In Erinnerung an Dietmar Schönherr, gestorben am 18.07.2014
Inhalt: Vigo (Dietmar Schönherr), befehlshabender Offizier
der italienischen Grenzpolizei am Mont-Blanc, kann nach einem Schusswechsel im
Hochgebirge nur einen Teil der Schmuggelware konfiszieren, die Täter können
dagegen entkommen. Erschöpft fährt er zurück zu einem Berghotel, wo seine
Verlobte Monika (Dagmar Rom) schon sehnsüchtig auf ihn wartet. Doch ihr
zärtliches Stelldichein ist nur von kurzer Dauer, da Vigo von seiner Müdigkeit
übermannt wird, um nach einem fünfstündigen Schlaf gleich wieder in die Berge
aufzubrechen.
Monika, die Urlaub genommen hatte, um in der Nähe ihres
Liebsten zu sein, reagiert enttäuscht, lässt sich aber vom Hotel-Pagen Angelo
(Gerhard Deutschmann) ablenken, der mit ihr auf die Ski-Piste geht. Dort stößt
sie beinahe mit Hans (Baldur von Hohenbalken) zusammen, einem früheren Verehrer
aus ihrer österreichischen Heimat, der im Hochgebirge trainiert. Ohne zu zögern
verbringt sie den Tag mit dem alten Freund…
Mit "Nacht am Mont Blanc" befand sich der
österreichische Regisseur Harald Reinl Anfang der 50er Jahre in bester
Gesellschaft. Sein erster Langfilm nach eigenem Drehbuch - "Bergkristall" (1949) entstand auf Basis des gleichnamigen Romans von
Adalbert Stifter, "Gesetz ohne Gnade" (1951) nach
Karl Lovens Roman "Das Gipfelkreuz" - spielte im Hochgebirgs-Milieu, ähnlich der Heimatfilme "Schicksal am Berg" (1950, Regie Ernst Hess), "Duell in
den Bergen" (1950, Regie Luis Trenker und Debüt der
"Heimatfilm"-Ikone Marianne Hold) und "Föhn" (1950, Regie
Rolf Hansen), die nach 1945 wieder auf das in den 20er/frühen 30er Jahren
beliebte Sujet des Berg-Dramas zurückgriffen - bei "Föhn" handelt
es sich zudem um ein Remake des 1929 unter G.W.Pabst und Arnold Fanck gedrehten
Stummfilms "Die weiße Hölle am Piz-Palü" (siehe "Bergdrama und Pioniere des Heimatfilms - die frühen Jahre 1930 bis 1933").
Der Einfluss dieser Film-Gattung mit ihren beeindruckenden
Bergpanoramen und archaischen menschlichen Auseinandersetzungen auf die
Entwicklung des "Heimatfilms" auch der 50er Jahre lässt sich gut an Reinls "Nacht am Mont Blanc" ablesen, der die dramatischen
Szenen in eisigen Höhen mit komödiantischen Elementen, einer Kriminalhandlung
und nicht zuletzt mit Liebesgeplänkel um Dagmar Rom verband, der damals sehr
populären zweifachen Ski-Weltmeisterin von 1950, die 1952 noch eine
Silbermedaille bei den olympischen Spielen in Oslo gewinnen sollte. Trotz der
die Szenerie beherrschenden verschneiten Berggipfel, nahm die Story um die
attraktive blonde Sportlerin damit schon früh Reinls Vorliebe für ein
Unterhaltungs-Potpourri vorweg, wie er es in "Die Fischerin vom Bodensee" (1956) in Perfektion umsetzen sollte - ein typisches Stilelement der späteren "Heimatfilm" - Phase (siehe "Im Zenit des Wirtschaftswunders - der Heimatfilm der Jahre 1955 bis 1957").
In "Nacht am Mont-Blanc" hinterlässt der große
Unterschied zwischen dem notorisch ernsthaften Mienenspiel Dietmar Schönherrs
in seiner ersten Hauptrolle als Grenzpolizist Vigo und Oskar Simas witziger
Darstellung eines sehr von sich überzeugten Hotel-Portiers, der sich mit einer
zu Hysterie neigenden wohlhabenden Touristin aus dem österreichischen
Flachland, Frau Schnackendorf (Geraldine Klatt), ins Alberne driftende Dialoge
abliefert, einen uneinheitlichen Charakter. Kombiniert mit den Aufnahmen
des skifahrerischen Könnens von Frau Rom, die zu fröhlicher Musik die Hänge
hinunter wedelt, während ihr Verlobter Vigo gefährlichen Rauschgiftschmugglern
auf der Spur ist, entsteht der Eindruck eines unentschiedenen Stils. Der Beginn
und die Schlusssequenz folgten den Regeln des Bergdramas, während der Mittelteil
eher komödiantisch, folkloristisch angelegt ist. Reinl gelang noch nicht die ausgewogene Mischung seiner späteren Heimatfilme.
Besonders in Sachen Liebe fuhr er ein Kontrastprogramm
auf. Der nach vielen Stunden im Hochgebirge erschöpft zurückgekehrte Vigo und
seine Verlobte Monika (Dagmar Rom) schwelgen in ewiger Liebe, während der
Portier und Frau Schnackendorf nur despektierliche Bemerkungen für ihre langjährigen
Angetrauten übrig haben. Aber auch Monika vergisst ihre elegischen Worte scheinbar
schnell, nachdem Vigo schon nach kurzer Zeit wieder seinen Polizisten-Pflichten
nachgehen musste, obwohl sie doch seinetwegen extra Urlaub genommen hatte. Page
Angelo (Gerhard Deutschmann) darf als begabter Ersatzmann mit auf die Ski-Piste
und als ihr dort zufällig ihr früherer Verehrer Hans (Baldur von Hohenbalken)
begegnet, verbringt sie gleich den restlichen Tag mit ihm bis tief in die Nacht
auf ihrem Zimmer, ohne ihre Beziehung zu Vigo zu erwähnen. Ein gewagtes Spiel
für ein unschuldiges Fräulein Anfang der 50er Jahre, das entsprechende Folgen
nach sich zieht.
Hans, von Monikas Verhalten ermutigt, versucht sein Glück, holt
sich aber eine Abfuhr, woraufhin er das Hotel schon zu früher Morgenstunde in
Richtung Berggipfel verlässt. Als der wieder zurückgekehrte Vigo im Hotel eine
Leiche entdeckt, glaubt er, Hans wäre der Mörder und macht sich auf die
Verfolgung. Doch Monika weiß es natürlich besser und versucht die beiden Männer
rechtzeitig einzuholen. Die Kriminal-Story um die Schmugglerbande und den Mord
im Hotel hat nur die Funktion, das abschließende Berg-Drama emotional
aufzuheizen. Während der aus Turin gekommene Commissario den Fall schnell
gelöst hat, spitzt sich die Situation am Mont-Blanc weiter zu. Zuerst
verunglückt Monika gerade als sie die Männer erreicht hatte, wird zwar
gerettet, aber auf Grund eines Wetterumschwungs müssen sie gemeinsam die Nacht
am Berg verbringen. Dort erfährt Vigo, warum Hans nicht der Mörder sein kann,
was den Zusammenhalt unter schwierigsten Bedingungen erst recht gefährdet.
So konstruiert und im Charakter uneinheitlich die Hinführung
zu der abschließenden Sequenz wirkt, gelang es Reinl diese spannend in der Tradition
klassischer Berg-Filme umzusetzen, auch weil er auf ein eindeutiges
Gut-Böse-Schema verzichtete. Die Situation zwischen der Frau und den zwei
Männern bleibt lange offen und sollte offensichtlich weit dramatischer enden
als es die nachgeschoben wirkenden kurzen Szenen am Ende vorgaukeln – ein
weiteres Beispiel für das qualitative Gefälle innerhalb eines Films, der einen
Spagat zwischen leichter Unterhaltung und ernsthaftem Drama versuchte. Nicht immer
gelungen, aber voller bemerkenswerter Details wie etwa die strikte Einhaltung
der unterschiedlichen Sprachen, die den Betrachter auch mit längeren Dialogen
in Italienisch konfrontierten, die nicht untertitelt wurden. Und signifikant für die Stellung des
Films zwischen Tradition und der sich abzeichnenden Modernisierung der
Nachkriegsgesellschaft, die nicht nur typisch für den frühen Heimatfilm ist, sondern auch beispielhaft für die Entwicklung des Regisseurs und
Autors Harald Reinl zu einem der führenden Vertreter des Heimatfilms steht.
weitere im Blog besprochene Filme von Harald Reinl:
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