Sonntag, 28. Februar 2016

Die spanische Fliege (1955) Carl Boese

Sommer (Rudolf Platte) und Klinke (Joe Stöckel) vor der "spanischen Fliege"
Inhalt: Daxburg soll ein eigenes Amtsgericht bekommen. Für den Stadtrat und Unternehmer Heinrich Klinke (Joe Stöckel) prinzipiell eine gute Nachricht, wäre da nicht die alte Geschichte, die irgendwo in den Gerichtsakten vergraben ist. Zwar wurde die „Spanische Fliege“, wie die verführerische Varieté-Sängerin von ihm und seinen Freunden genannt wurde, vor 18 Jahren von den Moralwächtern des Staates ausgewiesen, aber Klinke sah sich wenige Monate später mit den Folgen seines Techtelmechtels konfrontiert. Und zahlte seitdem brav Alimente für seinen unehelichen Sohn. Sollte das Amtsgericht nach Daxburg kommen, könnte dieser Vorgang bekannt werden.

Dr. Gerlach (Hans Richter) erfährt Interessantes von Ambrosius (Paul Henckels)
Als er diese Sorge seinem Freund Hugo Sommer (Rudolf Platte) anvertraut, reagiert dieser überraschend. Den Sohn beansprucht der Vater dreier Töchter für sich selbst, schließlich zahle auch er seit 18 Jahren Alimente. Bald stellt sich heraus, dass die beiden Stadträte Hartmann (Kurt Großkurth) und Breilmann (Hans Leibelt) ebenfalls für den damaligen Fehltritt zahlen, aber damit erschöpft sich das Thema noch nicht. Der junge Anwalt Dr. Gerlach (Hans Richter) tritt die Nachfolge des alten Dr. Ambrosius (Paul Henckels) an, der damals die Alimente-Zahlungen mit den vier Männern aushandelte, und gerät dadurch in den Besitz der Akten…


Rückblick auf den 15.Hofbauer Kongress vom 07.01. bis 11.01.2016

Schön war's. Aber es hat gedauert. Nachrufe auf Ruth Leuwerik und Ettore Scola, zwei sehr von mir geschätzte Filmkünstler, kamen mir im Januar dazwischen, der Alltag sowieso. Aber der Beginn des Jahres ist nicht vergessen, der wie bisher bei jedem Hofbauer-Kongress für mich von bewusstseinserweiternder Qualität war, womit ich schon bei der "spanischen Fliege" bin, der den zweiten Kongresstag in Nürnberg am 08.01. einleitete. 

Fast könnten Erinnerungen an sonntägliche Nachmittage in den 70er Jahren aufkommen, an denen sich die Familie vor dem Bildschirm versammelte, um eine "alte Schwarz-Weiß"-Komödie zu sehen - Joe Stöckel, Rudolf Platte und Hans Richter erwiesen sich in solchen Situation als Garanten für beste Unterhaltung. So auch hier, nur dass "Die spanische Fliege" kein familientauglicher Dauergast im TV wurde und es auch auf kein anderes Medium schaffte. Ein Fall für das Hofbauer-Kommando, dass hier eine niederländische Version in 35mm zeigte. Dank deren Abneigung gegenüber Synchronisationen in OV mit holländischen Untertiteln.


Was führt der Bildhauer (Stanislav Ledinek) im Schilde? 
Dass es sich bei der "spanischen Fliege" um ein Potenzmittel handelt, gehörte Mitte der 50er Jahre noch zum Allgemeinwissen. Obwohl es in der Story nicht vorkommt – „die spanische Fliege“ ist der Kosename für eine verführerische Varieté-Tänzerin -  hatte Franz Arnold seinen 1913 herausgebrachten Bühnenschwank danach benannt, damit gezielt die Assoziationen eines Publikums anregend, dass von Sex nur hinter vorgehaltener Hand sprach. Der Erfolg seines ersten Theaterstücks gab ihm Recht, das eine Vielzahl weiterer Lustspiele aus Arnolds und Ernst Bachs Feder, seinem Compagnon, nach sich zog, in denen sie die bürgerliche Doppelmoral humorvoll sezierten. Komödien-Spezialist und Vielfilmer Carl Boese hatte schon 1931 mit „Die schwebende Jungfrau“ erstmals einen ihrer Texte verfilmt. Im selben Jahr folgten noch „Die spanische Fliege“ unter der Regie von Ernst Jacoby und drei weitere Kino-Adaptionen ihrer populären Bühnenwerke. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 war der Boom schlagartig vorbei und Arnold musste aus Deutschland emigrieren. Erst Anfang der 50er Jahre erlebten ihre Werke eine erneute Konjunktur im Kino.

Joe Stöckel - drei Jahrzehnte Dauergast auf der Komödien-Leinwand
Angesichts der Prüderie, die in den 50er Jahre in Deutschland vorherrschte, überrascht die Wiederentdeckung der in den moralischen Niederungen spielenden Stücke. Zumal sich ausgesprochene Prominenz darum kümmerte. Parallel zu seinen Heimatfilm-Erfolgen „Schwarzwaldmädel“ (1950) und „Grün ist die Heide“ (1951) drehte Hans Deppe „Die Nacht im Separee“ (1950) und „Der Fürst von Pappenheim“ (1952), unter Mitwirkung von Sonja Ziemann, Olga Tschechowa, Paul Hörbiger, Grethe Weiser, Viktor De Kowa und zweimal Georg Thomalla, nur um die Bekanntesten zu nennen. Auch Carl Boese griff 1952 wieder auf eine Vorlage des Duos Arnold/Bach zurück und verfilmte „Der keusche Lebemann“ - erneut mit Georg Thomalla und Grethe Weiser in tragenden Rollen. Dazu gesellten sich der aufgehende Stern am Heimatfilm-Himmel Marianne Koch und das Komödien-Urgestein Joe Stöckel. Umso bemerkenswerter ist es, dass diese Filme anders als viele Heimatfilme und Liebeskomödien dieser Zeit inzwischen in Vergessenheit geraten sind. Auch im Fernsehen gehörten sie nicht zum Standard-Repertoire.

Hans Richter einmal als Schwerenöter (mit Jester Naefe)...
Das gilt auch für „Die spanische Fliege“, Boeses Remake der 31er Verfilmung, der neben Joe Stöckel noch mit Rudolf Platte, Paul Henckels, Hubert von Meyerinck, Ruth Stephan und Hans Richter aufwarten konnte. Letzterer in einer für ihn ungewohnten Rolle als trickreicher Rechtsanwalt, denn seit „Die Feuerzangenbowle“(1944) war Richter auf das „Enfant terrible“ festgelegt, gab in „Grün ist die Heide“ den Lautsprecher eines Landstreicher-Trios oder spielte in den „Knall und Fall“ – Filmen den Knall, ein wörtlich zu nehmender Name. Doch trotz seines seriösen Auftretens und seiner ernsten Absichten bei Hannelore Klinke (Jester Naefe), der Tochter des im Örtchen Daxburg einflussreichen Stadtrats und Unternehmers Heinrich Klinke (Joe Stöckel), spielte Richter auch hier den Störenfried, der ein seit 18 Jahren gehütetes Geheimnis aufzudecken droht.

...und als Anwalt der Damen vom Wohltätigkeitsverein
Damals hatten vier honorige Herren – neben Klinke, noch Hugo Sommer (Rudolf Platte) und die ebenfalls im Stadtrat sitzenden Hartmann (Kurt Großkurth) und Breilmann (Hans Leibelt) – eine Affäre mit einer schönen Tänzerin, bis diese von der Sittenpolizei des Landes verwiesen wurde. Eine wenig verklausulierte Anspielung auf die Nationalsozialisten, die über den moralischen Anstand der Bürger wachten, selbst aber gerne hinsahen. Bei den vier verheirateten Männern kam ihr Einsatz offensichtlich zu spät, denn ihnen wird von dem Rechtsanwalt Dr. Ambrosius (Paul Henckels) die Rechnung in Form von Alimentezahlungen aufgemacht – für den Sohn der „spanischen Fliege“, den sie ein paar Monate später im Ausland gebar. Vier Männer zahlen für einen Sohn. Das an dieser Konstellation etwas nicht stimmen konnte, ist von Beginn an klar, aber weitere Ungereimtheiten kommen hinzu bis es in Daxburg kaum noch Jemanden gibt, der Interesse an der Aufdeckung der vollständigen Wahrheit hat, die alle zu überrollen scheint.

"Es ist mein Sohn" beharrt Hugo Sommer
Oberflächlich betrachtet gehört „Die spanische Fliege“ zum Typus der Moral-Komödien, in der ein einmaliger, zeitlich weit zurückliegender Fehltritt zur Lawine wird, weil sich der „Sünder“ beim Versuch, das Geheimnis zu wahren, immer tiefer in sein Lügengebäude verstrickt.  In der Regel enden diese Stücke mit einem geläuterten Protagonisten, dessen Ehre nach kurzer Abbitte wieder hergestellt ist – Happy-End und Wiederherstellung der Moral  inbegriffen. Das „Stillhalteabkommen“, mit dem Arnolds Bühnenstück endet, hat mit dieser Art „Happy End“ nichts gemein. Geläutert ist hier Niemand. Im Gegenteil schlägt die Angst vor der Aufdeckung des Seitensprungs regelmäßig um in den Stolz über den gezeugten „Sohn“ bis zur Anbetung der damaligen Geliebten in Form eines Fetischs. Obwohl es nicht auszuschließen ist, dass der körperliche Kontakt mit der Tänzerin bei einem Teil der Männer eher der Fantasie als der Realität entsprungen sein könnte, leugnet Niemand den lang zurückliegenden Fehltritt – besonders Platte und Stöckel gefallen sich gut im Selbstbild des feurigen Liebhabers.

Heiles Familienleben (Stöckel mit Erika von Thellmann)
Mit hohem Tempo und subversivem Witz entfaltete „Die spanische Fliege“ eine Situation, die sich nicht mehr in Wohlgefallen auflösen konnte. Wer deshalb hofft, die Beteiligten werden mit der Härte der Konsequenzen konfrontiert, wird enttäuscht werden. Daran ist nicht einmal den Ehefrauen gelegen. Selbst die gewohnt autoritär auftretende Elisabeth Flickenschildt als Frau Sommer, deren Ehemann Hugo vor ihr zittert, macht sich keine Illusionen hinsichtlich der Qualität ihrer Beziehung. Wichtig ist ihr nur, dass er weiterhin kuscht. Die bürgerliche Oberfläche blieb zwar gewahrt, überdeckte hier aber nur schwach die Bedürfnisse des Einzelnen und ließ die moralischen Anstandsregeln zur Makulatur werden.

"Die spanische Fliege" Deutschland 1955Regie: Carl Boese, Drehbuch: Edgar Kahn, Franz Arnold (Theaterstück), Darsteller : Joe Stöckel, Rudolf Platte, Hans Richter, Paul Henckels, Elisabeth Flickenschildt, Hubert von Meyerinck, Erika von Thellmann, Jester Naefe, Ruth Stephan, Albert FlorathLaufzeit : 94 Minuten

weitere im Blog besprochene Filme von Carl Boese:

"Fünf Millionen suchen einen Erben" (1938)

Montag, 15. Februar 2016

Geheimaktion Schwarze Kapelle (1959) Ralph Habib

Inhalt: Auf Grund einer Warnung des Kellners in seinem Lieblings-Lokal kann der regime-kritische Journalist Robert Golder (Peter van Eyck) knapp seiner Verhaftung durch die Gestapo entkommen, um kurz darauf trotzdem überwältigt und entführt zu werden. Verantwortlich dafür ist eine Widerstandsgruppe aus der Führungsebene der Wehrmacht, die ihn als Boten benötigt. Er soll einer Vertrauensperson im Vatikan die Pläne Hitlers für den Westfeldzug übermitteln, damit in den betroffenen Ländern Gegenmaßnahmen eingeleitet werden können. So soll eine weitere Eskalation des Krieges nach der Besetzung Polens verhindert werden und nach einer Absetzung Hitlers Friedensgespräche stattfinden.

Reichsführer SS Heinrich Himmler (Werner Peters) will das verhindern, kann aber den mit einem gefälschten Pass reisenden Golder nicht aufhalten, der unbeschadet nach Rom gelangt. Dort befindet sich eine Einsatztruppe der SS unter der Leitung von Hoffmann (Ernst Schröder), deren mörderisches Vorgehen aber argwöhnisch vom römischen Polizei-Präfekten (Gino Cervi) betrachtet wird. Deshalb sind sie gezwungen geschickt vorzugehen und setzen ihre beste Agentin (Dawn Addams) auf den Journalisten an…


"Geheimaktion schwarze Kapelle" erschien Ende der 50er Jahre in einer Phase, in der die Akzeptanz gegenüber Filmen, die sich mit der jüngeren Geschichte auseinandersetzten, stieg. Für Produzent Arthur Brauner bekanntes Terrain, aber der deutsch-italienisch-französischen Co-Produktion, die die PIDAX erstmals a23.12.2014 auf DVD herausbrachte, sind die Konzessionen deutlich anzumerken, die die Aufarbeitung des Nationalsozialismus damals noch erforderten.

Der erwähnte "Tatsachenbericht" über den Widerstand gegen Adolf Hitlers Kriegspläne verband unterschiedliche Aktionen zu einem Agenten-Stück mit Liebesaffäre, in dem keine reale Person außer dem Reichsführer SS Heinrich Himmler vorkam. Trotzdem hätte "Geheimaktion schwarze Kapelle" Anerkennung verdient gehabt, da sich der Film mit einem bis heute wenig bekannten Kapitel des Widerstands auseinandersetzte und gleichzeitig die veränderte Sozialisation Ende der 50er Jahre abbildete. (Die grünen Links führen zur Amazon-Bestellseite). 



Schon Mitte der 50er Jahre waren Filme über den 1945 im KZ hingerichteten langjährigen Chef der deutschen "Abwehr" Wilhelm Canaris ("Canaris" (1954)) und das Stauffenberg-Attentat auf Adolf Hitler in die Kinos gekommen - darunter der von Arthur Brauners CCC produzierte, mehrfach ausgezeichnete "Der 20.Juli" (1955) unter der Regie von Falk Harnack. "Geheimaktion schwarze Kapelle" berief sich auf ein weiteres Kapitel des Widerstands aus höchsten Kreisen der Wehrmacht. Der damalige Oberst und spätere Generalmajor Hans Oster hielt Kontakt zur obersten Heeresleitung und verriet Hitlers Pläne für den Westfeldzug an den niederländischen Militär-Attaché Bert Sas, um eine weitere Eskalation des Krieges nach der Besetzung Polens zu verhindern. Im Auftrag Osters und unter dem Schutz der „Abwehr“ versuchte parallel der Rechtsanwalt und Offizier der Wehrmacht Josef Müller - nach dem Krieg erster Vorsitzender der bayrischen CSU - über den Vatikan in Rom Kontakt zum britischen Botschafter aufzunehmen. Für den Fall, dass Hitler stürzt, sollte ein Friedensabkommen mit England vorbereitet werden.

Oster und viele seiner Mitstreiter wurden später von der Gestapo verhaftet und zum Tode verurteilt, aber ihr vergeblicher Versuch, die Nationalsozialisten aufzuhalten ist heute weit weniger bekannt als das Stauffenberg-Attentat. Noch unbekannter ist die deutsch-italienisch-französische Co-Produktion „Geheimaktion schwarze Kapelle“, obwohl Ende der 50er Jahre die Akzeptanz für eine kritische Aufarbeitung der jüngeren Vergangenheit stieg – Filme wie „Kriegsgericht“ (1959) mit Karlheinz Böhm oder Bernhard Wickis „Die Brücke“ (1959) erhielten hohe Anerkennung. Trotzdem galt die Thematik nach wie vor als heikel. Gut zu erkennen am Verhalten des Journalisten Robert Golder (Peter van Eyck), der die Geheim-Pläne für den Westfeldzug nur einem angesehenen Mitglied der Kirche überlassen will. Gebetsmühlenartig wiederholt er, kein Verräter am eigenen Volk sein zu wollen – ein Vorwurf, dem sich die Widerstandskämpfer noch in den 50er Jahren ausgesetzt sahen. Von Hans Oster sind die Worte überliefert:

„Man könnte nun sagen, dass ich ein Landesverräter sei, aber das bin ich in Wahrheit nicht. Ich halte mich für einen besseren Deutschen als all die anderen, die Hitler nachlaufen. Mein Plan ist und meine Pflicht sehe ich darin, Deutschland und damit die Welt von dieser Pest zu befreien.“ (Quelle: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, Wikipedia)

Sieht man von dem geplanten Westfeldzug ab, unter dessen wiederholtem Aufschub durch Adolf Hitler die Glaubwürdigkeit des Widerstands litt, blieb im Film fast nichts von dieser realen Situation übrig. Autor Olaf Herfeldt hatte in seinem Roman die Übergabe der Angriffs-Pläne und den geheimen Treffpunkt in Rom zu einem Agenten-Thriller mit Liebesgeschichte vor pittoresker Kulisse kombiniert. Einzig der Reichsführer SS Heinrich Himmler (Werner Peters) als finsterer Strippenzieher im Hintergrund stand für die NS-Diktatur, seine Männer in Rom unter der Leitung von Hoffmann (Ernst Schröder) blieben dagegen austauschbare gedungene Mörder. Dieser weitgehende Verzicht auf ideologischen Ballast zeigte sich besonders bei den italienischen Protagonisten. Franco Fabrizi als aristokratischer Kontaktmann der Widerstandsgruppe mit schickem Cabriolet und Gino Cervi als römischer Polizeipräfekt walteten im Stil von Lebemännern. Zwar hing Benito Mussolinis Porträt im Polizei-Präsidium an der Wand, aber Erwähnung findet der „Duce“ im Film nicht. Im Gegenteil schien selbst der nach Gutdünken handelnde Präfekt schon im Widerstand gegen Nazi-Deutschland zu stehen.

Diese Konzession an die italienischen Co-Produzenten war möglicherweise ein Grund dafür, warum der Film in Deutschland wenig Reputation erfuhr, denn trotz der Freisprechung der obersten Heeresleitung von Schuld am kommenden Angriffs-Krieg – der Generaloberst (Werner Hinz) bleibt nach Beginn der West-Offensive gegen seine innere Überzeugung im Amt, um keinem Hitler-Gefolgsmann Platz zu machen – kamen die Bösewichte allein aus dem deutschen Lager. Dass die Hauptfigur souverän von Peter van Eyck verkörpert wurde, half nur bedingt, denn er legte seine Rolle gewohnt zwiespältig an: ein von den Ereignissen gebrochener, pessimistischer Charakter, der sich bedingungslos in die sexuell offensiv auftretende Tilla (Dawn Addams) verliebt, die als Agentin der SS auf ihn angesetzt wurde.

Zugunsten dieser Liebesgeschichte trat die ursprüngliche, mit dokumentarischen Aufnahmen über den Aufstieg Hitlers beginnende, politische Dimension des Films in den Hintergrund, auch weil der französische Regisseur Ralph Habib die Ereignisse in Rom im Stil der damaligen Gegenwart inszenierte. Nächtliche Partys, Strandleben in Ostia, die Nacktszene in der Umkleidekabine oder die gemeinsame Nacht in seinem Hotelzimmer – mit den späten 30er Jahren hatte das nur wenig zu tun. Betont wurde dieser Eindruck noch durch die Besetzung der weiblichen Hauptrolle mit der us-amerikanischen Schauspielerin Dawn Addams, deren Optik und ihr selbstbewusst, pragmatisches Auftreten einem modernen Frauenbild entsprachen. Addams, die als „Femme fatale“ kurz zuvor in „Die feuerrote Baronesse“ (1959) schon wenig aufregte, war mit ihrer reduzierten Erotik ideal besetzt, da sie trotz ihrer Rolle als Verführerin den moralisch geforderten Anstand wahrte – die notwendige Voraussetzung für die Akzeptanz des Liebespaars Golder/Tilla.

Trotzdem war diese Konstellation dem damaligen Publikum schwer zu vermitteln, wie am letzten Satz der Inhaltsangabe der „Filmbühne“ deutlich wird:

„Für Golder und Tilla bleibt nur noch die Hoffnung, das Glück ihrer Liebe in der Flucht nach Südamerika zu retten“ (Filmbühne Nr.5002, Beilage der Pidax-DVD)


Vielleicht wollte der Autor des Textes damit ein mögliches Happy-End konkretisieren, das die sonstigen historischen Umstände nicht hergaben, aber diesen Gefallen tat ihm der am Ende offen bleibende Film nicht. Für eine Aufarbeitung der realen Hintergründe des Widerstands gegen die Nationalsozialisten ist „Geheimaktion schwarze Kapelle“ historisch zu ungenau und zu unentschieden zwischen Polit-Thriller und Liebesgeschichte, aber als düsteres Zeitbild funktionierte er. Die desillusionierten Lebensentwürfe der beiden Protagonisten wiesen in ihrem Pessimismus schon in Richtung „Denn das Weib ist schwach…“ (1961), der ebenfalls auf Basis eines Drehbuchs von Hans Nicklisch entstand. Darin beschrieb er die Ernüchterung nach einem "Wirtschaftswunder"-Jahrzehnt mit großen sozialen Veränderungen – ein Einfluss der Gegenwart, Ende der 50er Jahre, der auch „Geheimaktion schwarze Kapelle“ anzumerken ist.

"Geheimaktion schwarze Kapelle" Deutschland, Italien, Frankreich 1959, Regie: Ralph Habib, Drehbuch: Hans Nicklisch, Olaf Herfeldt (Roman), Darsteller : Peter van Eyck, Dawn Addams, Werner Peters, Franco Fabrizi, Gino Cervi, Ernst Schröder, Werner Hinz, Laufzeit : 98 Minuten