Sonntag, 27. November 2016

Verdammt die jungen Sünder nicht (Morgen beginnt das Leben, 1961) Hermann Leitner

Dr. Behrmann (Josef Kastrel) bemüht sich um die junge Mutter (Cordula Trantow)
Inhalt: Die Schreie ihres neugeborenen Babys können Silvia (Cordula Trantow) kein Lächeln ins Gesicht zaubern, denn die 17jährige hatte es nicht gewollt. Aus einem ärmlichen Elternhaus stammend, der Vater schon lange abgehauen, hatte sie versucht mit einer guten Ausbildung diesem Teufelskreis zu entkommen. Doch dann wurde sie schwanger und der Kindsvater verließ sie. Jetzt befindet sie sich in einer Abteilung für junge unverheiratete Mütter, die von Dr. Behrmann (Josef Kastrel) geleitet wird, der sich für seine Patientinnen einsetzt. Er möchte Silvia die Freude am eigenen Kind vermitteln, aber sie tut sich schwer. 

Ruth (Corny Collins) findet Freds (Michael Heltau) Cabrio cool
Ganz anders verläuft dagegen das Leben der Gymnasiastin Ruth (Corny Collins), die wohlbehütet aufwächst. Ihre Eltern Oskar (Werner Hinz) und Vera (Magda Schneider) sehen es zwar nicht gern, wie freizügig sich ihre Tochter anzieht und mehr Party als Schule im Kopf hat, aber sie wollen ihr auch Freiheiten lassen. Nachdem Ruth betrunken und ohne Führerschein einen Autounfall mit dem Wagen eines Freundes verursacht hatte, ändert sich ihre Strategie. Besonders ihr Vater hält es für notwendig, die Zügel anzuspannen, was Ruth aber nur noch tiefer in einen Kreis von Gaunern hineintreibt, die ihr Geld mit Autodiebstählen und Sex-Fotos verdienen… 


Pitt (Rainer Brandt) und Fred haben neue Objekte im Blick:
Regisseur Hermann Leitner, Jahrgang 1927, war Mitte 30 als er nach 1962 begann, nur noch für das Fernsehen zu arbeiten - nicht nur gemessen am Durchschnittsalter von Regisseuren noch ein junger Mann. Trotzdem hatte er zu diesem Zeitpunkt schon mehr als zehn Kinofilm in einer Art Querschnitt des populären Kinos in der BRD der späten 50er Jahre abgedreht: Heimatfilm ("Pulverschnee nach Übersee", 1956), Kriminalkomödie ("Lilli - ein Mädchen aus der Großstadt", 1958) und Musik-/Tourismusfilm ("Glück und Liebe in Monaco", 1959). Sogar ins exotisch, abenteuerliche Fach hatte er sich mit der Fortsetzung von "Liane, das Mädchen aus dem Urwald" (1956) gewagt. "Liane: die weiße Sklavin" (1957) wurde ebenso ein Erfolg an der Kinokasse wie seine anderen, meist kunterbunten Unterhaltungsfilme. 

Gymnasiastinnen - Ruth und ihre Klassenkameradin Eva (Getraud Jesserer)
Umso mehr fallen die drei Film-Dramen aus dem Rahmen, mit denen Hermann Leitner Anfang der 60er Jahre seine Kino-Karriere beendete, sieht man von dem Heimatfilm „Heimweh nach dir, mein grünes Tal“ (1961) einmal ab (bei der Veröffentlichung von „Liane, die Tochter des Dschungels“ im selben Jahr handelte es sich um einen Zusammenschnitt der beiden 50er Jahre Filme). Wartete der erste dieser drei Filme "Wegen Verführung Minderjähriger" (1960) noch mit einem veritablen Kino-Star auf - Hans Söhnker - und integrierte Elemente des damals populären Schlagerfilms, nahm dessen Nachfolger den trockenen Charakter eines Schul-Lehrfilms an. „Verdammt die jungen Sünder nicht“, der in Leitners Heimatland Österreich gleichzeitig unter dem Titel „Morgen fängt das Leben an“ herauskam, erzählt die Geschichte zweier 17jähriger Mädchen aus unterschiedlichen sozialen Schichten, begleitet von den analytischen Betrachtungen eines allgegenwärtig scheinenden Arztes.

Dr. Behrmanns Ratschläge beginnen zu fruchten...
Neben diesem existieren einige weitere Berührungspunkte im Leben der beiden jungen Frauen. Gegen Ende des Films landen sie sogar in derselben Schlafunterkunft im städtischen Fürsorgeheim, ohne sich näher kennenzulernen. Das war auch nicht beabsichtigt, denn ihr jeweiliger Entwicklungsprozess sollte exakt entgegengesetzt verlaufen und sowohl Gefahren wie Chancen vermitteln – ganz gemäß dem deutschen Verleihtitel „Verdammt die jungen Sünder nicht“. Als „Sünderin“ taucht gleich in der ersten Einstellung Silvia Reimers (Cordula Trantow) auf, die gerade ihr Kind zur Welt bringt. Unehelich natürlich, vom Vater keine Spur. Ein Fall für das Jugendamt, das sich der jungen Frau verständnisvoll annimmt. Dr. Behrmann (Josef Kastrel) weiß zwar von Silvias schwieriger Herkunft - ihre arbeitslose Mutter (Gaby Banschenbach) hatte gerade selbst erst ein Kind von ihrem Liebhaber bekommen - aber er gibt die Hoffnung nicht auf, dass aus dem grundanständigen Mädchen noch etwas werden kann.

...und Silvia nimmt sich zunehmend ihres Kindes an
Schon die Besetzung dieser Rolle mit der damals 18jährigen Cordula Trantow gab die Richtung vor, denn sie hatte in "Wegen Verführung Minderjähriger" die brave Teenager-Tochter eines Lehrer-Ehepaars gespielt, die noch ohne die frühreife Attitüde ihrer von Marisa Mell verkörperten Klassenkameradin auftrat. Fast ist man geneigt, zu hinterfragen, wie sie schwanger werden konnte, so bescheiden und sexuell zurückhaltend sie hier erneut spielte. Nicht überraschend beginnt sich Silvia langsam an ihren kleinen Sohn zu gewöhnen, den sie zu Beginn noch zur Adoption freigeben wollte, und macht sich auch auf die Suche nach dem Kindsvater, der sie verlassen hatte. Es ist Hermann Leitner, der diesmal auch am Drehbuch mitwirkte, zugute zu halten, dass er auch die Schwierigkeiten dieses Prozesses einbezog, aber das lässt nicht die Idealisierung eines „gefallenen Mädchens“ übersehen, dass hier als unrealistisches Beispiel für eine gelungene Resozialisierung herhalten musste.

Ihre Tochter bereitet ihnen Sorgen (Werner Hinz und Magda Schneider)
Das verlieh dem Film einen verständnisvollen Habitus, der die gewünschte pädagogische Wirkung unterstützen sollte. Eine übliche Strategie im „Moral-Film“ der späten 50er/frühen 60er Jahre, der der vom Absturz bedrohten Figur immer ein positives Beispiel gegenüberstellte. Als „gefährdet“ gilt hier Ruth Jüttner, gespielt von der inzwischen schon 27jährigen Corny Collins, seit Jahren eine feste Größe im so genannten „Halbstarken-Film“ ("Schmutziger Engel" (1958)). Leitners Intention wird an der Gestaltung des sozialen Umfelds deutlich, in dem die Gymnasiastin Ruth aufwächst. Eine Art Vorzeigefamilie in der BRD, Anfang der 60er Jahre: Vater (Werner Hinz), gut verdienender Angestellter, streng und gerecht, Mutter (Magda Schneider, hier in ihrer letzten Kinorolle zu sehen), Hausfrau, ausgleichend und nachsichtig, gepflegte Wohnung, geordnete Verhältnisse.

Ruth landet auf der Polizeiwache
Und selbstverständlich kümmern sie sich um ihre kecke Tochter und versuchen ihr die Flausen auszutreiben. Als Ruth eifersüchtig, weil sich der von ihr bevorzugte Kerl um eine Andere kümmert, mit dessen VW Käfer losfährt - betrunken und ohne Führerschein - landet sie schnell am nächsten Laternenpfahl. Für die teure Reparatur will Vater Oskar sie in die Pflicht nehmen, damit sie die Folgen ihres Fehlverhaltens spürt. Eine nachvollziehbare pädagogische Maßnahme, die bei Ruth aber nicht fruchtet. Anstatt ihren Stubenarrest abzusitzen, haut sie heimlich ab, um in einer stadtbekannten Bar selbst Geld für die Reparatur zu verdienen. Ganz harmlos natürlich, wie ihr Fred (Michael Heltau) versichert. Ein Typ mit Sportwagen, der bei Ruth sehr gut ankommt, und gemeinsam mit seinem Freund Pitt (Rainer Brandt) in Leitners Film als Sündenbock herhalten muss. Für Heltau ("Schloss Hubertus", 1954) ein eher untypisches Rollenfach, aber Rainer Brandt war früh auf den verschlagenen Mädchenverführer festgelegt. Hier betätigte er sich mit Autoschiebereien und als Fotograf von Nackt-Aufnahmen. Einen Job, den er in seiner Rolle in "Straßenbekanntschaften auf St.Pauli" (1968) wiederholte.

Vater Oskar Jüttner erweist sich als beratungsresistent und setzt auf Härte
Die Botschaft dahinter war klar. Da konnte das Elternhaus noch so seriös sein – gegen die Versuchungen von Sex und Materialismus half bei schweren Fällen wie Ruth nur professionelle Hilfe. Doch anstatt auf die pädagogischen Ratschläge des Doktors einzugehen, der der unverheirateten Mutter Silvia den Weg in Richtung eines geordneten Lebens weisen konnte, setzt Vater Oskar nur auf mehr Strenge und bringt seine Tochter damit auf direkten Weg ins staatliche Fürsorgeheim, aus dem sie bei erster Gelegenheit wieder ausbricht. Der tiefe Fall der Ruth wurde in „Verdammt die jungen Sünder nicht“ genauso zugespitzt wie die Resozialisierung Silvias. Ein Hinterfragen ihrer Situation, basierend auf ihrer bürgerlichen Erziehung, findet bei Ruth nicht einmal ansatzweise statt. Selbst als ihre Klassenkameradin Eva (Gertraud Jesserer) davor zurückscheut, mit ihr zu Pitt und Fred in ein Haus zu gehen, wo diese angeblich Modefotos von ihnen machen wollen, weckt das kein Misstrauen bei ihr.

Ruth lässt sich von Pitt und Fred zu gewagten Aufnahmen überreden
Aus heutiger Sicht stellt sich die Frage, wieso ein junger Regisseur wie Hermann Leitner, nur wenig älter als die handelnden Personen in seinem Film, einen solch konservativen Standpunkt einnehmen konnte? – Ein täuschender Eindruck, denn Leitner nahm den Titel seines Films ernst. Zwar stellte er die vorherrschenden pädagogischen Ansichten nicht in Frage und gab – wie im „Moral-Film“ üblich – der sich verändernden Sozialisation nach dem Krieg die Schuld an der Verführung der Jugend, aber er ließ seine Protagonistinnen nicht fallen. Ein Mann wie Dr. Behrmann, so professoral und altbacken sich sein Verständnis für die Situation der Mädchen heute anhören mag, dachte für die damalige Zeit tolerant. Leitners im Stil einer technischen Versuchsanordnung angelegtes Drehbuch war entsprechend notwendig. Nur mit einer klaren Ausrichtung – hier das gefallene, aber grundanständige Mädchen, dort die in Versuchung geratene junge Frau aus gutem Elternhaus – ließ sich Verständnis beim Publikum aufbauen.

Bei Gerda (Chris van Loosen) ist das nicht mehr notwendig
Ob der Film die angestrebte Wirkung erzielte, ist fraglich, denn Leitner, der mit "Liane: die weiße Sklavin" (1957) schon früh ein einschlägiges Werk mit erotischem Subtext abgeliefert hatte, nutzte den angeprangerten gesellschaftlichen Verfall gleichzeitig als Attraktion. Ein im moralisch konnotierten Problemfilm dieser Phase gewohntes Bild, das den Weg in Richtung Sex-Film in der BRD bereitete, der in seinen Anfängen noch vielfach den pädagogischen Zeigefinger einsetzte ("Sünde mit Rabatt", 1968). Allein die Gewichtung in Richtung optischer Freizügigkeit änderte sich. Doch auch in „Verdammt die jungen Sünder nicht“ besitzen die Szenen um Fred und Pitt schon den höchsten Unterhaltungswert. Zuerst gehört noch Walter (Walter Wilz) dazu, der ihnen die geklauten Autos neu lackiert, aber bei ihm handelt es sich um Silvias Ex-Freund und Vater ihres Kindes, wie sich später herausstellt, weshalb ihm die Läuterung zugestanden wird. Gerda (Chris van Loosen), blonder Mittelpunkt der erotischen Aufnahmen und sexuell aktiv, wurde dieser Prozess dagegen nicht mehr zugetraut, obwohl sie sich eine ernsthafte Beziehung mit Walter wünscht. Soweit ging das Verständnis nun doch nicht. 

"Verdammt die jungen Sünder nicht" Österreich 1961, Regie: Hermann Leitner, Drehbuch: Hermann Leitner, August Rieger, Wolfgang Schnitzler, Darsteller : Corny Collins, Cordula Trantow, Werner Hinz, Magda Schneider, Josef Krastel, Chris van Loosen, Rainer Brandt, Michael Heltau, Gertraud Jesserer, Walter WilzLaufzeit : 81 Minuten 

weitere im Blog besprochene Filme von Hermann Leitner:

 "Wegen Verführung Minderjähriger" (1961)

Sonntag, 20. November 2016

Das blaue Meer und Du (1959) Thomas Engel


Direktor Heidebrink (Hans Nielsen) lässt sich von Helga (Karin Dor) überreden...
Inhalt: Eigentlich wollte Dr. Fred Bürkner (Fred Bertelsmann) seinem Chef Heidebrink (Hans Nielsen) nur seine neueste Erfindung, eine Selbstbewusstseins-Pille, vorstellen, aber dieser hat andere Pläne mit ihm vor. Seine Tochter Helga (Karin Dor) und deren französische Freundin Suzy (Renate Ewert) hatten ihm gerade offeriert, nur per Anhalter an die jugoslawische Küste reisen zu wollen, wo sie einen Archäologie-Professor besuchen wollen. Für den sorgenden Vater Heidebrink eine Horror-Vorstellung, weshalb er den braven Fred zum Aufpasser der Mädchen ernennt. Dieser scheint ihm besonders geeignet, da er nicht zu bemerken scheint, dass ihm alle Frauen-Herzen in der Firma zufliegen.

...und Fred (Fred Bertelmann) soll es wieder richten
Der Plan scheint einfach. Fred fährt zu einem verabredeten Ort, wo Heidebrink seine Tochter und deren Freundin an der Straße aussteigen lässt, und nimmt sie mit. Zufällig hat er dasselbe Ziel. Doch ein anderer Fahrer kommt ihm zuvor, der nur zu gerne die hübschen jungen Frauen mitnimmt und Fred muss sehen, dass er ihnen auf den Fersen bleibt.






"Das blaue Meer" - Sehnsuchtsbegriff des Tourismusfilms

"Das blaue Meer" symbolisierte in den 50er Jahren das Fernweh der Deutschen nach südlichen Gestaden. Mit der zunehmenden Stabilisierung des Arbeitsmarkts in den 50er Jahren und einem damit einhergehenden bescheidenen Wohlstand wuchs auch der Wunsch zu verreisen. Zuerst beschränkte man sich auf den Urlaub im eigenen Land - eine Entwicklung, auf die der "Heimatfilm" ab Mitte der 50er Jahre vermehrt mit der Betonung von Sehenswürdigkeiten und folkloristischen Elementen reagierte ("Die Fischerin vom Bodensee" (1956)) - aber schon wenige Jahre später strebten die Deutschen auch nach weiter entfernten Zielen. Über die Alpen nach Italien oder Jugoslawien, an das Mittelmeer.

Thomas Engels Film "Das blaue Meer und Du" war nach "Der lachende Vagabund" (1958) sein zweiter Film mit dem in den 50er Jahren erfolgreichen Sänger und Schauspieler Fred Bertelmann. Beide Filme, in denen Bertelmann als polyglotter Deutscher der Reiselust quasi voranschritt, wurden zu "Tourismusfilmen" in Reinkultur. Als Genre tritt der "Tourismusfilm" heute kaum in Erscheinung, da er sich vom Schlagerfilm nur wenig abgrenzte und sich stark an einem Zeitgeist orientierte, der sich vehement wandelte. Am Beispiel der fünf Filme, die zwischen 1957 und 1966 das "blaue Meer" (einmal die "blaue Adria") in ihrem Titel führten, zeichnet der Blog diese Entwicklung nach:

                 - "Unter Palmen am blauen Meer" (1957)
                 - "Das blaue Meer und du" (1959)
                 - "Mein Schatz komm mit ans blaue Meer" (1959)
                 - "Auf Wiedersehen am blauen Meer" (1962)
                 - "Komm mit zur blauen Adria" (1966) 

"Denk ich an Capri, dann denk ich auch an Tina, sie liebte einen Lord,
aber als sie mich sah, die schöne Signorina, lief sie ihm gleich fort, lief sie ihm gleich fort."

Fred Bertelmann als deutscher Tourist in "Der lachende Vagabund" (1958)
sang Fred Bertelmann in seinem Nummer 1-Hit von 1957 "Der lachende Vagabund“, auf dessen Basis auch der gleichnamige Film unter der Regie von Thomas Engel 1958 herauskam. Die Inszenierung dieses Lieds gleich in der ersten Szene des Films, sagt viel aus über das Männerbild der späten 50er Jahre. Mit einem großen Fotoapparat um den Hals, die Füße in Socken und Sandalen, schmetterte der Frauenschwarm das Lied vor der malerischen Kulisse eines Ortes an der jugoslawischen Adria-Küste. Ein Bild von einem deutschen Touristen, das der Betrachter vor Augen haben sollte, um die Charakterisierung des Hauptdarstellers in "Das blaue Meer und du" nachvollziehen zu können, der ein Jahr später unter der Leitung des nahezu identischen Kreativ-Teams entstand.

Bei den Anfangs-Credits noch mit einer anderen Blondine an der Seite...
Neben Regisseur Engel waren die Drehbuchautoren Fritz Böttger und Per Schwenzen, Kameramann Hans Hölscher und Produzent Willi Seyn erneut mit an Bord, diesmal unterstützt von Arthur Brauner. Zudem gab Hans Nielsen wieder einen Generaldirektor und Ursula Herking seine weibliche Begleitung. Doch anders als im "lachenden Vagabund" spielte Fred Bertelmann hier zu Beginn keinen Frauenhelden, sondern einen schüchternen Wissenschaftler, der mit einer Pille experimentiert, die Selbstbewusstsein verleihen soll. Nötig hätte er sie nicht, denn alle Frauen in der Fabrik von Generaldirektor Heidebrink (Hans Nielsen) sind Fred verfallen, der ihre schmachtenden Blicke und eindeutigen Angebote aber nicht wahrnimmt. Warum der Mann so gut bei den Frauen ankam? - Siehe oben.

...gilt Freds Aufmerksamkeit bald nur noch Helga
Doch selbst mit diesen Vorkenntnissen fällt der Zugang zu „Das blaue Meer und du“ nicht leicht, denn der Film wurde ganz auf einen Star zugeschnitten, dessen Film- und Sänger-Karriere Anfang der 60er Jahre schon beendet war und der auch im aufkommenden TV-Zeitalter kaum noch eine Rolle spielte. Im Gegensatz zur damals 21jährigen, ausnahmsweise einmal erblondeten Karin Dor, die in den 60er Jahren zum Kino-Star aufstieg, hier dem männlichen Helden aber noch als williges Love-Interest diente. An ihrer Seite stand mit der früh verstorbenen Renate Ewert eine weitere Schönheit, die sich für Chris Howland erwärmen sollte, der als einziger Solist neben dem Star gesanglich in Erscheinung treten durfte. Lieber gab Bertelmann allein den Titelsong viermal zum Besten.

 Helga landet mit Freundin Suzy (Renate Ewert) zuerst im falschen Auto
Diese Konzentration auf einen Star war im Schlagerfilm der späten 50er Jahre keineswegs unüblich, weshalb sich der Vergleich zu Peter Alexander aufdrängt und damit die Frage, warum dessen Popularität über Jahrzehnte andauerte und seine Filme heute noch beliebt sind? – Die Antwort darauf ist einfach. Alexander nahm sich selbst nicht allzu ernst. Im Gegensatz zu Bertelmann, dessen Versuch in „Das blaue Meer und du“ zu Beginn einen weltfremden Wissenschaftler zu mimen, krachend scheiterte. Daran änderte auch die Selbstbewusstseins-Pille nichts, die dem Ganzen einen ironischen Beigeschmack verleihen sollte. Ob mit oder ohne Pille – Dr. Fred Bürkner (Fred Bertelmann) blieb immer Herr der Lage.

Doch bald gibt es Anhalter-Romantik pur
Offensichtlich diente diese Vorgeschichte nur dazu, zu begründen, warum Direktor Heidebrink ausgerechnet ihn damit beauftragt, auf Tochter Helga (Karin Dor) aufzupassen, die sich partout nicht davon abbringen ließ, mit ihrer französischen Freundin Suzy (Renate Ewert mit falschem französischen Akzent) von Berlin per Anhalter an die jugoslawische Adria-Küste zu fahren. Schließlich schien der brave Mann gegenüber Frauen resistent zu sein. Da stellt sich nur die Frage, warum er in einem schicken, immer offenen Cabriolet statt mit einer braven Familienkutsche unterwegs ist? – So viel Coolness musste bei Bertelmann offensichtlich sein. Mit den Schüchternheitsanfällen, die Peter Alexander sehr überzeugend spielen konnte, hatte das nichts zu tun. Auch nicht als die beiden jungen Damen nach einigen Verwirrungen endlich neben ihm auf der Vorderbank Platz genommen hatten. Klar, dass sich Helga sofort in Fred verliebt.

Die ersten touristischen Ziele tauchen auf....
Das im Tourismus-Film beliebte Motiv, per Anhalter zu reisen, hatte in „Das blaue Meer und du“ seinen ursprünglichen Zweck verloren. Keine knappen Finanzen führten mehr zu der Wahl dieses Mittels wie in "Unter Palmen am blauen Meer" (1957), sondern allein die Abenteuerlust zweier junger Damen aus reichem Hause. Der moralische Zeigefinger ließ nicht lange auf sich warten. Erst geraten Helga und Suzy an einen geifernden Handlungsreisenden, dann an einen LKW-Fahrer, der ihnen die Leviten liest. Die pädagogische Wirkung verpuffte bei den beiden höheren Töchtern, da Fred in die Rolle des anständigen Autofahrers schlüpfte und ordentlich Anhalter-Romantik verbreitete, aber bei den Zuschauern, die den Trick kannten, sollte sie ankommen.

...und mit Christopher (Chris Howland) ein Mann für Suzy
Dank der ausführlichen Wegschilderung werden erst nach einer guten halben Stunde touristische Ziele sichtbar, dann aber gleich mit einem Aha-Effekt: die berühmte Brücke von Mostar, von wo aus die beiden jungen Frauen weiter an der Adria-Küste entlang zu Professor Petrovic fahren wollen, dem eigentlichen Ziel ihrer Reise. Gut, dass Fred zufällig denselben Weg hat. Weniger überzeugend ist die Drehbuch-Wendung, dass besagter Professor gerade zu einem Termin nach Dubrovnik fahren muss, obwohl er seine Gäste erwartet. Diese Gelegenheit nutzt sein Nachbar Christopher Greenwood (Chris Howland), um sich stattdessen als Archäologie-Gelehrter auszugeben, denn er hatte ein Bild von Suzy gesehen und hofft so, sie näher kennenzulernen. Dass beide Männer gegenüber den Frauen noch in Erklärungsnot geraten werden, ist da schon abzusehen, aber ein wenig Drama sollte noch in die Ferienidylle einziehen.

Der Urlaub kann beginnen
Anders als in "Unter Palmen am blauen Meer", der vor dem Hintergrund eines kleinen idyllischen Orts am Mittelmeer in Italien spielte, durfte Jugoslawien in „Das blaue Meer und du“ seine touristische Vielfalt ausspielen. Neben Sehenswürdigkeiten und Meeresblick sollten Bootsfahrten, Strandleben, Folklore-Veranstaltungen, Restaurants und Tanzabende bei Live-Musik (zur wenig jugoslawischen Musik der Nilsen-Brothers) Urlaubs-Feeling vermitteln. Eine Kulisse, vor der sich die zwei Paare schnell näher kommen. Auch Direktor Heidebrink und seine in ihn verliebte Chef-Sekretärin (Ursula Herking) fliegen aus Sorge noch hinterher – sie hatten von Fred ein paar Tage nichts gehört – um vor Ort dann ebenfalls in den Urlaubs-Modus zu verfallen.

Besuch in Dubrovnik inclusive
„Das blaue Meer und du“ wurde ein Tourismusfilm par excellence. Alltägliche Dinge oder reale Anlässe verschwanden zunehmend aus dem Fokus. Weder die zu Beginn eingeführte „Selbstbewusstseins-Pille“ (Fred schmeißt sie irgendwann weg, gebraucht hatte er sie sowieso nicht), noch der eigentliche Anlass für den Aufenthalt in Jugoslawien – der Besuch des Archäologie-Professors zwecks Weiterbildung – waren noch von Bedeutung. Selbst die Bedenken des Vaters hinsichtlich der Gefahren, die auf junge Mädchen auf einer solchen Reise lauern, hatten sich in Luft auf gelöst. Dabei passierte genau das, wovor er sich gefürchtet hatte: ein paar Kerle machten sich an seine Tochter und deren Freundin heran. Doch schließlich handelte es sich bei diesen um die männlichen Stars des Films - der „reale“ Hintergrund ihrer Rollen war da schon vergessen. Chris Howland wurde gar nicht erst einer angedichtet.

Das galt auch für die sonst im deutschen Unterhaltungsfilm gewohnten Happy-End-Zutaten. Mindestens eine angekündigte Hochzeit war zu erwarten, um die verliebten Blicke und sanften Küsse zu legitimieren. Darauf verzichtete „Das blaue Meer und du“ konsequent und endete wie er bei den Credits begonnen hatte – Fred Bertelmann singend vor traumhafter Kulisse mit einer Blondine an seiner Seite. Weitere Abwechslung in Zukunft nicht ausgeschlossen. 


 

"Das blaue Meer und Du" Deutschland 1959, Regie: Thomas EngelDrehbuch: Fritz Böttger, Per Schwenzen, Fred IgnorDarsteller : Fred Bertelmann, Karin Dor, Renate Ewert, Hans Nielsen, Ursula Herking, Chris HowlandLaufzeit : 88 Minuten

Montag, 14. November 2016

Unter Palmen am blauen Meer (1957) Hans Deppe


Die Band (mit Bibi Johns und Harald Juhnke) erfährt von ihrem Engagement in Italien
Inhalt: Freddy (Harald Juhnke), Sängerin Kitty (Bibi Johns) und ihre drei Mitmusiker freuen sich über ein Engagement in Italien, das neben einem Einkommen auch Ferien am Mittelmeer verspricht. Nur stellt sich die Frage, wie sie dort mit ihren beschränkten Finanzen hinkommen sollen, die nur für drei Bus-Fahrkarten reichen. Sie beschließen, dass zwei von ihnen per Anhalter von München über die Alpen reisen sollen. Wer, soll per Los entschieden werden. Nur Kitty steht dafür nicht zur Verfügung, wie ihr Freund Freddy findet. Das wäre zu gefährlich. Doch sie denkt gar nicht daran und begleitet den Bassisten, der das Auswahlverfahren verloren hatte. Mit dem Ergebnis, dass sie sofort mitgenommen wird und er auf der staubigen Straße mit seinem Instrument zurückbleibt.

Die Contessa (Lil Dagover) und ihre Nichte Marina (Giulia Rubini)
Parallel befindet sich auch der Orchesterchef und Violinist Helmut Zacharias auf dem Weg zu dem idyllisch am Mittelmeer gelegenen Ort. Er will sich von seiner anstrengenden Tournee erholen und hat sich in der Villa der Contessa (Lil Dagover) eingemietet. Allerdings kann er nicht alle Räume wie geplant nutzen, da überraschend auch deren 19jährige Nichte Marina (Giulia Rubini) eingetroffen war. Das stört Zacharias ebenso wenig wie das Musikverbot, dass in der Villa herrscht und auf das die stets in Schwarz gekleidete Contessa, unterstützt von ihrem Diener Cesare (Charles Regnier), streng achtet. Doch die kommenden Ereignisse werden dieses Diktat auf eine harte Probe stellen… 


"Das blaue Meer" - Sehnsuchtsbegriff des Tourismusfilms

"Das blaue Meer" symbolisierte in den 50er Jahren das Fernweh der Deutschen nach südlichen Gestaden. Mit der zunehmenden Stabilisierung des Arbeitsmarkts in den 50er Jahren und einem damit einhergehenden bescheidenen Wohlstand wuchs auch der Wunsch zu verreisen. Zuerst beschränkte man sich auf den Urlaub im eigenen Land - eine Entwicklung, auf die der "Heimatfilm" ab Mitte der 50er Jahre vermehrt mit der Betonung von Sehenswürdigkeiten und folkloristischen Elementen reagierte ("Die Fischerin vom Bodensee" (1956)) - aber schon wenige Jahre später strebten die Deutschen auch nach weiter entfernten Zielen. Über die Alpen nach Italien oder Jugoslawien, an das Mittelmeer.

Hans Deppes Film "Unter Palmen am blauen Meer" griff als einer der ersten Filme diesen Trend auf und variierte die bekannten Muster des Schlager- und Heimatfilms in Richtung einer neuen Gattung, dem "Tourismusfilm". Schauspieler, Musik und Handlungselemente blieben vertraut, fanden aber vor der malerischen Kulisse des Mittelmeers statt, angereichert mit südländischer Folklore. Als Genre tritt der "Tourismusfilm" heute kaum in Erscheinung, da er sich vom Schlagerfilm nur wenig abgrenzte und sich stark an einem Zeitgeist orientierte, der sich vehement wandelte. Am Beispiel der fünf Filme, die zwischen 1957 und 1966 das "blaue Meer" (einmal die "blaue Adria") in ihrem Titel führten, zeichnet der Blog diese Entwicklung nach:

                 - "Unter Palmen am blauen Meer" (1957)
                 - "Das blaue Meer und Du" (1959)
                 - "Mein Schatz komm mit ans blaue Meer" (1959)
                 - "Auf Wiedersehen am blauen Meer" (1962)
                 - "Komm mit zur blauen Adria" (1966)


Perspektiv-Wechsel ans "blaue Meer"
Regisseur Hans Deppes Einfluss auf den Heimatfilm ist allgemein bekannt. 1934 verantwortete er die Verfilmung des Ludwig-Ganghofer-Romans "Schloss Hubertus", Anfang der 50er Jahre wurden seine Filme "Schwarzwaldmädel" (1950) und "Grün ist die Heide" (1951) zu Initialzündungen für ein Wiederaufleben des Genres nach dem Krieg ("Die erste Boom Phase - der Heimatfilm der Jahre 1951 bis 1954"). Weniger bekannt ist seine Rolle im Zusammenhang mit dem "Tourismusfilm", eine Begrifflichkeit, die auf Grund der Nähe zum Schlager- und Heimatfilm selten Anwendung findet. Tatsächlich tauchte in Deppes Film nicht nur erstmals der Sehnsuchtsbegriff "blaues Meer" in einem Filmtitel (und dem dazu gehörigen Titelsong) auf, "Unter Palmen am blauen Meer" wurde zum Prototyp einer Gattung, die die aufkommende Reisefreudigkeit der Deutschen in den späten 50er Jahren aufgriff. 

Kleine Verschnaufpause der Busfahrer...

Besonderheiten des Tourismusfilms

Man nehme den Schlagerfilm, versetze die wahlweise komödiantische/dramatische Handlung an südliche Gestade und mixe das Ganze noch mit ein paar folkloristischen Eigenarten des Gastgeberlandes. Eine Rezeptur, die Hans Deppe schon in „Der Fremdenführer von Lissabon“ (1956) erfolgreich anwendete, in dem Vico Torriani vor der prachtvollen portugiesischen Kulisse zwischen zwei Frauen gerät. Gleich in der ersten Szene des Films wird er berufsbedingt mit einer internationalen Reisegruppe konfrontiert. Damit sprach „Der Fremdenführer von Lissabon“ oder der im gleichen Jahr herausgekommene „Santa Lucia“, ebenfalls mit Vico Torriani in der Hauptrolle, zwar das aufkommende Fernweh im prosperierenden Wirtschaftswunder-Deutschland an, stellte aber keine Verbindung her zur Realität des durchschnittlichen Kino-Besuchers.

...während Kitty (Bibi Johns) per Anhalter reist
Das änderte sich in „Unter Palmen am blauen Meer“, in dessen Mittelpunkt eine Gruppe junger Musiker steht, die ein Engagement in einem beschaulichen Ort an der italienischen Küste erhält und zuerst die schwierige Aufgabe bewältigen muss, von München aus ans Mittelmeer zu gelangen. Ein Motiv, das stilbildend für den „Tourismusfilm“ wurde, dessen Ausgangspunkt in Deutschland lag. Der Weg wurde so zum ersten Ziel und führte direkt zu einem zweiten prägenden Motiv, bedingt durch die fehlenden finanziellen Mittel: das Reisen per Anhalter. Während der Pianist Freddy (Harald Juhnke) und zwei seiner Mitmusiker mit dem Bus reisen können – nur für drei Fahrkarten reicht ihr Geld - ist ihr Bassist gezwungen mit Instrument per Anhalter über die Alpen zu gelangen. Kein leichtes Unterfangen für ihn im Vergleich zu Sängerin Kitty (Bibi Johns), die schnell einen Kavalier findet, der die hübsche Blondine mitnimmt. Gegen den Willen von Freddy, der seine Freundin dadurch Gefahren ausgesetzt sieht. Die wiederholte Verwendung dieses Motivs im Tourismusfilm und die Gegenüberstellung von Reiz und Risiko spiegelte offensichtlich eine damals in Deutschland geführte Kontroverse wider.

Teddy Reno legt sich schwer ins Zeug...
Eine Antwort darauf, warum eine deutsche Combo engagiert wurde, um abendlich in einer Bar in Portofino zum Tanz aufzuspielen, blieb der Film dagegen schuldig. Es genügte, dass die schwedische Sängerin Bibi Johns und drei Berufsmusiker, verstärkt durch Harald Juhnke, schmissige Schlager aufs Parkett legen konnten, darunter den Titelsong. Dieser im deutschen Schlager/Tourismusfilm keineswegs unübliche Stilbruch fiel in „Unter Palmen am blauen Meer“ deshalb ins Gewicht, weil sich Hans Deppe ernsthaft um Authentizität des italienischen Flairs bemühte, ohne in Folklore zu verfallen. Der Film entstand als deutsch-italienische Co-Produktion und konnte neben dem Orchester-Chef und Violinisten Helmut Zacharias noch mit dem italienischen Sänger Teddy Reno aufwarten, der zarte „Amore“-Weisen von sich gab, und im Mittelpunkt der Love-Story steht. Seine Partnerin war die italienische Schauspielerin Giulia Rubini, während Juhnke und Bibi Johns in einer Art On/Off-Beziehung herumalberten.

...und kann auch die Contessa überzeugen
Die Gegenüberstellung zweier Sprachen erzeugte die schönsten Stilblüten. Ständig wechselte es zwischen italienisch und deutsch, immer darauf bedacht den Verständigungsgrad für den deutschen Betrachter hochzuhalten. Das hatte zur Folge, dass Teddy Reno mal deutsch mit Akzent sprach, dann wieder ins Italienische fiel, während seine italienische Partnerin konsequent deutsch synchronisiert wurde. Nebenfiguren parlierten dagegen ausschließlich in der Landessprache – nicht selten alles innerhalb einer Szene. Es existiert auch eine italienische Sprachfassung (Filmtitel „Vacanze a Portofino“), die aber aus dem italienischen Filmgedächtnis verschwunden ist. Vielleicht weil die wichtigen Rollen der Contessa Celestina Morini und ihres langjährigen Dieners Cesare - allerdings hochkarätig - mit den deutschsprachigen Darstellern Lil Dagover und Charles Regnier besetzt wurden. Wahrscheinlicher ist, dass die deutschen Schlager ein Übergewicht hatten und der touristische Reiz für den italienischen Zuschauer geringer ausfiel.

Bei Kitty und Freddy (Harald Juhnke) läufts dagegen lässig
Zudem ist der Story die Hoheit des deutschen Drehbuchautors Kurt E.Walter, der gemeinsam mit Deppe zuvor den Heimatfilm „Heideschulmeister Uwe Karsten“ (1954) schuf, immer anzumerken. Dass auf dem Anwesen der Contessa (Lil Dagover) keine Musik gespielt werden darf, weil sie vor zwanzig Jahren von einem Sänger in der Liebe enttäuscht wurde und seitdem ein Leben in Einsamkeit führt, wirkt übertrieben dramatisiert. Ließe sich aber als Basis einer entspannten Geschichte um Weib und Gesang verkraften, wie sie besonders von Bibi Johns, Juhnke und Regnier mit offensichtlichem Vergnügen ausgespielt wurde. Leider durfte Teddy Reno, ganz dem Klischee des italienischen Schmuse-Sängers entsprechend, nicht in diesen Chor einstimmen. Er sollte mit Inbrunst um die süße Marina (Giulia Rubini) werben. Da deren Tante erwartungsgemäß etwas dagegen hatte, war der Konflikt vorprogrammiert. Doch der gute Teddy konnte natürlich beweisen, dass der Sängerberuf in den 50er Jahren so seriös wie ein 8-Stunden-Büro-Job geworden war. Dass er der Contessa nicht noch seinen Steuerbescheid und seine Kontoauszüge vorlegte, als er um die Hand ihrer Nichte anhielt, überrascht da schon - der „Latin Lover“ wird zum Lieblings-Schwiegersohn.

Individuelles Ferienidyll Portofino, Anno 1957
Diese Betonung von Anstand und Sitte erzeugt inzwischen einen altmodischen Eindruck, lässt aber übersehen, wie modern „Unter Palmen am blauen Meer“ 1957 war, geradezu gewagt in seinem Subtext. Die Truppe um das unverheiratete Paar Freddy und Kitty pflegte nicht nur einen Musik-Stil mit Jazz-Anleihen, ihr lässiges, individuelles Auftreten war noch weit weg vom organisierten Massen-Tourismus, der hier auch im Hintergrund noch keine Rolle spielte. Trotz diverser Konzessionen an den deutschen Kino-Markt blieb so viel Italo-Feeling übrig, um bis heute Fernweh transportieren zu können. 

"Unter Palmen am blauen Meer" Deutschland, Italien 1957, Regie: Hans Deppe, Drehbuch: Kurt E. WaltherDarsteller : Bibi Johns, Harald Juhnke, Giulia Rubini, Teddy Reno, Lil Dagover, Charles Regnier, Helmut ZachariasLaufzeit : 91 Minuten

weitere im Blog besprochene Filme von Hans Deppe:

"Schloss Hubertus" (1934) 
"Grün ist die Heide" (1951)