Montag, 29. April 2013

...und sowas muß um 8 ins Bett (1965) Werner Jacobs

Inhalt: Die weibliche Oberprima eines gehobenen Mädchen - Internats gilt als schwer erziehbar. Anstatt sich auf ihr Abitur vorzubereiten, interessieren sich die Schülerinnen ausschließlich für Spaß, Party und Klamotten. Besonders Margaret (Gitte), eine echte Prinzessin, hält nur wenig davon, sich auf ihre zukünftige Rolle als Repräsentantin ihres Landes vorzubereiten. Lieber hört sie Musik und geht Tanzen. Mehrere Lehrerinnen des ältlichen Kollegiums sind schon an der Oberprima gescheitert, die sie mit ihren Streichen in den Wahnsinn trieben.

Auch Dr. Eduard Frank (Peter Alexander), ein trotteliger Bücherwurm, der bisher nur Jungen unterrichtete, kommt den Mädchen wie gerufen, um mit ihm ihr Spielchen zu treiben. So fälschen sie Liebesbriefe der Turnlehrerin Angelika Weiß (Ingeborg Schöner), die sie Dr. Frank unterjubeln, der in die hübsche Kollegin verliebt ist. Zuerst scheint ihr Plan aufzugehen, aber Dr. Frank ist nicht so leicht auszuspielen, wie es äußerlich den Anschein hat…


Ein Film mit dem frivol klingenden Titel "...und sowas muss um 8 ins Bett" mit Peter Alexander in der Hauptrolle, Gunther Philipp als seinem komischen Side-Kick und der blutjungen Gitte, die seitdem sie "Einen Cowboy als Mann" wollte, zu großer Popularität gekommen war, bedeutete Mitte der 60er Jahre in Deutschland eine Lizenz zum Gelddrucken. Peter Alexander, obwohl schon fast 40 Jahre alt, spielte erneut seine unnachahmliche Rolle als vordergründig leicht seltsamer, pedantischer und schüchterner Trottel, der das Herz auf dem rechten Fleck hat und letztlich mit jungenhaftem Wiener Charme doch den Erfolg (natürlich auch bei den Frauen) auf seiner Seite hat.

Unter Regisseur Werner Jacobs, Spezialist für deutsche Lustspiele mit Musikeinlagen, hatte er schon den Oberkellner im „Weißen Rössl“ (1960) gegeben und war als „Der Musterknabe“ (1963) in Heinz Rühmanns Fußstapfen getreten, um als Erwachsener noch einmal die Schulbank zu drücken. Damit lag die Rolle als Lehrer eines Jungengymnasiums mit Bücherwurm-Attitüde nah, der zudem über keinerlei Erfahrungen mit dem weiblichen Geschlecht verfügt. Und wo steckt ein Komödienspezialist einen solchen Typen hin? - Natürlich auf ein Mädcheninternat mit sonst ausschließlich weiblichem Lehrkörper. Und da das noch nicht genügt, ausgerechnet als Klassenlehrer für die renitente Oberprima, die schon mehrere Lehrer vergrault hatte und in der sich eine "richtige" Prinzessin (Gitte) befindet, die ihr Abitur machen soll.

Damals wie heute hing der Erfolg beim Publikum von Peter Alexander ab, dessen immer gleiche Charakterisierungen seiner Rollen seit Mitte der 50er Jahre zu einer Marke geworden waren, die er souverän beherrschte und die ihm die Gelegenheit gibt, seine spezielle Art des Humors auszuspielen. Obwohl er mit strengem Seitenscheitel und Nickelbrille wie ein Oberstreber aussieht, gelingt es ihm, selbst in peinlichen Momenten noch sympathisch zu bleiben. Denn erwartungsgemäß hat die Oberprima nichts anderes vor, als Dr. Eduard Frank (Peter Alexander) ständig Streiche zu spielen, denen er auch hilflos gegenüber steht. Trotzdem wirkt er weder wie ein Opfer, noch lächerlich, da er trotz seines (mit der Zeit attraktiver werdenden) Aussehens konsequent und herzlich bleibt.

Vom Drehbuch wird dieser Eindruck noch mit der Rolle seines Partners Gunther Philipp betont, der hier den Zahnarzt Dr. Schäfer spielt. Äußerlich mit den Insignien des materiellen Erfolgs versehen, gibt Philipp hier - wie häufig in seinen Filmen - den selbstverliebten und eingebildeten Idioten. Als an Hand eines von den Schülerinnen gefälschten Briefes der Eindruck entsteht, dass die von Dr. Frank (Peter Alexander) begehrte Turnlehrerin (Ingeborg Schöner) in den Zahnarzt verliebt sein soll, hat dieser nichts Besseres zu tun, als sie bei einem vermeintlichen Rendezvous sofort in den Nacken zu küssen, was ihm eine entsprechend empörte Reaktion einbringt - ein Fehler, den Dr. Frank niemals begehen würde. 

Obwohl dieser selbst dank vermeintlicher Liebesbriefe glaubte, dass die Turnlehrerin ihm zugewandt wäre, behielt er immer einen respektvollen Abstand. Darin verdeutlicht sich dessen hehrer Charakter, da er vordergründig zwar wie ein Trottel agiert, bezüglich seiner sozialen Kompetenz aber traumwandlerisch sicher bleibt und damit nicht nur die Sympathien des Publikums gewinnt (die Peter Alexander sowieso schon gehörten), sondern auch der anderen Protagonisten im Film. Dank seines Charmes übersteht er sogar Szenen wie die, als ihm die "Prinzessin" beichtet, in ihn verliebt zu sein, ohne Fremdschäm-Anfälle zu erzeugen. Man muss Peter Alexander nicht mögen, aber in solchen Momenten wird es begreiflich, warum er über Jahrzehnte der erfolgreichste Entertainer in Deutschland war. Auch sind einige Szenen - wie etwa die, als er betrunken mit seinem Zahnarzt-Freund seinen Liebeskummer runterspült - immer noch witzig.

Diese Qualitäten können aber nicht übersehen lassen, dass es sich bei "...und sowas muss um 8 ins Bett" um ein kalkuliertes Produkt handelt, dass neben der vorhersehbaren Story noch ein sehr konservatives, klischeehaftes Frauenbild zeichnete, das trotz der frivolen Anspielung im Titel die sexuelle Verklemmtheit der frühen 60er Jahre noch deutlich widerspiegelte. Die als "Gegenspieler" antretende weibliche "Oberprima" besteht nur aus hübschen Mädchen mit Bikini-Figur, während sich der weibliche Lehrkörper – von der begehrten Turnlehrerin einmal abgesehen – aus „alten Jungfern“ zusammensetzt, die mit hoch getürmtem Dutt ein freudloses unbemanntes Dasein fristen. Die gesamte Konstellation hat den faden Beigeschmack eines lüsternen Altherrenhumors, der sich an den ausführlich zelebrierten "Jungmädchen" - Körpern delektieren kann, während er über die ältlichen Lehrerinnen lästern darf, denen selbstverständlich ein Mann zeigen muss, wie man eine Klasse leitet.

Peter Alexander selbst bleibt in seiner Rolle immer integer. Weder bringen ihn seine attraktiven Schülerinnen in Versuchung, noch macht er sich über die Kolleginnen lustig. Aber das soll nur ein wenig über die konservative Botschaft des Films hinwegtäuschen. Denn trotz aller Verrücktheiten machen die Mädchen am Ende erfolgreich ihr Abitur – offensichtlich weniger um zu studieren, sondern um als zukünftige Ehefrauen ihre gut verdienenden Männer zu unterstützen - die attraktive Turnlehrerin wird sofort geheiratet und der übrige weibliche Lehrkörper hat ein wenig Menschlichkeit hinzu gewonnen. Auch die Prinzessin erkennt abschließend ihre wahre Rolle und Verantwortung, womit die zuvor gezeigten Streiche und kleinen Verstöße gegen die guten Sitten zu den üblichen Verfehlungen der Jugend gerechnet werden. Das Publikum durfte sich darüber amüsieren, verlässt aber den Kinosaal mit dem Gefühl, dass in Deutschland noch alles seine Ordnung hat.

Auch in rein der Unterhaltung dienenden Filmen wie "...und sowas muss um 8 ins Bett" wurden die gesellschaftlichen Veränderungen der 60er Jahre zunehmend sichtbar, galt es für die Macher, nicht zu altmodisch zu inszenieren, weshalb schon Anklänge an eine freiere Sexualität und die weibliche Emanzipation sichtbar wurden. Allerdings ohne diese wirklich ernst zu nehmen, sondern nur als Aufmacher für eine noch zutiefst im konservativen Denken verharrende Zielgruppe.

"...und sowas muss um 8 ins Bett" Deutschland 1965, Regie: Werner Jacobs, Drehbuch: Eckart Hachfeld, Janne FurchDarsteller : Peter Alexander, Gunther Philipp, Gitte, Ingeborg Schöner, Loni Heuser, Rudolf Vogel, Laufzeit : 96 Minuten

Freitag, 26. April 2013

Rote Sonne (1970) Rudolf Thome


Inhalt: Thomas (Marquard Bohm) lässt sich von einem Mercedes-Fahrer per Anhalter mitnehmen und bittet ihn, an einer Diskothek zu halten, wo er auf seine Ex-Freundin Peggy (Uschi Obermaier) trifft, die dort an der Bar arbeitet. Er schläft auf der Rückbank ihres Käfers bis sie am frühen Morgen ihren Arbeitsplatz verlässt. Nachdem sie am frühen Morgen gemeinsam am Starnberger See spazieren waren, bittet er sie, mit zu ihrer Wohnung kommen zu dürfen und verspricht ihr, sie nicht zu bedrängen.

Sie willigt ein und fällt todmüde ins Bett, wird aber bald schon von Christine (Diana Körner) geweckt, die ihre Hilfe braucht. Mit Silvy (Silvia Kekulé) gibt es Probleme, da sie nicht wie, von den Frauen der Wohngemeinschaft vereinbart, nach fünf Tagen ihren Geliebten erschießen will, sondern heulend im Bett liegt. Von diesem Gesetz weiß auch Thomas noch nichts, der erst langsam Peggys Mitbewohnerinnen kennenlernt, ohne zu ahnen, dass er selbst bald in den Fokus rücken wird…


Dank des nach wie vor hohen Bekanntheitsgrades der „60er Jahre Ikone“ Uschi Obermaier gerät hin und wieder auch ihr Film "Rote Sonne" in den Fokus. Auch wenn er so nur Ende der 60er Jahre entstehen konnte, die erst den spielerischen Umgang mit kontroversen Themen ermöglichten, hat der Film sich seine Eigenständigkeit unabhängig von seiner Hauptdarstellerin und dem 60er Jahre Flair bewahrt. Regisseur Thome hatte in den früher 60er Jahren als Filmkritiker gearbeitet und man spürt in seinen Filmen, beginnend bei seinem Erstling „Detektive“ (1969), den Einfluss nicht nur der "Nouvelle Vague", sondern auch des amerikanischen Kinos, das sich Ende der 60er Jahre mit seiner Lässigkeit im gesellschaftskritischen Gestus selbst als "New Hollywood" neu definierte. „Rote Sonne“ setzte diese Vorbilder eigenständig um, biederte sich aber weder an, noch ahmte er sie nach, sondern wurde im besten Sinn ein deutscher Film.

Die ersten Minuten sind von einer unnachahmlichen Dichte, die alleine schon das damalige Lebensgefühl transportieren. Thomas (Marquard Bohm) sitzt im Fond eines Autos, während die Großstadt ihre Lichter auf sein unbewegtes Gesicht wirft. Er bittet den Fahrer um eine Zigarette, was dieser zum Anlass nimmt, sich über den schweigsamen Thomas zu beschweren, den er nur mitgenommen hätte, um sich mit ihm unterhalten zu können. Stattdessen hatte er zwei Stunden geschlafen, aber auch jetzt sieht er  weder einen Grund, auf den Vorwurf zu reagieren, noch bemüht er sich um eine Konversation. Im Gegenteil - im Stile eines Autobesitzers, der seinem Chauffeur den Weg weist, fordert er den Fahrer auf, ihn zu einer Diskothek zu fahren. Auf dessen Reaktion, es läge nicht in seiner Richtung, erinnert ihn Thomas nur daran, dass der Weg dorthin nur zehn Minuten Umweg bedeuten würde.

Während der gesamten Szene richtet Regisseur Thome die Kamera ausschließlich auf Thomas und lässt den Fahrer nur aus dem Off reden. Das Wort "Coolness" war zu diesem Zeitpunkt noch nicht erfunden, aber wenn es eine Szene gibt, die im eigentlichen Sinne diesen Charakter verkörpert, dann diese. Erst als Thomas aussteigt, erkennt man den Mercedes Benz im Hintergrund. Thome betonte damit Thomas’ Respektlosigkeit vor bürgerlichen Statussymbolen, ohne in eine ideologische Abwehrhaltung zu verfallen. Darin liegt die Besonderheit von "Rote Sonne", der auf jede Psychologisierung, politische Haltung oder sonstige Botschaft verzichtete – und sich damit deutlich von den gesellschaftskritischen Filmen dieser Zeit abhob. Selbst der feministische Ansatz kommt ohne Zeigefinger aus und zeigte mit seinen vier sehr hübschen Darstellerinnen einen Mut, wie er im intellektuellen deutschen Film nicht üblich war. 

Deshalb wird „Rote Sonne“ gerne in die Trash-Ecke geschoben, da auch die Story wild und Effekt heischend konstruiert wirkt. Dabei ist die Geschichte über die Frauen-Wohngemeinschaft, die sich die Regel gegeben hat, jeden Liebhaber spätestens nach fünf Tagen zu ermorden, reine Symbolik, die gar nicht erst versucht, realistisch zu wirken. Die Leichtigkeit und das spielerische Element stehen hier im Vordergrund, weshalb die Waffen unecht wirken und die Morde nur angedeutet werden. Ob dieser Eindruck zufällig entstand oder von Thome und seinem Drehbuchautor Max Zihlmann geplant war, bleibt nebensächlich - herausgekommen ist ein Film, dem man nicht anmerkt, dass er inszeniert wurde und bei dem sämtliche Protagonisten authentisch wirken. Allein ihre Sprache ist in ihrer Rigorosität, die einerseits kein Wort zu viel zu erlauben scheint, gleichzeitig aber auch von ausschmückender Vielfalt ist, gänzlich eigenständig.

Uschi Obermaier als Thomas Ex-Freundin Peggy ist von einer unglaublich lässigen Natürlichkeit, aber auch Diana Körner, die nach dem Film eine langjährige Fernsehkarriere startete, ist attraktiv, selbstbewusst und gleichzeitig verletzlich. Herausragend bleibt trotzdem Marquard Bohm, der alles gleichzeitig ist - wortkarg und gesprächig, machohaft und sensibel, traurig und hoffnungsfroh - und diese Mischung selbstverständlich ohne aufgesetzte Attitüde verkörpert. Ob man ihn für arrogant oder einen kleinen Jungen hält, bleibt Ansichtssache. Am besten beides gleichzeitig, denn damit repräsentiert er einen Film, der so künstlerisch wie spielerisch ist, albern und ernsthaft, der eine spannende Story erzählt und zeitweise einfach vor sich hin plätschert.

Dabei weist er eine Vielzahl beeindruckender Szenen auf. Besonders die fast 10-minütige Musikszene, bei der die Frauen und Thomas zur Musik von den "Small Faces" und "The Nice" tanzen und reden, vermittelt so unmittelbar den Zeitgeist, das man sie wiederholt ansehen möchte. Doch nicht allein das Lebensgefühl einer Epoche zeigt sich darin, sondern eine Modernität, die bis heute nachwirkt. Auch jenseits von 68er Romantik, politischem und gesellschaftlichem Aufbruch oder der Ikone Uschi Obermaier erschließt sich daraus die filmische Qualität von „Rote Sonne“.

"Rote Sonne" Deutschland 1970, Regie: Rudolf Thome, Drehbuch: Max ZihlmannDarsteller : Marquard Bohm, Uschi Obermaier, Diana Körner, Gaby Go, Silvia KekuléLaufzeit : 86 Minuten

Mittwoch, 24. April 2013

Kolberg (1945) Veit Harlan


Inhalt: 1813 – General Gneisenau (Horst Caspar) spricht bei König Friedrich Wilhelm III. (Claus Clausen) vor, um diesen aufzufordern, mit dem Volk gegen Napoleon zu ziehen. Dieser reagiert empört, da das Kriegshandwerk gelernt sein müsste, aber Gneisenau widerspricht ihm, denn die Verteidigung des Vaterlands sei eine Sache des Herzens. Er erinnert in diesem Zusammenhang an Kolberg, das 1806/07 den französischen Truppen Paroli bot – nicht dank des Militärs, sondern dank der Opferbereitschaft seiner Bewohner.

Kolberg 1806 – der Bürgerrepräsentant Nettelbeck (Heinrich George) hatte erfahren, dass Napoleons Truppen Berlin besetzt hatten und macht sich Sorgen, hinsichtlich der Schicksals seiner Stadt. Doch bei dem Ortskommandanten Loucadou (Paul Wegener) stößt er mit seinen Hinweisen zur Lagerung des Vorrats nur auf taube Ohren. Loucadou glaubt nicht, dass Napoleons Einheiten bis Kolberg vorrücken und hält auch nichts von Leutnant Schills (Gustav Diessl) Maßnahmen hinsichtlich der militärischen Ausbildung der Bürger. Auf dessen Kritik über den Zustand der rostenden Kanonen, reagiert er nur mit Zurückweisung. Als Napoleon Kolberg schriftlich auffordert, sich ihm unterzuordnen, müssen die Bürger Farbe bekennen. Loucadou will sich ergeben, aber Nettelbeck will ihre Ehre bis zum Tode verteidigen…


Obwohl "Kolberg" nach dem Ende des zweiten Weltkriegs nur noch einmal in die westdeutschen Kinos kam - 1965 mit integrierten Erläuterungen, die aber nicht verhinderten, dass der Film nach Protesten wieder abgesetzt wurde - und seitdem als "Vorbehaltsfilm" von der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung nur zu wissenschaftlichen oder pädagogischen Zwecken gezeigt werden darf, existieren eine Vielzahl an Informationen über einen Film, der zur teuersten Produktion während der Zeit des Nationalsozialismus wurde. Schon 1942 beauftragte Propaganda-Minister Joseph Goebbels Regisseur Veit Harlan mit diesem Projekt, das er als psychologische Kriegsführung begriff. Basierend auf den historischen Fakten um die Rolle der alten Hansestadt Kolberg während des napoleonischen Feldzugs gegen Preußen 1806/1807 sollte eine Beispiel für den erfolgreichen Widerstand aufrechter Deutscher gegen eine feindliche Übermacht gegeben werden, für die dem Regisseur und dessen Mitstreiter Wolfgang Liebeneiner, Produktionschef der UFA, jedes notwendige Mittel zur Verfügung gestellt wurde.

Entsprechend legendär sind inzwischen die Zahlen, die um die Entstehung des Farbfilms kursieren, der 8,8 Millionen Reichsmark gekostet haben soll. Tausende Uniformen wurden aus den Theatern der besetzten Länder requiriert, ebenso viele Pferde organisiert und mehr als 100.000 Soldaten für die Massenszenen freigestellt, während die Wehrmacht gleichzeitig an allen Fronten zurückgedrängt wurde. In Kolberg selbst konnte nicht mehr gedreht werden, weil die Stadt parallel zu der Entstehung des Films schon von der russischen Armee eingenommen wurde (was von der Propaganda bewusst verschwiegen wurde), aber in Potsdam-Babelsberg wurden die Stadthäuser detailliert nachgebaut, um die verheerenden Schäden der Kanonenkugeln der französischen Armee zu demonstrieren, während nebenan die Häuser nach Luftangriffen der Alliierten brannten.

Joseph Goebbels soll erbost reagiert haben, als er die erste Fassung des Films zu Gesicht bekam, denn Harlan hatte die Gräuel des Krieges genau geschildert, hatte verschüttete Kinder, getötete Frauen und Schwerverletzte gezeigt, um den Heldenmut der Weiterkämpfenden noch mehr zu betonen. Doch Goebbels war bewusst, dass dieser Anblick demoralisierend auf Betrachter wirken musste, die täglich mit den Konsequenzen des Krieges konfrontiert wurden. Auch die Rolle des Claus Werner (Kurt Meisel), der sich als musisch veranlagter Mensch allen kriegerischen Aktionen verweigert, war Goebbels zu stark betont, weshalb Harlan erhebliche Schnitte an seiner Urfassung vornehmen musste, was in einigen Sequenzen zu seltsamen Sprüngen führte und vom Tod wichtiger Protagonisten nur aus Dialogen zu erfahren ist, deren Zustandekommen aber nicht gezeigt wurde.

Trotzdem entstand dank der zur Verfügung stehenden technischen und finanziellen Mittel und der Besetzung der Hauptrollen mit großartigen Mimen wie Heinrich George, Paul Wegener, Horst Caspar, Gustav Diessl und Otto Wernecke, sowie Harlans unvermeidlicher Ehefrau Kristina Söderbaum als blondem deutschen Mädel, ein höchst beeindruckender Film, der inszenatorisch und im geschickten Aufbau einer Story, die die dramatischen Ereignisse langsam steigert und keinen Moment Zeit zum Luftholen lässt, überzeugen kann. Besonders die Dialoge mit dem Bürgerrepräsentanten Nettelbeck (Heinrich George) sind von einer Raffinesse, gespickt mit ironischen, hintergründig manipulierenden Anspielungen, die dem ersten Eindruck eines patriotischen Durchhaltefilms eher widersprechen.

Zwar wurden dem Major Gneisenau (Horst Caspar) die Worte Goebbels, die er bei seiner Rede vom "Totalen Krieg" im Sportpalast benutzte, fast gleichlautend in den Mund gelegt, aber im Gesamtkontext des Films wirken diese Worte - zudem sehr zurückhaltend und eher elegisch von Caspar vorgetragen - nicht patriotischer als viele von us-amerikanischen Filmen gewohnte, meist von Pathos triefende Reden. Zudem werden sich diese damaligen Zusammenhänge dem heutigen Betrachtern kaum erschließen, weshalb sich häufig die Frage stellt, warum "Kolberg" nach wie vor nur stark eingeschränkt und begleitet von pädagogischen Maßnahmen angesehen werden darf ?


Historien- oder Propagandafilm?

„Kolberg“ schildert ein historisch verbürgtes Ereignis, das den Tagebuchaufzeichnungen des Bürgerrepräsentanten Nettelbeck, der diese nach dem Ende der französischen Belagerung autobiographisch veröffentlichte, nachempfunden wurde. Auch das Schauspiel „Kolberg“ des im 19.Jahrhundert sehr beliebten Schriftstellers Paul Heyse stand Pate für das Drehbuch, wurde aber im Film nicht erwähnt, da der Autor im 20.Jahrhundert stark an Reputation verloren hatte und über einen „nichtarischen“ Hintergrund verfügte.

Entsprechend nah an den damals beteiligten Persönlichkeiten sind auch die Rollen gestaltet. Der Ortskommandant Loucadou (Paul Wegener) glaubt nicht daran, dass Napoleon es für nötig hält, seine Truppen nach Kolberg zu schicken, nachdem dieser schon Preussens Hauptstadt Berlin besetzt hatte. Nettelbecks Vorschläge hinsichtlich der Lagerung der Vorräte weist er empört zurück, nur wenig an den Belangen der Bürger interessiert. Doch auch die Kritik von Leutnant Schill (Gustav Diessl), der zuvor schwerverletzt Kolberg erreichte, am Zustand seiner Soldaten und deren Ausrüstung, wird von ihm nicht ernst genommen. Als dieser mit Nettelbecks Hilfe versucht, die Bürger der Stadt auf einen militärischen Angriff vorzubereiten, reagiert Loucadou mit der abschätzigen Haltung eines Soldaten, der Zivilisten nicht dafür geeignet hält, im Ernstfall kämpfen zu können.

Diese negative Darstellung der Figur des Ortskommandanten basiert auf den Aufzeichnungen Nettelbecks und wird von Historikern inzwischen angezweifelt. Tatsächlich sollte Loucadou recht behalten mit seiner Einschätzung, dass Napoleon (Charles Schauten) nicht vorhatte, Kolberg anzugreifen, denn er forderte schriftlich die Unterordnung unter seine Herrschaft – eine damals übliche Vorgehensweise, um nicht unnötig Ressourcen an Mensch und Material zu gefährden. Nettelbeck stellt diese Forderung beim Rat der zehn führenden Bürger der Stadt zur Diskussion, ohne einen Zweifel an seiner Haltung aufkommen zu lassen, diese mit Vehemenz zurückweisen zu wollen - letztlich der Auslöser für die weiteren Ereignisse, denn erst darauf hin schickte Napoleon seine Armee, um die Stadt zu unterwerfen. Nettelbecks Unbeugsamkeit und seine persönliche Sichtweise der Abläufe, ließen im frühen 19.Jahrhundert erst die Legende um „Kolberg“ entstehen, die Viele in einer wenig heroischen Phase mit Stolz erfüllte – für Goebbels die ideale Vorlage für seine Intention.

Am Aufbau des Films bis zur Ablösung Loucadous durch den neuen Ortskommandanten Gneisenau (Horst Caspar), die von Nettelbeck betrieben wird, nachdem Loucadou ihn wegen Auflehnung verhaften ließ, werden die geschickten manipulatorischen Maßnahmen unter dem Deckmantel historischer Abläufe sichtbar. Anstatt nach knapp anderthalb Jahrhunderten und mit dem Wissen um das weitere Geschehen, die Haltung Nettelbecks neutraler zu betrachten, wird sie mit allen filmischen Mitteln noch unterstützt. Nicht nur Loucadou wird als ignoranter Feigling charakterisiert, Jeder, der zu verstehen gibt, mit der Unterwerfung unter Napoleon sein Hab und Gut schützen zu wollen – zudem nur von wohlhabenden Großbürgern geäußert - gilt als egoistischer Verräter. Eine objektive Abwägung zugunsten des Schutzes aller Einwohner lässt „Kolberg“ nicht entstehen, da der Tod als „freier deutscher Bürger“ dem Leben unter der Herrschaft eines fremden Despoten unwidersprochen vorgezogen wird.

Entscheidend für die eindeutige Ausrichtung des Films ist die Sprache Nettelbecks, kombiniert mit Heinrich Georges Verkörperung eines „Übervaters“, die ihre Wirkung in ihrer geschickten Argumentation und modernen Ausdrucksweise bis heute nicht verloren hat. Kein Hurra-Patriotismus oder militärischer Überschwang ist aus seinen Worten zu hören, sondern ein aus tiefer Fürsorge für die Bürger seiner Stadt erfüllter Pragmatismus, der vergessen lässt, dass seine Haltung erst den unnötigen Konflikt mit der französischen Armee hervorruft. Im Gegenteil wirkt Nettelbeck beinahe wie ein Freiheitskämpfer, der sich erst gegen Loucadou stellt, dann aber auch von Gneisenau Respekt einfordert, immer unter der selbstverständlichen Voraussetzung, dass er weiß, was am besten für seine Leute ist. In diesem Zusammenhang wird auch Joseph Goebbels Forderung verständlich, diverse Sterbeszenen und Kriegsverletzungen heraus zu schneiden, denn das hätte Nettelbecks Reputation als Beschützer deutlich geschwächt.

Unterstützt wird Nettelbeck von Kristina Söderbaum als Bauerntochter Maria Werner, die hier für jeden Frauentypus gleichzeitig steht – die blonde Unschuld vom Lande, die Geliebte des Soldaten, die tapfere Kämpferin und die aufopferungsvolle Bürgerin. Während eine Vielzahl unterschiedlicher Männerrollen die Szenerie beherrscht, kommen außer ihr nur wenige Frauen in kleinen Nebenrollen vor. Offensichtlich wollten die Macher jedes Opfer unter Unschuldigen vermeiden, weshalb sich die pausbäckige, aber immer frisch geschminkte Maria allen Widrigkeiten entgegen setzt, um dabei regelmäßig von den Herren als „Kleines Mädel“, „Fräuleinchen“ und „Frauenzimmerchen“ bezeichnet zu werden. Eine Einschätzung, der sie mit keckem Augenaufschlag und gespielt devotem Verhalten zu begegnen weiß – ein idealisiertes Frauenbild aus männlicher Perspektive und keine historisch authentische Gestalt.

So wie „Kolberg“ auf den entscheidenden historischen Zusammenhang bewusst verzichtete. Das Ende der Beschießung Kolbergs wird im Film einem Streit unter französischen Offizieren zugewiesen, verantwortlich dafür war aber der 1807 ausgerufene „Tilsiter Frieden“, der Napoleon alle Machtbefugnisse beließ und die Hochphase seiner Herrschaft einläutete. Letztlich blieb der Widerstand der Kolberger Bürger ohne Bedeutung für die politischen Konsequenzen, war ihr Opfer und die Zerstörung ihrer Stadt vergebens. Das verschweigt der Film, sondern erzählt die Geschichte eines erfolgreichen Widerstands der Zivilbevölkerung gegen einen überlegenen Gegner aus der Sicht Gneisenaus, die er seinem König Friedrich Wilhelm III. (Claus Clausen) im Jahr 1813 vorträgt, um ihn zum Kampf gegen Napoleon zu motivieren. Vor dessen Fenster war schon das Volk versammelt, nur noch auf die Anweisungen des Königs wartend, womit der Film einen stellvertretenden Bezug zu den Menschen in Deutschland 1945 herstellte, die ebenfalls zum letzten Widerstand aufgefordert werden sollten.

Doch „Kolberg“ kam im März 1945 zu spät heraus und wurde in den wenigen noch nicht zerstörten Kinos trotz seiner überragenden Show-Werte nur spärlich besucht – im Gegensatz zu dem gleichzeitig laufenden, aber älteren Unterhaltungsfilm „Münchhausen“ (1943). Angesichts der damaligen Realität funktionierte die propagandistische Absicht nicht mehr, was die manipulatorische Wirkung aber nicht verringert. Im Gegenteil spielt „Kolberg“ geschickter auf der Klaviatur des „Heldenmuts“ und der „Opferbereitschaft“ als es die zeitgenössischen us-amerikanischen Filme können. Weniger plump und argumentativ geschickter verzichtet der Film auf ein übertriebenes Feindbild, sondern schildert die Franzosen neutral, ohne Ressentiments schüren zu müssen. Ähnlich wie in „Jud Süß“ (1940) ist es diese dramaturgische Qualität, verbunden mit einer beeindruckenden Bildsprache, die unterschwellig eine Wirkung erzeugt, die eine pädagogische Begleitung des Films auch heute noch sinnvoll erscheinen lässt – weder ist „Kolberg“ harmlose Unterhaltung, noch ein Historienfilm.

„Kolberg“ ist ein sehr gut erzählter, großartig gespielter und technisch überzeugend umgesetzter Film, der optisch beeindrucken kann, aber seine beabsichtigte emotionale Manipulation und die Zusammenhänge bei der Entstehung des Films zerstören diesen positiven Eindruck wieder.

"Kolberg" Deutschland 1945, Regie: Veit Harlan, Drehbuch: Veit Harlan, Alfred Braun, Thea von HarbouDarsteller : Heinrich George, Kristina Söderbaum, Horst Caspar, Gustav Diessl, Paul Wegener, Otto Wernicke, Paul Henckels,  Laufzeit : 104 Minuten


weitere im Blog besprochene Filme von Veit Harlan:

Montag, 22. April 2013

Die Drei von der Tankstelle (1930) Wilhelm Thiele


Inhalt: Als die drei Freunde Willy (Willy Fritsch), Kurt (Oskar Karlweis) und Hans (Heinz Rühmann) von einer längeren Reise wieder in die Heimat zurückkommen, müssen sie erfahren, dass ihnen außer ihrem Auto nichts mehr gehört. Der Gerichtsvollzieher steht schon vor der Tür und auch ihr Anwalt kann ihnen keine besseren Nachrichten übermitteln - wie viele Andere trieb auch sie der „schwarze Freitag“ in die Pleite.

Doch die Laune lassen sie sich nicht davon verderben, sondern beschließen spontan, nachdem sie mit leerem Tank liegen geblieben waren, eine Tankstelle zu eröffnen, die sie im Tausch gegen ihr Auto erwerben. Doch die Kundschaft stellt sich nur spärlich ein, weshalb es besonders erfreulich ist, dass ausgerechnet die hübsche Lilian (Lilian Harvey) häufiger vorbeikommt. Allerdings trifft sie dabei jedes Mal auf einen Anderen der drei Freunde, da sich diese mit der Arbeit abwechseln, und beginnt mit ihnen anzubändeln. Nicht erstaunlich, dass sich Jeder von ihnen Hoffnung macht...


"Die Drei von der Tankstelle" war nicht nur einer der ersten deutschsprachigen Tonfilme, sondern der erste Film der die musikalischen Darbietungen unmittelbar mit der Handlung verzahnte und damit nicht nur für die deutsche Filmoperette, sondern auch für das amerikanische Film-Musical wegweisend wurde. Am 1.Oktober 1937 wurde der Film in Deutschland verboten, was sich mit der großen Anzahl nicht mehr von den Nationalsozialisten geduldeten Künstlern erklären lässt, die wesentlich zum Gelingen des Films beitrugen. Aber auch der Leichtigkeit einer Story zu verdanken war, die zwar nur wenig Inhalt, aber viel Lässigkeit im Spiel der Geschlechter aufweist, die selbst modernen Filmen noch gut zu Gesicht stände.


1. Die Künstler:

In der Erinnerung an die Beteiligten fällt auf, dass der Film für viele von ihnen während der Hochphase ihrer Karriere entstand, die durch die Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 jäh abgebrochen wurde. Das gilt auch für den österreichischen Regisseur Wilhelm Thiele, der sich während der Stummfilmzeit als Spezialist für leichte Unterhaltungsfilme profiliert hatte. Auch nach "Die Drei von der Tankstelle" blieb er dem Metier treu und drehte unter anderen mit dem damaligen deutschen Filmstar Renate Müller zwei Filme ("Die Privatsekretärin", 1931), bevor er sich wegen seiner jüdischen Herkunft 1933 gezwungen sah, aus Deutschland wegzugehen. Schon 1935 entstand sein erster Hollywood-Film, aber an seine früheren Erfolge konnte er nicht mehr anknüpfen, auch nicht als er nach dem Krieg wieder in Deutschland als Regisseur arbeitete ("Der letzte Fußgänger", 1960 mit Heinz Erhardt).

Mit seiner Hauptdarstellerin Lilian Harvey hatte er zuvor schon mehrere Filme gedreht, darunter auch "Liebeswalzer" (1930), der sie zum ersten weiblichen UFA-Star des deutschen Tonfilms werden ließ. Ihre nachfolgenden Filme "Die Drei von der Tankstelle" und "Der Kongress tanzt" (1931) förderten ihre Reputation und brachten sie bis nach Hollywood, allerdings ohne den gewünschten Erfolg. Die Geschichte der deutsch-britischen Darstellerin ist ebenfalls nicht ohne Tragik, denn nach ihrer Rückkehr nach Deutschland kam sie im inzwischen von den Nationalsozialisten gelenkten Filmbetrieb nicht mehr zurecht und wirkte nur noch in wenigen Filmen mit. 1943 - sie war inzwischen nach Frankreich emigriert - wurde ihr die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt.

Dagegen ließ sich Oskar Karlweis, der heute Unbekannteste des männlichen Darsteller-Trios, nicht unterkriegen. Der jüdische Mime ging 1933 zurück nach Österreich, emigrierte in die USA und feierte vor allem als Bühnendarsteller große Erfolge - auch am Broadway. Das Schicksal der Emigration teilten auch die Drehbuchautoren Paul Frank und Franz Schulz mit unterschiedlichen Konsequenzen. Franz Schulz, der die Drehbücher zu Klassikern wie "Bomben auf Monte Cassino" ( 1931) schrieb und mit Regisseur Thiele mehrfach zusammen arbeitete, konnte als Autor schon in den 30er Jahren in Hollywood Fuß fassen, während Paul Frank noch viele Jahre in Europa vor den Nationalsozialisten flüchtete, bevor ihm 1941 die Überfahrt nach Amerika gelang. Dort kam er als Drehbuchautor nicht mehr zurecht und wurde später zum Pflegefall.

Das Schicksal der "Comedian Harmonists", die in "Die Drei von der Tankstelle" erstmals in einem Film auftraten, ist bekannter, aber ähnlich signifikant für den Aderlass des deutschen Films nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten, da drei ihrer Mitglieder "nicht arischer" Herkunft waren. Hier sangen die sechs Vokalisten "Ein Freund, ein guter Freund" und "Liebling, mein Herz lässt dich grüßen", zwei ihrer berühmtesten Lieder, die auch als Schallplatte ein großer Erfolg wurden. Komponiert wurden sie von Werner Richard Heymann, der neben "Die Drei von der Tankstelle", unter anderen auch die Musik zu "Liebeswalzer", "Der Kongress tanzt" (mit dem bis heute berühmten Lied "Das gibt's nur einmal, das kommt nicht wieder") und "Bomben auf Monte Cassino" schrieb. Schon zu Murnaus "Faust -eine deutsche Volkssage" (1926) hatte er die Filmmusik geschrieben, benötigte aber nach seiner Emigration mehrere Jahre bis er auch in Hollywood - besonders an der Seite von Regisseur Ernst Lubitsch (unter anderen "Ninotschka" (1939) und "Sein oder Nichtssein"(1942)) - erfolgreich wurde. Der aus Königsberg stammende Komponist kehrte nach dem Krieg wieder nach Deutschland zurück und arbeitete auch aktiv am deutschen Nachkriegsfilm mit (unter anderen "Alraune", 1952).

Von den prägenden Künstlern des Films konnten einzig Willy Fritsch und Heinz Rühmann, die die gegensätzlichen Pole des männlichen Trios einnahmen, ihre Karrieren ungehindert fortsetzen und wurden später auch von der nationalsozialistischen Propaganda-Maschinerie eingespannt.

Im Gegensatz zu Heinz Rühmann war der nur wenig ältere Fritsch zu diesem Zeitpunkt schon ein großer Star und war mehrfach gemeinsam mit Lilian Harvey aufgetreten. Folgerichtig wurde er als Favorit der Protagonistin besetzt, während Heinz Rühmann den witzigen Side-Kick gab - eine Rolle, die seine Karriere beflügeln sollte.


2. Die Story:

Inhaltlich ist sie mit wenigen Worten zusammenzufassen. Drei enge Freunde - Willy (Willy Fritsch), Kurt (Oskar Karlweis) und Hans (Heinz Rühmann) - eröffnen aus der finanziellen Not heraus eine Tankstelle, die regelmäßig von der verwöhnten Tochter eines Großindustriellen, Lilian Cossmann (Lilian Harvey), angefahren wird. Sie flirtet mit allen drei Männern, so das Jeder von ihnen glaubt, seine Traumfrau gefunden zu haben, aber ihr Herz gehört nur Willy. Als sie ihnen bei einer Verabredung die Wahrheit sagen will, kommt es zum Eklat. Willy beschwert sich bei ihrem Vater, dem Konsul Cossmann (Fritz Kampers), über dessen schlechte Erziehung und denkt nicht daran, Lilian zu heiraten, sondern zieht mit seinen zwei enttäuschten Freunden davon. Natürlich ist das letzte Wort in dieser Angelegenheit noch nicht gesprochen.

Auffällig daran ist das Selbstbewusstsein, mit dem hier Lilian Harvey agieren kann, gemeinsam mit Olga Tschechowa, die Lilians Vater als dessen zukünftige Frau wunderbar im Griff hat. Zwar kommt es einen Moment lang zu Willys moralischen Einwänden, als er dem Konsul die Leviten liest, aber wirklich ernst nimmt das Niemand. Im Gegenteil haben die Frauen längst einen neuen Plan, ihren Willen durchzusetzen, ohne deshalb Abbitte leisten zu müssen. Willy versucht zwar mit allen Mitteln standhaft zu bleiben, hat aber letztlich keine Chance gegen die süße Lilian.

Zu gewichtig sollte man den emanzipatorischen Aspekt nicht nehmen - auch der anfänglichen Pleite der drei jungen Herren, nebst dem Auftritt des Gerichtsvollziehers, fehlt jede Ernsthaftigkeit trotz ihres Bezugs zum "schwarzen Freitag" - aber angesichts der damaligen moralischen Standards überrascht die uneingeschränkt sympathische Charakterisierung einer weiblichen Hauptrolle, deren fröhliche Ausgelassenheit nicht von einer verantwortungsvollen, ernsthaften Haltung abgelöst werden musste - eine Veränderung, die zeitgenössische US-Komödie nach wie vor Frauenrollen abverlangen, die sich kurzfristig auf "moralischen Abwegen" befanden.


3. Die Musik:

Zu Verdanken ist das einer Musik, die beinahe jede Szene unmittelbar begleitet und dem Film eine Leichtigkeit verleiht, die ihn über moralische Bedenken einfach hinwegträgt. Die Art, wie hier die Freundschaft unter Männern besungen wird, hat nichts vom damals üblichen Corps-Geist alter Kameraden, sondern vermittelt den Eindruck von Herzlichkeit und Nähe. Am Ende, wenn Lilian endgültig mit Willy vereint ist, trösten sich Kurt und Hans miteinander.

Letztlich spielt es in "Die Drei von der Tankstelle" keine Rolle, ob der Film gerade der Romantik oder der Albernheit frönt, da er sich keinen Regeln unterwirft und bis zum Ende den Eindruck von frei und unabhängig handelnden Personen hinterlässt. Natürlich ist das nur ein Traum, aber nicht viele Unterhaltungsfilme haben ihn geträumt, sondern - wie etwa im Heimatfilm der 50er Jahre - eher die Vorzüge einer bestimmten Ordnung betont. Diese existiert hier nicht, weshalb sich "Die Drei von der Tankstelle" seine (nicht nur für einen deutschen Film) seltene Qualität bis heute bewahrt hat.

"Die Drei von der Tankstelle" Deutschland 1930, Regie: Wilhelm Thiele, Drehbuch: Franz Schulz, Paul FrankDarsteller : Willy Fritsch, Lilian Harvey, Oskar Karlweis, Heinz Rühmann, Olga TschechowaLaufzeit : 90 Minuten


weitere im Blog besprochene Filme von Wilhelm Thiele:

"Tarzan und die Nazis" (Tarzan triumphs,1943) 

Samstag, 20. April 2013

Die wunderbare Macht (Magnificent Obsession, 1954) Douglas Sirk


Inhalt: Bob Merrick (Rock Hudson) ist ein Playboy und Lebemann, der nur an sein eigenes Vergnügen denkt. Als er versucht mit einem Rennboot einen Geschwindigkeitsrekord zu brechen, verunglückt er schwer und kann nur mit einer Spezialmaschine, die schnell herbei geholt wird, gerettet werden. Das medizinische Gerät stammt aus dem Haus des bekannten Arztes und Klinikbesitzers Dr.Wayne Philipps, der kurz nach Merricks Unfall einen Anfall erleidet. Da die für diesen Notfall entwickelte Maschine nicht im Haus ist, stirbt Dr.Phillips, während der am Leben erhaltene Merrick in dessen Klinik gebracht wird.

Der arrogante Merrick hält es dort nicht lange aus und entfernt sich heimlich aus der Klinik. Zufällig begegnet er außerhalb des Gebäudes Helen Philipps (Jane Wyman), die den sichtlich nicht gesunden Mann in ihrem Auto mitnimmt. Er flirtet sofort mit ihr und lässt erst davon ab, als er erfährt, dass sie Dr.Phillips Witwe ist. Spontan will er aus dem Wagen aussteigen und bricht ohnmächtig zusammen.

Nachdem sie ihn zur Klinik zurückbrachte, sagt man ihr, wen sie mitgenommen hatte und Merrick wird mit der Tatsache konfrontiert, dass er sein Leben auf Kosten des Wohltäters Dr.Phillips behielt. Voller Schuldgefühle will er es wieder gut machen, aber stattdessen reißt er alles nur noch mehr in die Tiefe...


Betrachtet man zeitgenössische Plakate kann man den Eindruck gewinnen, dass „Magnificent Obsession“ 1954 das Werk des Lloyd C.Douglas war, obwohl dieser 3 Jahre zuvor gestorben war. Der Lutheraner und Autor stark moralisierender Novellen war seit den 30er Jahren sehr populär in den USA, was dazu führte, dass mehrere seiner Werke verfilmt wurden. Darunter sein erfolgreichstes Buch „The Robe“ („Das Gewand“) 1953, doch selbst „Magnificent Obsession“ wurde schon 1935 erstmals verfilmt. Douglas Sirk’s Name wird dagegen sehr klein am Rande vermerkt, was darauf hin weist, dass sein Bekanntheitsgrad, 17 Jahre nachdem er aus Deutschland weg gegangen war, noch immer eher gering war.

1943 hatte er mit "Hitler's madman" seinen ersten Film in den USA gedreht, dem bis zu "Magnificent Obsession" 17 weitere Filme in zehn Jahren folgen sollten, die heute größtenteils in Vergessenheit geraten sind, obwohl er sich in dieser Phase als begabter Regisseur für die unterschiedlichsten Genres bewies und in "Has anybody seen my gal?" (Hat Jemand meine Braut gesehen?, 1952) erstmals mit Rock Hudson zusammen arbeitete. "All I desire" (All meine Sehnsucht, 1953) zeigte schon seine Vorliebe für melodramatische Stoffe, mit denen er die Hintergründe der Sozialisation auslotete, aber die Story war noch zeitlich versetzt im Jahr 1911 angesiedelt. Auch „Magnificent Obsession“ schien die Reihe der Auftragsarbeiten als Regisseur fortzusetzen, weshalb er bis heute im Schatten von „All that Heaven allows“ (Was der Himmel erlaubt, 1955) steht, den Douglas Sirk ein Jahr später ebenfalls mit Jane Wyman, Rock Hudson und Agnes Moorehead in den Hauptrollen verwirklichte, denn während er mit diesem Film ein Meisterwerk über menschliche Toleranz schuf, musste er sich in „Magnificent Obsession“ mit einer kruden Story über Schuld und Sühne herumschlagen.

Lloyd C.Douglas’ Novelle strotzt nur so vor Schicksalsschlägen und Wendungen, die zwei Personen in den Mittelpunkt stellen, die im gesellschaftlichen Sinne moralisch kaum unterschiedlicher beurteilt werden könnten. Während Dr.Wayne Philipps als Arzt und Klinikbesitzer ein Wohltäter der Menschheit ist, der oft auch auf die Bezahlung seiner Leistungen verzichtete, interessiert sich Bob Merrick (Rock Hudson) nur für sein Vergnügen. Sein früh verstorbener Vater vererbte ihm ein Vermögen, das er für ein ausschweifendes, egoistisches Playboy-Leben nutzt. Dazu gehören auch waghalsige sportliche Ambitionen, die er mit Rekordfahrten in einem Rennboot umsetzt.

Bei einem solchen Rekordversuch verunglückt er so schwer, dass ihm nur mit einer speziellen Lungen-Maschine geholfen werden kann, die Dr.Phillips gehört und die von der Ambulanz aus dessen Haus an den Unfallort gebracht wird. Diese Maschine soll normalerweise Dr.Phillips zur Verfügung stehen. Ausgerechnet als Bob Merrick an die Maschine angeschlossen wird, erleidet dieser einen Anfall, an dem er stirbt. Obwohl Merrick faktisch unschuldig ist an dessen Tod, wird durch den Plot eine moralische Schuld aufgebaut, indem gegeneinander abgewogen wird, wessen Leben wertvoller ist. Der Maßstab, der dabei angewendet wird, beurteilt den Nutzen, den der Einzelne für die Gesellschaft hat - ein im Grunde inhumaner Ansatz.

Bei seiner Flucht aus dem Krankenhaus begegnet Merrick zum ersten Mal Helen Phillips (Jane Wyman), die den keineswegs gesunden Mann in ihrem Auto mitnimmt, und ist sofort fasziniert von ihr. Erst als er erfährt, dass sie Dr.Phillips Witwe ist, lässt er von seinem Flirt ab, und will sofort aus ihrem Auto steigen. Doch er kann kaum laufen und bricht zusammen. Nachdem sie ihn ins Krankenhaus zurückbrachte, erfährt sie von ihrer Stieftochter Joyce (Barbara Rush), wen sie da transportierte. Merrick erfährt darauf hin die gesamte Missachtung der anständigen Gesellschaft, die ihn spüren lässt, dass sein Tod die wesentlich bessere Variante gewesen wäre. Obwohl das Krankenhaus sich dank Dr.Phillips Großzügigkeit in finanziellen Schwierigkeiten befindet, lehnt Hellen Phillips Merrick’s sehr großzügigen Scheck ab, den er bei der Entlassung aus dem Krankenhaus überreicht. Mit Geld – und das gibt sie ihm unmissverständlich zu verstehen – kann er seine Schuld nicht begleichen.

Der bisher so arrogante, selbstbewusste Merrick wirkt zum ersten Mal verunsichert, hat an dem abendlichen Barbesuch mit Freunden und schönen Frauen plötzlich keine Freude mehr, und fährt in betrunkenem Zustand in eine Baustelle. Hier kommt eine Schlüsselfigur ins Spiel, die am deutlichsten Lloyd C.Douglas’ fast perfide Freude an der moralischen Läuterung zeigt – der Maler Edward Randolph (Otto Kruger). Nachdem Merrick bei diesem seinen Rausch ausgeschlafen hatte, kommt es beim Frühstück zu einem langen Gespräch. Randolph stellt sich als Freund des verstorbenen Dr.Phillips heraus, der aber keineswegs in den Tenor gegen Merrick einstimmt. Im Gegenteil versteht er dessen Gewissensnöte und erzählt ihm, dass es der verstorbene Freund war, der ihm damals Mut machte und damit überhaupt seine Künstlerkarriere ermöglichte. Die Worte, die dieser für ihn damals benutzte, gibt Randolph auch Merrick mit auf den Weg – „The magnificent Obsession“.

Dadurch wird Merrick endgültig in den Sog des „Heiligen“ Dr.Phillips gezogen, der nicht nur der Anlass für seine Läuterung zu einem funktionierenden Mitglied der Gesellschaft ist, sondern ihm dank dessen „Sprachrohr“ Randolph mit Vergebung und Ermutigung Beistand leisten wird. Die protestantische Haltung des Autors und der religiöse Bezug zeigt sich in dieser Konstellation überdeutlich, denn Merrick wird weiter dazu gezwungen Abbitte zu leisten, da seine ersten "Gehversuche" sehr ungeschickt verlaufen und er seine Umgebung noch tiefer ins Unglück stürzt. Als sich Helen Phillips von ihm bedrängt fühlt, steigt sie spontan aus einem Taxi und wird von einem Auto überfahren. Sie überlebt, aber sie erblindet. Jetzt ist Merricks Widerstand endgültig gebrochen. Er besucht seinen alten Professor und bittet diesen, sein Medizinstudium wieder aufnehmen zu dürfen, während sein Kontakt zur Familie Phillips für längere Zeit unterbrochen ist.

Erst im Sommer des nächsten Jahres kommt ihm der Zufall zu Hilfe. Als er am Strand eines Sees sitzt, erscheint plötzlich die blinde Helen, die von der minderjährigen Judy begleitet wird. Das kontaktfreudige Mädchen aus der Nachbarschaft spricht ihn an und es kommt zu einer ersten freundlichen Begegnung, bei der er sich als Mr.Robinson ausgibt. Während Merrick so den Kontakt vertieft und sich erste Gefühle zwischen den Beiden entwickeln, bemüht er sich darum, Ärzte in Europa zu finden, die ihre Blindheit heilen können. Tatsächlich finden sich Spezialisten in der Schweiz, die sie – ohne dass Helen ahnt, dass Merrick dabei seine Hände im Spiel hat – zu sich einladen. Voller Hoffnung fliegt sie in die Schweiz. Auch wenn an Lloyd C.Douglas’ eindeutiger Intention kein Zweifel besteht, ist doch der abwechslungsreiche und originelle Aufbau der Story zu bewundern, der Stoff für mehrere Filme bieten würde. Und was macht Douglas Sirk aus dieser Vorlage? – Einen wunderbar kitschigen Film, in dem er die schicksalshaften Verstrickungen so stark betont, dass "Magnificent obsession" damit jegliche moralisierende Wirkung wieder ausgetrieben wird.

Schon die Wahl der Filmmusik verdeutlicht Sirks Intention, denn er verwendet bekannte Werke Chopins und die „Ode an die Freude“ von Beethoven als wiederkehrende Leitmotive, die passend zum Film mit viel Violineinsatz und Chören stark verkitscht werden. Gerade Chopins Etüde Nr.3, Opus 10, die nicht ohne Grund „Tristesse“ im Volksmund genannt wird, und schon auf dem Klavier gespielt, Zurückhaltung vom Interpreten erfordert, wird in „Magnificent Obsession“ als Hauptmotiv verwendet und soll - mit Chor und Violinen aufgebauscht - die besonders dramatisch-traurigen Szenen des Films unterstreichen. Genauso entbehrt es nicht der Ironie, dass immer wenn von dem Wohltäter Dr.Phillips gesprochen wird, leise „Freude schöner Götterfunken“ im Hintergrund erklingt.

Im Gegensatz zu diesen Überhöhungen, strafft Sirk die Story gleichzeitig und beschränkt sich auf wenige Szenen, um den vielfältigen Plot voran zu treiben. Nachdem Helen und Joyce den Tod des geliebten Menschen festgestellt haben, zeigt Sirk nur einen kurzen Moment Helens Trauer, um dann in der nächsten Szene die geschäftige Helen bei der Organisation des Krankenhauses zu zeigen. Die Figur des Dr.Phillips gerät bei Sirk zum Phantom, dessen „Makellosigkeit“ betont wird, diese damit aber den Charakter einer  künstlichen Abgehobenheit erhält – bewusst verzichtet Sirk darauf, Phillips ein Gesicht zu geben (sei es durch ein Photo oder eine Rückblende). Die Hinterbliebenen trauern zwar um einen besonders wertvollen Menschen, aber Sirk vermittelt keine wirkliche Bindung. Rock Hudson, der in den ersten Minuten als arroganter Egoist auftritt, bekommt zunehmend Gelegenheit seine menschliche Seite zu zeigen, und so überrascht es letztendlich nicht, dass sich Helen in ihn verliebt.

Das „Ideal“, das Dr.Phillips zu Beginn verkörpert, verblasst mit der Zeit und es ist bezeichnend, dass Helen ihren verstorbenen Mann niemals gegenüber Merrick/Robinson erwähnt. Der größte, fast unmerkliche Unterschied zur Intention des Romans, ist darin zu erkennen, dass die männlichen Protagonisten Merrick und Dr.Phillips (vertreten durch Randolph) während der Laufzeit an Bedeutung verlieren und Hellens Rolle zunehmend stärker betont wird. Während der Film in seiner ersten Hälfte den Plot in Atem beraubendem Tempo von einer Katastrophe zur nächsten führt, gibt er Helen zum Ende hin immer mehr die Gelegenheit, ihre Emotionen auszuleben. Dabei kann sich Sirk komplett auf das überzeugende Spiel von Jane Wyman verlassen, die auch in den tragischsten Momenten nachvollziehbar und authentisch bleibt.

Im Gegensatz zu ihr ist Rock Hudson ein Aktionist, dessen Veränderungen ausschließlich im Außenraum stattfinden. Wenn er am Ende des Films im weißen Arztkittel und mit grauen Schläfen auf den Spuren Dr.Phillips wandelt, ist seine Läuterung im moralischen Sinne abgeschlossen, aber sie ist nicht wirklich überzeugend. Rock Hudson lässt die Veränderungen im Charakter des Bob Merrick nicht deutlich werden, sondern wirkt wie ein anderer Mensch. Bob Merrick und das was er einmal war, existiert nicht mehr. Diese idealisierte Konstellation passt in ihrer Überhöhung zum Charakter des Films, der dem Zuschauer eine melodramatische Geschichte bietet (und damit sehr erfolgreich war) und Sirk die Gelegenheit gibt, sein Publikum geschickt zu manipulieren – weg von der moralisierenden Intention des Romans, hin zu authentischen Emotionen.

"Magnificent obsession" USA 1954, Regie: Douglas Sirk, Drehbuch: Wells Root, Robert Blees, Lloyd C.Douglas (Novelle), Darsteller : Jane Wyman, Rock Hudson, Agnes Moorehead, Barbara Rush, Otto Kruger, Laufzeit : 108 Minuten

weitere im Blog besprochene Filme von Detlef Sierck / Douglas Sirk:

"Zu neuen Ufern" (1937)
"La Habanera" (1937)
"All that heaven allows" (Was der Himmel erlaubt, 1955)
"The tarnished angels" (Duell in den Wolken, 1957)

Dienstag, 16. April 2013

Der rote Kreis (1960) Jürgen Roland


Inhalt: Der Deliquent wird zu einer Guillotine geführt, doch das Vorhaben, das Todesurteil gegen ihn zu vollstrecken, misslingt, da der betrunkene Henker einen Fehler macht. Acht Jahre später hält ein Erpresser London in Atem, denn Jeder, der seinen Forderungen nicht nachkommt oder ihn an die Polizei verraten will, wird ermordet. Als Zeichen hinterlässt er einen Papierstreifen mit einem roten Kreis.

Auch Lady Doringham (Edith Mill) wird Opfer des Erpressers, als dieser von ihr verlangt, das Kollier der Familie Doringham gegen ein Imitat einzutauschen. Er hat sie in der Hand, denn er weiß, dass sie ihren viel älteren Ehemann betrügt. Dagegen will sich der ebenfalls erpresste Mr. Beardmore (Thomas Alder) wehren und nicht mehr länger ansehen, wie Scotland Yard ergebnislos versucht, den Mörder zu fassen. Er beauftragt den erfolgreichen Privatdetektiv Derrick Yale (Klausjürgen Wussow) mit der Angelegenheit…


Schon die erste Szene macht deutlich, dass es sich bei dem Mörder, der nach jeder Tat sein Zeichen - einen roten Kreis - zurücklässt, um keinen Wahnsinnigen handelt, sondern um einen ruhig und kalkuliert vorgehenden Verbrecher. Mit wenigen Worten erklärt er Lady Doringham (Edith Mill), die gerade von ihrem Liebhaber kommt, was er von ihr verlangt. Der Tod droht ihr nur, wenn sie seine erpresserische Forderung nicht erfüllt - oder bei Verrat.

Zu Beginn erzählt "Der rote Kreis" noch eine kleine Vorgeschichte, die in Paris spielt, und den gescheiterten Versuch zeigt, einen Mann per Guillotine ins Jenseits zu befördern, weil der betrunkene Henker einen Nagel zu tief eingeschlagen hatte. Vordergründig wirkt die Szenerie fremdartig, ganz abgesehen davon, das es offen bleibt, warum der verurteilte Mörder daraufhin lebenslänglich bekam, was ihm erst die Gelegenheit gab, aus dem Gefängnis zu entkommen. Einzig die Stimme aus dem Off, die vermittelt, dass dieses Missgeschick 8 Jahre später 25 Morde zur Folge haben sollte, stellt die Verbindung zum weiteren Geschehen her.

Im Gegensatz zu diesem ersten Eindruck entwickelt sich die weitere Story sachlich und rational in der Einführung der Protagonisten. Wie schon in der ersten Edgar-Wallace-Verfilmung "Der Frosch mit der Maske" (1959) spielte Ernst F.Fürbringer den Chef von Scotland Yard, dem diesmal Karl-Georg Saebisch als kurz vor der Rente stehender Ermittler Inspektor Parr zur Seite steht. Sein ruhiges und seinem Alter entsprechendes Tempo bleibt für den gesamten Film bestimmend, was diesem zu Gute kommt, da die wenigen Actionszenen wesentlich deutlicher hervortreten, als in einigen späteren Filmen, die vor lauter Morden manchmal den Überblick verlieren.

Ganz so viele Tötungsdelikte können auf den Betrachter auch nicht mehr zukommen, da 19 ungeklärte Morde bereits geschehen sind, wie der Privatdetektiv Derrick Yale (Klausjürgen Wussow) Mr. Beardmore (Thomas Alder) mitteilt, der ihn wegen der Unfähigkeit der Polizei mit der Angelegenheit beauftragt hatte, nachdem er selbst vom "Roten Kreis" bedroht wurde. Eine offensichtlich peinliche Situation für die Polizei, allerdings stellt sich Yale als besonnener Zeitgenosse heraus, der nicht an Konkurrenz interessiert ist, sondern daran, seinen Mandanten zu schützen, weshalb er bereitwillig mit der Polizei zusammenarbeitet.

Regisseur Jürgen Roland bleibt seinem aus der "Stahlnetz" Fernsehserie bekannten geradlinigen, nachvollziehbaren Stil treu, auch bedingt durch die erneute Zusammenarbeit mit Drehbuchautor Wolfgang Menge, so dass der Betrachter dem verwickelten Geschehen problemlos folgen kann. Zu diesem gesellen sich Mr.Beardmors`s Neffe Jack (Thomas Adler), die geheimnisvolle und schöne Renate Ewert als Thalia Parr, deren Chef Froyant (Fritz Rasp) und ein seltsamer Franzose namens Marles (Richard Lauffen), der wieder eine Verbindung zur Pariser Vorgeschichte herstellt. Und - wie in vielen späteren Edgar-Wallace-Filmen üblich - Eddie Arent als Sergeant Haggett, der erst zur Mitte der Laufzeit eingreift, da sich Roland viel Zeit lässt für die Zusammenführung der verschiedenen Handlungsstränge.

Besonders Renate Ewerts Rolle ist bemerkenswert modern gestaltet, da sie erstaunlich frivol und selbstbewusst agiert, und hier trotz ihrer Rolle als Love-Interest nicht zum typischen Opfer wird. Auch ihre Beziehung zu einem der Männer, die bei Edgar Wallace Filmen in der Regel schnell feststeht, bleibt bei der Vielzahl der Interessenten und ihrer bis zuletzt schwer einschätzbaren Rolle lange offen. Neben diesen Qualitäten fallen auch die gut inszenierten Action-Szenen auf, besonders der Mord an Lady Doringham, die den Fehler begeht, die Erpressung der Polizei zu melden.

Dank der Zusammenarbeit von Yale mit der Polizei wird es zunehmend eng für den Erpresser, dessen Spur zurück nach Paris führt, und es kommt zu einem Ende, dass an einen Agatha Christie-Krimi erinnert, wenn Inspektor Parr in Hercule-Poirot-Manier den Täter im Kreis der Verdächtigen mit einem Trick überführt. Selbst der fast versöhnliche Schluss, der noch einmal die Ermittler und den Gesuchten zusammenführt, hat wenig vom üblichen Getöse, das normalerweise zum Tod des Mörders führt. Ganz abgesehen davon, dass die Lösung trotz aller Konstruiertheit nachvollziehbar ist und bei aufmerksamer Betrachtung des Geschehens vorausgesehen werden kann.

Obwohl "Der rote Kreis" schon einige typische Elemente beinhaltet, unterscheidet er sich dank seiner Ernsthaftigkeit und Strukturiertheit von den späteren Filmen der Edgar-Wallace-Reihe. Selbst Eddie Arent albert noch nicht herum, sondern glänzt mit schwarzem Humor. Dieser Tatsache ist es geschuldet, dass der zweite Edgar-Wallace-Film eher zu den unbekannten Filmen der Reihe gehört. Während der "Der Frosch mit der Maske" stilbildend für die späteren Filme wurde, überrascht es nicht, dass Jürgen Roland mit "Der grüne Bogenschütze" nur noch einen weiteren Film nach Edgar Wallace drehte, sondern stattdessen gemeinsam mit Wolfgang Menge Filme wie "Polizeirevier Davidswache" (1964) heraus brachte, deren Handlung eng an die Realität angelehnt wurde. Trotzdem ist "Der rote Kreis" auch für Wallace-Enthusiasten ein Erlebnis, weil er zwei Stile zusammenführte, die scheinbar nicht zusammengehören – eine schräge, plakative Handlung mit einem klassischen Krimi.

"Der rote Kreis" Deutschland, Dänemark 1960, Regie: Jürgen Roland, Drehbuch: Wolfgang Menge, Egon Eis, Edgar Wallace (Roman), Darsteller : Renate Ewert, Klausjürgen Wussow, Ernst F. Fürbringer, Karl-Georg Saebisch, Fritz Rasp, Edith Mill, Eddie ArentLaufzeit : 88 Minuten

weitere im Blog besprochene Filme von Jürgen Roland: