Sonntag, 17. Mai 2015

Endstation Liebe (1958) Georg Tressler

Inhalt: Kurz vor Feierabend fällt die Maschine aus, an der Mecki (Horst Buchholz) und seine Kollegen im Osram-Werk arbeiten, aber ihr Denken wird sowieso schon vom Samstagabend bestimmt und dem morgigen freien Sonntag. Zudem hat es ihnen die Neue angetan, ein hübsches Mädchen, das ihnen aber nur die kalte Schulter zeigt. Ein Fall für Mecki, dessen Ehrgeiz durch so viel Widerstandskraft erst geweckt wird. Er wettet mit seinen Kollegen, dass er Christa (Barbara Frey) bis Montagfrüh rumkriegt.

Doch sein Vorhaben erweist sich schwerer als gedacht. Weder auf charmante, noch provokante Weise kommt er an sie heran. Im Gegenteil gibt sie ihm auf dem Heimweg deutlich zu verstehen, dass sie kein Interesse an ihm hat. Doch Mecki gibt nicht so schnell auf. Zuhause wirft er sich in einen Anzug, besorgt Blumen, und spricht offiziell bei Christas Mutter (Karin Hardt) vor, die ihn freundlich in die Wohnung an den gedeckten Tisch bittet. Angetan von dem wohlerzogenen jungen Mann, fordert sie ihre Tochter regelrecht auf, mit ihm auszugehen…


"Können Sie uns auch einen Halbstarken-Film machen - mit der gleichen Mannschaft natürlich! - aber etwas romantischer, wenn's geht: Buchholz verliebt sich in das Mädchen und so weiter..." (Will Tremper, Meine wilden Jahre)

Der große Erfolg von "Die Halbstarken" (1956) weckte Begehrlichkeiten. Das Team um Regisseur Georg Tressler, Autor Will Tremper, Co-Produzent Wenzel Lüdecke, Komponist Martin Böttcher und Hauptdarsteller Horst Buchholz sollte erneut zusammen kommen, denn ihr erster gemeinsamer Film hatte einen regelrechten Boom ausgelöst. Tressler selbst drehte 1957 in Österreich "Noch minderjährig" und Josef von Baky "Die Frühreifen" (1957) mit "Halbstarken" Co-Star Christian Doermer, Heidi Brühl und Christian Wolff in den Hauptrollen, der im selben Jahr noch unter Veit Harlan "Anders als du und ich (§175)" folgen ließ. "Schmutziger Engel" (1958) von Alfred Vohrer befand sich schon in der Vorbereitung. Alle diese Filme einte ein kritischer Blick auf eine Jugend, die sich in den Wirtschaftswunderjahren von den tradierten Geschlechterrollen und Moralvorstellungen zu lösen schien. Ungehemmte Sexualität, Vergnügungssucht und Kriminalität wurden in den Filmen als Gefahren gebrandmarkt, vor deren Folgen die Heranwachsenden gewarnt werden sollten.

Zwar trieb erst die Sensationslust das Publikum in die Kinos, aber Tremper und Tressler hatten in der Kritik gestanden, die Faszination an einer aufbegehrenden Jugend zu sehr bedient und die sozialkritischen Aspekte vernachlässigt zu haben. Ihr zweiter Film sollte deshalb authentischer und weniger polarisierend ausfallen. Keineswegs als Antwort auf die reißerischen „Jugend“-Filme, wie die damalige Film-Kritik annahm, sondern weil Tremper, dem von Lüdecke der Dramaturg Axel von Hahn an die Seite gestellt worden war, keine plumpe Fortsetzung schaffen wollte:

„Wir fanden das eine schöne Geschichte, die mit den Halbstarken nichts zu tun hatte, sich aber lebensecht las.“ (Will Tremper, Meine wilden Jahre)

Trotzdem sind gewisse Parallelen zwischen beiden Filmen nicht zu übersehen. Neben dem gewohnt charmant und selbstbewusst agierenden Horst Buchholz als Mecki, umgeben von einer schnoddrig auftretenden männlichen Jugend, ist es besonders Berlin, das diesmal von Helmuth Ashley als unprätentiöser Ort der Nachkriegsjahre in Szene gesetzt wurde. Wie in „Die Halbstarken“ fehlen sowohl die Anzeichen der politischen Teilung, als auch bekannte touristische Orte. Leere, staubige Straßen am Sonntagmorgen, hohe Brandwände und einfache Altbauwohnungen bestimmen eine Szenerie, der jeder Glamour fehlt und die den Alltag zwischen 6-Tage-Woche und sonntäglicher Ruhe widerspiegelt.

Doch anders als in „Die Halbstarken“ oder dem in dieser Hinsicht ähnlich angelegten „Die Frühreifen“ bricht in „Endstation Liebe“ kein Wirtschaftswunder-Reichtum in den Arbeiter-Bezirk. Das größte Freizeitvergnügen am Samstagabend ist ein Catcher-Schaukampf, der in einer Massenprügelei endet. Weder gibt es dicke Autos und luxuriöse Villen, noch Zigarre rauchende Geschäftsmänner mit gestylten jungen Frauen an ihrer Seite – gern zitierte Anzeichen wirtschaftlicher Erfolge, die die Gefahr der Kriminalisierung einer verführten Jugend heraufbeschwören sollten. Will Tremper verzichtete hier ebenso auf den Arm/Reich-Kontrast, wie auf weitere soziale Konflikte. Anders als in den sonstigen Jugenddramen üblich wollte der Autor nicht generalisieren, sondern eine einfache Geschichte aus dem Blickwinkel von jungen Männern erzählen, deren Denken sich allein um ihre Arbeit, Fußball am Sonntagmorgen und Mädchen dreht. Die Homogenität der hier beschriebenen Lebensumstände war keiner Verdrängung der Realität geschuldet, sondern der Konzentration auf die kurze Phase zwischen samstäglichem Feierabend und dem Arbeitsbeginn Montagfrüh.

Entsprechend sollte der Film „Zeit bis Montagfrüh“ heißen, doch damit konnte Tremper sich beim Produzenten nicht durchsetzen, dem das zu neutral klang – genau die von ihm beabsichtigte Wirkung. In Unkenntnis, dass sowohl „Endstation Liebe“ als auch „Endstation Sehnsucht“ (deutscher Verleihtitel von „A streetcar named desire“, USA 1951) unter dem Dach der „Warner Bros.“ entstanden, hatte Tremper dem aus seiner Sicht kitschigen Titel zuerst zugestimmt, im Glauben ihn aus rechtlichen Gründen noch verhindern zu können. Ein Irrtum, der ihn die Freude an dem Film verlieren ließ:

„…es half alles nichts, die Hochstimmung war dahin. Jürgl (Georg Tressler) fand in einer Konfektionsfirma am Fehrbelliner Platz ein liebes, mir allzu harmlos vorkommendes Mädchen von vielleicht 17 Jahren, das Barbara Freyte hieß – mein einziger Beitrag zu seiner Entdeckung bestand in einem Radiergummi, mit dem ich ihm sofort die letzten beiden Buchstaben seines Namens ausradierte.“ (Will Tremper, Meine wilden Jahre)

Barbara Frey erwies sich als die ideale Besetzung, auch wenn ihre Stimme von Johanna von Koczian synchronisiert werden musste, denn die von ihr gespielte Christa war „die Neue im Betriebsbüro, ein scheues Reh“, dass erst den Ehrgeiz von Mecki (Horst Buchholz) weckt, sie über das Wochenende rumzukriegen. Ein schwerer Fall, wie seine Fabrik-Kollegen finden, weshalb Jeder von ihnen 5 Mark verwettet, dass Mecki es nicht schafft, obwohl dieser sich einen guten Ruf als Verführer erarbeitet hat. Aus diesem Grund muss er erst der Blondine aus dem Weg gehen, die am Fabriktor schon auf ihn wartet, um sich um Christa kümmern zu können.

Trotz des Verzichts auf reißerische Elemente, lässt sich auch in „Endstation Liebe“ der pädagogische Gestus nicht übersehen. Die Warnung besonders an junge Frauen vor dem zu offenen Umgang mit der Sexualität gehörte zum Standard-Repertoire der „Moral“-Filme der 50er und frühen 60er Jahre, aber Will Tremper beabsichtigte keinen erhobenen Zeigefinger, er bildete die vorherrschende Doppelmoral nur ab. Die jungen Männer werden zwar als oberflächlich in ihrem Umgang mit Frauen beschrieben, aber das wird ihrer Jugend zugestanden, die jungen Frauen werden dagegen gnadenlos in anständig und leichtfertig unterteilt. Als Meckis Vater (Franz Nicklisch) zufällig Christa vor seiner Wohnung antrifft, erwähnt er, sie wäre richtig nett, er hätte gar nicht gewusst, dass sein Sohn solche Mädchen kennt. Und wenn am Ende die leicht geschürzte Blondine, die sich nach Christas Zurückweisung um den frustrierten Mecki gekümmert hatte, einen Schnaps auf den Spiegel spritzt und ihr Abbild verzerrt, dann ist die Botschaft mehr als deutlich – als Partnerin kommt sie nicht in Frage.

Wie zuvor in „Die Halbstarken“ entwickelte Tremper Sympathien für seine Protagonisten und verurteilte ihr Verhalten nicht. Christa erweist sich keineswegs als so sperrig, wie sie sich nach außen hin geben musste, und Mecki begreift die Qualität ihrer Zuwendung. Der Titel "Endstation Liebe“ erzeugte dagegen eine falsche Erwartungshaltung, denn Tresslers Film behauptete keinen Absolutheitsanspruch, sondern beleuchtete einen kurzen Lebensausschnitt, einen Moment des Ausbruchs aus dem Alltag – für den Erfolg beim damaligen Publikum und den heutigen Bekanntheitsgrad des Films erwies sich dieser sensible Blick in die Befindlichkeiten junger Menschen, Ende der 50er Jahre, leider als hinderlich.

"Endstation Liebe" Deutschland 1958, Regie: Georg Tressler, Drehbuch: Will Tremper, Axel von HahnDarsteller : Horst Buchholz, Barbara Frey, Karin Hardt, Benno Hoffmann, Franz NicklischLaufzeit : 83 Minuten

weitere im Blog besprochene Filme von Georg Tressler:

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