Inhalt: 1968 - Während in Prag die russischen Panzer
auffahren, um die kurze Phase einer Liberalisierung, genannt der „Prager
Frühling“, zu beenden, hat der Journalist Walter Roland (Paul Neuhaus) andere
Probleme. Sein Chefredakteur will den Erfolgsautoren in seine neue Kampagne einbauen,
mit der er die Verkaufszahlen der Illustrierten „Blitz“ weiter nach vorne
bringen will. „Sex“ lautet das Mittel zum Zweck und Roland soll dazu die Serie „Mann
total“ schreiben, bebildert von „Bertie“ Engelhardt (Herbert Fleischmann), der
schon die Nackten in seinem Studio antreten lässt.
Doch Roland wehrt sich gegen den Willen seines Chefredakteurs,
obwohl dieser ihn wegen seiner Schulden unter Druck setzen kann, und erreicht als
Gegenleistung, auch eine Reportage über einen geflüchteten tschechischen
11jährigen Jungen schreiben zu können. Gemeinsam mit Bertie fährt er zu dem Flüchtlingsauffanglager,
um den Jungen zu interviewen. Dabei begegnen sie nicht nur der schönen Irina (Hannelore
Elsner), die über die Grenze gekommen war, um ihren zuvor geflohenen Freund Jan
Bilka wiederzufinden, sondern werden Zeuge, wie der Junge im Kugelhagel stirbt...
Für seine zweite Simmel-Verfilmung "Liebe ist nur ein Wort" (1971) hatte Alfred Vohrer auf den 1963 erschienenen gleichnamigen Roman zurückgegriffen, bevor er sich - wie gewohnt gemeinsam mit Drehbuchautor Manfred Purzer - nach "Und Jimmy ging zum Regenbogen" (1971) erneut an einen aktuellen Bestseller des österreichischen Schriftstellers heranwagte. Ein riskantes Unterfangen. Weniger, weil das Buch damals auf unzähligen deutschen Nachttischen lag, sondern weil Simmel in "Der Stoff, aus dem die Träume sind" die Verzahnung mehrerer Erzählebenen auf die Spitze trieb.
Für seine zweite Simmel-Verfilmung "Liebe ist nur ein Wort" (1971) hatte Alfred Vohrer auf den 1963 erschienenen gleichnamigen Roman zurückgegriffen, bevor er sich - wie gewohnt gemeinsam mit Drehbuchautor Manfred Purzer - nach "Und Jimmy ging zum Regenbogen" (1971) erneut an einen aktuellen Bestseller des österreichischen Schriftstellers heranwagte. Ein riskantes Unterfangen. Weniger, weil das Buch damals auf unzähligen deutschen Nachttischen lag, sondern weil Simmel in "Der Stoff, aus dem die Träume sind" die Verzahnung mehrerer Erzählebenen auf die Spitze trieb.
Politische Ereignisse wie die Niederschlagung des
"Prager Frühling" 1968 und die daraus entstehende Flüchtlingswelle
aus der Tschechoslowakei, kombinierte Simmel nicht nur mit einer Thriller-Story
über die skrupellos vorgehenden Geheimdienste während des "Kalten
Krieges" – eines seiner Lieblings-Themen - sondern legte noch einen kritischen Disput zum
Journalismus darüber, mit dem er zwischen engagierter Recherche und Anpassung
an populistische Themen polarisieren wollte. Simmel griff dabei seine eigenen
Erfahrungen bei der Illustrierten "Quick" auf (im Buch und Film
"Blitz"), für die er in den 50er Jahren gearbeitet hatte und die Ende
der 60er zunehmend auf Sex und Nuditäten setzte.
Die beiden Protagonisten Walter Roland (Paul Neuhaus) und
„Bertie“ Engelhardt (Herbert Fleischmann) stehen entsprechend für die Spezies
des zynischen Schreiberlings (Roland) und des nach Sensationen gierenden
Fotoreporters (Engelhardt), die gemeinsam für die "Blitz" eine Serie
über den "Mann total" kreieren sollen, die hemmungslos auf der
Sexwelle reitet. Fleischmann, der in fast allen Simmel-Verfilmungen Vohrers zum
Cast gehörte, überzeugt in seiner zwiespältigen Rolle, gibt zuerst den
gewissenlosen Fotografen, der ohne zu Zögern die Tötung eines Kindes mit dem
Objektiv festhält, bevor er sich zum Sympathieträger mausert.
Die Figur des Roland war in Vohrers Film dagegen von Beginn
an als Identifikationsfigur angelegt. Dessen schlechter Ruf, über seinen
Verhältnissen zu leben und kaum einen Weiberrock auszulassen, wird nur dezent
angedeutet. Stattdessen offenbart er sich sofort als Mann mit Zivil-Courage,
der von seinem Chefredakteur (Arno Assmann) zum Schreiben von "Mann total"
gedrängt werden muss, sich als Gegenleistung aber eine Reportage über einen aus
der Tschechoslowakei geflüchteten 11jährigen Jungen erstreitet. Harald Leipniz‘
lässige Stimme, mit der Paul Neuhaus interessanterweise nachsynchronisiert
wurde, dessen optisch coole Ausstattung und nicht zuletzt sein Buddy „Bertie“
verliehen der eher eindimensional charakterisierten Figur des Journalisten das
notwendige Charisma, um die Liebesgeschichte mit der schönen jungen Tschechin
Irina (Hannelore Elsner) nachvollziehbar werden zu lassen – ein weiterer
Baustein in Simmels komplexem Buch-Universum.
Doch damit nicht genug. Mit der etwa 60jährigen Louise
(Edith Heerdegen) schuf der Autor noch eine Figur, die Vergangenheit und
Gegenwart in ihrer von zunehmender Schizophrenie beeinflussten Geisteshaltung verband. Sie arbeitet in dem Auffanglager für Flüchtlinge, wo
Roland und „Bertie“ ihre Reportage über den tschechischen Jungen beginnen, der
in einem Kugelhagel stirbt. Dort lernen sie auch Irina kennen, der sie erst aus
den Fängen eines Zuhälters helfen, bevor sie sie aus dem Heim befreien, um sie
zu ihrem Freund Jan Bilka nach Hamburg zu bringen, der sie am Telefon
verleugnet hatte. Die ältliche Louise folgt ihnen, läuft verwirrt über die
Reeperbahn und halluziniert zunehmend zwischen Vergangenheit (schon die
Nationalsozialisten hatten das Auffanglager für ihre Zwecke genutzt) und
Gegenwart, wo sie von Todesahnungen geschüttelt immer mehr die Kontrolle über
ihren Verstand verliert.
Damit orientierte sich Vohrer an Simmels Vorlage, in der die
ältere Frau zum imaginären Zentrum der vielen Handlungsstränge wird, aber in
der filmischen Umsetzung funktionierte das nicht. Schon die ersten Minuten,
wenn „Der Stoff, aus dem die Träume sind“ (nach einem Shakespeare-Zitat aus
„Der Sturm“, den Louise immer bei sich trägt) zwischen dokumentarischen
Aufnahmen aus Prag und der Redaktionskonferenz zum Thema Sex hin und
herspringt, lassen den Film nur langsam in Gang kommen. Zudem verzögerte Vohrers
Vorliebe für einfrierende Bilder, um zu einem parallelen Handlungsort zu
wechseln, das Tempo, verlieh dem Film aber die notwendige
Struktur. Dagegen fügte sich das Auftreten von Louise mitsamt ihrer Fantasien nur selten in die Story ein, sondern unterbrach den Erzählfluss noch zusätzlich.
Vohrer und Purzer mussten an dem Versuch scheitern,
möglichst viele Aspekte der Buchvorlage einzubeziehen. Die frühen Bilder von
der Niederschlagung des „Prager Frühlings“ haben nur die Funktion des
Zeitkolorits, der getötete Junge spielt eine ebenso schnell vergessene Rolle in
der Einführung wie die gesamte Flüchtlingsthematik, und selbst die
Liebesgeschichte zwischen Roland und Irina bleibt angesichts der fehlenden
Entwicklungszeit emotional klischeehaft. Viele interessante Episoden wie der
Mord an einem eigenmächtig handelnden Taxifahrer, der ein Verbrechen beobachtet
hatte, werden im Schnelldurchgang abgehandelt – nicht erstaunlich angesichts
einer großen Nebendarstellerriege um Charles Regnier, Klaus Schwarzkopf, Paul
Edwin Roth oder Hans Peter Hallwachs, die alle ihre Szenen bekamen.
Einzig auf der zunehmend gefährlicheren Recherche der beiden
Journalisten und der Versuch, ihre Enthüllungsstory zu verhindern, lag das
Gewicht der Handlung. Der daraus folgernde damalige Vorwurf gegenüber Simmel, er bediene
gleichzeitig die Mechanismen, die er zu kritisieren vorgebe, ließe sich auch
auf Vohrers Verfilmung übertragen, dessen Nacktszenen manchem Sexstreifen zur
Ehre gereicht hätten. Doch diese Kritikpunkte fallen hinter dem zurück, was
stattdessen sowohl in Simmels Buch, als auch Vohrers Film entstand: ein
Kaleidoskop der frühen 70er Jahre. Der Story mag es an Stringenz mangeln, aber
die ständigen Perspektiv- und Ortswechsel lassen aus vielen Puzzleteilen einen
faszinierenden, höchst spannenden und für die Entstehungszeit erstaunlich
objektiven Blick auf eine Welt entstehen, an deren von allen Seiten - West wie
Ost - ausgeübten zerstörerischen Methoden der Film keinen Zweifel lässt."Der Stoff, aus dem die Träume sind" Deutschland 1972, Regie: Alfred Vohrer, Drehbuch: Manfred Purzer, Johannes Mario Simmel (Roman), Darsteller : Paul Neuhaus, Herbert Fleischmann, Hannelore Elsner, Edith Heerdegen, Arno Assmann, Paul Edwin Roth, Klaus Schwarzkopf, Hans-Peter Hallwachs, Charles Regnier, Laufzeit : 133 Minuten
weitere im Blog besprochene Filme von Alfred Vohrer:
"Bis dass das Geld euch scheidet" (1960)
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