Inhalt: Wie jeden Abend bereiten sich die Angestellten des
in einer Großstadt gelegenen Nacht-Clubs auf ihre Arbeit vor. Während einige
Damen in den Hinterzimmern ihre Freier empfangen, beginnt im Veranstaltungsraum
das Show-Programm, bestehend aus Gesangs- und Stripteasenummern, jederzeit
streng kontrolliert von ihrer Chefin (Margarethe Reinhardt), die sich gerne zu ihren
gut betuchten Gästen an den Tisch setzt.
Auch Martina (Eva Astor) gehört zu dem weiblichen Ensemble, hat
aber gerade Ärger mit ihrem Zuhälter (Karl Arnold), der sie mit dem gemeinsamen
Kind im Stich gelassen hat. Er will keine feste Beziehung, sondern kümmert sich
lieber um seine anderen Mädchen. Als Martina am nächsten Tag auf einem
Waldstück, weit vor der Stadt, ermordet aufgefunden wird, gerät er bei dem ermittelnden
Kommissar (Claus Holm) in Verdacht...
Vom "blauen Meer" auf den Strich - ein 60er Jahre
Schicksal
Schon Anfang der 60er beschwor Margarethe Reinhardt die Gefahren für die Moral... |
Die soziokulturellen Veränderungen in der Nachkriegs-BRD,
besonders hinsichtlich der damit einhergehenden sexuellen Liberalisierung,
blieben im 50er Jahre Kino noch ein Randaspekt, verbunden mit moralisierenden
Warnungen vor den Gefahren für die Jugend. Der populäre Unterhaltungsfilm -
vorzugsweise der Heimatfilm und sein naher Verwandter, der Musikfilm -
versorgte sein Publikum dagegen konsequent mit einem idealisierten, konservativ
geprägten Familienbild, das zunehmend die Realitäten negierte und Anfang der
60er Jahre Gefahr lief, hoffnungslos altmodisch zu wirken - Gift für den Erfolg
an der Kinokasse. Entsprechend entstanden vermehrt Filme, die zumindest
phasenweise gewagtere Konstellationen zwischen den Geschlechtern zuließen, auch
wenn sie letztlich der propagierten Moral treu blieben. Ein Versuch, modern,
aber nicht zu anstößig zu wirken.
...junger Frauen, gespielt von der Sängerin Eva Astor in ihrer ersten Rolle,... |
Diese Gratwanderung ist sehr schön an dem Heimat-/Musikfilm "Auf Wiedersehen am blauen Meer" (1962) abzulesen, der noch ganz
traditionell mit Förster und hübscher Bauerntochter vor einem
beeindruckenden Bergpanorama beginnt. Doch die Story nach einer Idee von
Margarethe Reinhardt entwickelt sich schnell in eine andere Richtung,
beschreibt den schicken Jäger (Toni Sailer) als Frauenhelden, der einer
attraktiven Dame (Hannelore Cremer) nach einer gemeinsamen Nacht nach Italien
folgt, wo er erkennen muss, dass er dort nur als billiger Gigolo angesehen
wird, der sich aushalten lässt. Auch Christa (Eva Astor) aus seinem Bergdorf, mit der er im Jahr zuvor kurz zusammen war, kommt nach Italien, weil sie sich eine Karriere als
Sängerin erhofft, stattdessen aber an einen fiesen Yachtbesitzer gerät, der sie
mit KO-Tropfen gefügig machen will. Klar, dass der Held noch rechtzeitig
eingreift und die Maid wieder heil zurück zur Alm bringt, aber die Handlung fand
größtenteils außerhalb der heimatlichen Berge statt und bediente das Publikum
stattdessen mit anrüchigem Italien-Flair.
...die als jungfräuliche Christa noch rechtzeitig gerettet wird. |
Die Botschaft des Films war eindeutig. Das Fremde - unbekannt und verführerisch - bedrohte die Moral, aber diese Sichtweise
ließ sich angesichts der fortschreitenden sexuellen Liberalisierung in Deutschland nicht mehr halten. Zudem verlangte das Publikum nach Einsichten in die Etablissements der Halbwelt. Entsprechend ist der 1968 entstandene Film
„Sünde mit Rabatt“ in seiner Mischung aus moralischem Zeigefinger und
voyeuristischem Spektakel nicht nur beispielhaft für diese Entwicklung, sondern
seine Gene lassen sich bis tief in die heile Welt des 50er Jahre Heimatfilms
zurückverfolgen. Mit Claus Holm als ermittelndem Kommissar („Wenn die
Alpenrosen blüh‘n“ (1955)) und Adrian Hoven („Heimatland“ (1955)) gehörten zwei
wichtige Protagonisten des Heimatfilms zum Ensemble, aber mehr noch steht die
Karriere der österreichischen Schlagersängerin Eva Astor prototypisch für die
sich wandelnden Frauenrollen.
Als Prostituierte wird sie Ende der 60er dagegen ihrem Schicksal überlassen. |
In "Auf Wiedersehen am blauen Meer" gab sie noch das
anständige Mädchen, das rechtzeitig aus den Händen eines schmierigen Lüstlings
befreit wird. In „St. Pauli Herbertstraße“ (1965) spielte sie zwar erneut eine
brave Landwirtstochter, doch bevor der Held die Szene betrat, wurde sie
vergewaltigt und geriet auf der Reeperbahn in die Hände von Zuhältern. In „Sünde
mit Rabatt“, ihrem dritten Film, verkörperte Eva Astor die erfahrene
Prostituierte Martina, die jeden Abend ihrer Arbeit in einem Nacht-Club
nachgeht, der von einer wohlhabenden Bürgerschicht frequentiert wird.
Geografisch liegt der Handlungsort Karlsruhe zwar nah an idyllischen Schwarzwaldhöhen,
aber moralisch trennen ihn Welten von den noch Anfang der 60er Jahre
propagierten Heimatfilm-Idealen. Diese Entwicklung geht konkret auf Margarethe
Rheinhardt zurück, deren Ideen die Basis aller drei Filme bildeten und die in „Sünde
mit Rabatt“ selbst eine kleine Rolle als Chefin spielte.
Nicht mehr das "blaue Meer", sondern die Lichter der Großstadt unterlegten... |
Parallelen zu Eva Astor lassen sich auch in Hannelore
Cremers Karriere als Schauspielerin feststellen. Erstmals stand sie in dem
Heimatfilm „Der Orgelbauer von St.Marien“ (1961) als berechnende Städterin vor
der Kamera – ein Rollentypus, den sie in „Auf Wiedersehen am blauen Meer“ fortführte,
in dem sie als selbstbewusste Inhaberin verschiedener Nachtlokale in Italien auftrat, die sich Männern nicht unterordnet. Nach
einigen TV-Rollen in den 60er Jahren (unter anderen „Match“ (Hilfe, ich bin
noch Jungfrau, 1969), Regie Wolfgang Becker) traf sie 1970 ebenfalls auf
Regisseur Rudolf Lubowski, dessen „Wer weint denn schon im Freudenhaus?“ thematisch
an „Sünde mit Rabatt“ anknüpfte.
...Rheinhardts dritten Film mit Paula Braend als "Puffmutter". |
Zuvor hatte der Kinderbuchautor und Musiker Lubowski nur bei
dem Heimatfilm-Komödien-Sequel „Zwei Bayern in Bonn“ (1962) Regie geführt, aber
seine Anfänge gehen auf die Bearbeitung des österreichischen Nachkriegsfilms
„Asphalt“ (1951) über das Schicksal "Einer Jugend, die frühreif und ohne
Illusionen, ohne Aufsicht und ohne Führung aufwächst. Die durch schlechte
Beispiele und Leichtsinn auf die falsche Bahn gerät" (Off-Text des
Trailers) zurück, dass er unter dem Titel „Die Minderjährigen“ 1959 stark
umgeschnitten und mit zusätzlich gedrehten Szenen in die deutschen Kinos
brachte. Ein Thema, dass ihn wiederholt antrieb. 1974 erschien sein Hörspiel "Angelika
und der Fremde", mit dem er vor dem „guten Onkel“ mit Sätzen wie "Schön
weh getan hat dir's, kleine süße Sau“ warnen wollte, wodurch er stark in die Kritik
geriet, sich missverstanden fühlte und sich lieber mit dem "Abenteuer Jesu
in Hörspielform" befassen wollte, um seine tatsächlichen Beweggründe
deutlich werden zu lassen (Quelle: Der Spiegel 31/1974). Weder von Lubowski,
noch von der Initiatorin Margarethe Reinhardt sind jüngere Arbeiten bekannt,
aber erst ihre Geschichte ermöglicht eine Annäherung an den mit
religiös-moralischem Aufklärungswillen gedrehten Sexploitation-Film „Sünde mit
Rabatt“.
Ein später Heimatfilm ?
Schon der Filmtitel, der die alttestamentarische „Sünde“ mit
einem schnöden Preisnachlass kombinierte, lässt an der Intention eines Films
keinen Zweifel, der über die dokumentarisch angehauchten Bordell-Szenen, regelmäßig
eingestreute Nacktdarstellungen und die Alltagsprobleme der Prostituierten eine
Art Strafe Gottes legte, die in Form eines Serienmörders die jungen Frauen
heimsuchte. Die mehr nebenher laufende Kriminalhandlung erinnert in ihrem
Versuch, ständig neue Verdächtige zu kreieren, um am Ende eine möglichst
unwahrscheinliche Lösung zu präsentieren, an die Edgar-Wallace-Filme, verfolgte
damit aber einen anderen Zweck – die Betonung der allgegenwärtigen Gefahr, die
Derjenigen droht, die ihren Körper verkauft.
Trotzdem blieb der warnende Effekt schwach, denn Lubowski
und Reinhardt befriedigten mit frivolen Bühnenauftritten, Gesangseinlagen und
tiefen Einblicken ins Liebesdienstgewerbe vor allem die voyeuristische Erwartungshaltung
eines Publikums, das sich stellvertretend auch im Film wiederfand. Wahrscheinlich
ernst gemeint, wirken die Bilder der bürgerlichen Besucherschar im Zuschauerraum
des Nachtclubs - betuchte Ehepaare, Geschäftsmänner, Junggesellen-Gruppen – aus
heutiger Sicht fast satirisch in der Demaskierung eines Publikums, dass sich
nach außen hin über moralische Abgründe mokierte, heimlich aber gerne dabei
zusah.
Ähnlich hatten auch die klassischen Heimatfilme zuerst große Emotionen und dramatische Konflikte vor den Zuschauern aufgetürmt, um am Ende wieder die gewohnte Ordnung herzustellen. In „Auf Wiedersehn am blauen Meer“ war das noch gelungen, „St.Pauli Herbertstraße“ vermittelte zumindest noch die Illusion, dass Wunden heilen könnten. Doch die 60er Jahre hatten tiefe Spuren hinterlassen, verschneite Berggipfel waren karg eingerichteten Bordellzimmern gewichen, aus denen es für die Protagonistinnen kein Entkommen mehr zu geben schien. Margarethe Reinhardt hatte in jedem ihrer Filme die größere Keule geschwungen, zuletzt unterstützt von Lubowski, der ihre Idee zu einem Drehbuch verfasste, aber „Sünde mit Rabatt“ gelang nicht mehr als Appell für eine solide Lebensführung, sondern wurde unbewusst zum melancholisch stimmenden, die inneren Widersprüche entlarvenden Abbild einer Gesellschaft im Wandel.
Ähnlich hatten auch die klassischen Heimatfilme zuerst große Emotionen und dramatische Konflikte vor den Zuschauern aufgetürmt, um am Ende wieder die gewohnte Ordnung herzustellen. In „Auf Wiedersehn am blauen Meer“ war das noch gelungen, „St.Pauli Herbertstraße“ vermittelte zumindest noch die Illusion, dass Wunden heilen könnten. Doch die 60er Jahre hatten tiefe Spuren hinterlassen, verschneite Berggipfel waren karg eingerichteten Bordellzimmern gewichen, aus denen es für die Protagonistinnen kein Entkommen mehr zu geben schien. Margarethe Reinhardt hatte in jedem ihrer Filme die größere Keule geschwungen, zuletzt unterstützt von Lubowski, der ihre Idee zu einem Drehbuch verfasste, aber „Sünde mit Rabatt“ gelang nicht mehr als Appell für eine solide Lebensführung, sondern wurde unbewusst zum melancholisch stimmenden, die inneren Widersprüche entlarvenden Abbild einer Gesellschaft im Wandel.
Lief am zweiten Tag des 1. Auswärtigen Sondergipfel des Hofbauer Kommando in Frankfurt/Main vom 07. bis 09.11.2014
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