Christian Kempenich (Heinz Rühmann) erkundet das Kölner Nachtleben |
Inhalt: Als beamteter Kanzlei-Vorsteher hat Christian
Kempenich (Heinz Rühmann) eine leitende Position in dem kleinen Mosel-Ort. Er kann
sich nicht nur ein Hausmädchen (Lotte Rausch) für seine Ehefrau Hedwig (Leny
Marenbach) leisten, auch der Gesangslehrer Enrico Falotti (Harald Paulsen) gibt
ihr privaten Unterricht. Auf Grund seiner gehobenen Stellung im Ort sieht sich
Kempenich zudem als moralische Instanz, weshalb er am Himmelfahrtstag ohne
Selbstzweifel zu einer Familientaufe in die Großstadt Köln fährt, die im Ort
einen schlechten Ruf als Sündenpfuhl besitzt. Als er sich schon leicht
angeheitert auf dem Rückweg zum Kölner Bahnhof befindet, weist er den
Taxifahrer spontan an, ihn ins Vergnügungsviertel der Stadt zu fahren.
Schließlich müsse er sich selbst ein Bild von den dortigen Versuchungen machen.
Hedwig Kempenich (Leny Marenbach) mit ihrem Gesangslehrer auf Moselfahrt |
Seine Frau Hedwig begibt sich derweil am Nachmittag auf eine
Moselfahrt mit einem Ausflugsdampfer. Ihr Gesangslehrer, der ein Auge auf die
hübsche Frau geworfen hat, nutzt die Gelegenheit und folgt ihr auf das Schiff,
wo er als bekannter Charmeur schnell in Form kommt. Zuerst abweisend, gefällt
Hedwig vom Wein beschwipst die unterhaltsame Art des Sängers und wehrt sich
auch nicht, als er sie gegenüber den begeisterten Mitfahrern als seine Frau
ausgibt. Erst als sie nach langer Fahrt am Ziel ankommen und sie feststellt,
dass kein Zug mehr zurückfährt, reagiert sie ernüchtert, er aber schlägt ihr
vor, gemeinsam in einem Hotel zu übernachten.
"Wenn wir alle Engel wären" war schon der dritte
Heinz Rühmann-Film, der 1936 in die Kinos kam - nach vier Filmen im Jahr zuvor
und kurz vor der Premiere von "Lumpacivagabundus" (1936) in
Österreich. Erneut spielte Heinz Rühmann einen jungen Mann zwischen
Pflichtbewusstsein und Versuchung, weshalb die Besonderheit eines Films in
Vergessenheit geraten scheint, ohne den es Rühmanns bekanntesten Film "Die Feuerzangenbowle" (1944) vielleicht nie gegeben hätte und der mit seinem
wenig kaschierten sexuellen Subtext aus dem prüden Komödien-Einerlei der 30er
Jahre herausstach, auch wenn das Drehbuch die Romanvorlage von Heinrich Spoerl
leicht abschwächte. Dieser hatte es selbst verfasst, was einer Zäsur in
Rühmanns Werk gleichkam, die dessen wachsenden Einfluss auf die Produktion seiner
Filme kennzeichnete.
Schon 1934 hatte der Schauspieler erstmals die Hauptrolle in
einer Spoerl-Verfilmung übernommen, aber "So ein Flegel" interpretierte
den Roman "Die Feuerzangenbowle" sehr frei und ließ wenig von dem
fantasievollen Charakter und der Hommage an selige Schulzeiten übrig.
Verantwortlich für das Drehbuch war Hans Reimann, der als Co-Autor der
literarischen Vorlage gilt, während Spoerl kein Mitspracherecht eingeräumt
wurde. Auch „Wenn wir alle Engel wären“ geht auf ein von beiden Autoren
gemeinsam verfasstes Theaterstück zurück - „Der beschleunigte Personenzug“
(1932 uraufgeführt) -, aber diesmal kam nicht nur Spoerls darauf basierende
Buchvorlage von 1936 zum Zuge, ihm wurde zudem die Verantwortung für das
Drehbuch übergeben, die er mit einer hohen Werktreue einlöste. Eine
Initialzündung für die weitere Zusammenarbeit mit Heinz Rühmann, die zu ihren
gemeinsamen Filmen „Der Gasmann“ (1941) und „Die Feuerzangenbowle“ führte,
sowie zur Verfilmung des ebenfalls 1936 veröffentlichten Romans „Der
Maulkorb“(1938) unter der Regie Erich Engels mit Ralph Arthur Roberts in der
Hauptrolle.
Ob auch die Besetzung Carl Fröhlichs am Regie-Pult,
seit 1933 NSDAP-Mitglied und betraut mit der Leitung des Gesamtverbandes der
Filmherstellung und Filmverwertung, von Heinz Rühmann veranlasst wurde, bleibt
Spekulation – beide drehten noch zwei weitere Filme zusammen, darunter „Der Gasmann“ – sicher lässt sich aber die Wahl Leny Marenbachs für die weibliche
Hauptrolle auf seinen Einfluss zurückführen. Die beiden aus Essen stammenden
Schauspieler waren zu dieser Zeit liiert, was dem frivolen Miteinander in „Wenn
wir alle Engel wären“ sehr zu Gute kam. Marenbach spielte auch in ihren zwei
folgenden Filmen „So ein Mustergatte“ (1937) und „Fünf Millionen suchen einen Erben“ (1938) an Rühmanns Seite, aber ihre Position veränderte sich. In „Fünf Millionen suchen einen Erben“ spielte sie nicht mehr seine Ehefrau, sondern gab
die Verführerin, der Rühmann in seiner Rolle als verheirateter Erbe selbstverständlich
widerstand – ein deutliches Anzeichen für die zunehmende Prüderie in seinen
Filmen, von der sich „Wenn wir alle Engel wären“ noch wohltuend abhob.
Denn Heinrich Spoerl blickte tief hinter die Fassaden
bürgerlicher Moral. Stilprägend für seinen Roman wie für den Film ist die "Empörung".
Die leicht tuschelnde, hinter vorgehaltener Hand vorgetragene der Bewohner des
kleinen Mosel-Ortes, wenn der angesehene Beamte Christian Kempenich (Heinz
Rühmann) allein in die verruchte Großstadt Köln fährt, um dort bei einer
Familientaufe zu verweilen, oder wenn Enrico Falotti (Harald Paulsen),
stadtbekannter Charmeur, in dessen Abwesenheit seiner Frau Hedwig Kempenich
(Leny Marenbach) private Gesangsstunden gibt. Oder die laute, das eigene schlechte
Gewissen übertönende, wenn Christian Kempenich damit konfrontiert wird, dass
aus einem Kölner Hotelzimmer Bettwäsche gestohlen wurde, in dem er angeblich
mit Ehefrau genächtigt hatte, oder sich Hedwig Kempenich gegen jede Verdächtigung
verwahrt, sie hätte, nachdem es auf einer Mosel-Schiffstour zu spät wurde,
gemeinsam mit Falotti in einem Hotel übernachtet, um am nächsten Morgen die
Heimfahrt anzutreten.
Umso mehr Beweise auftauchen, die diese Verdächtigungen
erhärten, umso mehr flüchten die Ehepartner in neue, noch konstruiertere
Ausreden, auch um die jeweilige Meinungshoheit zu erlangen. Denn wer scheinbar mehr
Schuld auf sich geladen hat, muss sich die „ehrliche“ Empörung des Anderen
gefallen lassen. Ein Zustand, der ständig zwischen den Partnern wechselt, bis
sie sich trennen, obwohl ihr Umgang von Beginn an keinen Zweifel daran ließ,
dass sie sich lieben und auch sexuell begehren. Doch der Gerichtsverhandlung
entkommen sie damit nicht, denn für die Staatsanwaltschaft steht fest, dass das
Ehepaar in Köln übernachtet hat und die Bettwäsche mitnahm.
Tatsächlich hatte Christian Kempenich den Verlockungen der
Großstadt nicht widerstehen können und begab sich in ein nächtliches
Vergnügungs-Etablissement – Alkohol und ein überredungsfähiges Fräulein
besorgten dann den Rest. Als er am frühen Morgen in einem Hotelzimmer aufwacht,
liegt sie entkleidet im Bett und er angezogen daneben, aber er kann sich an
nichts mehr erinnern. Ohne sich zu verabschieden, flüchtet er schnell von diesem
Ort und hört nur noch wie sie „Bubi“ hinter ihm herruft. Offensichtlich nutzte
die so Zurückgelassene die Situation aus, um sich an der Bettwäsche zu bedienen. Auch seine Frau Hedwig ließ sich vom hartnäckigen
Gesanglehrer erst zu einer Moselfahrt überreden, die er dann dank seines
charmanten Unterhaltungstalents so weit ausdehnte, dass weder Schiff, noch Zug
zum Heimatort zurückfuhren. Ob sie im Hotel eine gemeinsame Nacht mit ihm
verbrachte, wer weiß?
Heinrich Spoerl ließ diese Frage in seinem Roman offen, im
Film wurde dagegen der Eindruck vermittelt, dass es nicht zur letzten
Konsequenz gekommen war – der einzige Schwachpunkt der filmischen Adaption. Dabei spielt es
letztlich keine Rolle, ob sie tatsächlich untreu gewesen sind, denn allein die
Diskrepanz zwischen ihrem nach außen hin betonten moralischen Anspruch und
ihrer nicht eingestandenen Schwäche bringt sie in ihre zunehmend schwierigere Lage
– und droht so ihre intakte Ehe zu zerstören. Eine wie gewohnt mit leichter
Hand von Spoerl erzählte Geschichte, die dank der schnellen und witzigen
Dialoge der beiden sehr gut harmonierenden Hauptdarsteller höchst unterhaltend
gelingt – und ganz nebenbei eine Doppelmoral geißelt, die die tatsächlichen
menschlichen Bedürfnisse leugnet. Ein für seine Entstehungszeit gewagter Film,
dessen offenherziger Umgang mit der Sexualität auch der rheinländischen
Mentalität zu verdanken war, die der gebürtige Düsseldorfer Spoerl authentisch
wiederzugeben wusste.
weitere im Blog besprochene Filme von Carl Froelich:
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