Inhalt: Die Ankunft des Box-Promoters Bruno
"Dandy" Stiegler (Mario Adorf) in Berlin erzeugt große mediale
Aufmerksamkeit, denn Stiegler war schon vor seinem Weggang in die USA kein
unbeschriebenes Blatt. Im Gegenteil – 10 Jahre hatte Oberlandesgerichtsrat a.D.
Herbert Zänker (Martin Held) vergeblich versucht, Stiegler seine kriminellen
Machenschaften nachzuweisen, bis ihn seine Pensionierung stoppte. Auch nach
seiner Rückkehr plant Stiegler sogleich ein großes Ding. Während er wie gewohnt
in der Öffentlichkeit auftritt und auf den Rängen des Olympiastadions Platz
nimmt, sollen seine Bandenmitglieder die Zuschauereinnahmen des
Bundesliga-Spiels ausrauben.
Doch der Plan misslingt, denn die Kasse ist schon leer
geräumt. Offensichtlich ist ihnen Jemand zuvor gekommen. Stiegler ahnt nicht, dass
sich die Beute im Hause Zänkers befindet, wo der Gerichtsrat gemeinsam mit
seinen Gesangskameraden den Erfolg feiert. Natürlich heimlich, denn sein mit im
Haus lebender Schwiegersohn (Walter Giller) ist der für die Untersuchung des
Raubs verantwortliche Polizei-Inspektor und darf nichts davon erfahren. Schließlich
haben die Pensionäre noch mehr vor…
Fähnchen schwenkend stehen die Massen am Straßenrand,
während die US-Army ihre jährliche Militärparade im Westteil der damals
geteilten Stadt Berlin abhält. Für den Oberlandesgerichtsrat a.D. Herbert
Zänker (Martin Held) genau die richtige Kulisse, um mit seiner Altherren-Clique
das nächste Ding zu drehen, denn die rasselnden Panzerketten setzen jede
Alarmanlage außer Betrieb. Während der Juwelier fröhlich den vorbeifahrenden
Waffengattungen zujubelt, wird hinter seinem Rücken die Auslage geräumt - und
erneut zieht Bruno "Dandy" Stiegler (Mario Adorf) den Kürzeren, der
es ebenfalls auf die wertvollen Stücke abgesehen hatte, aber nur noch gähnende
Leere vorfindet.
Horst Wendtland, in den 60er Jahren dank des großen Erfolgs
der Edgar-Wallace- und Karl-May-Filmreihen zu einem der führenden Produzenten
in Deutschland aufgestiegen, verpflichtete als Regisseur Wolfgang Staudte, um
das von ihm selbst verfasste Script zu "Die Herren mit der weißen
Weste" in Szene zu setzen. Ein in zweierlei Hinsicht seltener Vorgang.
Wendtland schrieb nur wenige Drehbücher und Staudte verfilmte in der Regel
eigene Stoffe. Bis zu "Herrenpartie" (1964), der solch vehemente,
teils persönliche Kritik erfuhr, dass er heute als das Ende der langjährigen
gesellschaftskritischen Phase in Staudtes Schaffen gilt - eine etwas
oberflächliche Betrachtung, da einige seiner späteren Arbeiten wie der selbst
produzierte Film "Heimlichkeiten" (1968) inzwischen nahezu unbekannt
sind.
"Die Herren mit der weißen Weste" scheint diese
These dagegen zu bestätigen, denn die Gauner-Komödie um den Gangster Stiegler,
den Gerichtsrat Zänker während seiner Amtszeit nie überführen konnte, jetzt
aber gemeinsam mit seinen pensionierten Kameraden sowie seiner Schwester
Elisabeth (Agnes Windeck) hinters Licht führt, ist reines Unterhaltungskino.
Auch wenn der Film aus heutiger Sicht wieder über einigen Charme verfügt,
wirkte er 1970 angesichts der aktuellen politischen Ereignisse und
soziokulturellen Veränderungen mit seinen Heinz-Erhardt-Reimen und Running-Gags
über Schwerhörigkeit aus der Zeit gefallen und bekräftigte die jungen
Filmemacher in ihrer Haltung, die Wolfgang Staudte schon seit Beginn der 60er
Jahre zu "Opas Kino" zählten. Zudem reihte sich der Film in die
damalige Komödienlandschaft ein, die nach außen hin Modernität behauptete,
letztlich aber bürgerliche Werte verteidigte – die Langhaarigen gehören zu
Stieglers Gangsterbande und die sexuell freizügig auftretende Susan (Hannelore
Elsner) ist natürlich ein Flittchen.
Dem ließe sich entgegnen, dass hier auch die seriösen
Honoratioren munter und ohne Unrechtsbewusstsein stehlen, aber sie handeln selbstverständlich
nicht aus eigennützigen Motiven, sondern um dem Gesetz zu seinem Recht zu
verhelfen. Zwar gewitzt und ohne Gewalt vorgehend, können ihre Taten nicht
darüber hinwegtäuschen, dass es sich um Selbstjustiz handelt. Die Exekutive in
Person von Zänkers Schwiegersohn, Inspektor Walter Knauer (Walter Giller), wird
als sympathisch, aber wirkungslos wenig ernst genommen und spätestens wenn der
mit Zänker befreundete Kommissar Berg (Siegfried Schürenberg) ankündigt, nach
seiner Pensionierung ebenfalls zu der Senioren-Gang stoßen zu wollen, ist das
Urteil über die Durchschlagskraft der Polizei gesprochen. Mit der kritischen
Betrachtung verheimlichter Flecken, die sich auf den angeblich „weißen Westen“
diverser Herren befinden, hat Wendtlands Story nichts zu tun, sondern variierte
komödiantisch die Meinung, dass Verbrecher mit ihren eigenen Mitteln bekämpft
werden müssten.
Dass der Film trotzdem ohne Peinlichkeiten und
revanchistische Tendenzen auskam, ist nicht nur den sehr guten Darstellern und
der zwar altmodischen, aber kurzweiligen Inszenierung zu verdanken, sondern das
Staudte die Chose nicht besonders ernst nahm. So wie es Mario Adorf gelang,
„Dandy“ Ziegler sympathische Züge zu verleihen, kann die Pensionisten-Gang den
Spaß an ihrem kriminellen Tun nicht leugnen. Die Überführung des Gangsters wird
so zu einem willkommenen Nebeneffekt ohne besondere Langzeitwirkung, denn die
Herren (und Dame) wollen schließlich weiter ihrem Hobby frönen. Besonders
Martin Held als Gerichtsrat gab hier einen Gegenentwurf zu seiner Rolle als
Staatsanwalt mit NS-Vergangenheit aus Staudtes „Rosen für den Staatsanwalt“(1959). Sein Auftreten ist von Humor und Toleranz geprägt – trotz
seines jahrelangen vergeblichen Versuchs, Ziegler zu überführen, verfällt er
nie in irgendeine Form von Fanatismus.
Auch die Besetzung weiterer wichtiger Rollen wirkt wie ein
Stelldichein vertrauter Staudte- und Horst Wendtland-Darsteller. Siegfried
Schürenberg in seiner aus den Wallace-Filmen gewohnten Rolle des
Polizei-Vorgesetzten, Walter Giller, in „Rosen für den Staatsanwalt“ noch
Martin Helds Gegenspieler, diesmal als dessen Schwiegersohn und Rudolf Platte
als Klein-Ganove mit Herz, der in „Herrenpartie“ den Chor-Leiter einer
Herren-Gesangsgruppe spielte. Apropos Gesangsgruppe – dieses auch in „Die
Herren mit der weißen Weste“ wiederholt auftretende Motiv erinnert nicht
zufällig an Staudtes Satire über die Verdrängung der Gräueltaten der Wehrmacht
im 2.Weltkrieg. In „Herrenpartie“ noch mit der Inbrunst des kulturellen
Sendungsbewusstseins intoniert, dient die Gesangsprobe hier als vorgetäuschter
Anlass für konspirative Treffen – das deutsche Liedgut erklingt vom Band.
Es sind diese ironischen, auch das eigene Werk zitierenden
Momente, die Staudtes Film von typischer Komödien-Ware dieser Zeit
unterscheiden. Sie gaben ihm die Gelegenheit, kleine Spitzen gegen die
Mitnahme-Mentalität auszuteilen und wiesen die Fähnchen schwenkenden Massen am
Rand der Militär-Parade als nützliche Idioten aus, hinter deren Rücken es sich
leicht ein Ding drehen ließ.
"Die Herren mit der weißen Weste" Deutschland 1970, Regie: Wolfgang Staudte, Drehbuch: Horst Wendlandt, Darsteller : Martin Held, Mario Adorf, Walter Giller, Agnes Windeck, Hannelore Elsner, Sabine Bethmann, Herbert Fux, Rudolf Platte, Heinz Erhardt, Siegfried Schürenberg, Willi Reichert, Laufzeit : 96 Minuten
weitere im Blog besprochene Filme von Wolfgang Staudte:
"Die Mörder sind unter uns" (1946)
"Rosen für den Staatsanwalt" (1959)
"Kirmes" (1960)
"Herrenpartie" (1964)
"Kommissariat 9" (1975)
"Rosen für den Staatsanwalt" (1959)
"Kirmes" (1960)
"Herrenpartie" (1964)
"Kommissariat 9" (1975)
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