vass produzierte keinen weiteren Film mehr, sondern beließ es bei der Kameraarbeit - darunter noch im selben Jahr unter der Regie von Günther Hendel bei "Soviel nackte Zärtlichkeit" (1968), der einen ähnlichen Genre-Mix wagte.

Der Versuch, den Gangsterfilm im Stil eines Jean-Pierre-Melville mit der aufkommenden Sexfilmwelle zu verbinden, misslang gründlich. Um nackte Tatsachen ins Bild rücken zu können, musste den jungen, mit Sonnenbrillen versehenen und ständig im offenen Cabriolet fahrenden Möchtegern-Gangstern ein abstruser Plan angedichtet werden, der auch bei näherer Analyse keine Erfolgsaussichten versprach. Sie organisieren einige hübsche, junge Mädchen - darunter auch Professionelle - für eine mondäne Party-Location im Voralpenland. Aufwand und Nutzen stehen bei dem Versuch, auf diese Weise reiche Freier auszunehmen, in keinem Verhältnis. Während Jürgen - dank besonders cooler Fresse der heimliche Anführer der Gang - mit einem offenen Jaguar E durch halb Deutschland fährt, um zwei Prostituierte abzuholen, wird in der Villa in der Nähe von München groß aufgetischt. Und wofür? - Zwar gewinnen die zwei professionellen Damen jeweils einen potenten Freier, von denen Einer auch aus Begeisterung für die hübsche blonde Karin einen Scheck über 1000 Mark locker macht, aber das Geld gehört ausschließlich ihr.

Indem Jürgen einfach eine Null an die Zahl hängt, kann er ihren Etat zwar halbwegs ausgleichen, doch selbst ihm und den anderen Jungs dämmert es langsam, dass ihr Plan mehr kostet als einbringt. Glücklicherweise spielt ihnen Kamerad Zufall erneut in die Hände. Von Karin, die ein Verhältnis mit dem reichen Geschäftsmann eingeht, erfahren sie von dem Transport der Lohngelder und planen einen Überfall. Damit wechselt "Vulkan der höllischen Triebe" vom soften Sex-Film zur Gangster-Ballade, womit die Überforderung von Drehbuch, Schnitt und Darstellerleistungen noch offensichtlicher wird. Den Genre-Vorbildern nacheifernd, erzählt der Film von einem erfolgreichen Überfall, dem der Streit über die Beute bis zum entscheidenden Duell zwischen den Widersachern folgt. Doch der Film löst dieses Versprechen nicht ein. Der Raub der Lohngelder vermittelt den Thrill eines Handtaschendiebstahls und die Streitigkeiten unter den Gang-Mitgliedern enden mit einem warmen Händedruck. Statt Verfolgungsjagden mit der Polizei gibt es unmotivierte Fahrten im Cabriolet vor einer schönen Bergkulisse – in unterschiedlicher Mannschaftsstärke, notfalls mit zwei Mann auf dem Kofferraumdeckel.

Dass „Vulkan der höllischen Triebe“ schnell in Vergessenheit geriet, scheint angesichts dieser Mängel folgerichtig, aber diese Schwächen sind gleichzeitig auch die Stärken des Films. Wenn Jürgen zu Beginn im offenen Wagen über die Autobahn und durch die nächtlichen deutschen Städte fährt, begleitet von melancholisch klingender Zittermusik, dann wird der Wunsch nach Ausbruch verständlich. Die BRD war Ende der 60er Jahre ein stark reglementierter Ort, der keine Abenteuer versprach, aber Jürgen und seine Kumpanen lassen sich davon nicht abhalten, sind ständig in Bewegung, balgen sich wie kleine Jungen und posieren als lässige Frauenhelden oder coole Gangster.

Trotz ihres überheblichen Dilettantismus – in der skurrilsten Szene des Films stellen sie fest, dass sie ihre Beute in dem gerade in einem See versenkten Fluchtwagen gelassen hatten, um sofort mit völliger Selbstverständlichkeit einen Taucheranzug samt Sauerstoffflaschen aus dem Kofferraum des Sportwagens hervorzuholen – zeigt der Film kein Interesse daran, sie vollständig scheitern zu lassen. Hauser verzichtete sowohl auf die in den Genre-Vorbildern übliche Tragik und Fatalismus, als auch auf die gewohnten moralisierenden Fingerzeige zeitgenössischer deutscher Produktionen. Angesichts der spielerischen Leichtigkeit und den ausnahmslos sonnenüberfluteten Bildern vor einer Bergkulisse klingt „Vulkan der höllischen Triebe“ etwas übertrieben dramatisch, denn selten wirkte Deutschland im Film so ungezwungen südländisch.

"Vulkan der höllischen Triebe" Deutschland 1968, Regie: Peter Hauser, Drehbuch: Peter Hauser, Darsteller : Nora Richardson, Matthias Pernes, Georg Böjer, Albert Hehn, Annamarie DickLaufzeit : 84 Minuten

Die Bildern wurden bei einer Filmvorführung anlässlich des 12. Hofbauer-Kongresses am 02.01.2014 in Nürnberg aufgenommen - es handelt sich um die einzig noch bekannte, leider rot-stichige Filmkopie