Die Band (mit Bibi Johns und Harald Juhnke) erfährt von ihrem Engagement in Italien |
Die Contessa (Lil Dagover) und ihre Nichte Marina (Giulia Rubini) |
Parallel befindet sich auch der Orchesterchef und Violinist
Helmut Zacharias auf dem Weg zu dem idyllisch am Mittelmeer gelegenen Ort. Er
will sich von seiner anstrengenden Tournee erholen und hat sich in der Villa
der Contessa (Lil Dagover) eingemietet. Allerdings kann er nicht alle Räume wie
geplant nutzen, da überraschend auch deren 19jährige Nichte Marina (Giulia
Rubini) eingetroffen war. Das stört Zacharias ebenso wenig wie das Musikverbot,
dass in der Villa herrscht und auf das die stets in Schwarz gekleidete
Contessa, unterstützt von ihrem Diener Cesare (Charles Regnier), streng achtet.
Doch die kommenden Ereignisse werden dieses Diktat auf eine harte Probe
stellen…
"Das blaue Meer" - Sehnsuchtsbegriff des Tourismusfilms
"Das blaue Meer" - Sehnsuchtsbegriff des Tourismusfilms
"Das blaue Meer" symbolisierte in den 50er Jahren das Fernweh der Deutschen nach südlichen Gestaden. Mit der zunehmenden Stabilisierung des Arbeitsmarkts in den 50er Jahren und einem damit einhergehenden bescheidenen Wohlstand wuchs auch der Wunsch zu verreisen. Zuerst beschränkte man sich auf den Urlaub im eigenen Land - eine Entwicklung, auf die der "Heimatfilm" ab Mitte der 50er Jahre vermehrt mit der Betonung von Sehenswürdigkeiten und folkloristischen Elementen reagierte ("Die Fischerin vom Bodensee" (1956)) - aber schon wenige Jahre später strebten die Deutschen auch nach weiter entfernten Zielen. Über die Alpen nach Italien oder Jugoslawien, an das Mittelmeer.
Hans Deppes Film "Unter Palmen am blauen Meer" griff als einer der ersten Filme diesen Trend auf und variierte die bekannten Muster des Schlager- und Heimatfilms in Richtung einer neuen Gattung, dem "Tourismusfilm". Schauspieler, Musik und Handlungselemente blieben vertraut, fanden aber vor der malerischen Kulisse des Mittelmeers statt, angereichert mit südländischer Folklore. Als Genre tritt der "Tourismusfilm" heute kaum in Erscheinung, da er sich vom Schlagerfilm nur wenig abgrenzte und sich stark an einem Zeitgeist orientierte, der sich vehement wandelte. Am Beispiel der fünf Filme, die zwischen 1957 und 1966 das "blaue Meer" (einmal die "blaue Adria") in ihrem Titel führten, zeichnet der Blog diese Entwicklung nach:
- "Unter Palmen am blauen Meer" (1957)
- "Das blaue Meer und Du" (1959)
- "Mein Schatz komm mit ans blaue Meer" (1959)
- "Auf Wiedersehen am blauen Meer" (1962)
- "Komm mit zur blauen Adria" (1966)
Perspektiv-Wechsel ans "blaue Meer" |
Regisseur Hans Deppes Einfluss auf den Heimatfilm ist
allgemein bekannt. 1934 verantwortete er die Verfilmung des
Ludwig-Ganghofer-Romans "Schloss Hubertus", Anfang der 50er Jahre
wurden seine Filme "Schwarzwaldmädel" (1950) und "Grün ist die Heide" (1951) zu Initialzündungen für ein Wiederaufleben des Genres nach
dem Krieg ("Die erste Boom Phase - der Heimatfilm der Jahre 1951 bis 1954"). Weniger bekannt ist seine Rolle im Zusammenhang mit dem
"Tourismusfilm", eine Begrifflichkeit, die auf Grund der Nähe zum
Schlager- und Heimatfilm selten Anwendung findet. Tatsächlich tauchte in Deppes
Film nicht nur erstmals der Sehnsuchtsbegriff "blaues Meer" in einem
Filmtitel (und dem dazu gehörigen Titelsong) auf, "Unter Palmen am blauen
Meer" wurde zum Prototyp einer Gattung, die die aufkommende
Reisefreudigkeit der Deutschen in den späten 50er Jahren aufgriff.
Besonderheiten des Tourismusfilms
Kleine Verschnaufpause der Busfahrer... |
Besonderheiten des Tourismusfilms
Man nehme den Schlagerfilm, versetze die wahlweise
komödiantische/dramatische Handlung an südliche Gestade und mixe das Ganze noch
mit ein paar folkloristischen Eigenarten des Gastgeberlandes. Eine Rezeptur,
die Hans Deppe schon in „Der Fremdenführer von Lissabon“ (1956) erfolgreich anwendete,
in dem Vico Torriani vor der prachtvollen portugiesischen Kulisse zwischen zwei
Frauen gerät. Gleich in der ersten Szene des Films wird er berufsbedingt mit
einer internationalen Reisegruppe konfrontiert. Damit sprach „Der Fremdenführer
von Lissabon“ oder der im gleichen Jahr herausgekommene „Santa Lucia“,
ebenfalls mit Vico Torriani in der Hauptrolle, zwar das aufkommende Fernweh im
prosperierenden Wirtschaftswunder-Deutschland an, stellte aber keine Verbindung
her zur Realität des durchschnittlichen Kino-Besuchers.
...während Kitty (Bibi Johns) per Anhalter reist |
Das änderte sich in „Unter Palmen am blauen Meer“, in dessen
Mittelpunkt eine Gruppe junger Musiker steht, die ein Engagement in einem beschaulichen
Ort an der italienischen Küste erhält und zuerst die schwierige Aufgabe bewältigen
muss, von München aus ans Mittelmeer zu gelangen. Ein Motiv, das stilbildend
für den „Tourismusfilm“ wurde, dessen Ausgangspunkt in Deutschland lag. Der Weg
wurde so zum ersten Ziel und führte direkt zu einem zweiten prägenden Motiv, bedingt
durch die fehlenden finanziellen Mittel: das Reisen per Anhalter. Während der
Pianist Freddy (Harald Juhnke) und zwei seiner Mitmusiker mit dem Bus reisen
können – nur für drei Fahrkarten reicht ihr Geld - ist ihr Bassist gezwungen
mit Instrument per Anhalter über die Alpen zu gelangen. Kein leichtes
Unterfangen für ihn im Vergleich zu Sängerin Kitty (Bibi Johns), die schnell
einen Kavalier findet, der die hübsche Blondine mitnimmt. Gegen den Willen von
Freddy, der seine Freundin dadurch Gefahren ausgesetzt sieht. Die wiederholte
Verwendung dieses Motivs im Tourismusfilm und die Gegenüberstellung von Reiz
und Risiko spiegelte offensichtlich eine damals in Deutschland geführte
Kontroverse wider.
Teddy Reno legt sich schwer ins Zeug... |
Eine Antwort darauf, warum eine deutsche Combo engagiert
wurde, um abendlich in einer Bar in Portofino zum Tanz aufzuspielen, blieb der
Film dagegen schuldig. Es genügte, dass die schwedische Sängerin Bibi Johns und
drei Berufsmusiker, verstärkt durch Harald Juhnke, schmissige Schlager aufs
Parkett legen konnten, darunter den Titelsong. Dieser im deutschen
Schlager/Tourismusfilm keineswegs unübliche Stilbruch fiel in „Unter Palmen am
blauen Meer“ deshalb ins Gewicht, weil sich Hans Deppe ernsthaft um
Authentizität des italienischen Flairs bemühte, ohne in Folklore zu verfallen. Der
Film entstand als deutsch-italienische Co-Produktion und konnte neben dem Orchester-Chef
und Violinisten Helmut Zacharias noch mit dem italienischen Sänger Teddy Reno
aufwarten, der zarte „Amore“-Weisen von sich gab, und im Mittelpunkt der
Love-Story steht. Seine Partnerin war die italienische Schauspielerin Giulia
Rubini, während Juhnke und Bibi Johns in einer Art On/Off-Beziehung
herumalberten.
...und kann auch die Contessa überzeugen |
Die Gegenüberstellung zweier Sprachen erzeugte die schönsten
Stilblüten. Ständig wechselte es zwischen italienisch und deutsch, immer darauf
bedacht den Verständigungsgrad für den deutschen Betrachter hochzuhalten. Das
hatte zur Folge, dass Teddy Reno mal deutsch mit Akzent sprach, dann wieder ins
Italienische fiel, während seine italienische Partnerin konsequent deutsch
synchronisiert wurde. Nebenfiguren parlierten dagegen ausschließlich in der
Landessprache – nicht selten alles innerhalb einer Szene. Es existiert auch
eine italienische Sprachfassung (Filmtitel „Vacanze a Portofino“), die aber aus
dem italienischen Filmgedächtnis verschwunden ist. Vielleicht weil die
wichtigen Rollen der Contessa Celestina Morini und ihres langjährigen Dieners
Cesare - allerdings hochkarätig - mit den deutschsprachigen Darstellern Lil
Dagover und Charles Regnier besetzt wurden. Wahrscheinlicher ist, dass die
deutschen Schlager ein Übergewicht hatten und der touristische Reiz für den
italienischen Zuschauer geringer ausfiel.
Bei Kitty und Freddy (Harald Juhnke) läufts dagegen lässig |
Zudem ist der Story die Hoheit des deutschen Drehbuchautors
Kurt E.Walter, der gemeinsam mit Deppe zuvor den Heimatfilm „Heideschulmeister
Uwe Karsten“ (1954) schuf, immer anzumerken. Dass auf dem Anwesen der Contessa (Lil
Dagover) keine Musik gespielt werden darf, weil sie vor zwanzig Jahren von
einem Sänger in der Liebe enttäuscht wurde und seitdem ein Leben in Einsamkeit führt,
wirkt übertrieben dramatisiert. Ließe sich aber als Basis einer entspannten
Geschichte um Weib und Gesang verkraften, wie sie besonders von Bibi Johns,
Juhnke und Regnier mit offensichtlichem Vergnügen ausgespielt wurde. Leider
durfte Teddy Reno, ganz dem Klischee des italienischen Schmuse-Sängers
entsprechend, nicht in diesen Chor einstimmen. Er sollte mit Inbrunst um die
süße Marina (Giulia Rubini) werben. Da deren Tante erwartungsgemäß etwas dagegen
hatte, war der Konflikt vorprogrammiert. Doch der gute Teddy konnte natürlich
beweisen, dass der Sängerberuf in den 50er Jahren so seriös wie ein 8-Stunden-Büro-Job
geworden war. Dass er der Contessa nicht noch seinen Steuerbescheid und seine
Kontoauszüge vorlegte, als er um die Hand ihrer Nichte anhielt, überrascht da
schon - der „Latin Lover“ wird zum Lieblings-Schwiegersohn.
Individuelles Ferienidyll Portofino, Anno 1957 |
Diese Betonung von Anstand und Sitte erzeugt inzwischen
einen altmodischen Eindruck, lässt aber übersehen, wie modern „Unter Palmen am
blauen Meer“ 1957 war, geradezu gewagt in seinem Subtext. Die Truppe um das
unverheiratete Paar Freddy und Kitty pflegte nicht nur einen Musik-Stil mit
Jazz-Anleihen, ihr lässiges, individuelles Auftreten war noch weit weg vom
organisierten Massen-Tourismus, der hier auch im Hintergrund noch keine Rolle
spielte. Trotz diverser Konzessionen an den deutschen Kino-Markt blieb so
viel Italo-Feeling übrig, um bis heute Fernweh transportieren zu können.
"Unter Palmen am blauen Meer" Deutschland, Italien 1957, Regie: Hans Deppe, Drehbuch: Kurt E. Walther, Darsteller : Bibi Johns, Harald Juhnke, Giulia Rubini, Teddy Reno, Lil Dagover, Charles Regnier, Helmut Zacharias, Laufzeit : 91 Minuten
weitere im Blog besprochene Filme von Hans Deppe:
"Unter Palmen am blauen Meer" Deutschland, Italien 1957, Regie: Hans Deppe, Drehbuch: Kurt E. Walther, Darsteller : Bibi Johns, Harald Juhnke, Giulia Rubini, Teddy Reno, Lil Dagover, Charles Regnier, Helmut Zacharias, Laufzeit : 91 Minuten
weitere im Blog besprochene Filme von Hans Deppe:
"Schloss Hubertus" (1934)
"Grün ist die Heide" (1951)
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