Inhalt: Franz Kaffer (Rolf Zacher) arbeitet in einer Münchner
Grill-Stube für ein Einkommen, das keine großen Sprünge zulässt. Doch Franz
träumt von einem bequemen Leben mit Frauen und besseren finanziellen
Möglichkeiten, weshalb er für einen Kumpel einen gut bezahlten Kurier-Job
übernehmen will, ohne dass er sich des Risikos bewusst ist.
Der in New York geborene Regisseur George Moorse kam schon
mit Anfang 20 nach Europa und drehte seine Filme ab Mitte der 60er Jahre
ausschließlich in Deutschland, später nur noch für das hiesige Fernsehen, dass
ihm aus seiner Sicht eine größere künstlerische Freiheit zubilligte. Ein
entscheidender Aspekt für Moorse, der schon 1967 über Francis Ford Coppola
urteilte "Er hat sich wirklich eingegliedert und will nur noch einen
Swimming Pool und schöne kommerzielle Filme machen" und auch seine
deutschen Kollegen mit dem Satz: "Die deutschen Jungfilmer sind alle
korrumpiert -- von der Sucht, verstanden zu werden." verspottete. Moorse
wollte sich nicht unterordnen und bevorzugte einen improvisativen Stil ohne
Sendungsbewusstsein, der auch seine frühen Filme "Kuckucksjahre"
(1967) und "Der Griller" auszeichnet, die zu den
"Schwabing-Filmen" gezählt werden (wie beispielsweise auch "Zur
Sache Schätzchen" (1968)), die den Zeitgeist der späten 60er Jahre
authentisch widerspiegelten.
Eine Kategorisierung, die zwar die Modernität des Münchner
Stadtteils mit seinen (Lebens)Künstlern und Studenten betonte, gleichzeitig
aber die hier geschilderten Lebensvorstellungen junger Deutscher von der
restlichen Bevölkerung abgrenzte. Rolf Zacher, der nicht zufällig auch in
"Kuckucksjahre" und Moorse' Nachfolgefilm "Liebe und so
weiter"(1968) überzeugend einen Freigeist verkörperte, spielt hier Franz
Kaffer, der gleich zu Beginn das ungünstige Verhältnis zwischen seinem mageren
Einkommen als Mitarbeiter einer Grill-Braterei und seiner Wohnungsmiete
beschreibt, das ihm nicht viel Geld zum Leben übrig lässt. Eine Sichtweise, die
sowohl Widerstandsgeist, als auch Pragmatismus beweist. Franz hat keine Lust,
sich für ein paar Kröten jeden Tag krummzulegen, aber er verfolgt damit keine
ideologischen Ziele. Zwar beinhaltet „Der Griller“ alles, wofür „die 68er“ noch
heute stehen – freie Liebe, Beat- und Rock-Musik, lange Haare, Drogen und die
Ablehnung der bürgerlichen Tretmühle – spielt aber nicht unter Künstlern,
Intellektuellen oder Studenten, mit der diese soziologische Entwicklung in der
Regel verbunden wird.
Signifikant für Moorse‘ Intention ist die Beziehung zwischen
Franz und Gisela (Franziska Oehme), die nur äußerlich gegen die damalige
Moralvorstellung verstieß. Gisela ist verheiratet, hatte aber etwas mit Franz
angefangen, als ihr Mann Freddy (Nikolaus Dutsch) ein paar Jahre im Ausland
war. Wieder zurückgekehrt akzeptiert dieser das Arrangement, so lange die
Angelegenheit unter seiner Kontrolle bleibt. Mit „freier Liebe“ oder einer
Anti-Establishment-Haltung, wie sie Ende der 60er Jahre häufig propagiert
wurde, hat das nichts zu tun. Franz hat gerne Sex, ohne deshalb etwas
vortäuschen zu müssen – als Gisela ihn fragt, ob er sie liebt, antwortet er
ehrlich, dass er sie mag – und sie hat auch gar nicht vor, sich von ihrem Mann
zu trennen. Wunderbar wird ihre gemeinsame Sichtweise in einem langen Dialog
deutlich, als sie unter anderem darüber nachdenken, wieviel die Studenten bei ihren Protesten verdienen – umsonst würde sich doch Niemand diese Mühe machen.
Auch Jutta (Angelika Bender), die mit dem Zug von Hamburg
nach München kommt, ist gleichzeitig nonkonformistisch und von gutbürgerlichem Pragmatismus.
Offen spricht die 18jährige mit einer anderen jungen Frau im Zug über Sex und
Verhütung. Mit Franz, zu dem sie gerade spontan nach München fährt, hatte sie nach
einem Konzert nur eine Nacht verbracht, was ihr als Anlass für einen Umzug
genügt. Die Gesangsszene im Gang vor dem Zugabteil – mehrfach ließ Moorse seine
Darsteller in Musiknummern auftreten – könnte aus der Gegenwart stammen, so modern
wirken die beiden jungen Frauen in ihrer Optik und ihren Bewegungen. Juttas
Verhalten musste damals ausgeflippt bis ungewöhnlich unabhängig gewirkt haben,
aber feministische Tendenzen sucht man bei ihr vergebens. Im Hinterkopf hat sie schon
einen Alternativ-Plan, falls es mit Franz nicht klappen sollte, und als dieser
sie nicht am Bahnhof abholt, begibt sie sich zuerst auf Shopping-Tour. Als Franz seinen holländischen Kollegen fragt, ob sie bei ihm übernachten könnte, fragt dieser zurück: "Ist sie lesbisch oder links?" - "Nein, ganz normal" antwortet Franz.
„Der Griller“ ist besonders in der von Zacher gespielten
Rolle des Franz unnachahmlich entspannt und optimistisch, auch die beiden
Protagonistinnen Jutta und Gisela sprühen vor Leben, aber die Grenze zwischen
Freiheit und bürgerlicher Ordnung blieb auch in Moorse‘ Film sehr schmal. Zwar wird
die von Willy Semmelrogge verkörperte Figur eines verklemmten Polizei-Fahnders,
der nicht zu Unrecht glaubt, einem Drogen-Delikt auf der Spur zu sein, am Ende
geopfert, aber das täuscht nicht darüber hinweg, dass Franz‘ Traum von einem so
bequemen, wie angenehmen Leben wenig Chancen auf eine längerfristige
Realisierung hat. Nur machte Moorse keine große Sache daraus und verzichtete in
der unterschwelligen Erkenntnis, dass die Veränderung der Gesellschaft auch
jenseits klassenkämpferischer Parolen nicht mehr aufzuhalten war, auf jede
Tragik – eine generelle, voraussehende Haltung, die die einengende
Klassifizierung als „Schwabing-Film“ nicht verdiente.
"Der Griller" Deutschland 1968, Regie: George Moorse, Drehbuch: George Moorse, Klaus Lea, Darsteller : Rolf Zacher, Franziska Oehme, Angelika Bender, Nikolaus Dutsch, Willy Semmelrogge, Laufzeit : 82 Minuten
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen