Inhalt: Die jungen Frauen, die im Hafen Genuas an Bord eines
Linien-Schiffs gehen, ahnen weder, dass sie beobachtet werden, noch was sie
tatsächlich erwartet. Harald (Claus Tinney), der sie für die Fahrt mit falschen
Versprechungen angeworben hatte, sieht unbemerkt zu, kann sich seines Erfolgs
aber nicht erfreuen, denn es gibt viele Interessenten am lukrativen Geschäft
mit den Mädchen, die zur Prostitution gezwungen werden sollen.
Nachdem zwei Gangster den zwielichtigen Lemaire (Omero
Antonutti) erschossen hatten, der Harald zuvor erpresst hatte, kann er unbehelligt
nach Berlin zu seinem Compagnon Rolf (Rolf Eden) zurückkehren, aber die Konkurrenz
bleibt ihm auf den Fersen und droht das Geschäft zu stören. Um ungestört die
nächste Party bei der Gräfin (Tilly Lauenstein) zu veranstalten, bei der in
einem mondänen Umfeld weitere Frauen angeworben werden sollen, müssen sich Rolf
und Harald etwas einfallen lassen…
Mit "Schwarzer Markt der Liebe" füllt die PIDAX am 22.07.2014 erneut eine wichtige Lücke im deutschen Genre-Film an der Seite des schon 2013 herausgebrachten "St.Pauli zwischen Nacht und Morgen". Erst die Zusammenführung beider Filme, die unter der Ägide des Schweizer Produzenten Erwin C.Dietrich entstanden, lässt den Einfluss des Erotikfilm-Pioniers José Bénazéraf auf die Entwicklung des deutschen Genres erkennen, beweist aber auch die Vielfältigkeit Ernst Hofbauers, der nach der einmaligen Zusammenarbeit mit Dietrich seinen eigenen Weg Richtung der erfolgreichen "Report-Filme" ging. (Die grünen Links führen zur Amazon-Bestellseite).
"Schwarzer Markt der Liebe" entstand zwar ein Jahr
vor "St.Pauli zwischen Nacht und Morgen" (1967), für den Produzent
Erwin C.Dietrich José Bénazéraf als Regisseur verpflichtete, aber dessen frühe
erotische Filme („L’enfer dans la peau“ (Sexus, 1965)) standen sowohl
stilistisch, wie inhaltlich schon Pate bei Regisseur Ernst Hofbauers einziger
Zusammenarbeit mit Dietrich. Ein Einfluss, der auf den Schweizer Produzenten
zurückzuführen ist, auch wenn dieser in den Credits nicht als Drehbuchautor
aufgeführt wurde, denn Hofbauers zuvor Anfang 1966 herausgebrachter Film
"Die Liebesquelle" entfaltete seine frühen erotischen Einblicke noch vor
dem Hintergrund einer kolorierten Heimatfilm-Komödienhandlung, während die in
stylischen Schwarz-Weiß-Bildern gedrehte Crime-Story, deren erotische
Ausstrahlung nur wenig Nacktheit benötigt, so wirkt, als hätte sich Dietrich
damit für ein zukünftiges Engagement Bénazérafs bewerben wollen.
Typische Bénazéraf-Elemente wie die obligatorischen
Ami-Schlitten, coole, nicht über die infantilen Verhaltensmuster
hinwegtäuschende Gangster-Posen oder erotisch verpackte Frauenkörper
überraschen entsprechend wenig, viel mehr erstaunt es, dass es Hofbauer
gemeinsam mit Kameramann Andreas Demmer ("Die Nichten der Frau
Oberst" (1968)) vortrefflich gelang, den Stil des französischen
Erotikfilm-Pioniers als Bindeglied zwischen dessen frühen französischen Filmen
und seinem deutschen St.Pauli-Ausflug stimmig umzusetzen. Begleitet von den
Pop-Jazz-Klängen Frank Valdors, die Bénarérafs Vorliebe für jazzige Filmmusik
zitierten (und dazu führten, dass Valdor auch "St.Pauli zwischen Nacht und Morgen" vertonen sollte), beginnt der Film im Hafen Genuas mit der
Einschiffung junger Frauen, die noch glauben, auf bequeme Weise ein hohes
Gehalt verdienen zu können.
Dass sie nicht wieder nach Europa zurückkommen werden,
sondern zur Prostitution gezwungen werden sollen, erfährt der Betrachter nur
aus den Worten Haralds (Claus Tinney), der mit der Organisation der Mädchen sein
Geld verdient. Die Filmstory selbst kümmert sich nicht weiter um deren
Schicksal, sondern konzentriert sich auf die Machenschaften der Gangster
untereinander, die versuchen die Hoheit über das lukrative Geschäft zu erlangen
und sich gegenseitig bekämpfen, womit der Film wieder mitten im
Bénazéraf-Universum angekommen war. Dabei gelangen den Kreativen großartige
Bilder in Genua - besonders die Aufnahmen auf der Hochstraße erinnern schon
früh an spätere Verfolgungsjagden im „Polizieschi“ an gleicher Stelle. Nicht
nur der Handlungsort, auch die Eingangsszenen in der abseits gelegenen Albergo
zitierten unmittelbar den italienischen Film. Der dicke, grobschlächtige
Hausherr mit der hübschen jungen Ehefrau (Karin Field), die sich dem
gutaussehenden Harald an den Hals schmeißt und mit ihm abhauen will, variierte
Viscontis „Ossessione“(1942) auf eigene Weise – Harald selbst verrät dem
gehörnten Ehemann die Absichten seiner Frau, um die als Betthäschen willkommene
Blondine wieder bequem loszuwerden.
Willkommen in der Kälte Berlins, wohin Harald zurückkehrt,
um mit seinem Compagnon die nächste Ladung Mädchen zu organisieren. Und damit kommt
es zum Auftritt von Rolf Eden (natürlich als „Rolf“), der hier erstmals eine
tragende Rolle spielte und sich dank seines abgeklärten Spiels als Boss in
„St.Pauli zwischen Nacht und Morgen“ empfahl – cooler konnten auch die Gangster
in Bénazérafs französischen Streifen nicht auftreten. Die Verzahnung mit
Bénazérafs Stil wird an der gesamten Anlage des Films deutlich, dessen Handlung
nur wenige Orientierungspunkte benötigte, da er von den Blicken und Gesten
seiner Protagonisten lebt – und dem Handlungsort Berlin (West), der selten in
tristere 60er Jahre-Grautöne getaucht wurde.
In der tragischen Geschichte um die unschuldige – und damit
besonders begehrte – Karin lassen sich noch die moralischen Fingerzeige deutscher
Provenienz erkennen, deren Schicksal als Warnung vor den Verführungen der Moderne
verstanden werden sollte. Die Rolle Tilly Lauensteins als Gräfin mit
lesbischen Neigungen vermittelte noch eine homophobe Note, deren pädagogische
Wirkung dank der unaufgeregten, auf emotionale Zuspitzungen verzichtenden Umsetzung
aber zurückhaltend blieb. Bénazéraf sollte die abschließende Drogen-Sequenz der
Anwerbe-Party in seinem Beitrag zum deutschen Genre-Kino „St.Pauli zwischen Nacht und Morgen“ erneut variieren, befreit von moralischen Attitüden – ein
signifikantes Beispiel für die gegenseitige Beeinflussung in der fiktiven
Zusammenarbeit Hofbauer-Bénazéraf, deren außergewöhnliches Ergebnis dem Produzenten-Scharnier
Erwin C. Dietrich zu verdanken ist, der mit "Schwarzer Markt der Liebe" ins Erotik-Gerne eintrat.
"Schwarzer Markt der Liebe" Deutschland 1966, Regie: Ernst Hofbauer, Drehbuch: Ernst Hofbauer, Darsteller : Claus Tinney, Rolf Eden, Tilly Lauenstein, Karin Field, Astrid Frank, Uta Levka, Laufzeit : 86 Minuten
weitere im Blog besprochene Filme von Ernst Hofbauer:
"Holiday in St.Tropez" (1964)
"Tausend Takte Übermut" (1965)
"Schulmädchen-Report - Was Eltern nicht für möglich halten" (1970)
weitere im Blog besprochene Filme von Erwin C.Dietrich:
- Regie:
"Die Nichten der Frau Oberst" (1968)
"Ich, ein Groupie" (1970)
"Die Nichten der Frau Oberst" (1980)
- nur Produktion und/oder Drehbuch:
"Der Herr mit der schwarzen Melone" (1960)
"St.Pauli - zwischen Nacht und Morgen" (1967)
"Unruhige Töchter" (1967)
"...und noch nicht sechzehn" (1968)
"Downtown - die nackten Puppen der Unterwelt" (1975)
Essay "Jesùs Franco und Erwin C.Dietrich - die 70er Jahre Erotic-Connection"