Mittwoch, 29. Oktober 2014

Gestehen Sie, Dr. Corda! (1958) Josef von Báky

Inhalt: Dr. Corda (Hardy Krüger), Familienvater und Anästhesie-Arzt in der örtlichen Klinik, hat ein heimliches Liebesverhältnis mit der Krankenschwester Gabriele Montag (Eva Pflug), was ihren Kollegen nicht verborgen blieb. Sie versucht deshalb Abstand von ihm zu bekommen und hat den Chefarzt um ihre Versetzung gebeten, aber Corda kann Gabriele noch einmal zu einem Treffen überreden, wofür sie auf ihren geplanten Besuch bei der Volkshochschule verzichtet.

Auf Grund eines Notfalls im Krankenhaus verspätet sich Corda, findet Gabriele aber weder am geplanten Treffpunkt, noch an der Volkshochschule an, wo er sie ebenfalls sucht. Erst als er erneut in den Wald zurückkehrt, wo sie sich üblicherweise verabredeten und die Umgebung absucht, stößt er auf ihren am Fluss liegenden Körper. Gabriele wurde erschlagen. Geschockt und panisch verwischt er seine Spuren, kehrt mit lehmbeschmierten Schuhen ins Krankenhaus zurück und versucht nach außen hin Ruhe zu bewahren. Nach einer unruhigen Nacht neben seiner Frau (Elisabeth Müller) scheint er die Leiche als Mitglied eines Suchtrupps zufällig zu finden, aber die Polizei fasst ihn schnell als Täter ins Auge…

"Gestehen Sie, Dr. Corda!" , von der PIDAX am 14.10.2014 erstmals auf DVD veröffentlicht, gehört nicht zu den Vorboten der zukünftigen Krimi-Welle um die Edgar-Wallace-Reihe - wie die Vermarktung des Films vorgab, die damit eine falsche Erwartungshaltung erzeugte - , sondern vermittelte in seiner sachlichen Inszenierung ein realistisches Zeitbild der BRD, Ende der 50er Jahre. Drehbuchautor Stemmle beabsichtigte gemeinsam mit Regisseur Josef von Báky eine Kritik an der aus ihrer Sicht veralteten Strafrechtsordnung, die bis heute wenig von ihrer Aktualität verloren hat. (Die grünen Links führen zur Amazon-Bestellseite). 













Ein schlichterer Beginn ist kaum vorstellbar. Im Stil einer Akte wurden die Credits zu Beginn mit einer Schreibmaschine auf einfaches Papier geschrieben - signifikant für einen Film, der sich um größtmögliche Sachlichkeit bemühte. Drehbuchautor Robert A. Stemmle orientierte sich an dem realen "Fall Hoflehner", einem österreichischen Anästhesisten, der 1955 fälschlich eines Mordes verdächtigt wurde und nur zufällig seine Unschuld beweisen konnte. Die Vorverurteilung auf Grund von Indizienbeweisen, die Funktion der Sachverständigen und die Stellung des Beschuldigten waren für Stemmle Ausdruck einer veralteten Strafgesetzverordnung, deren Reform er wiederholt anmahnte.

Er selbst bezeichnete sich als Spezialisten für Justizirrtümer, hatte 1948 das Drehbuch zu dem DEFA-Film "Affäre Blum" verfasst, der einen Fall während der Weimarer Republik behandelte, verfilmte die Story 1962 erneut, diesmal für das westdeutsche Fernsehen, um ein Jahr später "Der Fall Rohrbach - eine Rekonstruktion" über die Hausfrau Maria Rohrbach als TV-Trilogie herauszubringen. Ihr war vorgeworfen worden, ihren Mann zuerst vergiftet und dann zerstückelt zu haben, weshalb sie 1958 auf Basis eines Sachverständigengutachtens verurteilt wurde. Erst nach vier Jahren Haft wurde dem Urteil in einem Wiederaufnahmeverfahren widersprochen. Tatsächlich war ihr ihre stadtbekannte Leichtlebigkeit zum Verhängnis geworden, die sie in der Augen der Bevölkerung moralisch vorverurteilte - ein wesentlicher Aspekt auch für die Eigendynamik in „Gestehen Sie, Dr.Corda!“.

Die ermordete Krankenschwester Gabriele Montag (Eva Pflug) war die Geliebte des verheirateten Anästhesie-Arztes Dr.Corda (Hardy Krüger), die an diesem Abend ursprünglich zum Englisch-Kurs an der Volkshochschule gehen wollte. Corda hatte sie überredet, sich mit ihm noch einmal zu treffen. Seine Frage, ob sie ihn noch liebt, lässt sie unbeantwortet, aber daran wird deutlich, dass er spürt, dass sie sich von ihm entfernt. Als er sie weder am verabredeten Treffpunkt, noch an der Volkshochschule anfindet, beginnt er sie zu suchen und stößt dabei auf ihre Leiche. Anstatt die Polizei zu rufen, versucht er dilettantisch seine Spuren zu verwischen, begibt sich nach Hause zu seiner Frau (Elisabeth Müller), um am nächsten Morgen als Mitglied einer Suchgruppe scheinbar zufällig die am Fluss liegende Tote zu entdecken. Die Polizei braucht nicht lange, um ihn ins Auge zu fassen. Von seiner Affäre wusste die gesamte Krankenhaus-Belegschaft, Indizien für seine Anwesenheit am Tatort gibt es genügend und die offensichtlichen Lügen, die er der Polizei auftischt, machen ihn zum perfekten Täter.

Leider geht die Story auf die Qualität der Beziehung von Corda und Gabriele später nicht mehr ein, sondern betont nur dessen hektisches Reagieren auf den Tod der Geliebten. Stattdessen wird seine Ehefrau Beate zu einer Idealfigur hochstilisiert, die trotz der erdrückenden Beweislast und seines Betrugs als Einzige an die Unschuld ihres Mannes glaubt. Obwohl er es war, der sich unbedingt mit der Krankenschwester treffen wollte, die schon ihre Verlegung in ein anderes Krankenhaus beantragt hatte, erhält die Liebes-Affäre zunehmend den Charakter einer früheren Sünde, weshalb Corda seine Rolle als Ehemann und Vater einer kleinen Tochter nicht in Frage stellen muss. Offensichtlich wollte Stemmle die Identifikationsfigur Hardy Krüger nicht weiter belasten, um die Tragik des unschuldig Verurteilten Dr.Corda noch zu betonen, und sparte sich den logischen Konflikt zwischen ihm und seiner Frau. Und damit die Frage, wieso er dieser schönen und scheinbar idealen Ehefrau eine Andere vorzog?

Diese manipulative, oberflächliche Charakterisierung, die zudem in einen unnötig dramatisierenden Selbstmordversuch der Ehefrau mündet (der damals noch strafrechtlich hätte geahndet werden müssen) nimmt dem Film ein wenig von seiner sonst realistischen, auf emotionale Schürungen verzichtenden Qualität. Wie schon ein Jahr zuvor in „Die Frühreifen“ (1957) gelang es Regisseur Josef von Báky stimmig die bürgerliche Atmosphäre einer mittelgroßen Stadt einzufangen. Die Arbeit im Krankenhaus, Volkshochschule und selbst das Fassnachts-Treiben erzeugen ein Umfeld der Normalität, in der der Mord durch einen unauffällig wirkenden Mann wie nebenbei geschieht. Auch das Vorgehen der Polizei kommt ohne besondere Härten aus - anders als es der Filmtitel vermuten lassen könnte. Weder setzen sie Corda besonders unter Druck, noch verhalten sie sich ungesetzlich. Für Inspektor Guggitz (Siegfried Lowitz) und seinen Vorgesetzten Oberinspektor Dr.Pohlhammer (Fritz Tillmann) ist der Mann, der seine Geliebte loswerden wollte, einfach der logische Täter, auf den alle Spuren hindeuten. Warum sollen sie sich auf die Suche nach dem großen Unbekannten machen? - Genauso nachvollziehbar verhält sich Cordas Verteidiger (Hans Nielsen), der ohne die aus US-Justiz-Filmen bekannten Tricks auskommt.

Mit einem klassischen Thriller hat der Film entsprechend wenig gemeinsam, auch spielt die Suche nach dem wahren Täter nur eine untergeordnete Rolle. Die Vermarktung betonte leider einen reißerischen Charakter und erzeugte damit eine Erwartungshaltung, die Stemmle und Von Báky weder erfüllen konnten noch wollten. Sie vermieden in der Schilderung der Justiz-Vorgänge jeden Eindruck von Übertreibung, um ihre Kritik an diesem Beispiel möglichst objektiv ausdrücken zu können. Extrem sind nur die Reaktionen der Bevölkerung, die Corda und seine Familie vorverurteilen und massiv bedrohen, womit ihnen die Chance auf ein normales Weiterleben genommen wird. Stemmle wollte damit seinen Wunsch nach einer Reform der Strafgesetzordnung noch betonen, aber geändert hat sich seitdem wenig – die hier gezeigten Abläufe könnten heute noch in ähnlicher Form stattfinden.

"Gestehen Sie, Dr. Corda!" Deutschland 1958, Regie: Josef von Báky, Drehbuch: Robert A. Stemmle, Darsteller : Hardy Krüger, Elisabeth Müller, Lucie Mannheim, Siegfried Lowitz, Hans Nielsen, Eva Pflug, Rudolf Fernau, Paul Edwin Roth, Laufzeit : 94 Minuten

weitere im Blog besprochene Filme von Josef von Báky:

Samstag, 25. Oktober 2014

Die Herren mit der weißen Weste (1970) Wolfgang Staudte

Inhalt: Die Ankunft des Box-Promoters Bruno "Dandy" Stiegler (Mario Adorf) in Berlin erzeugt große mediale Aufmerksamkeit, denn Stiegler war schon vor seinem Weggang in die USA kein unbeschriebenes Blatt. Im Gegenteil – 10 Jahre hatte Oberlandesgerichtsrat a.D. Herbert Zänker (Martin Held) vergeblich versucht, Stiegler seine kriminellen Machenschaften nachzuweisen, bis ihn seine Pensionierung stoppte. Auch nach seiner Rückkehr plant Stiegler sogleich ein großes Ding. Während er wie gewohnt in der Öffentlichkeit auftritt und auf den Rängen des Olympiastadions Platz nimmt, sollen seine Bandenmitglieder die Zuschauereinnahmen des Bundesliga-Spiels ausrauben.

Doch der Plan misslingt, denn die Kasse ist schon leer geräumt. Offensichtlich ist ihnen Jemand zuvor gekommen. Stiegler ahnt nicht, dass sich die Beute im Hause Zänkers befindet, wo der Gerichtsrat gemeinsam mit seinen Gesangskameraden den Erfolg feiert. Natürlich heimlich, denn sein mit im Haus lebender Schwiegersohn (Walter Giller) ist der für die Untersuchung des Raubs verantwortliche Polizei-Inspektor und darf nichts davon erfahren. Schließlich haben die Pensionäre noch mehr vor…

"Die Herren mit der weißen Weste" erschien schon 2013 als DVD, aber die am 14.08.2014 von der PIDAX veröffentlichte Blue-Ray bedeutet qualitativ einen Quantensprung und wird dem Spätwerk Staudtes gerecht, von dem PIDAX auch schon die Fernsehserie "Kommissariat 9" (1975) herausbrachte. "Die Herren mit der weißen Weste" verfügt nicht mehr über Staudtes gesellschaftskritischen Biss, kann aber in seiner unangestrengten Inszenierung als Kleinod innerhalb der damaligen deutschen Komödienlandschaft überzeugen.(Die grünen Links führen zur Amazon-Bestellseite). 











Fähnchen schwenkend stehen die Massen am Straßenrand, während die US-Army ihre jährliche Militärparade im Westteil der damals geteilten Stadt Berlin abhält. Für den Oberlandesgerichtsrat a.D. Herbert Zänker (Martin Held) genau die richtige Kulisse, um mit seiner Altherren-Clique das nächste Ding zu drehen, denn die rasselnden Panzerketten setzen jede Alarmanlage außer Betrieb. Während der Juwelier fröhlich den vorbeifahrenden Waffengattungen zujubelt, wird hinter seinem Rücken die Auslage geräumt - und erneut zieht Bruno "Dandy" Stiegler (Mario Adorf) den Kürzeren, der es ebenfalls auf die wertvollen Stücke abgesehen hatte, aber nur noch gähnende Leere vorfindet.

Horst Wendtland, in den 60er Jahren dank des großen Erfolgs der Edgar-Wallace- und Karl-May-Filmreihen zu einem der führenden Produzenten in Deutschland aufgestiegen, verpflichtete als Regisseur Wolfgang Staudte, um das von ihm selbst verfasste Script zu "Die Herren mit der weißen Weste" in Szene zu setzen. Ein in zweierlei Hinsicht seltener Vorgang. Wendtland schrieb nur wenige Drehbücher und Staudte verfilmte in der Regel eigene Stoffe. Bis zu "Herrenpartie" (1964), der solch vehemente, teils persönliche Kritik erfuhr, dass er heute als das Ende der langjährigen gesellschaftskritischen Phase in Staudtes Schaffen gilt - eine etwas oberflächliche Betrachtung, da einige seiner späteren Arbeiten wie der selbst produzierte Film "Heimlichkeiten" (1968) inzwischen nahezu unbekannt sind.

"Die Herren mit der weißen Weste" scheint diese These dagegen zu bestätigen, denn die Gauner-Komödie um den Gangster Stiegler, den Gerichtsrat Zänker während seiner Amtszeit nie überführen konnte, jetzt aber gemeinsam mit seinen pensionierten Kameraden sowie seiner Schwester Elisabeth (Agnes Windeck) hinters Licht führt, ist reines Unterhaltungskino. Auch wenn der Film aus heutiger Sicht wieder über einigen Charme verfügt, wirkte er 1970 angesichts der aktuellen politischen Ereignisse und soziokulturellen Veränderungen mit seinen Heinz-Erhardt-Reimen und Running-Gags über Schwerhörigkeit aus der Zeit gefallen und bekräftigte die jungen Filmemacher in ihrer Haltung, die Wolfgang Staudte schon seit Beginn der 60er Jahre zu "Opas Kino" zählten. Zudem reihte sich der Film in die damalige Komödienlandschaft ein, die nach außen hin Modernität behauptete, letztlich aber bürgerliche Werte verteidigte – die Langhaarigen gehören zu Stieglers Gangsterbande und die sexuell freizügig auftretende Susan (Hannelore Elsner) ist natürlich ein Flittchen.

Dem ließe sich entgegnen, dass hier auch die seriösen Honoratioren munter und ohne Unrechtsbewusstsein stehlen, aber sie handeln selbstverständlich nicht aus eigennützigen Motiven, sondern um dem Gesetz zu seinem Recht zu verhelfen. Zwar gewitzt und ohne Gewalt vorgehend, können ihre Taten nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich um Selbstjustiz handelt. Die Exekutive in Person von Zänkers Schwiegersohn, Inspektor Walter Knauer (Walter Giller), wird als sympathisch, aber wirkungslos wenig ernst genommen und spätestens wenn der mit Zänker befreundete Kommissar Berg (Siegfried Schürenberg) ankündigt, nach seiner Pensionierung ebenfalls zu der Senioren-Gang stoßen zu wollen, ist das Urteil über die Durchschlagskraft der Polizei gesprochen. Mit der kritischen Betrachtung verheimlichter Flecken, die sich auf den angeblich „weißen Westen“ diverser Herren befinden, hat Wendtlands Story nichts zu tun, sondern variierte komödiantisch die Meinung, dass Verbrecher mit ihren eigenen Mitteln bekämpft werden müssten.

Dass der Film trotzdem ohne Peinlichkeiten und revanchistische Tendenzen auskam, ist nicht nur den sehr guten Darstellern und der zwar altmodischen, aber kurzweiligen Inszenierung zu verdanken, sondern das Staudte die Chose nicht besonders ernst nahm. So wie es Mario Adorf gelang, „Dandy“ Ziegler sympathische Züge zu verleihen, kann die Pensionisten-Gang den Spaß an ihrem kriminellen Tun nicht leugnen. Die Überführung des Gangsters wird so zu einem willkommenen Nebeneffekt ohne besondere Langzeitwirkung, denn die Herren (und Dame) wollen schließlich weiter ihrem Hobby frönen. Besonders Martin Held als Gerichtsrat gab hier einen Gegenentwurf zu seiner Rolle als Staatsanwalt mit NS-Vergangenheit aus Staudtes „Rosen für den Staatsanwalt“(1959). Sein Auftreten ist von Humor und Toleranz geprägt – trotz seines jahrelangen vergeblichen Versuchs, Ziegler zu überführen, verfällt er nie in irgendeine Form von Fanatismus.

Auch die Besetzung weiterer wichtiger Rollen wirkt wie ein Stelldichein vertrauter Staudte- und Horst Wendtland-Darsteller. Siegfried Schürenberg in seiner aus den Wallace-Filmen gewohnten Rolle des Polizei-Vorgesetzten, Walter Giller, in „Rosen für den Staatsanwalt“ noch Martin Helds Gegenspieler, diesmal als dessen Schwiegersohn und Rudolf Platte als Klein-Ganove mit Herz, der in „Herrenpartie“ den Chor-Leiter einer Herren-Gesangsgruppe spielte. Apropos Gesangsgruppe – dieses auch in „Die Herren mit der weißen Weste“ wiederholt auftretende Motiv erinnert nicht zufällig an Staudtes Satire über die Verdrängung der Gräueltaten der Wehrmacht im 2.Weltkrieg. In „Herrenpartie“ noch mit der Inbrunst des kulturellen Sendungsbewusstseins intoniert, dient die Gesangsprobe hier als vorgetäuschter Anlass für konspirative Treffen – das deutsche Liedgut erklingt vom Band.

Es sind diese ironischen, auch das eigene Werk zitierenden Momente, die Staudtes Film von typischer Komödien-Ware dieser Zeit unterscheiden. Sie gaben ihm die Gelegenheit, kleine Spitzen gegen die Mitnahme-Mentalität auszuteilen und wiesen die Fähnchen schwenkenden Massen am Rand der Militär-Parade als nützliche Idioten aus, hinter deren Rücken es sich leicht ein Ding drehen ließ.



"Die Herren mit der weißen Weste" Deutschland 1970, Regie: Wolfgang Staudte, Drehbuch: Horst Wendlandt, Darsteller : Martin Held, Mario Adorf, Walter Giller, Agnes Windeck, Hannelore Elsner, Sabine Bethmann, Herbert Fux, Rudolf Platte, Heinz Erhardt, Siegfried Schürenberg, Willi Reichert, Laufzeit : 96 Minuten

weitere im Blog besprochene Filme von Wolfgang Staudte:

Mittwoch, 8. Oktober 2014

...denn das Weib ist schwach (1961) Wolfgang Glück

Inhalt: Seitdem Kovacz (Karl-Otto Alberty) wieder aus dem Gefängnis entlassen wurde, befindet sich Jolly Gebhardt (Helmut Schmid) auf der Flucht vor dessen Männern. Als Anwalt hatte er eine große Geldsumme anvertraut bekommen, die er zur Aufrechterhaltung seines aufwändigen Lebensstils unterschlagen hatte. Zwar kann er mit seinem schnellen Jaguar kurzzeitig entkommen, aber er weiß, dass er keine Ruhe haben wird, bevor er das Geld nicht zurückzahlt.

Einzig sein gewohnter Erfolg bei Frauen könnte ihm noch helfen. Er hatte den Aufenthaltsort von Hanna Schäferkamp (Sonja Ziemann) in einer Erbschaftsangelegenheit ausfindig gemacht, von der er zu profitieren hofft. Unter einem Vorwand begibt er sich an ihren Arbeitsplatz, um mit ihr anzubändeln, aber sie, die nichts von ihrem Millionenerbe weiß, weist ihn ab. Auch Lissy (Kai Fischer), seine Geliebte, reagiert nicht begeistert, als sie von seinen Bemühungen um Hanna erfährt, unterstützt ihn aber, als sie seine Beweggründe erfährt. Dank ihrer Hilfe gelingt es ihm, das Vertrauen Hannas zu gewinnen…


Der Titel des Films "...denn das Weib ist schwach" könnte den Eindruck erwecken, die Männer hätten hier alles im Griff. Doch das täuscht. Jolly Gebhardt (Helmut Schmid) - Rechtsanwalt, Frauentyp und Jaguar-Fahrer - hat die Kontrolle über sein nach außen hin luxuriöses Leben längst verloren. Zwar kann er Kovaczs (Karl-Otto Alberty) Handlanger Vigulla (Werner Peters) noch einmal entkommen, der das Geld zurückfordert, das er unterschlagen hatte, als sein Mandant im Gefängnis saß, aber Gebhardt weiß, dass ihn die skrupellosen Verbrecher nicht in Ruhe lassen werden. Krampfhaft sucht er nach einer Lösung, die keine Erlösung bringen wird. Die Blues-Stimme von Ottilie Patterson, begleitet von der Chris Barber Jazzband, die während seiner rasenden Fahrt durch West-Berlin erklingt, lässt daran von Beginn an keinen Zweifel.

Nur schnelles Geld kann ihn aus seiner Situation retten, aber der Wunsch nach Reichtum bleibt in Wolfgang Glücks letztem Kinofilm (vor seiner langen Fernseh-Karriere) ein Versprechen, das schon die Bilder nicht einlösen. West-Berlin ist vom Krieg gezeichnet - trostlose Miethäuser, auf Schrottplätzen spielende Kinder, brache Gleisanlagen und die Ruinen früherer Industriegebäude bilden den Hintergrund einer Story, in der Hanna Schäferkamp (Sonja Ziemann), eine geschiedene, allein erziehende kleine Angestellte, zur personifizierten Hoffnung für Gebhardt wird, ohne es selbst zu ahnen. Als Anwalt sollte er ihren Aufenthaltsort ausfindig machen, da ihr ein in Kanada verstorbener Onkel ein Millionen-Erbe vermacht hatte, aber er behält seine Informationen noch zurück, um sich an sie heranzumachen. Überzeugt von seiner Wirkung auf Frauen, hofft er als ihr zukünftiger Ehemann an ihr Geld zu kommen.

Helmut Schmid gelang es, dieser Figur trotz ihres Egoismus und der skrupellosen Vorgehensweise dank der stets spürbaren Tragik Sympathien zu verleihen, die auch seinen Erfolg bei Frauen verständlich werden lässt. Über der gesamten Handlung verblieb - nicht zuletzt dank der Jazz-Musik - eine schwermütige Stimmung, die keinen Wirtschaftswunder-Optimismus mehr ausstrahlte, auch wenn sich die Beziehung zwischen Hanna und Jolly äußerlich nach typischen Mustern entwickelte. Natürlich verliebt er sich in die hübsche Frau, doch die Autoren Wolfgang Steinhardt und Hans Nicklisch nutzten die Romanvorlage "Post aus Ottawa" von Bruno Hampel für den Entwurf einer Nachkriegsgesellschaft, die sich auf der Suche nach dem persönlichen Glück verloren hat - Sex und Intrige sind zu adäquaten Mitteln geworden, ohne dass der Film ins Moralisieren verfällt.

Steinhardts Stil, der auch das Drehbuch zu Max Pécas' parallel erschienenen "De quoi tu te mêles Daniela!" (Zarte Haut in schwarzer Seide, 1961) verfasste, deutete früh auf die Erwin C.Dietrich Produktionen "St.Pauli zwischen Nacht und Morgen" (1967) und "Unruhige Töchter" (1967) hin, die ebenfalls auf Basis seiner Drehbücher entstanden und damit seinen Einfluss auf den deutschen Erotik-Film dokumentieren. Co-Autor Hans Nicklisch wiederum hatte in seinem Drehbuch zu "Geheimaktion schwarze Kapelle" (1959) sein Händchen für desillusionierte Lebensentwürfe bewiesen. Auch Regisseur Wolfgang Glück hatte sich nach einem kurzen Ausflug ins Heimatfilm-Genre („Der Pfarrer von St.Michael“ 1957) der sich verändernden 50er Jahre-Sozialisation zugewendet („Gefährdete Mädchen“, 1958) und verpflichtete nach „Mädchen für die Mambo-Bar“ (1959) erneut Kai Fischer in ihrer angestammten Rolle als laszive Geliebte.

Obwohl sie dem Anwalt entscheidend dabei hilft, die etwas spröde und von den Männern enttäuschte Hanna zu verführen, befindet sie sich dank ihrer offenen sexuellen Ausstrahlung von Beginn an in der schlechteren Position als dessen mögliche Ehefrau. Lissy (Kai Fischer) kommt für Gebhardt nicht über einen netten Zeitvertreib hinaus, während die anständige Hanna sein Herz gewinnt. In dieser Hinsicht entsprach die Handlung zwar den gewohnten moralischen Konzessionen, aber Glück und Steinhardt verzichteten darüber hinaus auf jede Idealisierung. Auch Hanna schläft schon nach dem ersten gemeinsamen Abend mit Gebhardt und seine Versuche, die Sympathien ihrer Tochter zu gewinnen, fruchten nur bei ihrer Mutter – die Kleine kann er nicht überzeugen.

Der Titel „…denn das Weib ist schwach“ erweist sich am Ende als bittere Ironie, denn der smarte, von Schmid gewohnt körperlich agil gespielte Jolly Gebhardt scheitert letztlich an dem Kind und der von ihm zurückgewiesenen Geliebten. Ein wunderbarer, melancholischer Abgesang inmitten eines vom Krieg verwundeten Berlins auf die behaupteten Ideale der 50er Jahre.









"...denn das Weib ist schwach" Deutschland 1961, Regie: Wolfgang Glück, Drehbuch: Wolfgang Steinhardt, Hans Nicklisch, Bruno Hampel (Roman), Darsteller : Sonja Ziemann, Helmut Schmid, Kai Fischer, Werner Peters, Karl-Otto AlbertyLaufzeit : 84 Minuten