Montag, 25. Mai 2015

Deadlock (1970) Roland Klick

Inhalt: Gleißend brennt das Sonnenlicht auf einen mit einem Maschinengewehr bewaffneten Mann, der alleine durch die wüstenähnliche Einöde wankt und sich kaum auf den Beinen halten kann. Trotzdem trägt er den metallenen Koffer weiter bei sich bis ihn die Hitze übermannt und er leblos an einer staubigen Straße liegen bleibt. Als er mit seinem alten LKW vorbei fährt, sieht ihn Charles Dump (Mario Adorf) und springt heraus, interessiert sich aber nur für den Koffer. Das viele Geld darin lässt ihn einen großen Stein packen, um den Mann endgültig zu töten, aber er kann sich nicht überwinden und lässt ihn in der Hoffnung zurück, dass er dort von allein stirbt.

Dump, der seit Jahren in einem heruntergekommenen, von den ehemaligen Arbeitern verlassenen Lager lebt, sieht in dem Geld eine Chance, endlich von hier wegzukommen. Dass der Mann, dem er es gestohlen hat, noch lebt, hält er plötzlich wieder für ein Risiko und dreht mit seinem LKW um. Doch inzwischen hat sich Kid (Marquardt Bohm) erholt und zwingt ihn mit seiner Maschinenpistole, ihn mitzunehmen. Nur ein kurzer Triumpf für ihn, denn im Lager verlassen ihn erneut die Kräfte…


"Bübchen" (1968)
Um die Wirkung von "Deadlock" auf den damaligen Betrachter nachvollziehen zu können, ist es notwendig sich die Reaktion anzusehen, die Roland Klicks zweiter Langfilm nach „Bübchen“ (1968) auslöste. Nicht nur das er dafür kritisiert wurde, "zu stark auf Action gesetzt“ und sich stilistisch am als zynisch und gewalttätig angesehenen Italo-Western orientiert zu haben, die Konsequenz ging so weit, dass sein Film aus dem Wettbewerb von Cannes ausgeladen wurde. Ihm erging es ähnlich wie etwa dem Regie-Kollegen Rudolf Thome mit „Rote Sonne“ (1970), in dem Marquardt Bohm ebenfalls die männliche Hauptrolle spielte – trotz einer modernen Bildsprache und der Abkehr von gewohnten Erzähl-Strukturen, fanden sie als Autorenfilmer des „neuen deutschen Kinos“ keine Anerkennung, da sie sich aus Sicht der Kritiker zu sehr typischen Unterhaltungskriterien anbiederten.

"Deadlock" (1970)
Der Irrsinn dieser Einschätzung steigert sich noch bei der vergleichenden Hinzuziehung seines Erstlings „Bübchen“. Obwohl Roland Klick darin mit skalpellartigen Schnitten die Mechanismen deutschen Kleinbürgertums freilegte, ohne eine wertende Haltung einzunehmen, wurde auch „Bübchen“ keine Anerkennung zuteil – zu nah geriet sein Film an die tatsächlichen deutschen Befindlichkeiten. Auch wohlmeinende Kritiken sehen in „Deadlock“ einen thematischen Wandel  zu „Bübchen“ – hier die stilisierte Gangster-Story in einer wüstenähnlichen Landschaft, dort die Schilderung deutschen Alltags in einer tristen Nachkriegs-Wohnsiedlung am Rande Hamburgs – aber dieser Eindruck täuscht. Betrachtet man die zwei ersten stehenden Einstellungen beider Filme, werden die Parallelen sichtbar. In „Bübchen“ fängt die Kamera einen nicht weniger inhaltsleeren, neutralen Ort ein als in „Deadlock“, wo Marquard Bohm vor Schwäche torkelnd durch eine von der Sonne aufgeheizte felsige Einöde langsam auf die Kamera zuläuft. Die Gemeinsamkeiten setzen sich fort in einer Story, die das unreflektiert selbstzerstörerische Verhalten seiner Protagonisten nicht begründet, sondern in zwangsläufiger Konsequenz abbildet.

Kid (Marquard Bohm) läuft schwer verletzt mit einem metallenen Koffer durch die unendlich scheinende Sandwüste. Die Inszenierung seines Zusammenbruchs verweist schon früh auf die enge Verzahnung der Filmmusik von „Can“ zu der Hoffnungslosigkeit, die den gesamten Film prägt. Ihr Rhythmus und die Schnitte zwischen der unbarmherzigen Sonne und dem erschlaffenden Körper Kids (Marquard Bohm) werden zu einer sich steigernden Einheit bis es zu dessen Zusammenbruch kommt. Zufällig findet ihn Charles Dump (Mario Adorf), der mit seinem LKW auf dem Weg zu seinem Lager ist, leblos im Staub liegen. Nur wenig interessiert an dem Mann, gilt sein Blick schnell dem Koffer, der sehr viel Geld und eine Single enthält. Anstatt Kid zu helfen, will er ihn zuerst töten, zögert, fährt davon, kehrt wieder zurück, um ihn doch zu beseitigen. Zu spät, denn inzwischen konnte sich Kid wieder aufrappeln und zwingt Dump mit seinem Maschinengewehr, ihn mit dem LKW mitzunehmen. Doch im Lager verlieren ihn wieder die Kräfte und Dump hat erneut Oberwasser.

Diese ersten zwanzig Minuten, in denen Dump und Kid sich - ständig verändernde Positionen einnehmend - begegnen, sind bis ins Detail in ihrer psychologischen Tiefe beobachtet. Adorf spielte einen Lagerleiter, der seit Jahren in einem verlassenen Camp haust, in dem nur noch eine gealterte Prostituierte (Betty Segal) und deren Tochter (Mascha Elm-Rabben) vor sich hin vegetieren. Alles wirkt provisorisch, unfertig und heruntergekommen. Dump sieht das Geld als Chance, endlich von diesem Ort („Deadlock“ bedeutet sinngemäß ausweglos) wegzukommen. Gleichzeitig ist er aber nicht mehr dazu in der Lage, Entscheidungen zu treffen. Sein Verhalten wechselt zwischen übertriebener Gewalttätigkeit und weinerlichem Selbstmitleid – der Grund dafür, warum Kid am Leben bleibt. Mario Adorf lieferte ein weiteres Glanzstück als zerrissener Charakter, während Marquard Bohm ähnlich wie in "Rote Sonne" wieder ein Beispiel jugendlicher Coolness abgab, das auch heute noch jeden Attraktivitätswettbewerb gewinnen würde, gerade weil es so typisch für diese Zeit Anfang der 70er Jahre ist.

Klicks Film in die Nähe des Italo-Western zu rücken, bleibt an der Oberfläche. Wie schon in „Bübchen“ nutzte der Regisseur Stilmittel populärer Filme, um die inneren Befindlichkeiten seiner Protagonisten zugespitzt herauszuarbeiten. „Deadlock“ wird zu einer Studie über Konsequenz, innere Stärke und Selbsteinsicht, die jedem Autorenfilm des „neuen deutschen Films“ zur Ehre gereicht hätte. Marquard Bohm entwickelte eine Gefühlskälte und Fatalismus in seinem Charakter, die noch stärker hervortritt, als sein Partner Anthony Sunshine (Anthony Dawson), ein gealterter Gangster, im Camp auftaucht. Klick inszenierte ihn zwar im Stil eines Revolverhelden, doch seine äußerliche Coolness erweist sich als Fassade, die langsam zu bröckeln beginnt. Während Dump seine Unsicherheit mit übertriebenen und anbiedernden Gesten auszugleichen versucht, nutzt Sunshine diese mit sadistischem Gestus für seine Zwecke aus, woran erst dessen Schwäche und mangelndes Selbstbewusstsein gegenüber dem jüngeren Kid deutlich wird. Ein Wechselspiel, das auf einen tödlichen, westernartigen Showdown zuläuft.

Entsprechend scheint das Etikett „Western“ nahe liegend, aber Klick folgte in dem abschließenden Duell nicht den Regeln des Genres, sondern blieb seiner eigenen Linie treu. Die von einer springenden Nadel erzeugten, sich ständig wiederholenden zwei Töne, lassen in ihrer Penetranz nicht nur die sengende Hitze fühlbar werden, sondern transportieren die nihilistische Botschaft einer degenerierten und egoistischen Sozialisation. Im Italo-Western gehörte der unmenschliche Zynismus zum guten Ton optischer Coolness, in „Deadlock“ bohrte er sich ins Gedächtnis des Betrachters.

"Deadlock" Deutschland 1970, Regie: Roland Klick, Drehbuch: Roland KlickDarsteller : Marquard Bohm, Mario Adorf, Anthony Dawson, Mascha Elm-Rabben, Betty SegalLaufzeit : 88 Minuten

Donnerstag, 21. Mai 2015

CAN - der Sound von 1970

Die fünf „Can“ – Filme 1970/71

Zwischen der Veröffentlichung ihres ersten Studio-Albums „Monster Movie“ August 1969  und ihrer zweiten LP „Tago Mago“ Februar 1971 erlebte die Kölner Rock-Band „Can“ einige einschneidende Veränderungen. Nach dem die 500 Stück umfassende, im Eigenvertrieb hergestellte erste Auflage von „Monster Movie“ nach kurzer Zeit vergriffen war, wurde sie in größerer Zahl von „United Artists“ neu verlegt. Dieser überraschende Erfolg brachte „Can“ nicht nur eine gewisse wirtschaftliche Sicherheit, sondern ließ ihre Popularität erheblich anwachsen. 1968 hatten sie in der Band-Formation erstmals eine Filmmusik zu „Kamasutra – Vollendung der Liebe“ geschrieben, der 1969 im Zuge der allgemeinen Sexual-Aufklärungswelle in die deutschen Kinos kam, aber erst ihr Richtungswechsel hin zu einem rockigeren Stil brachte den Durchbruch und innerhalb eines Jahres die Mitwirkung an fünf deutschen Filmproduktionen, die mit der psychedelich-progressiven Musikausrichtung der Band eine stilistische Einheit eingingen.

Malcolm Mooney und Irmin Schmidt
Im September 1970 erschien die LP „Can Soundtracks“, auf der diese kurze, intensive Schaffensphase zusammengefasst wurde. Zu diesem Zeitpunkt gehörte Malcolm Mooney, der us-amerikanische Sänger mit dem sie „Monster Movie“ eingespielt hatten, nicht mehr zur Band. Er war in die USA zurückgegangen und Damo Suzuki, ein japanischer Performance-Künstler, war mit seiner heiseren, stärker die rhythmischen Aspekte der „Can“-Musik unterstützenden Stimme an seine Stelle getreten. Entsprechend dieses innerhalb 1970 vollzogenen Wechsels drückte er drei der fünf Film-Scores seinen persönlichen Stempel auf, während zwei noch von Mooneys blues-artiger zwischen Falsett und Bass changierender Stimme geprägt wurden. Die übrige Besetzung – Holger Czukay (Bass), Irmin Schmidt (Keyboard), Jaki Liebezeit (Schlagzeug) und Michael Karoli (Gitarre) - blieb zwar stabil, passte ihren Stil aber den sehr unterschiedlichen Sängern an.

Holger Czukay und Damo Suzuki
Die Reihenfolge der musikalischen Komposition stimmt nicht mit der Veröffentlichung der Filme überein. „Großer blaugrauer Vogel“ (Regie Thomas Schamoni), noch mit Malcolm Mooney eingespielt, kam erst April 1971 in die Kinos, ein halbes Jahr nach der Platten-Veröffentlichung. Auf deren Hülle steht deshalb „Bottom“, denn so lautete der Arbeits-Titel. Dagegen hatte die mit Damo Suzuki aufgenommene Musik für „Deadlock“ und „Deep End“ schon im Herbst 1970 Film-Premiere gefeiert, nur „Mädchen mit Gewalt“ war Februar 1970 noch vor Mooneys Ausstieg erschienen. Unabhängig von ihrer individuellen Ausrichtung atmeten alle fünf Filme die Aufbruchstimmung der frühen 70er Jahre und stellten sowohl inhaltlich, als auch optisch bisherige Sehgewohnheiten in Frage.

Zuordnung der Sänger noch mit der falschen Nummerierung
Doch vergleichbar mit der Musik von „Can“, die bis heute eine weit höhere Wertschätzung im englischsprachigen Ausland erfährt als in Deutschland, gerieten die Filme schnell in Vergessenheit. 1974/75, als ich ihre Platten während der „Deutschrock“-Welle für mich entdeckte, basierte der öffentliche Ruf von „Can“ allein auf der Single „Spoon“, die es als Filmmusik zum TV-Dreiteiler „Das Messer“ (1971) (später auch auf „Ege Bamyasi“ (1972) veröffentlicht) zu einmaligen Hitparaden-Ehren gebracht hatte. Die fünf Filmtitel auf der „Soundtrack“-Plattenhülle hatten dagegen schon damals einen exotischen Klang, ohne Aussicht auf einen direkten Bezug zum Filmerlebnis. Entsprechend hinterließ „Can-Soundtracks“ weder den Eindruck eines typischen Filmmusik-Albums, noch einer Compilation - trotz der zwei Sänger -, sondern behielt als verbindendes Unikat zwischen „Monster Movie“ und „Tago Mago“ seine Eigenständigkeit. Erst mehr als 40 Jahre nach ihrer Entstehung sind alle fünf Filme wieder allgemein zugänglich, hier unter dem Bindeglied „Can“ zusammengefasst.

"Mädchen mit Gewalt" (19.02.1970) - Roger Fritz
"Deep End" (01.09.1970) - Jerzy Skolimowski
"Deadlock" (15.10.1970) - Roland Klick
"Großer graublauer Vogel" (09.04.1971) - Thomas Schamoni
"Cream - Schwabing Report" (29.08.1971) - Leon Capetanos

Sonntag, 17. Mai 2015

Endstation Liebe (1958) Georg Tressler

Inhalt: Kurz vor Feierabend fällt die Maschine aus, an der Mecki (Horst Buchholz) und seine Kollegen im Osram-Werk arbeiten, aber ihr Denken wird sowieso schon vom Samstagabend bestimmt und dem morgigen freien Sonntag. Zudem hat es ihnen die Neue angetan, ein hübsches Mädchen, das ihnen aber nur die kalte Schulter zeigt. Ein Fall für Mecki, dessen Ehrgeiz durch so viel Widerstandskraft erst geweckt wird. Er wettet mit seinen Kollegen, dass er Christa (Barbara Frey) bis Montagfrüh rumkriegt.

Doch sein Vorhaben erweist sich schwerer als gedacht. Weder auf charmante, noch provokante Weise kommt er an sie heran. Im Gegenteil gibt sie ihm auf dem Heimweg deutlich zu verstehen, dass sie kein Interesse an ihm hat. Doch Mecki gibt nicht so schnell auf. Zuhause wirft er sich in einen Anzug, besorgt Blumen, und spricht offiziell bei Christas Mutter (Karin Hardt) vor, die ihn freundlich in die Wohnung an den gedeckten Tisch bittet. Angetan von dem wohlerzogenen jungen Mann, fordert sie ihre Tochter regelrecht auf, mit ihm auszugehen…


"Können Sie uns auch einen Halbstarken-Film machen - mit der gleichen Mannschaft natürlich! - aber etwas romantischer, wenn's geht: Buchholz verliebt sich in das Mädchen und so weiter..." (Will Tremper, Meine wilden Jahre)

Der große Erfolg von "Die Halbstarken" (1956) weckte Begehrlichkeiten. Das Team um Regisseur Georg Tressler, Autor Will Tremper, Co-Produzent Wenzel Lüdecke, Komponist Martin Böttcher und Hauptdarsteller Horst Buchholz sollte erneut zusammen kommen, denn ihr erster gemeinsamer Film hatte einen regelrechten Boom ausgelöst. Tressler selbst drehte 1957 in Österreich "Noch minderjährig" und Josef von Baky "Die Frühreifen" (1957) mit "Halbstarken" Co-Star Christian Doermer, Heidi Brühl und Christian Wolff in den Hauptrollen, der im selben Jahr noch unter Veit Harlan "Anders als du und ich (§175)" folgen ließ. "Schmutziger Engel" (1958) von Alfred Vohrer befand sich schon in der Vorbereitung. Alle diese Filme einte ein kritischer Blick auf eine Jugend, die sich in den Wirtschaftswunderjahren von den tradierten Geschlechterrollen und Moralvorstellungen zu lösen schien. Ungehemmte Sexualität, Vergnügungssucht und Kriminalität wurden in den Filmen als Gefahren gebrandmarkt, vor deren Folgen die Heranwachsenden gewarnt werden sollten.

Zwar trieb erst die Sensationslust das Publikum in die Kinos, aber Tremper und Tressler hatten in der Kritik gestanden, die Faszination an einer aufbegehrenden Jugend zu sehr bedient und die sozialkritischen Aspekte vernachlässigt zu haben. Ihr zweiter Film sollte deshalb authentischer und weniger polarisierend ausfallen. Keineswegs als Antwort auf die reißerischen „Jugend“-Filme, wie die damalige Film-Kritik annahm, sondern weil Tremper, dem von Lüdecke der Dramaturg Axel von Hahn an die Seite gestellt worden war, keine plumpe Fortsetzung schaffen wollte:

„Wir fanden das eine schöne Geschichte, die mit den Halbstarken nichts zu tun hatte, sich aber lebensecht las.“ (Will Tremper, Meine wilden Jahre)

Trotzdem sind gewisse Parallelen zwischen beiden Filmen nicht zu übersehen. Neben dem gewohnt charmant und selbstbewusst agierenden Horst Buchholz als Mecki, umgeben von einer schnoddrig auftretenden männlichen Jugend, ist es besonders Berlin, das diesmal von Helmuth Ashley als unprätentiöser Ort der Nachkriegsjahre in Szene gesetzt wurde. Wie in „Die Halbstarken“ fehlen sowohl die Anzeichen der politischen Teilung, als auch bekannte touristische Orte. Leere, staubige Straßen am Sonntagmorgen, hohe Brandwände und einfache Altbauwohnungen bestimmen eine Szenerie, der jeder Glamour fehlt und die den Alltag zwischen 6-Tage-Woche und sonntäglicher Ruhe widerspiegelt.

Doch anders als in „Die Halbstarken“ oder dem in dieser Hinsicht ähnlich angelegten „Die Frühreifen“ bricht in „Endstation Liebe“ kein Wirtschaftswunder-Reichtum in den Arbeiter-Bezirk. Das größte Freizeitvergnügen am Samstagabend ist ein Catcher-Schaukampf, der in einer Massenprügelei endet. Weder gibt es dicke Autos und luxuriöse Villen, noch Zigarre rauchende Geschäftsmänner mit gestylten jungen Frauen an ihrer Seite – gern zitierte Anzeichen wirtschaftlicher Erfolge, die die Gefahr der Kriminalisierung einer verführten Jugend heraufbeschwören sollten. Will Tremper verzichtete hier ebenso auf den Arm/Reich-Kontrast, wie auf weitere soziale Konflikte. Anders als in den sonstigen Jugenddramen üblich wollte der Autor nicht generalisieren, sondern eine einfache Geschichte aus dem Blickwinkel von jungen Männern erzählen, deren Denken sich allein um ihre Arbeit, Fußball am Sonntagmorgen und Mädchen dreht. Die Homogenität der hier beschriebenen Lebensumstände war keiner Verdrängung der Realität geschuldet, sondern der Konzentration auf die kurze Phase zwischen samstäglichem Feierabend und dem Arbeitsbeginn Montagfrüh.

Entsprechend sollte der Film „Zeit bis Montagfrüh“ heißen, doch damit konnte Tremper sich beim Produzenten nicht durchsetzen, dem das zu neutral klang – genau die von ihm beabsichtigte Wirkung. In Unkenntnis, dass sowohl „Endstation Liebe“ als auch „Endstation Sehnsucht“ (deutscher Verleihtitel von „A streetcar named desire“, USA 1951) unter dem Dach der „Warner Bros.“ entstanden, hatte Tremper dem aus seiner Sicht kitschigen Titel zuerst zugestimmt, im Glauben ihn aus rechtlichen Gründen noch verhindern zu können. Ein Irrtum, der ihn die Freude an dem Film verlieren ließ:

„…es half alles nichts, die Hochstimmung war dahin. Jürgl (Georg Tressler) fand in einer Konfektionsfirma am Fehrbelliner Platz ein liebes, mir allzu harmlos vorkommendes Mädchen von vielleicht 17 Jahren, das Barbara Freyte hieß – mein einziger Beitrag zu seiner Entdeckung bestand in einem Radiergummi, mit dem ich ihm sofort die letzten beiden Buchstaben seines Namens ausradierte.“ (Will Tremper, Meine wilden Jahre)

Barbara Frey erwies sich als die ideale Besetzung, auch wenn ihre Stimme von Johanna von Koczian synchronisiert werden musste, denn die von ihr gespielte Christa war „die Neue im Betriebsbüro, ein scheues Reh“, dass erst den Ehrgeiz von Mecki (Horst Buchholz) weckt, sie über das Wochenende rumzukriegen. Ein schwerer Fall, wie seine Fabrik-Kollegen finden, weshalb Jeder von ihnen 5 Mark verwettet, dass Mecki es nicht schafft, obwohl dieser sich einen guten Ruf als Verführer erarbeitet hat. Aus diesem Grund muss er erst der Blondine aus dem Weg gehen, die am Fabriktor schon auf ihn wartet, um sich um Christa kümmern zu können.

Trotz des Verzichts auf reißerische Elemente, lässt sich auch in „Endstation Liebe“ der pädagogische Gestus nicht übersehen. Die Warnung besonders an junge Frauen vor dem zu offenen Umgang mit der Sexualität gehörte zum Standard-Repertoire der „Moral“-Filme der 50er und frühen 60er Jahre, aber Will Tremper beabsichtigte keinen erhobenen Zeigefinger, er bildete die vorherrschende Doppelmoral nur ab. Die jungen Männer werden zwar als oberflächlich in ihrem Umgang mit Frauen beschrieben, aber das wird ihrer Jugend zugestanden, die jungen Frauen werden dagegen gnadenlos in anständig und leichtfertig unterteilt. Als Meckis Vater (Franz Nicklisch) zufällig Christa vor seiner Wohnung antrifft, erwähnt er, sie wäre richtig nett, er hätte gar nicht gewusst, dass sein Sohn solche Mädchen kennt. Und wenn am Ende die leicht geschürzte Blondine, die sich nach Christas Zurückweisung um den frustrierten Mecki gekümmert hatte, einen Schnaps auf den Spiegel spritzt und ihr Abbild verzerrt, dann ist die Botschaft mehr als deutlich – als Partnerin kommt sie nicht in Frage.

Wie zuvor in „Die Halbstarken“ entwickelte Tremper Sympathien für seine Protagonisten und verurteilte ihr Verhalten nicht. Christa erweist sich keineswegs als so sperrig, wie sie sich nach außen hin geben musste, und Mecki begreift die Qualität ihrer Zuwendung. Der Titel "Endstation Liebe“ erzeugte dagegen eine falsche Erwartungshaltung, denn Tresslers Film behauptete keinen Absolutheitsanspruch, sondern beleuchtete einen kurzen Lebensausschnitt, einen Moment des Ausbruchs aus dem Alltag – für den Erfolg beim damaligen Publikum und den heutigen Bekanntheitsgrad des Films erwies sich dieser sensible Blick in die Befindlichkeiten junger Menschen, Ende der 50er Jahre, leider als hinderlich.

"Endstation Liebe" Deutschland 1958, Regie: Georg Tressler, Drehbuch: Will Tremper, Axel von HahnDarsteller : Horst Buchholz, Barbara Frey, Karin Hardt, Benno Hoffmann, Franz NicklischLaufzeit : 83 Minuten

weitere im Blog besprochene Filme von Georg Tressler:

Montag, 11. Mai 2015

Studentin Helene Willfüer (1956) Rudolf Jugert

Inhalt: Helene Willfüer (Ruth Niehaus) wird feierlich die Doktorwürde von Professor Matthias (Hans Söhnker) verliehen – ein nicht selbstverständliches Ereignis. Zwar erweckte Helene sofort große Aufmerksamkeit bei ihrem Doktor-Vater, der die intelligente, engagierte junge Frau zu sich als Assistentin ins Forschungslabor holte, aber ihr Auftauchen setzte unaufhaltsame Prozesse in Gang. Yvonne Matthias (Elma Karlowa), die Ehefrau des Professors, erkennt in ihr sofort eine Nebenbuhlerin. 

Nicht nur, dass ihr Mann viel Zeit mit ihr im Labor verbringt, mehr noch ärgert Yvonne, dass Helene sich mit Dr. Reiner (Erik Schumann) anfreundet, einem Arzt, der wie sie der Musikleidenschaft frönt. Unglücklich in ihrer Ehe, war sie mit Dr. Reiner ein Verhältnis eingegangen. Doch im Gegensatz zu ihr leidet der junge Arzt, der sich selbst Schmerzmittel injiziert, an dieser Situation. Für ihn ist Helene ein Hoffnungsschimmer und er verliebt sich in die junge Frau. Sie scheint seine Gefühle zu erwidern, aber tatsächlich versucht sie nur ihre Gefühle für den Professor zu vergessen…


Ein großer Teil der in den 50er Jahren in Deutschland herausgekommenen Filme waren Remakes früher Tonfilme, häufig stammten die ersten Kinofassungen populärer Literatur noch aus der Stummfilmzeit. Auch "Studentin Helene Willfüer", basierend auf dem 1928 erschienenen Roman "Stud. chem. Helene Willfüer" von Vicki Baum, führt unmittelbar zurück in die Zeit der Weimarer Republik, erlebte 1930 am Ende der Stummfilm-Ära eine erste Verfilmung mit Olga Tschechowa in der Hauptrolle, und steht doch exemplarisch für das Frauenbild der 50er Jahre, das sich in den drei Jahrzehnten zuvor nur wenig gewandelt hatte. Autorin Vicki Baum, von deren Romanen heute nur noch "Menschen im Hotel" (verfilmt USA 1932 und Deutschland 1960) über einen gemäßigten Bekanntheitsgrad verfügt, verdankte "Stud. chem. Helene Willfüer" ihren Aufstieg zu einer der erfolgreichsten Schriftstellerinnen der Weimarer Republik. Ihr blieb die Anerkennung der seriösen Literaturkritik zwar verwehrt, aber ihre der Unterhaltungsliteratur zugeordneten Bücher gestatten heute noch einen authentischen Blick in den damaligen Zeitgeist.

"Stud. chem. Helene Willfüer" entstand in der Phase einer "neuen Sachlichkeit" nach dem 1.Weltkrieg und zeichnete das Bild einer selbstständigen Frau, die Wert auf ein modernes, an pragmatischen Gesichtspunkten orientiertes attraktives Äußeres legte und trotz eines unehelichen Kindes ihr Studium zu Ende führte, um einem Beruf nachzugehen. Damit berührte Vicki Baum zwar Tabus, bewies aber Gespür für eine Gesellschaft im Wandel - ein Grund für ihren Erfolg, neben ihrem Geschick auch konservative Gemüter mit einem Ende zu befriedigen, das den Status quo wieder herstellte. Diese unentschiedene Haltung wurde ihr zwar vorgeworfen, lässt aber übersehen, wie sehr allein schon die Schilderung einer versuchten Abtreibung provozierte. Nicht nur in den 20er Jahren, auch der Drehbuch-Fassung zu Rudolf Jugerts Film ist dieser Kompromiss anzumerken, denn Mitte der 50er Jahre galten die in "Stud. chem. Helene Willfüer" publikumswirksam ausgebreiteten Lebensumstände einer jungen Studentin keineswegs als opportun. Im Gegenteil hatte die Zeit des Nationalsozialismus die vorsichtige Emanzipationsbewegung der 20er Jahre wieder zurückgeworfen.

„Die ist richtig – mit dem Einen kommt sie, mit dem Anderen geht sie“

Mit dieser wenig anerkennend gemeinten Aussage stand die Konzertbesucherin sicherlich nicht allein. Helene Willfüer (Ruth Niehaus) war in Begleitung ihres Doktor-Vaters Professor Matthias (Hans Söhnker) zum Konzert-Saal gekommen, um diesen gemeinsam mit dem Arzt Dr. Rainer (Erik Schumann), der zuvor als Dirigent das Konzert gegeben hatte, wieder zu verlassen. Eine Frau riskierte schnell ihren „guten Ruf“, doch Ruth Niehaus erwies sich als Idealbesetzung zwischen größtmöglicher Ernsthaftigkeit und einem frei bestimmten Leben. Wie schon in ihrer ersten Hauptrolle im Heimatfilm „Rosen blühen auf dem Heidegrab“ (1952) blieb ihre Sexualität hinter ihrem so schönen, wie züchtigen Äußeren nur unterschwellig spürbar und wirkte sie im Umgang mit den beiden Männern nie berechnend. Diese Position nahm Elma Karlowa als Yvonne Matthias ein, die Ehefrau des Professors, die ihn nicht nur mit Dr.Rainer betrügt, sondern alles unternimmt, um die Nebenbuhlerin Helene Willfüer auszuschalten. Karlowa, die schon in „Rosenmontag“ (1955) an der Seite von Ruth Niehaus spielte, gab hier den weiblichen Antipoden und schuf damit erst den Freiraum für Willfüers den damaligen Regeln widersprechendes Verhalten.

Es ist Jugert und seinem Drehbuchautoren Frederick Kohner hoch anzurechnen, dass sie diese negativ besetzte Figur nicht vollständig demontierten, sondern in ihrer Emotionalität menschlich nachvollziehbar werden ließen. Es bleibt der Moment in Erinnerung, in dem sie ihre Einsamkeit an der Seite eines Ehemanns ausdrückt, für den sie ihre Karriere als Musikerin aufgab, der seine Zeit aber am liebsten im Forschungslabor verbringt. Hans Söhnker, in den 50er Jahren prädestiniert für die Rolle des älteren Liebhabers („Männer im gefährlichen Alter“ (1953)), kann hier nur schwerlich vermitteln, wie es zu der Verbindung zu der sehr emotionalen Musikerin gekommen war. An Karlowas Seite wirkt er als Forscher seltsam passiv, fast schon hilflos gegenüber dem exaltierten Verhalten seiner Ehefrau. Wirklich konsequent ist er nur gegenüber Helene Willfüer, die er nicht nur sofort als Assistentin zu sich ins Labor holt, sondern niemals Zweifel an ihr äußert – weder als sie wegen Mordverdachts verhaftet wird, noch als sie ein uneheliches Kind bekommt.

Diese Idealisierung eines gereiften, hoch angesehenen Mannes, dessen Haltung außerhalb der vorherrschenden Meinung stand, hatte schon in Baums Roman die Funktion, eine größere Akzeptanz beim Leser für die Protagonistin zu erzeugen – und sorgte letztlich auch für deren Legitimation. Jugert deutete dieses Ende im Gegensatz zu Vicki Baum nur an, aber er blieb der Romanvorlage in ihrem unterhaltenden Charakter treu. Besonders Harald Juhnke als Kommilitone Meier und Ina Peters als quirlige Mitbewohnerin nehmen der Handlung viel von ihrer Ernsthaftigkeit. Wenn Juhnke sich den Säugling packt, um ihn mit modernen Methoden zu windeln, hat der Zuschauer schon fast vergessen, dass Helene Willfüer den Heiratsantrag des Kindsvaters ablehnte, weil sie ihre Karriere nicht als Ehefrau eines Landarztes aufgeben wollte, sondern stattdessen vorhatte, das Kind, von dem er nichts wusste, abzutreiben.

Die von Erik Schumann gespielte tragische Rolle des jungen Arztes, der lieber Musiker geworden wäre als die Familien-Tradition als Landarzt fortzusetzen, wurde in Jugerts Film zusätzlich in Richtung einer Kriminalhandlung gewichtet. Nach dem abgelehnten Heiratsantrag stirbt er durch eine Injektion, wofür Helene Willfüer verantwortlich gemacht wird, die den Toten auffindet. Die gesamte folgende nicht in Baums Roman enthaltene Gerichtssequenz wirkt übertrieben und sollte nur von den tatsächlichen Inhalten ablenken. Der Betrachter weiß, dass Helene unschuldig ist, aber Jugert überspielte damit die Zeit ihrer Schwangerschaft, die sie im Gefängnis verbringt, so wie der uneheliche Verkehr zwischen ihr und dem Verstorbenen zuvor nur angedeutet wurde. Auch von Seiten der Bevölkerung sind kaum kritische Stimmen zu hören. Einmal deutet Helene kurz an, dass sie wegziehen will, weil sie die unausgesprochenen Vorwürfe spürt, aber näher konkretisiert der Film das nicht.

Die Absicht dahinter liegt auf der Hand. Regisseur und Autor vermieden negativ besetzte Details, um die Identifikation mit der Hauptfigur aufrecht zu erhalten. Kombiniert mit einer Vielzahl an unterhaltsamen Elementen wurde der eigentliche Handlungsschwerpunkt relativiert, wodurch Helene Willfüers für die damalige Zeit ungewöhnlich mutige Konsequenz fast einen nebensächlichen Charakter erhielt. Das nahm „Studentin Helene Willfüer“ zu Unrecht die Reputation, denn gerade die Vorsicht, mit der Rudolf Jugert seine Handlung vorantrieb, vermittelt, wie gewagt es in den 50er Jahren noch war, eine selbstbewusst und eigenständig agierende Frau in den Mittelpunkt eines Unterhaltungsfilms zu stellen.

"Studentin Helene Willfüer" Deutschland 1956, Regie: Rudolf Jugert, Drehbuch: Frederick Kohner, Vicki Baum (Roman), Darsteller : Ruth Niehaus, Hans Söhnker, Elma Karlowa, Erik Schumann, Harald Juhnke, Otto WernickeLaufzeit : 97 Minuten

weitere im Blog besprochene Filme von Rudolf Jugert:

Montag, 4. Mai 2015

Unter Ausschluß der Öffentlichkeit (1961) Harald Philipp

Inhalt: Staatsanwalts Dr. Robert Kessler (Peter van Eyck) hat keinen Zweifel an der Schuld des Angeklagten Dr. Werner Rüttgen (Claus Holm), dass dieser den Mord an seiner Frau begangen hatte, um frei für seine Geliebte Helga Dahms (Susanne Rüttger) sein zu können, mit der er schon längere Zeit ein Verhältnis hatte. Doch Kesslers Ansicht basiert allein auf Indizien, weshalb die überraschende Zeugenaussage von Laura Beaumont (Eva Bartok), die kurz vor dem Ende seines Plädoyers im Zuschauerraum auftaucht, seine Argumentation zum Fallen bringt. Sie gibt dem Angeklagten ein Alibi.

Die Verhandlung wird unterbrochen, um die neue Sachlage prüfen zu können, aber Kessler muss sich der Haltung des Generalstaatsanwalts (Alfred Balthoff) beugen, der die Freilassung des Angeklagten anordnet. Kessler glaubt der Zeugin nicht, da er sie von früher her kennt, aber mit dieser Ansicht steht er allein. Als kurz darauf, der Angeklagte ebenfalls an einem angeblichen Selbstmord stirbt – tatsächlich hatte der Täter die Tabletten ausgetauscht – und einen Brief hinterlässt, der den Staatsanwalt beschuldigt, er hätte ihn in den Tod getrieben, gerät Kessler noch mehr unter Druck. Auf eigene Faust beginnt er zu ermitteln und wird mit seiner eigenen Vergangenheit konfrontiert…


"Unter Ausschluß der Öffentlichkeit" , der von der PIDAX am 23.12.2014 erstmals auf DVD veröffentlicht wurde, scheint aus der Reihe der Sozialdramen der späten 50er / frühen 60er Jahre heraus zu stechen, um die sich die PIDAX zuletzt umfangreich kümmerte, aber das täuscht. Zwar gehört der Film äußerlich dem Justiz-Thriller oder Kriminal-Genre an und reiht sich damit in die Mabuse- und Edgar-Wallace-Filme ein, die Anfang der 60er Jahre sehr populär waren, aber allein schon die Tatsache, dass der Film nicht annähernd über den Bekanntheitsgrad typischer Kriminalfilme dieser Zeit verfügt - unabhängig von deren Qualität - deutet eine weitere Ebene an. Wesentlich konsequenter als etwa in den Edgar-Wallace-Filmen kombinierte Regisseur Harald Philipp die Handlung mit den sozialen Veränderungen nach dem Krieg in Deutschland, speziell hinsichtlich des Wandels in der Sexualität.(Die grünen Links führen zur Amazon-Bestellseite). 








Ein unbekannter Strippenzieher im Hintergrund, Mord, Spionage, Prostitution - und mitten drin ein engagierter Staatsanwalt, der versucht dieses Geflecht aufzulösen und den wahren Täter zu ermitteln. "Unter Ausschluss der Öffentlichkeit" beginnt wie ein klassischer Gerichtsfilm mit dem Plädoyer des Staatsanwalts Dr. Robert Kessler (Peter van Eyck), ändert aber schnell seinen Charakter in Richtung Kriminalfilm, als die überraschende Zeugenaussage der schönen Laura Beaumont (Eva Bartok) den vermeintlichen Mörder (Claus Holm) entlastet. Kessler muss ihn gegen seine Überzeugungen laufen lassen, will dieses Ergebnis, dass schwer seiner Reputation schadet, aber nicht hinnehmen. Doch mit seinen erneuten Nachforschungen wird er einem international agierenden Verbrecher-Ring zunehmend lästig und gerät selbst in Lebensgefahr.

Als "Unter Ausschluß der Öffentlichkeit" im Oktober 1961 in die deutschen Kinos kam, stand die Premiere des achten Edgar Wallace-Streifens "Die seltsame Gräfin" (1961) kurz bevor und lag Peter von Eycks Auftritt in "Die 1000 Augen des Dr. Mabuse" (1960) schon mehr als ein Jahr zurück. Dessen Fortsetzung "Im Stahlnetz des Dr. Mabuse" (1961) sollte ebenfalls noch im Oktober erscheinen, allerdings ohne Van Eyck, der erst im fünften Teil („Scotland Yard jagt Dr. Mabuse“, 1963) wieder mitspielte. Der Eindruck entsteht, Regisseur und Drehbuchautor Harald Philipp wollte, nachdem er im Jahr zuvor zwei Kriegsfilme gedreht hatte ("Strafbataillon 999" und „Division Brandenburg“, 1960), ebenfalls auf die Gruselkrimi-Karte setzen, die sich damals großer Beliebtheit erfreute. Doch im Gegensatz zu den Wallace- und Mabuse-Filmen, die trotz erheblicher Qualitätsunterschiede im Film-Gedächtnis blieben und bis in die heutige Gegenwart wiederholt vermarktet und im Fernsehen gezeigt wurden, erreichte „Unter Ausschluß der Öffentlichkeit“ nie deren Popularität.

Anders als die erfolgreichen Krimi-Reihen, deren Stories nur wenig Berührung mit der Realität aufwiesen, blieb Harald Philipp, der wie sein Co-Autor Fred Ignor in den 50er Jahren im Schlagerfilm aktiv war, mit seiner Story in der Gegenwart der BRD verankert. Zwar klingt die Aussage eines Beobachters der Gerichtsszene zu Beginn, der Staatsanwalt hätte die Geschworenen schon auf seine Seite gebracht, nach anglizistisch geprägter Dramatik, aber offensichtlich war es noch nicht im kollektiven Gedächtnis angekommen, dass es in Deutschland seit 1924 keine Geschworenen mehr gab. Für besonders schwere Delikte ist bis heute das „Schwurgericht“ zuständig, das nur noch mit dem Namen daran erinnert, aber der „Großen Strafkammer“ entspricht, der neben den zwei Schöffen drei Berufsrichter angehören. Im Film ist das gut an der Besetzung der Richterbank zu erkennen, so wie sich Harald Philipp auch sonst an die juristischen Gepflogenheiten hielt. Sowohl die Rolle des Generalstaatsanwalts (Alfred Balthoff), der den ehrgeizigen Dr. Kessler in die Schranken weist, als auch des Strafverteidigers (Leon Askin) kommen ohne Polemik oder eine zugespitzte Konfrontation aus. Nachdem die Zeugenaussage den Angeklagten entlastet hatte, wurde er selbstverständlich aus der Haft entlassen.

Auch die Wallace-Krimis nutzten die in den 60er Jahren entstehenden Freiräume für sexuell offensivere Elemente, trennten gleichzeitig aber streng zwischen Gut und Böse und betonten das moralisch einwandfreie Verhalten des Helden und seines jeweiliges Love-Interests. In dieser Hinsicht ist „Unter Ausschluß der Öffentlichkeit“ mutiger und direkter. Schon die Anspielung Dr. Kepplers auf die Teilnahme des verheirateten Konzern-Chefs Generaldirektor Delgasso (Rudolf Fernau) bei Partys einer Model-Agentur, ließ wenig an der tatsächlichen Aufgabe der Mannequins zweifeln. Die Nackt-Szene, in der der schwule Fotograf (Ralf Wolter) die Vorzüge der Mädchen ablichtet, hätte jedem frühen Erotik-Film zur Ehre gereicht. Besonders aber die Ausarbeitung der Dreieck-Konstellation zwischen Dr. Kessler, seiner Verlobten Ingrid Hansen (Marianne Koch) und der überraschend auftretenden Zeugin Laura Beaumont, lässt Harald Philipps ernsthaften Umgang mit den Veränderungen der Sozialisation nach dem Krieg erkennen.

Schnell stellt es sich heraus, dass der Staatsanwalt mit der schönen Französin vor Jahren eine Affäre hatte, die unglücklich für ihn endete. Seiner Verlobten hatte er davon nichts erzählt, weshalb diese zuerst eifersüchtig reagiert. Daraus hätte sich erneut die Mär vom angeblich untreuen Helden entwickeln lassen, der am Ende als Unschuldslamm die zukünftige Ehefrau in die Arme schließen darf. Stattdessen knistert es zwischen Kessler und der Schönen wieder gewaltig, als er versucht herauszubekommen, warum sie mit der geschickt platzierten Zeugenaussage seine Reputation beschädigen wollte. Zudem verfiel Phillip nicht in den gewohnten Reflex, eine sexuell offensive Frau einseitig als Luder zu diffamieren, sondern betrachtete sie mit Sympathie. Das gilt auch für Ingrid Hansen als optisch bravem Gegenpol, die nicht nur als Journalistin jederzeit selbstbewusst agiert, sondern auch als Verlobte ihre eigenen Schlüsse zieht. Peter van Eyck blieb gewohnt souverän innerhalb dieses Spannungsfelds, dessen Modernität den Film über die übliche Krimi-Ware dieser Zeit hinaus hob.

Dass „Unter Ausschluß der Öffentlichkeit“ das Zusammenspiel dieser differenziert angelegten Charaktere, zu denen auch der großartige Wolfgang Reichmann in einer Nebenrolle als seltsam undurchsichtiger Freund gehört, mit einer Story um Industrie-Spionage und Call-Girl-Ring verband, führte zu einer falschen Erwartungshaltung. Der Krimi-Plot kommt nie richtig in Schwung und der Hintergrund für die Spionage-Tätigkeit spielt keine wirkliche Rolle. Im Subtext verbirgt sich, worum es Regisseur Philipp tatsächlich ging – um Sexualität und den Wandel der Geschlechterrollen. Die Öffentlichkeit wird zu Beginn noch ausgeschlossen, als die Geliebte (Susanne Rüttger) über ihr Verhältnis zu dem Angeklagten vor Gericht aussagt, aber diese Maßnahme wirkt veraltet angesichts der Selbstverständlichkeit, mit der hier Prostitution, Erotikaufnahmen und unehelicher Sex als Teil der bundesrepublikanischen Wirklichkeit dargestellt werden. Die Auflösung am Ende, um wen es sich bei dem „großen Unbekannten“ handelt, kann entsprechend Niemand mehr überraschen. Sie folgt nicht den Regeln eines Verbrechers, sondern eines in seinem Selbstbewusstsein erschütterten Mannes:

„Wie oft war ich schon unglücklich - mir laufen sie nicht hinterher wie dir!“


"Unter Ausschluß der Öffentlichkeit" Deutschland 1961, Regie: Harald Philipp, Drehbuch: Harald Philipp, Fred Ignor, Darsteller : Peter van Eyck, Eva Bartok, Marianne Koch, Claus Holm, Wolfgang Reichmann, Werner Peters, Leon Askin, Ralf Wolter, Rudolf FernauLaufzeit : 96 Minuten

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