Sonntag, 7. April 2013

08/15 - zweiter Teil (1955) Paul May


Inhalt: 1941, mitten im Winter an der Ostfront. Die russischen und deutschen Linien stehen sich in einem Grabenkampf gegenüber, der bei deutlichen Minusgraden regelrecht eingefroren scheint.

Während Kampfhandlungen gar nicht mehr stattfinden, hat es sich die 3.Batterie, in der Herbert Asch (Joachim Fuchsberger) als Wachtmeister dient, eingerichtet. Die Kameraden kümmern sich mehr um ihre Verpflegung und weibliche Truppenbetreuung als um Heldentaten. Auch Oberstleutnant Von Plönnies (O.E.Hasse) sieht keinen Grund, Irgendeinen seiner Soldaten für einen unsinnigen Kampf zu opfern. Doch das ändert sich schlagartig als Hauptmann Witterer (Robert Kutschera) Aschs Einheit übernimmt...


"Scheiß Krieg!" - Unter diesem gemeinsamen Nenner könnte man den zweiten Teil der "08/15"-Trilogie problemlos zusammenfassen. Und es ist davon auszugehen, dass damit jedem Betrachter (oder Leser) aus dem Herzen gesprochen wurde.

Kirst versetzt die Einheit mit den im ersten Teil „08/15“ (1954) bekannt gewordenen Darstellern an den unwirtlichsten Ort, den man sich vorstellen kann - an die Ostfront im eisigen Winter 1941. Asch (Joachim Fuchsberger) wurde inzwischen zum Wachtmeister (Feldwebel) befördert und kann seine Meinung damit noch besser durchsetzen. Auch seine Freunde Vierbein (Paul Bösiger) und Koslowski (Peter Carsten) teilen sein Schicksal, während einzig der schon in Teil 1 durch seine mit Unfähigkeit gepaarte Selbstüberschätzung aufgefallene Hauptfeldwebel (inzwischen Oberleutnant) Schulz (Emmerich Schrenk) in der Heimat geblieben ist, um als Ausbilder für soldatischen Nachschub zu sorgen.

Betrachtet man die Art wie Kirst hier den Krieg beschreibt, überrascht die Vermeidung jeglicher Heldenverklärung. "08/15 - Zweiter Teil" verfügt nahezu prototypisch über die Konsequenz eines Anti-Kriegfilms. Die Soldaten, die sich in einem sinnlosen Grabenkrieg inmitten des russischen Winters befinden, haben jegliche Lust am Kampf verloren. Auch Oberstleutnant von Plönnies (O.E.Hasse) sieht keinen Sinn mehr darin, seine Leute für irgendwelche waghalsigen Unternehmen zu opfern, sondern überlegt viel mehr, wie sie sich aus ihrer jetzigen Position wieder in eine sicherere Stellung zurückziehen können.

Den Männern an der Front ist jede soldatische Attitüde verloren gegangen. Während Von Plönnies mit geöffnetem Revers am liebsten französischen Chansons lauscht, beschäftigen sich Asch und seine Batterie mit einer ausgewogenen Ernährung, für die sich vor allem der ehemalige Schleifer aus „08/15“, Wachtmeister Platzek (Hans Christian Blech), als ausgezeichneter Organisator bewährt. Körperpflege und korrekte Uniformen haben ebenso an Bedeutung verloren, wie kein böses Wort über den Feind von ihnen zu hören ist. Im Gegenteil überlegt in einer späteren Szene Von Plönnies, dass er als Befehlshaber der Gegenseite in einer solchen Situation hätte Schießen lassen. Als in diesem Moment tatsächlich Schüsse zu hören sind, sieht man einen kurzen Moment der Anerkennung auf seinem Gesicht.

Spannung kommt in dieser "geschlossene Gesellschaft" erst auf, als ein neuer Hauptmann die Batterie übernehmen soll. Kirst will mit der Figur des Hauptmanns Witterer (Rolf Kutschera), der den Frontsoldaten von Berlin aus aufgedrückt wurde, die Diskrepanz zwischen den kämpfenden Truppen und den daheim gebliebenen Theoretikern betonen, die noch Flausen von der Weltherrschaft im Kopf haben und daran interessiert sind, einen Orden an die Brust geheftet zu bekommen.

Den Unterschied zwischen der Realität an der Front und einer von der Propaganda beeinflussten Illusion in Deutschland, lässt Kirst mit einer Nebenstory deutlich werden, in der Unteroffizier Vierbein in seine Heimat-Kaserne geschickt wird, um Nachschub für die Fernmelder zu organisieren. Man könnte meinen, dass Vierbein inzwischen über ausreichend Reputation verfügt, aber zu Hause gerät er wieder in die Opferrolle. Weder kann es Oberleutnant Schulz unterlassen, ihn erneut (wie in „08/15“ gezeigt) zu schikanieren, noch ist die von ihm geliebte Ingrid in der Lage, sensibel auf den Heimkehrer zu reagieren. In Deutschland läuft alles noch im alten Trott und angesichts der Realität in Russland, wirkt diese Geschäftigkeit nur lächerlich. Es erstaunt nicht, dass Vierbein so schnell wie möglich wieder zu seinen Kameraden in den russischen Winter zurück will. Damit betont Kirst noch stärker als im ersten Teil die Opferrolle der Soldaten, die in „08/15 – zweiter Teil“ wiederholt als Menschenmaterial oder Kanonenfutter bezeichnet werden.

Nicht nur die lakonische, unheroische Schilderung der Situation an der Front war 1955 für einen populären Film überraschend, auch die ungeschönt gezeigte Moral der Soldaten widersprach der damals üblichen Meinung. Schon in „08/15“ machte Kirst kein Geheimnis aus deren offenkundiger Promiskuität, hier ging er noch einen Schritt weiter. Nicht nur, dass sich die Offiziere bewusst ihre Liebschaften organisierten (was dem unsympathischen Hauptmann Witterer nichts nützt), sondern auch für die Mannschaft war es selbstverständlich, dass jede Gelegenheit zum Sex genutzt wurde. Die Szene, in der drei Damen zum Vergnügen der Soldaten auf der Bühne tanzen und singen, ähnelt dem Ende von Kubricks "Wege zum Ruhm" (1957), nur das Kirst auch noch die Selbstverständlichkeit schildert, mit der die Aktricen danach den Soldaten zur Verfügung stehen, die sich als Erste darum bewerben.

Darin wird auch die Veränderung in der Rolle des Asch deutlich, der in „08/15 – zweiter Teil“ weniger im Mittelpunkt steht. Während Fuchsberger in "08/15" noch den Helden gab, der auch soldatisch viel drauf hatte, überzeugt er an der Front vor allem mit Widerspruchsgeist. Besonders auffällig ist an seiner Rolle, dass er sich moralisch nicht mehr von seiner Umgebung abhebt. Obwohl der Film zu Beginn noch seine Frau Lisa zeigt, die ihr gemeinsames Kind im Kinderwagen spazieren fährt, ist Asch einer der Ersten, der einer anderen Frau in die Arme fällt. Diese ungeschminkte Darstellung stand im Widerspruch zur üblichen Form der Charakterisierung eines Hauptdarstellers und verdeutlicht Kirsts Mut zu Authentizität.

Das "08/15 - Zweiter Teil" nie den Einzug in die Reihe der "Anti-Kriegsfilme" fand, ist angesichts einer Inszenierung, die nur wenige völlig unheroische Kampfhandlungen zeigt und stattdessen die Sinnlosigkeit des Krieges demonstriert, erstaunlich. Dazu beigetragen hat sicherlich die zeitgenössische Kritik, die vor allem den komödiantischen Charakter des Films hervorhob, welcher durch das ernste Ende nicht genügend aufgehoben worden wäre. Das viele Szenen damals als vulgär angesehen wurden, ist dem Zeitgeist geschuldet, der das dort geschilderte Verhalten der Soldaten nur so einordnen wollte, anstatt es als real zu akzeptieren. Denn im Gegensatz zum ersten Teil vermitteln diese Szenen keinen Witz oder "Abenteuerlust", sondern den Versuch, die Umgebung und die eigene Situation irgendwie zu verdrängen. Erst die Absurdität, mit der hier das Leben der Soldaten an der Ostfront geschildert wird, lässt die Unwirklichkeit und damit die Diskrepanz zu den politisch formulierten Zielen deutlich werden.

Einzig die fehlende Selbstkritik der Armee, nimmt dem Film einiges seiner verdienten Reputation. Wie schon in „08/15“ wird die Haltung der Wehrmacht weit entfernt vom Nationalsozialismus und dessen Ideen angesiedelt. Der gesamte Krieg scheint für beinahe jeden Armeeangehörigen von Beginn an ein wahnsinniges und sinnloses Unterfangen gewesen zu sein, zu dem sie gezwungen worden sind. Trotz dieser offensichtlichen Verharmlosung, die selbstverständlich auch kein Kriegsverbrechen der Wehrmacht erwähnt, wurde "08/15 - Zweiter Teil" ein erstaunlich mutiger Film seiner Zeit.

"08/15 - zweiter Teil" Deutschland 1955, Regie: Paul May, Drehbuch: Ernst Von Salomon, Hans Hellmut Kirst (Roman)Darsteller : Joachim Fuchsberger, Paul Bösiger, O.E.Hasse, Hans Christian Blech, Rolf Kutschera, Helen Vita, Mario Adorf, Laufzeit : 104 Minuten


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