Samstag, 31. Dezember 2016

Komm mit zur blauen Adria (1966) Lothar Gündisch


Walter (Dietmar Schönherr) poussiert mit Tina (Margitta Scherr)
Inhalt: Dass Walter (Dietmar Schönherr) gerade der hübschen Tochter des Hoteliers, Tina (Margitta Scherr), auf dem Meer nahe kommt, ärgert nicht nur deren Vater, dem er schon einige Tage Kost und Logis schuldet, sondern auch seine Freundin Ingrid (Hannelore Auer), mit der er sich ein Hotelzimmer teilt. Walter versteht die ganze Aufregung nicht. Schließlich muss er seinen kreativen Kopf frei bekommen, um die neuen Bademoden zu entwerfen. Und da kommt ihm jedes Mittel gelegen. Sein Chef (Fritz Benscher) in Deutschland wird von Tag zu Tag ungeduldiger und sein Geld ist längst weg. 

Seine Freundin Ingrid (Hannelore Auer) reagiert wenig begeistert
Walter ahnt nicht, wie recht er hat. Angespitzt von der Chefsekretärin Fräulein Habicht (Ruth Stephan) hat ihm sein Chef den Buchhalter Heribert Kindlein (Thomas Alder) undercover als Frau verkleidet hinterher geschickt, um den Arbeitsfortschritt seines Angestellten zu überprüfen. Kindlein ist nicht der Einzige, der sich auf den Weg ans Mittelmeer macht. Die Tochter seines Chefs, Renate (Maria Brockerhoff), war aus ihrem Mädchen-Internat abgehauen, um endlich etwas zu erleben, und der reiche Geschäftsmann Senior Hernandez (Gustavo Rojo), wichtigster Kunde ihres Vaters, macht sich auf ihre Verfolgung. Er hatte sich in Renates Porträt verliebt und will sie heiraten… 


"Das blaue Meer" - Sehnsuchtsbegriff des Tourismusfilms 

"Das blaue Meer" symbolisierte in den 50er Jahren das Fernweh der Deutschen nach südlichen Gestaden. Mit der zunehmenden Stabilisierung des Arbeitsmarkts in den 50er Jahren und einem damit einhergehenden bescheidenen Wohlstand wuchs auch der Wunsch zu verreisen. Zuerst beschränkte man sich auf den Urlaub im eigenen Land - eine Entwicklung, auf die der "Heimatfilm" ab Mitte der 50er Jahre vermehrt mit der Betonung von Sehenswürdigkeiten und folkloristischen Elementen reagierte ("Die Fischerin vom Bodensee" (1956)) - aber schon wenige Jahre später strebten die Deutschen auch nach weiter entfernten Zielen. Über die Alpen nach Italien oder Jugoslawien, an das Mittelmeer.

1966 war die Nachkriegszeit vorbei. Das "blaue Meer" kam hier zwar noch ein letztes Mal zur Geltung (mit der geografisch falschen Präzisierung "Adria", denn der Film wurde in Spanien gedreht), aber als Sehnsuchtsbegriff hatte es ausgedient. Das Mittelmeer war inzwischen fester Bestandteil von Pauschal- und Individualurlaub, weshalb nicht mehr Land und Leute im Mittelpunkt der Tourismuswerbung standen, sondern die vielfältigen Attraktionen eines Strandurlaubs, Liebe und Sex inbegriffen. Am Beispiel der fünf Filme, die zwischen 1957 und 1966 das "blaue Meer" (einmal die "blaue Adria") in ihrem Titel führten, zeichnet der Blog diese Entwicklung nach:

                 - "Unter Palmen am blauen Meer" (1957)
                 - "Das blaue Meer und Du" (1959)
                 - "Mein Schatz komm mit ans blaue Meer" (1959)
                 - "Auf Wiedersehen am blauen Meer" (1962)
                 - "Komm mit zur blauen Adria" (1966) 


Endstation "blaue Adria". 

Walter versucht seinen Chef von seinem Arbeitseinsatz zu überzeugen...
Nicht im übertragenen Sinn wie das wiederholte Ankündigen des "Heimatfilm"-Endes, sondern ganz konkret. "Komm mit zur blauen Adria" war ein Nachzügling, das letzte Relikt eines Genres, das es seitdem in dieser reinen Form nicht mehr gibt - der "Schlagerfilm", zudem kombiniert mit einem Restposten "Tourismusfilm". "Das Spukschloss im Salzkammergut" kam zwar erst Ende 1966 in die deutschen Kinos, war aber eine Mogelpackung - gefilmt 1963 und mit einer nachgedrehten Rahmenhandlung modernisiert. Zudem ganz ohne internationales Flair. Und spätere Musik-Filme wie "Heintje - Einmal wird die Sonne wieder scheinen" (1969) oder "Wenn du bei mir bist" (1970) mit Roy Black waren ganz auf ihre Stars zugeschnitten.

...was ihm aber nicht recht gelingt (Fritz Benscher und Ruth Stephan)
"Komm mit zur blauen Adria" konnte, wie im Schlagerfilm üblich, noch mit einer Reihe an mitspielenden Sängern aufwarten, deren Songs gleichwertig in die Handlung integriert wurden: Manfred Schnelldorfer, Hannelore Auer und Maria Brockerhoff. Selbst Dietmar Schönherr, sonst nicht als Sängerknabe bekannt, gab hier eine Gilbert Becaud-Komposition zum Besten. Die Anzahl der Gastauftritte blieben in "Komm mit zur blauen Adria" dagegen vergleichsweise spärlich. Ein weiteres Anzeichen für dessen späten Status. Außer dem Trompeter Roy Etzel, dessen "Golden midnight sun" hier als Erkennungsmelodie diente, trat nur noch Vivi Bach mit einem Schlager auf. Eine lieblos hineingeschnittene Szene, die offensichtlich zu einer anderen Zeit und an einem anderen Ort entstanden war.

Dieser schickt Buchhalter Kindlein (Thomas Alder) undercover hinterher...
Stichwort "Vivi Bach". Die dänische Sängerin und Schauspielerin war das Gesicht des Schlagerfilms und der Musik-Komödie in der ersten Hälfte der 60er Jahre. Seit "Gitarren klingen leise durch die Nacht" (1960) an der Seite von Fred Bertelmann war sie bis "Tausend Takte Übermut" (1965) in mehr als zwanzig Kinofilmen aufgetreten. Der Verlauf ihrer Kino-Karriere steht ebenfalls symbolisch für das Ende des Genres. Bis 1969 folgten nur noch wenige Filme, meist internationale Produktionen. Darunter ein Auftritt in "Europa canta" (Lass die Finger von der Puppe, 1966), eine italienisch-spanische Co-Produktion, die noch ein wenig Schlagerfilm-Feeling herüberretten wollte. Ob Vivi Bachs kurzer Gesangsauftritt hier noch beim Dreh zu "Tausend Takte Übermut" entstanden war, ist fraglich, sicher ist aber, dass sich aus dessen Crew der größte Teil der Mitwirkenden an "Komm mit zur blauen Adria" rekrutierte.

...um Walters kreative Arbeitsmethodik zu beobachten
Neben Vivi Bach fehlten noch Rex Gildo und Gunter Philipp, aber ihr Ehemann Dietmar Schönherr, der uruguayische Schauspieler Gustavo Rojo und Maria Brockerhoff sorgten für adäquaten Ersatz. Wieder mit von der Partie waren Hannelore Auer, Margitta Scherr, Thomas Alder, Manfred Schnelldorfer, Ruth Stephan und Fritz Benscher. Statt Ernst Hofbauer übernahm dessen Assistent Lothar Gündisch die Regie und Hans Billian war erneut für das Drehbuch verantwortlich. Vielleicht ist dieser Kontinuität der Filmtitel zu verdanken, der letztmalig das „Blau“ des Meeres betonte, wenn hier auch fälschlich als „Adria“ bezeichnet. "Tausend Takte Übermut" hatte noch an der italienischen Adria-Küste gespielt, der geistige Nachfolger entstand aber im Süden Spaniens an der „Costa del sol“, worauf in den Credits schon zu Beginn hingewiesen wird. Unter dem Filmtitel „El Bikini rojo“ kam die deutsch-spanische Co-Produktion am Drehort heraus und es bleibt das Geheimnis der deutschen Produzenten, warum sie auch inhaltlich auf einem italienischen Handlungsort bestanden, obwohl dem Kino-Besucher das spanische Ambiente vertraut gewesen sein wird.

Erst wird sie von Joachim (Manfred Schnelldorfer) gerettet,...
Mitte der 60er Jahre war der Pauschalurlaub an der spanischen Küste kein Geheimtipp mehr, aber der Hintergrund mit Sandstrand, blauem Meer und allerlei Freizeitmöglichkeiten erfüllte seinen Zweck als attraktive Reisekulisse. Mit dem „Tourismusfilm“ der späten 50er Jahre, als die südlichen Gestade am Mittelmeer noch weit entfernt schienen, berühmte Sehenswürdigkeiten und folkloristische Eigenarten des Gastgeber-Landes ins Bild gerückt wurden und schon die Reise dorthin zum Abenteuer wurde, hatte das nur noch wenig gemeinsam. Mit solchen Details schlug sich „Komm mit zur blauen Adria“ nicht mehr herum, sondern entfaltete seine Story um eine deutsche Textilfirma, deren Designer nur wenig motiviert ist, die neuen Bademoden zu kreieren, sondern lieber seinen Charme bei den zahlreichen hübschen Mädchen spielen lässt, vor dem Hintergrund eines ewig scheinenden Hotel- und Strand-Urlaubs.

...dann landet Renate (Maria Brockerhoff) neben Walter im Bett...
In einer kurzen Szene gibt es eine kleine Reminiszenz an das „Reisen per Anhalter“, das in "Unter Palmen am blauen Meer" (1957) und seinen „Blauen Meer“-Epigonen noch ein wichtiger Story-Bestandteil war. Kurz vor ihrem Ziel am Ferienort wird Renate (Maria Brockerhoff) von einem Cabriolet-Fahrer, der sie mitgenommen hatte, belästigt und vom zufällig vorbei kommenden Joachim (Manfred Schnelldorfer) aus einer unangenehmen Situation gerettet. Ein bisschen Drama durfte noch sein, aber es fehlte der moralische Zeigefinger, der die jungen Damen davor warnen sollte, zu fremden Herren ins Auto zu steigen. Die Wirkung einer solchen Botschaft wäre angesichts des frivol unbeschwerten Treibens am Meer auch schnell verpufft, denn wenn etwas in „Komm mit zur blauen Adria“ lange Zeit offenbleibt, dann wer hier mit wem anbandelt.

...bevor sie sich des aufdringlichen Hernandez (Gustavo Rojo) erwehren muss
Besonders Walter (Dietmar Schönherr) kann sich nur schwer festlegen. Statt endlich die Bikini-Mode für die kommende Saison zu entwerfen, poussiert er mit Tina (Margitta Scherr), der Tochter des Hoteliers, während seine Freundin Ingrid (Hannelore Auer) mit abendlichen Gesangsauftritten ihre Hotel-Schulden abarbeiten will. Ingrid trauert ihm nicht lange nach, sorgt aber dafür, dass er aus ihrem gemeinsamen Zimmer geschmissen wird, denn ihre Gage behält sie für sich. Den frei gewordenen Schlafplatz neben ihr belegt eine neu ankommende ältere Dame, bei der es sich in Wahrheit um einen Mann in Frauenkleidern handelt. Der Buchhalter Heribert Kindlein (Thomas Alder) wurde von seinem Chef (Fritz Benscher) an die Küste geschickt, um Walter undercover zu beobachten, ist aber mehr damit beschäftigt, sein wahres Geschlecht vor Ingrid zu verbergen. Währenddessen sorgt Tina dafür, dass Walter in einer leerstehenden Ferien-Villa einen Schlafplatz erhält. Und trifft dort im Bett auf Renate.

Alles klar? – Offensichtlich muss allen Beteiligten um Drehbuchautor Hans Billian bewusst gewesen sein, dass ihr schon aus der Zeit gefallener Film kaum noch auf Resonanz stoßen würde. Anders ist der hemmungslose Umgang mit den Lustspiel-Klischees kaum zu erklären. Ideen, die im Normalfall über eine Spielfilmlänge ausgewalzt werden, werden hier im Schnelldurchlauf abgearbeitet. „Komm mit zur blauen Adria“ ist nicht eine Verwechslungskomödie, sondern gleich drei. Mehrfach wird „Charlies Tante“ zitiert und die Liebespaare finden sich im Minutentakt, um sich kurz danach wieder neu zu orientieren. Dazu gibt es Eifersucht, Männerwitze, viel nackte Haut – allerdings noch im züchtigen Rahmen – und eine Massen-Prügelei.

Vielleicht war es auch nur das blaue Meer, das nie blauer ins Bild gerückt wurde, oder die heiße Sonne, die ständig auf die versammelte Crew schien. Niemand schien hier etwas ernst zu nehmen. Im Gegenteil lässt sich der Spaß, den die Beteiligten beim Dreh gehabt haben müssen, unmittelbar nachempfinden. Als Schlager- und Tourismusfilm steht „Komm mit zur blauen Adria“ am Ende einer langjährigen Genre-Entwicklung, gemessen am Unterhaltungswert aber ganz vorne. 

"Komm mit zur blauen AdriaDeutschland 1966Regie: Lothar GündischDrehbuch: Hans BillianDarsteller : Hannelore Auer, Dietmar Schönherr, Thomas Alder, Margitta Scherr, Gustavo Rojo, Ruth Stephan, Fritz Benscher, Maria Brockerhoff, Manfred Schnelldorfer, Vivi BachLaufzeit : 91 Minuten

Montag, 19. Dezember 2016

Auf Wiedersehen am blauen Meer (1962) Helmut Weiss

Andreas Pucher (Toni Sailer) poussiert erst mit Vroni (Monika Jobst)...
Inhalt: Andreas Pucher (Toni Sailer) kommt auf seinem Weg durch sein Jagdrevier zu einem hoch in den Bergen gelegenen Hof, wo er freundlich von Vroni (Monika Jobst) begrüßt wird. Der fesche junge Mann flirtet mit der blonden Bauerntochter, was deren Vater nicht gefällt, denn Andreas besitzt einen schlechten Ruf als Casanova. Im letzten Jahr hatte er noch mit Christa (Eva Astor), der Nichte des Dorfwirts, angebändelt. Doch davon lässt sich der Jäger nicht beirren, denn er hat noch keine Lust sich festzulegen, weshalb er auch die nächste Gelegenheit nicht auslässt, die sich ihm im nahe gelegenen Wald überraschend bietet. 

...dann lässt er bei Manuela Grassi (Hannelore Cremer) nicht mehr locker
Ein weißes Mercedes-Cabriolet mit einer hübschen und sehr gut angezogenen Dame hinter dem Steuer war im Waldboden stecken geblieben. Andreas hilft ihr und erfährt, dass die Italienerin Manuela Grassi (Hannelore Cremer) in der Nähe ein altes Schloss geerbt hat, in dem sie während ihrer Kindheit einige Jahre verbracht hatte. Um ihr den Weg zu zeigen, steigt er zu ihr und besichtigt gemeinsam mit ihr das verlassene, aber gut erhaltene Gebäude. Ihm gefällt nicht nur die junge Frau, auch das sie aus Italien kommt weckt sein Interesse. Er träumte schon lange davon, endlich mehr von der Welt zu sehen und lässt seinen ganzen Charme spielen. Die selbstbewusste Manuela weist ihn in die Schranken, aber als er nachts plötzlich in ihrem Hotelzimmer steht, ergibt sie sich seinem Drängen… 


"Das blaue Meer" - Sehnsuchtsbegriff des Tourismusfilms 

Jugoslawisches Filmplakat mit Hannelore Cremer und Toni Sailer
"Das blaue Meer" symbolisierte in den 50er Jahren das Fernweh der Deutschen nach südlichen Gestaden. Mit der zunehmenden Stabilisierung des Arbeitsmarkts in den 50er Jahren und einem damit einhergehenden bescheidenen Wohlstand wuchs auch der Wunsch zu verreisen. Zuerst beschränkte man sich auf den Urlaub im eigenen Land - eine Entwicklung, auf die der "Heimatfilm" ab Mitte der 50er Jahre vermehrt mit der Betonung von Sehenswürdigkeiten und folkloristischen Elementen reagierte ("Die Fischerin vom Bodensee" (1956)) - aber schon wenige Jahre später strebten die Deutschen auch nach weiter entfernten Zielen. Über die Alpen nach Italien oder Jugoslawien, an das Mittelmeer.

Zwar spielte "Auf Wiedersehen am blauen Meer" größtenteils in Italien, ist aber als Tourismusfilm eine Mogelpackung. Das "blaue Meer" ist hier ein Versprechen, das sich als Illusion herausstellt. Trotz der Schlagermusik und touristischen Landschaftsaufnahmen, ist der Film dem Heimatfilm näher. Das erste Drittel zitierte klassische Motive des Genres als Hort der Vertrautheit und Sicherheit, um den Kontrast zur Dekadenz und sexuellen Unmoral am Zielort in Italien stärker hervorzuheben. "Auf Wiedersehen am blauen Meer" ist ein Sammelsurium verschiedener Einflüsse und war hierzulande offensichtlich kein Erfolg, wie auch am jugoslawischen Filmplakat deutlich wird, denn auf Deutsch ist keines im Netz zu finden. Aus heutiger Sicht fasziniert der Film in der Spiegelung einer sich im Wandel befindlichen Sozialisation. Am Beispiel der fünf Filme, die zwischen 1957 und 1966 das "blaue Meer" (einmal die "blaue Adria") in ihrem Titel führten, zeichnet der Blog diese Entwicklung nach:

                 - "Unter Palmen am blauen Meer" (1957)
                 - "Das blaue Meer und Du" (1959)
                 - "Mein Schatz komm mit ans blaue Meer" (1959)
                 - "Auf Wiedersehen am blauen Meer (1962)
                 - "Komm mit zur blauen Adria" (1966) 


Heimatidyll: Jäger mit Hund in den Schweizer Alpen
Nach drei Jahren tauchte erstmals wieder das "Blaue Meer" in einem Filmtitel auf. Nicht nur im Filmgewerbe eine lange Zeit, auch die seit Mitte der 50er Jahre stark anwachsende Zahl deutscher Urlauber mit Ziel Südeuropa hatte inzwischen zu einer Gewöhnung geführt. Schon Ende der 50er Jahre ("Mein Schatz komm mit ans blaue Meer", 1959) hatte es im Schlager- und Tourismusfilm nicht mehr genügt, allein die Schönheit der Mittelmeerlandschaft ins Bild zu rücken, es bedurfte zusätzlich einer möglichst abwechslungsreichen Story. Das "blaue Meer" wurde zwar noch besungen, war aber als Kulisse in den Hintergrund gerückt. Warum die Macher um Regisseur Helmut Weiss den Begriff hier wieder hervorholten, blieb vorerst ihr Geheimnis?! – Erst nach einer guten halben Stunde wechselt der Handlungsort nach Italien ans Mittelmeer, genauer nach Neapel und auf die Insel Ischia, aber die Landschaft selbst blieb austauschbar. Die Story um den Jäger Andreas Pucher hätte auch vor einem anderen Hintergrund erzählt werden können – irgendwo in der Fremde.

Die Ferne: Jäger im Cabriolet in Neapel
Seine Entstehungszeit in den frühen 60er Jahren ist dem Film in den ersten Minuten nicht anzusehen, so traditionell bediente „Auf Wiedersehen am blauen Meer“ klassische Heimatfilm-Mythen. Der Jäger Andreas Pucher (Toni Sailer) kommt beim Weg durch sein Revier an einem hoch gelegenen Bergbauernhof vorbei, wo die junge Magd Vroni (Monika Jobst) ihre schwere Arbeit an der Seite ihres alten Vaters verrichtet. Vor der Kulisse eines beeindruckenden Bergpanoramas drückt sie sehr vorsichtig ihre Gefühle für den feschen jungen Mann aus. Doch erste Schatten stören das Idyll. Der Vater hält nichts von dem jungen Burschen, der im Ruf eines Casanova steht. Im Jahr zuvor hatte er mit Christa (Eva Astor), der Nichte des Dorfwirts, angebändelt, jetzt poussiert er mit seiner Tochter. Wenig später dringen weitere Störungen in das Idyll. Ein Mercedes-190er Cabriolet – die Anspielung auf „Rosemarie Nitribitt“ konnte kein Zufall sein - steht mitten im Wald und steckt fest. Am Steuer sitzt Manuela Grassi (Hannelore Cremer), eine schöne mondäne Erscheinung aus Italien, die in der Umgebung ein altes Schloss geerbt hat. Vor allem aber ist sie für die Menschen hier „die Ausländische“.

Eva Astor singt "Casanova bye bye" im Berghotel ihrer Heimat...
Immer deutlicher zieht die Gegenwart in die Schweizer Berge. Manuela Grassis Hotelzimmer erfüllt gehobene Ansprüche, im Restaurant wird eine moderne Küche gepflegt und die damals 18jährige Sängerin Eva Astor in ihrer ersten Filmrolle singt ihren Hit von 1961 „Casanova bye bye“. Gemeint ist hier Andreas Pucher, der sich alle Mühe gibt, diesem Ruf gegenüber Manuela Grassi gerecht zu werden. Zu ihr wird Christa später in Italien sagen, dass Andreas sie nie leicht bekleidet gesehen hätte, obwohl sie mit ihm im letzten Sommer zusammen war. Ein unglaubwürdiges Hervorheben altmodischer Anstandsregeln, angesichts der Skrupellosigkeit, mit der Andreas gen Manuelas Bett strebt. Diese hatte zuvor in den Augen des Jägers „Fernweh“ erkannt – und damit dessen Lust, mehr als nur die heimischen Berge kennenzulernen. Aber sie hatte ihn weder darin bestärkt, seine Heimat zu verlassen, noch wollte sie sich auf ihn einlassen. Allein ihre Anwesenheit genügte schon als Verheißung.

„buntes Routinestück, in dem nichts zusammenpassen will“

...und in Manuala Grassis Nachtclub...
schrieb der „film-dienst“ und traf damit ins Schwarze, denn die Anlage des Drehbuchs hätte die Phase im deutschen Unterhaltungsfilm, Anfang der 60er Jahre, nicht genauer reflektieren können. Der Heimatfilm befand sich seit Jahren in einer Abwärtsspirale (siehe "Der Weg in die Moderne - der Heimatfilm der Jahre 1958 bis 1969"). Auch die Kombination mit dem Schlagerfilm, der zunehmend die Fernseh-Konkurrenz zu spüren begann, hatte daran nichts ändern können und dessen 50er Jahre Ableger „Tourismusfilm“ hatte den Reiz des Exotischen schon lange verloren. Gleichzeitig ließen sich die soziokulturellen Veränderungen nicht mehr verdrängen. Die sexuelle Liberalisierung schritt ebenso unaufhaltsam voran, wie sich die Rolle der Frau in der Gesellschaft veränderte – eine Entwicklung, die Ängste auslöste, und in Folge von "Die Halbstarken" (1956) eine Welle an Filmen hervorbrachte, die vor dem moralischen Verfall warnten, gleichzeitig diesen aber publikumswirksam bebilderten. Ein Trend, der sich in den 60er Jahren zunehmend in Richtung gewalttätiger Kriminalfilme und einer freizügigeren Optik fortsetzte, die die Grundlage für den Sexfilm schuf.

...vor den Augen der reichen Sommergäste
„Auf Wiedersehen am blauen Meer“ vereinte alle diese Einflüsse. Erfüllen die anfänglichen Lieder von Eva Astor und das fröhliche Duett von Hannelore Cremer und Toni Sailer auf ihrer Fahrt nach Italien noch die Erwartungen an einen Schlagerfilm, ändern die musikalischen Beiträge mit dem Standortwechsel gen Süden ihren Charakter. Exotische Tänze mit leicht geschürzten Protagonisten treten in den Vordergrund und die Solo-Beiträge von Hannelore Cremer und Eva Astor (erneut „Casanova bye bye“) verbreiten Nachtclub-Feeling. Noch mehr entfernt von seiner ursprünglichen Intention, Reiselust bei den Betrachtern zu erzeugen, hatte sich der südländische Hintergrund der Handlung. Bei den Gästen, die auf Ischia in der Residenz von Manuela Grassi den Sommer verbringen, handelt es sich um keine Pauschalurlauber, sondern um eine internationale Ansammlung schwerreicher Männer und Frauen. Dekadenz und sexuelle Gier sind gegenwärtig, weshalb die Ankunft des jungen Liebhabers an der Seite der Hausherrin bei den Männern eine abschätzige Haltung erzeugt, bei den meist älteren Frauen dagegen großes Interesse.

Das „blaue Meer“ als Menetekel

Anulfi (Rolf Wanka) und Bob (Regisseur Helmut Weiss) planen Böses
Gegenteilig ist die Reaktion der Sommerfrischler, als Christa wenige Tage später ebenfalls auf Ischia ankommt und besonders bei dem arabischen Waffenhändler Anulfi (Rolf Wanka) Begehrlichkeiten weckt. Unabhängig von Andreas hatte die Begegnung mit der italienischen Erbin in den Schweizer Bergen auch bei der jungen Frau den Wunsch bestärkt, nach Italien zu gehen. Statt im Hotel ihres Onkels zu arbeiten, möchte sie eine Karriere als Sängerin beginnen. Manuela Grassi hatte ihr ein Engagement in einem ihrer Clubs in Aussicht gestellt und so kommt es für Andreas und Christa zu einem überraschenden „Wiedersehen am blauen Meer“. Das „blaue Meer“, stellvertretend für Schönheit und Fernweh, wurde hier zu einem Ort des Schreckens und moralischen Niedergangs. Bewusst sollte der positiv klingende Filmtitel über die Intention der drei am Drehbuch beteiligten Autoren hinwegtäuschen. Der Sehnsuchtsort erweist sich als Illusion. Christa und Andreas müssen erfahren, dass in der Fremde nichts Gutes auf sie wartet.

Andreas will mit Christa weg vom "blauen Meer" zurück in die Heimat
Wolf Neumeister, schon während der Zeit des Nationalsozialismus sehr erfolgreich („Kampfgeschwader Lützow“ (1941)), blieb in den 50er Jahren einer der aktivsten Film-Autoren. Allein in den vier Jahren vor 1962 wirkte er an den Drehbüchern zu zwölf Filmen mit, größtenteils Komödien („Immer die Radfahrer“, 1958), aber auch zeitgenössische Dramen wie „Der Mann, der sich verkaufte“ von 1959. 1962 kamen noch „Wilde Wasser“ und „Der Pastor mit der Jazz-Trompete“ nach seinen Vorlagen hinzu, die ähnlich im Spannungsfeld von Tradition und Moderne angelegt wurden. Auch sein Co-Autor Richard Billinger machte Karriere während der Zeit des Nationalsozialismus, zog sich nach dem Ende des Kriegs aber größtenteils aus dem Filmgeschäft zurück. Gemeinsam mit Veit Harlan, mit dem er zuvor „Die goldene Stadt“ (1942) herausgebracht hatte, schrieb er „Hanna Amon“ (1951), bevor 1952 der Heimatfilm „Einmal am Rhein“ nach seinem Drehbuch in die Kinos kam. Entstanden unter der Regie von Helmut Weiss, zu dem er für „Auf Wiedersehen am blauen Meer“ einmalig ans Film-Set zurückkehrte.

Der Arzt Eric (Bob Franco) meint es ernst mit Manuela
Entscheidende Ideengeberin war aber Margarete Reinhardt, die erstmals an einem Film direkt mitwirkte und ihn auch produzierte. In den 60er Jahren sollten noch zwei weitere Filme nach ihren Vorstellungen herauskommen – „St.Pauli Herbertstraße“ (1965) und "Sünde mit Rabatt" (1968), jeweils besetzt mit Eva Astor - die ihre Warnung vor den Folgen einer zunehmend von Unmoral und Dekadenz bestimmten Sozialisation mit größerer Vehemenz fortsetzten. In „Auf Wiedersehen am blauen Meer“ blieb diese Attitüde noch vergleichsweise zurückhaltend. Die Ursache lag außerhalb des vertrauten Terrains und eine Rückbesinnung auf die eigene Heimat versprach Erlösung. Insgesamt endete der Film, der noch die Wende in Richtung einer Kriminalhandlung nahm, versöhnlich. Auch Manuela Grassi, als Geschäftsfrau, die ihre Männer selbstbewusst wählt und offen ihre Sexualität lebt, die provokativste Figur des Films, wurde ein Happy-End gegönnt. Ihr einen adäquaten Mann an die Seite zu stellen, bedeutete, sie auch ihrer eigentlichen Bestimmung als Frau wieder näher zu bringen. Eine Lösung ganz nach dem Geschmack von Margarete Reinhardt.
 
"Auf Wiedersehen am blauen MeerDeutschland 1962Regie: Helmut Weiss, Drehbuch: Margarete Reinhardt, Richard Billinger, Wolf NeumeisterDarsteller : Toni Sailer, Eva Astor, Hannelore Cremer, Joachim Brennecke, Rolf Wanka, Bob Franco, Helmut WeissLaufzeit : 87 Minuten 

weitere im Blog besprochene Filme von Helmut Weiss:

 "Die Feuerzangenbowle" (1944)
 "Schloss Hubertus" (1954)
 "Drei Mann in einem Boot" (1961)