Montag, 14. November 2016

Unter Palmen am blauen Meer (1957) Hans Deppe


Die Band (mit Bibi Johns und Harald Juhnke) erfährt von ihrem Engagement in Italien
Inhalt: Freddy (Harald Juhnke), Sängerin Kitty (Bibi Johns) und ihre drei Mitmusiker freuen sich über ein Engagement in Italien, das neben einem Einkommen auch Ferien am Mittelmeer verspricht. Nur stellt sich die Frage, wie sie dort mit ihren beschränkten Finanzen hinkommen sollen, die nur für drei Bus-Fahrkarten reichen. Sie beschließen, dass zwei von ihnen per Anhalter von München über die Alpen reisen sollen. Wer, soll per Los entschieden werden. Nur Kitty steht dafür nicht zur Verfügung, wie ihr Freund Freddy findet. Das wäre zu gefährlich. Doch sie denkt gar nicht daran und begleitet den Bassisten, der das Auswahlverfahren verloren hatte. Mit dem Ergebnis, dass sie sofort mitgenommen wird und er auf der staubigen Straße mit seinem Instrument zurückbleibt.

Die Contessa (Lil Dagover) und ihre Nichte Marina (Giulia Rubini)
Parallel befindet sich auch der Orchesterchef und Violinist Helmut Zacharias auf dem Weg zu dem idyllisch am Mittelmeer gelegenen Ort. Er will sich von seiner anstrengenden Tournee erholen und hat sich in der Villa der Contessa (Lil Dagover) eingemietet. Allerdings kann er nicht alle Räume wie geplant nutzen, da überraschend auch deren 19jährige Nichte Marina (Giulia Rubini) eingetroffen war. Das stört Zacharias ebenso wenig wie das Musikverbot, dass in der Villa herrscht und auf das die stets in Schwarz gekleidete Contessa, unterstützt von ihrem Diener Cesare (Charles Regnier), streng achtet. Doch die kommenden Ereignisse werden dieses Diktat auf eine harte Probe stellen… 


"Das blaue Meer" - Sehnsuchtsbegriff des Tourismusfilms

"Das blaue Meer" symbolisierte in den 50er Jahren das Fernweh der Deutschen nach südlichen Gestaden. Mit der zunehmenden Stabilisierung des Arbeitsmarkts in den 50er Jahren und einem damit einhergehenden bescheidenen Wohlstand wuchs auch der Wunsch zu verreisen. Zuerst beschränkte man sich auf den Urlaub im eigenen Land - eine Entwicklung, auf die der "Heimatfilm" ab Mitte der 50er Jahre vermehrt mit der Betonung von Sehenswürdigkeiten und folkloristischen Elementen reagierte ("Die Fischerin vom Bodensee" (1956)) - aber schon wenige Jahre später strebten die Deutschen auch nach weiter entfernten Zielen. Über die Alpen nach Italien oder Jugoslawien, an das Mittelmeer.

Hans Deppes Film "Unter Palmen am blauen Meer" griff als einer der ersten Filme diesen Trend auf und variierte die bekannten Muster des Schlager- und Heimatfilms in Richtung einer neuen Gattung, dem "Tourismusfilm". Schauspieler, Musik und Handlungselemente blieben vertraut, fanden aber vor der malerischen Kulisse des Mittelmeers statt, angereichert mit südländischer Folklore. Als Genre tritt der "Tourismusfilm" heute kaum in Erscheinung, da er sich vom Schlagerfilm nur wenig abgrenzte und sich stark an einem Zeitgeist orientierte, der sich vehement wandelte. Am Beispiel der fünf Filme, die zwischen 1957 und 1966 das "blaue Meer" (einmal die "blaue Adria") in ihrem Titel führten, zeichnet der Blog diese Entwicklung nach:

                 - "Unter Palmen am blauen Meer" (1957)
                 - "Das blaue Meer und Du" (1959)
                 - "Mein Schatz komm mit ans blaue Meer" (1959)
                 - "Auf Wiedersehen am blauen Meer" (1962)
                 - "Komm mit zur blauen Adria" (1966)


Perspektiv-Wechsel ans "blaue Meer"
Regisseur Hans Deppes Einfluss auf den Heimatfilm ist allgemein bekannt. 1934 verantwortete er die Verfilmung des Ludwig-Ganghofer-Romans "Schloss Hubertus", Anfang der 50er Jahre wurden seine Filme "Schwarzwaldmädel" (1950) und "Grün ist die Heide" (1951) zu Initialzündungen für ein Wiederaufleben des Genres nach dem Krieg ("Die erste Boom Phase - der Heimatfilm der Jahre 1951 bis 1954"). Weniger bekannt ist seine Rolle im Zusammenhang mit dem "Tourismusfilm", eine Begrifflichkeit, die auf Grund der Nähe zum Schlager- und Heimatfilm selten Anwendung findet. Tatsächlich tauchte in Deppes Film nicht nur erstmals der Sehnsuchtsbegriff "blaues Meer" in einem Filmtitel (und dem dazu gehörigen Titelsong) auf, "Unter Palmen am blauen Meer" wurde zum Prototyp einer Gattung, die die aufkommende Reisefreudigkeit der Deutschen in den späten 50er Jahren aufgriff. 

Kleine Verschnaufpause der Busfahrer...

Besonderheiten des Tourismusfilms

Man nehme den Schlagerfilm, versetze die wahlweise komödiantische/dramatische Handlung an südliche Gestade und mixe das Ganze noch mit ein paar folkloristischen Eigenarten des Gastgeberlandes. Eine Rezeptur, die Hans Deppe schon in „Der Fremdenführer von Lissabon“ (1956) erfolgreich anwendete, in dem Vico Torriani vor der prachtvollen portugiesischen Kulisse zwischen zwei Frauen gerät. Gleich in der ersten Szene des Films wird er berufsbedingt mit einer internationalen Reisegruppe konfrontiert. Damit sprach „Der Fremdenführer von Lissabon“ oder der im gleichen Jahr herausgekommene „Santa Lucia“, ebenfalls mit Vico Torriani in der Hauptrolle, zwar das aufkommende Fernweh im prosperierenden Wirtschaftswunder-Deutschland an, stellte aber keine Verbindung her zur Realität des durchschnittlichen Kino-Besuchers.

...während Kitty (Bibi Johns) per Anhalter reist
Das änderte sich in „Unter Palmen am blauen Meer“, in dessen Mittelpunkt eine Gruppe junger Musiker steht, die ein Engagement in einem beschaulichen Ort an der italienischen Küste erhält und zuerst die schwierige Aufgabe bewältigen muss, von München aus ans Mittelmeer zu gelangen. Ein Motiv, das stilbildend für den „Tourismusfilm“ wurde, dessen Ausgangspunkt in Deutschland lag. Der Weg wurde so zum ersten Ziel und führte direkt zu einem zweiten prägenden Motiv, bedingt durch die fehlenden finanziellen Mittel: das Reisen per Anhalter. Während der Pianist Freddy (Harald Juhnke) und zwei seiner Mitmusiker mit dem Bus reisen können – nur für drei Fahrkarten reicht ihr Geld - ist ihr Bassist gezwungen mit Instrument per Anhalter über die Alpen zu gelangen. Kein leichtes Unterfangen für ihn im Vergleich zu Sängerin Kitty (Bibi Johns), die schnell einen Kavalier findet, der die hübsche Blondine mitnimmt. Gegen den Willen von Freddy, der seine Freundin dadurch Gefahren ausgesetzt sieht. Die wiederholte Verwendung dieses Motivs im Tourismusfilm und die Gegenüberstellung von Reiz und Risiko spiegelte offensichtlich eine damals in Deutschland geführte Kontroverse wider.

Teddy Reno legt sich schwer ins Zeug...
Eine Antwort darauf, warum eine deutsche Combo engagiert wurde, um abendlich in einer Bar in Portofino zum Tanz aufzuspielen, blieb der Film dagegen schuldig. Es genügte, dass die schwedische Sängerin Bibi Johns und drei Berufsmusiker, verstärkt durch Harald Juhnke, schmissige Schlager aufs Parkett legen konnten, darunter den Titelsong. Dieser im deutschen Schlager/Tourismusfilm keineswegs unübliche Stilbruch fiel in „Unter Palmen am blauen Meer“ deshalb ins Gewicht, weil sich Hans Deppe ernsthaft um Authentizität des italienischen Flairs bemühte, ohne in Folklore zu verfallen. Der Film entstand als deutsch-italienische Co-Produktion und konnte neben dem Orchester-Chef und Violinisten Helmut Zacharias noch mit dem italienischen Sänger Teddy Reno aufwarten, der zarte „Amore“-Weisen von sich gab, und im Mittelpunkt der Love-Story steht. Seine Partnerin war die italienische Schauspielerin Giulia Rubini, während Juhnke und Bibi Johns in einer Art On/Off-Beziehung herumalberten.

...und kann auch die Contessa überzeugen
Die Gegenüberstellung zweier Sprachen erzeugte die schönsten Stilblüten. Ständig wechselte es zwischen italienisch und deutsch, immer darauf bedacht den Verständigungsgrad für den deutschen Betrachter hochzuhalten. Das hatte zur Folge, dass Teddy Reno mal deutsch mit Akzent sprach, dann wieder ins Italienische fiel, während seine italienische Partnerin konsequent deutsch synchronisiert wurde. Nebenfiguren parlierten dagegen ausschließlich in der Landessprache – nicht selten alles innerhalb einer Szene. Es existiert auch eine italienische Sprachfassung (Filmtitel „Vacanze a Portofino“), die aber aus dem italienischen Filmgedächtnis verschwunden ist. Vielleicht weil die wichtigen Rollen der Contessa Celestina Morini und ihres langjährigen Dieners Cesare - allerdings hochkarätig - mit den deutschsprachigen Darstellern Lil Dagover und Charles Regnier besetzt wurden. Wahrscheinlicher ist, dass die deutschen Schlager ein Übergewicht hatten und der touristische Reiz für den italienischen Zuschauer geringer ausfiel.

Bei Kitty und Freddy (Harald Juhnke) läufts dagegen lässig
Zudem ist der Story die Hoheit des deutschen Drehbuchautors Kurt E.Walter, der gemeinsam mit Deppe zuvor den Heimatfilm „Heideschulmeister Uwe Karsten“ (1954) schuf, immer anzumerken. Dass auf dem Anwesen der Contessa (Lil Dagover) keine Musik gespielt werden darf, weil sie vor zwanzig Jahren von einem Sänger in der Liebe enttäuscht wurde und seitdem ein Leben in Einsamkeit führt, wirkt übertrieben dramatisiert. Ließe sich aber als Basis einer entspannten Geschichte um Weib und Gesang verkraften, wie sie besonders von Bibi Johns, Juhnke und Regnier mit offensichtlichem Vergnügen ausgespielt wurde. Leider durfte Teddy Reno, ganz dem Klischee des italienischen Schmuse-Sängers entsprechend, nicht in diesen Chor einstimmen. Er sollte mit Inbrunst um die süße Marina (Giulia Rubini) werben. Da deren Tante erwartungsgemäß etwas dagegen hatte, war der Konflikt vorprogrammiert. Doch der gute Teddy konnte natürlich beweisen, dass der Sängerberuf in den 50er Jahren so seriös wie ein 8-Stunden-Büro-Job geworden war. Dass er der Contessa nicht noch seinen Steuerbescheid und seine Kontoauszüge vorlegte, als er um die Hand ihrer Nichte anhielt, überrascht da schon - der „Latin Lover“ wird zum Lieblings-Schwiegersohn.

Individuelles Ferienidyll Portofino, Anno 1957
Diese Betonung von Anstand und Sitte erzeugt inzwischen einen altmodischen Eindruck, lässt aber übersehen, wie modern „Unter Palmen am blauen Meer“ 1957 war, geradezu gewagt in seinem Subtext. Die Truppe um das unverheiratete Paar Freddy und Kitty pflegte nicht nur einen Musik-Stil mit Jazz-Anleihen, ihr lässiges, individuelles Auftreten war noch weit weg vom organisierten Massen-Tourismus, der hier auch im Hintergrund noch keine Rolle spielte. Trotz diverser Konzessionen an den deutschen Kino-Markt blieb so viel Italo-Feeling übrig, um bis heute Fernweh transportieren zu können. 

"Unter Palmen am blauen Meer" Deutschland, Italien 1957, Regie: Hans Deppe, Drehbuch: Kurt E. WaltherDarsteller : Bibi Johns, Harald Juhnke, Giulia Rubini, Teddy Reno, Lil Dagover, Charles Regnier, Helmut ZachariasLaufzeit : 91 Minuten

weitere im Blog besprochene Filme von Hans Deppe:

"Schloss Hubertus" (1934) 
"Grün ist die Heide" (1951)

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