Lilo (Renate Ewert) und Hansi (Monika Dahlberg) mit Camillo Felgen von RTL |
Der Wohnwagen wurde von der "Bravo" übergeben - es kann los gehen... |
"Das blaue Meer" - Sehnsuchtsbegriff des Tourismusfilms
"Das blaue Meer" symbolisierte in den 50er Jahren das Fernweh der Deutschen nach südlichen Gestaden. Mit der zunehmenden Stabilisierung des Arbeitsmarkts in den 50er Jahren und einem damit einhergehenden bescheidenen Wohlstand wuchs auch der Wunsch zu verreisen. Zuerst beschränkte man sich auf den Urlaub im eigenen Land - eine Entwicklung, auf die der "Heimatfilm" ab Mitte der 50er Jahre vermehrt mit der Betonung von Sehenswürdigkeiten und folkloristischen Elementen reagierte ("Die Fischerin vom Bodensee" (1956)) - aber schon wenige Jahre später strebten die Deutschen auch nach weiter entfernten Zielen. Über die Alpen nach Italien oder Jugoslawien, an das Mittelmeer.
Als Genre tritt der "Tourismusfilm" heute kaum in Erscheinung, da er sich vom Schlagerfilm nur wenig abgrenzte und sich stark an einem Zeitgeist orientierte, der sich vehement wandelte. "Mein Schatz komm mit ans blaue Meer" spiegelte den wachsenden Trend zu mehr Aktionismus und einer freizügigeren Optik wider, auch dank der Zusammenarbeit mit der aufstrebenden Jugendzeitschrift "Bravo", die ein besonders junges Publikum ansprechen wollte. Für ruhige Momente an beschaulichen Orten blieb da keine Zeit mehr. Am Beispiel der fünf Filme, die zwischen 1957 und 1966 das "blaue Meer" (einmal die "blaue Adria") in ihrem Titel führten, zeichnet der Blog diese Entwicklung nach:
- "Unter Palmen am blauen Meer" (1957)
- "Das blaue Meer und Du" (1959)
- "Mein Schatz komm mit ans blaue Meer" (1959)
- "Auf Wiedersehen am blauen Meer" (1962)
Lilo organisert den ersten "Kavalier" (Werner Finck) |
Gemessen an den nackten Zahlen, gehörte die Urlaubsreise in
den europäischen Süden Ende der 50er Jahre noch zu den exklusiven Vergnügungen
in Deutschland - 1960 reiste etwa jeder Zehnte über die Alpen - im
schnelllebigen Kino galt sie schon als alter Hut. Wie in den artverwandten
Genres Heimat- und Schlagerfilm ging der Trend auch im Tourismusfilm zunehmend
in Richtung Aktionismus. Es genügte nicht mehr, malerische Küstenorte vor der
untergehenden Mittelmeer-Sonne ins Bild zu rücken, sondern es bedurfte einer
abwechslungsreichen und zeitgemäßen Story. Das galt doppelt für eine
aufstrebende Jugendzeitschrift wie die "Bravo", deren Auflage seit
ihrer Premiere 1956 ständig gestiegen war und die in "Mein Schatz komm
mit ans blaue Meer" nicht einfaches "Product Placement" betrieb,
sondern eng mit der Franz Seitz Filmproduktion zusammenarbeitete.
Dany Mann singt "Weil ich noch jung bin, gefährlich jung bin" |
Offensichtlich zu beiderseitigem Vorteil, denn die Besetzung
sowohl vor als auch hinter der Kamera sollte ein möglichst breit gefächertes
Publikum erreichen. Der Schauspieler Rudolf Schündler, seit 1950 („Der
Geigenmacher aus Mittenwald“) auch im Regie-Fach tätig, und die Autorin Ilse
Lotz-Dupont („Wetterleuchten um Maria“, 1957) gehörten in den 50er Jahren zu den
Aktivposten im Heimatfilm-Genre (siehe "Im Zenit des Wirtschaftswunders - der Heimatfilm der Jahre 1955 bis 1958") und hatten schon mehrfach ihre
Anpassungsfähigkeit an den Zeitgeist bewiesen. Anders als in "Das blaue Meer und Du", der
im letzten Drittel zu einem bebilderten Reise-Prospekt mit Musik wurde, legten sie gemeinsam mit Co-Autor Franz Marischka ("Liebe, Sommer und Musik", 1956) das Gewicht auf eine turbulente Story mit einer großen Anzahl bekannter
Film-Stars wie Renate Ewert, Joachim Fuchsberger, Harald Juhnke und Hans von
Bosordy sowie den noch frischen Gesichtern von Christine Görner und Monika Dahlberg. Dazu gesellten
sich diverse Show-Acts um die mitspielende Sängerin Dany Mann:
„Weil ich noch jung bin, gefährlich jung bin,
möcht‘ ich küssen, alles wissen, von der Liebe und vom
Glück“
Lilo gefällt Mercedes-Fahrer Martin (Hans von Bosordy)... |
singt sie gleich zu Beginn und gab damit das Motto eines
Films vor, in dessen Mittelpunkt verschiedene Varianten der Beziehungsanbahnung stehen. Auch Dany Mann bekam mit dem Sänger
Günther Frank einen Partner an die Seite gestellt, aber ihre Rollen als Annabelle und Tommy blieben im Schatten
der drei „Haupt-Paare“. Tommy war seiner angebeteten Lilo (Renate Ewert) per
Goggomobil an den Comer See gefolgt und Annabelle befand sich als Cousine des
reichen Hoteliers Paul Marzez (Joachim Fuchsberger) auf Grund des Bootrennens dort. Dass sie im
Handumdrehen ein Paar werden, täuscht nicht darüber hinweg,
dass sie wie ihre Musiker-Kollegen Ted Herold, Gus Backus oder das Orchester unter der
Leitung von Max Greger ausschließlich für die Untermalung im Film zuständig
waren.
...ahnt aber nicht, dass der Wagen seinem Chef Paul Marzez (Joachim Fuchsberger) gehört |
Das galt auch für die geographischen Schönheiten im
Hintergrund, auf die sich der Film entgegen der Betonung des „blauen Meers“ im
Filmtitel nur selten konzentrierte. Stattdessen trieben die Macher das im
Tourismusfilm beliebte Motiv des „Reisens per Anhalter“ auf die Spitze. Die
zwei Gewinnerinnen eines „Bravo“- Preisausschreibens Lilo und Hansi (Monika
Dahlberg) sollen mit einem von der Zeitschrift zur Verfügung gestellten Wohnwagen
innerhalb von drei Wochen ans Mittelmeer und wieder zurück nach München reisen
– ohne eigenes Zugfahrzeug. Das müssen sie sich per Anhalter organisieren.
Damit noch nicht genug. Als Reise-Reporterin wird ihnen Dr. Karin Beer
(Christine Görner) an die Seite gestellt, die nicht nur an einer Kolumne für
die „Bravo“ arbeitet, sondern noch einige Überraschungs-Aufgaben parat hat, die
die beiden jungen Frauen erfüllen müssen, wollen sie am Ende 10000 Mark
gewinnen - darunter innerhalb eines Tages 10 Mark verdienen und eine Nacht im
Gefängnis verbringen.
Spielchen auf dem Markus-Platz |
Mit einer typischen Urlaubsreise hatte das nichts mehr zu
tun. Entsprechend schnell wurden auch die touristischen Höhepunkte abgehandelt.
Vor dem Anblick der Salzburg gibt Ted Herold einen Rock’n Roll auf einem
Camping-Platz zum Besten, der Comer See dient als Ort für ein rasantes
Schnellbootrennen und der Campanile am Markus-Platz bildet die pittoreske
Kulisse für die abschließende Aufgabe mit „verbundenen Augen über einen verkehrsreichen
Platz zu laufen“. Einmal sitzen Lilo und Hansi beim Rotwein auf einer Terrasse
einer Osteria am Mittelmeer und betrinken sich aus Liebeskummer. Ein
beschaulicher Ort, an dem sich auch viele Italiener aufhalten. Nur die Musik
passt nicht dazu. Es erklingt der Schlager „So lange du einen Freund hast“ des
österreichischen Vokal-Quartetts „Die blauen Jungs“, schunkelnde Gäste inclusive.
Das „Blaue Meer“, Venedig und typische Italien-Vorurteile, wie der rasende
Klein-LKW-Fahrer, der sich in den Bergen des Wohnwagens annimmt, bildeten nur den Rahmen, Authentizität war nicht gefragt.
Bubi (Hans Juhnke) macht die Sache mit Hansi klar... |
„Mein Schatz komm mit ans blaue Meer“ hätte sich als Potpourri
aus Schlager, Urlaubskulisse und einer Handlung ohne Anspruch auf Logik bis
heute seinen Unterhaltungswert bewahrt, steckten die erstaunlich vielen
weiblichen Hauptrollen nicht so tief in der Klischeekiste. Hansi ist der
hausfrauliche Typ und erhält vom selbstbewussten LKW-Fahrer Bubi Hannemann
(Harald Juhnke) schon bei der ersten Verabredung einen Heiratsantrag. Allein
das sie „Eisbein mit Sauerkraut“ wie seine Mutter kochen kann, beflügelt seine
Liebe. Einen Moment reagiert Hansi ob dieser wenig romantischen Argumentation
beleidigt, worauf Bubi schnell einen Strauß Rosen ordern will. Doch sie stoppt
ihn und begnügt sich mit einer Rose – sie müssten schließlich sparen. Die
Kombination aus rustikalem Kraftfahrer und genügsamer, fleißiger Hausfrau ließe
sich heute als ironische Überhöhung verstehen, war damals aber als
Sympathieträger ernst gemeint.
...und Paul nimmt Dr. Karin Beer (Christine Görner) die Brille ab |
Nimmt man noch die ständig plappernde Annabelle hinzu, die gar nicht versteht, warum sie ihr Cousin stoppen will, ist das Frauenquartett an Vorurteilen komplett, ohne dass der Film diese Charakteristika besonders schwer nahm. Typischer Komödienstoff der späten 50er Jahre, der die beliebten Klischees ungeniert bediente. Am Ende kommen alle vier Damen unter die Haube und feiern den Gewinn von 10tsd Mark mit ihren zukünftigen Männern gemeinsam auf der „Bravo“-Bühne. Mit der „gefährlichen Jugend“ war es damit natürlich vorbei.
"Mein Schatz komm mit ans blaue Meer" Deutschland 1959, Regie: Rudolf Schündler, Drehbuch: Ilse Lotz-Dupont, Franz Marischka, Darsteller : Joachim Fuchsberger, Christine Görner, Harald Juhnke, Monika Dahlberg, Hans von Bosordy, Renate Ewert, Dany Mann, Werner Finck, Gus Backus, Ted Herold, Ady Berber, Laufzeit : 93 Minuten
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