Udo Jürgens im Duett mit Christa Williams |
Inhalt: Nachdem der exzentrische Star des notorisch klammen Revue-Theaters
„Pigalle“ das Weite gesucht hatte, erhält die begabte Tänzerin Dolores
(Germaine Damar) deren Rolle in einer neu geplanten Produktion, die spontan in
„Die Beine der Dolores“ umbenannt wird. Zwar vermutet die Chefin (Ruth Stephan)
des Revue-Theaters persönliche Vorlieben ihres Geliebten und Choreografen (Ralf
Wolter) dahinter, aber die finanziell angespannte Situation lässt ihr keine
Wahl, da sich der Geschäftsmann Theobald Schreyer (Theo Lingen) mit der zugesagten
Unterstützung Zeit lässt.
Dolores hat derweil ganz andere Probleme, denn ihrer Mutter
(Grethe Weiser) hatte sie nie anvertraut, dass sie sich zur Tänzerin ausbilden
ließ, sondern im Glauben gelassen, sie hätte einen „anständigen“ Beruf gelernt.
Das neue Engagement zwingt sie aber, erst spät abends nach Hause zu kommen, was
der vorsichtigen Mama nicht passt, weshalb sie behauptet, in der Klinik des
Psychiaters Dr.Lorenz (Claus Biederstaedt) als Krankenschwester in der
Spätschicht zu arbeiten. Dolores hatte Dr.Lorenz gerade erst kennengelernt,
weshalb sie spontan diese Notlüge wählte, aber als sich ihre Mutter zur Klinik
des Nervenarztes begibt, der nichts von dem Konstrukt weiß, droht das Kartenhaus
zusammenzubrechen…
In Erinnerung an Udo Jürgens, gestorben am 21. Dezember 2014
Udo Jürgens in "...und du mein Schatz bleibst hier" in seinem Element am Klavier |
Die Wahl des Tanz- und Schlagerfilms "Die Beine von
Dolores" scheint vordergründig ungeeignet als Andenken an einen über
Jahrzehnte erfolgreichen und beliebten Musiker, dessen Name erst spät in den
Credits auftaucht und der hier nur zweimal als Partner von
Christa Williams auftrat, deren Schlager "Onkel Tom" er im Duett mit
ihr intonierte - eine typische, mit leicht exotischen Rhythmen
Internationalität vortäuschende 50er Jahre Komposition, die schnell in
Vergessenheit geriet. Tatsächlich verdankten viele Künstler dem seit den frühen
50er Jahren aufkommenden Schlagerfilm ("Schlagerparade", 1953) ihren Karrierestart, denn bevor sich das
Fernsehen in Deutschland Anfang der 60er Jahre als Massenmedium durchsetzte,
waren ihre Auftritte im Rahmen einer austauschbaren Komödienhandlung eine erste
Möglichkeit, sich einem großen Publikum vorzustellen.
In "Unsere tollen Nichten" gehörte er schon zum festen Ensemble-Stamm |
Für Christa Williams - ebenfalls erstmals in "Die Beine
von Dolores" auf der Kinoleinwand zu sehen - wurde der Film zu einer
unmittelbaren Initialzündung. Noch im selben Jahr trat sie erneut als Sängerin
in "Nachts im grünen Kakadu" (1957) in Erscheinung. Weitere ähnlich geartete
Rollen sollten folgen, bis sie in "Das habe ich in Paris gelernt"
(1960) sogar in einer Hauptrolle an der Seite von Chris Howland besetzt wurde.
1959 war ihr erfolgreichstes Jahr - zusammen mit Gitta Lind landete sie mit
"My Happiness (Immer will ich treu dir sein)" auf Platz 3 der
deutschen Charts und vertrat die Schweiz beim "Grand Prix Eurovision de la
Chanson Européenne", dem heutigen "Eurovision Song Contest", wo
sie immerhin Vierte wurde. Für andere Gesangs-Stars wie René Carol, der die
erste deutsche "Goldene Schallplatte" nach dem 2.Weltkrieg für
"Rote Rosen, rote Lippen, roter Wein" (1952) erhielt, der zum Vorbild
für den gleichnamigen, im folgenden Jahr herausgekommenen Film wurde, oder für die
erfahrene US-Amerikanerin Olive Moorefield bedeuteten ihre Auftritte in
"Die Beine von Dolores" dagegen schon Routine.
Die musikalischen Szenen durften erotisch angehaucht sein... |
Auch die uncreditierten Renée Franke, seit Ende der 40er
Jahre erfolgreich, und der damals schon sehr populäre Peter Alexander konnten
auf eine Vielzahl von Film-Engagements verweisen, aber für Udo Jürgens blieb
die Angelegenheit zäh - nicht zuletzt auch, weil der Christa Williams-Schlager
untypisch für seinen Stil war. Zwar wurde er ein Jahr später in einer
Nebenrolle in „Lilli, ein Mädchen aus der Großstadt“ (1958) besetzt, aber den Film-Durchbruch
schaffte er erst mit "...und du mein Schatz bleibst hier" (1961), in
dem er seine erste Hit-Single „Jenny“ von 1960 interpretieren durfte. Am
Klavier sitzend verkörperte Udo Jürgens als Mitglied einer Studenten-Jazzband
schon einen lässigen, modernen Stil, der kaum gegensätzlicher zu seinem ersten
Auftritt in „Die Beine von Dolores“ hätte ausfallen können. Begleitet wurde er
dabei von Gus Backus an der Gitarre, mit dem er gemeinsam in den folgenden
Jahren die Rolf Olsen-Trilogie über die „Tollen Tanten“ nicht nur musikalisch
prägen sollte („Unsere tollen Tanten“ (1961), „Unsere tollen Nichten“ (1963)
und „Unsere tollen Tanten in der Südsee“ (1964)). Für den Sänger der Beginn
seiner produktivsten Phase als Schauspieler, die für ihn aber im Gegensatz zu
vielen Protagonisten des Schlagerfilms, die nach dem Ende der Ära, Mitte der
60er Jahre, vollständig aus dem Fokus des Publikums verschwanden, zu keiner
Sackgasse werden sollte.
...ebenso der Dress-Code der jungen Damen (in der Mitte Germaine Damar)... |
Dagegen befand sich Germaine Damar, eine begabte Tänzerin
aus Luxemburg, 1957 auf dem Höhepunkt ihrer Karriere. Seit „Tanzende Sterne“
(1952) war sie zu einem großen Star im deutschen 50er Jahre Musik- und Komödienfilm
(„Die Drei von der Tankstelle“ (1955)) aufgestiegen und drehte allein unter
Regisseur Géza von Cziffra sieben Filme, von denen ihr gemeinsamer Vierter „Die
Beine von Dolores“ Damars größter Erfolg wurde. Wie gewohnt war weniger ihr
schauspielerisches Vermögen als die titelgebenden Beine gefragt, die sie
gekonnt einsetzte. Der Filmtitel zitierte einen Schlager von Gerhard Wendland
aus dem Jahr 1951, der wiederholt angespielt wurde und auch als Name für die
Revue herhalten musste, um die sich die Story dreht. Dolores Martens (Germaine
Damar) wurde in der Hauptrolle besetzt, wovon ihre gestrenge Mutter (Grethe
Weiser), die glaubt, ihre Tochter hätte einen „anständigen“ Beruf gelernt, aber
nichts wissen darf. In ihrer Not hatte Dolores behauptet, in der Klinik des
Psychiaters Dr. Hans Lorenz (Claus Biederstaedt) als Krankenschwester zu
arbeiten, wovon der in sie verliebte Arzt aber nichts weiß. Als die resolute
Mama überraschend in der Nervenklinik auftaucht, um einem der dortigen Ärzte
dessen Tasche zurückzubringen, die tatsächlich dem Choreografen der Show (Ralf
Wolter) gehört, droht die Situation zu eskalieren.
...doch darüber hinaus ging es züchtig zu. |
Bis in die Nebenrollen verfügt der Film über eine damals sehr
populäre Besetzung. Neben dem männlichen Co-Star Claus Biederstaedt - in den
50er Jahren nahezu omnipräsent als Schwiegermutters Liebling - sorgten Grethe
Weiser, Bum Krüger, Theo Lingen, Ralf Wolter, Ruth Stephan und Gunther Phillip
für die notwendige Abwechslung zwischen den Musiknummern, die erstaunlich aufwändig
choreografiert und in Szene gesetzt wurden. Deren teils anzüglichen Witze ließen
den Widerspruch zwischen Erotik á la Paris und den biederen 50er
Jahre-Moralvorstellungen, die gewahrt bleiben mussten, noch deutlicher werden.
Während auf der Tanzfläche die leicht gekleideten Damen die Beine schwangen und
„Olala – c’est la vie!“ erklang, musste Grethe Weiser als fürsorgliche Mutter
alles dafür tun, dass der gute Ruf ihrer Tochter gewahrt blieb, weshalb Claus
Biederstaedt als zukünftiger Ehemann im weißen Doktor-Kittel geradezu zwingend zur
Verfügung stand. Auf die Nachfrage der gewagt gekleideten Bedienung, warum er
so gut gelaunt auf die Abfuhr von Dolores reagiert hätte, antwortet er: „Ich
freu' mich, dass sie mit mir nicht gleich am ersten Abend ausgeht!“ – eine
Aussage mit Signalwirkung, die beispielhaft für den Charakter des Schlagerfilms
der 50er Jahre steht, dessen sexueller Subtext häufig mit möglichst viel
Anstandsgeplänkel kaschiert werden musste.
Weniger Hemmungen bewies Géza von Cziffra dagegen beim
Verfassen des Drehbuchs, dessen Witz sich an den gängigen Vorurteilen bediente.
Besonders die Szene in der Nervenklinik, in der Mutter Martens ohne viel
Federlesens von den an ihrem Verstand zweifelnden Doktoren in eine Gummizelle gesperrt
wird - Gunter Phillip verkörperte „seinen“ Psychiater mit Kinnbart und Gesichtszuckungen
- erfüllten alle Erwartungen an eine „Irrenanstalt“. Auch die Slapstick-Einlagen
mit Theo Lingen und einer schwergewichtigen dunkelhäutigen Sängerin, denen der
Boden beim Tanzen unter den Füßen weggezogen wird, so dass sie in einem Trampolin
herumzappeln, geben ein deutliches Zeichen damaligen Humorverständnisses.
Einzig Grethe Weiser mit ihrer resoluten Art ist es zu verdanken, dass diese
Momente nur wenig in Erinnerung bleiben. Weder verliert sie die Contenance, als
sie in der Gummizelle landet, noch lässt sie sich aus der Ruhe bringen, als
herauskommt, dass sowohl ihre Tochter, als auch ihr Ehemann in dem
Revue-Theater beschäftigt sind. Souverän behält sie die Meinungshoheit und
lässt daran deutlich werden, dass die Story sowieso nur eine Funktion hatte –
als oberflächlich unterhaltende Rahmenhandlung für eine Vielzahl von Gesangs-
und Tanznummern, die die damaligen Stars auch ins rechte Bild rückten, darunter
erstmals auch Udo Jürgens.
"Die Beine von Dolores" Deutschland 1957, Regie: Géza von Cziffra, Drehbuch: Géza von Cziffra, Gustav Kampendonk, Darsteller : Germaine Damar, Claus Biederstaedt, Grethe Weiser, Ralf Wolter, Ruth Stephan, Theo Lingen, Gunther Phillip, Bum Krüger, Udo Jürgens, René Carol, Laufzeit : 99 Minuten
weitere im Blog besprochene Filme von Géza von Cziffra:
"Banditen der Autobahn" (1955)
weitere im Blog besprochene Filme von Géza von Cziffra:
"Banditen der Autobahn" (1955)