Inhalt: Bernd Ziegenhals (Jürgen Prochnow) lebt in einem
kleinen Zimmer in einer Hinterhauswohnung in Kreuzberg zur Untermiete. Mehr
kann sich der gescheiterte Student nicht leisten, der vergeblich versucht,
einen Verlag für sein Buch zu finden. Als er einen kleinen Recherche-Job übernimmt,
entdeckt er zufällig, dass der renommierte Universitäts-Professor Kolczyk
(Klaus Schwarzkopf) seine Doktorarbeit nicht selbst geschrieben, sondern einen
englischen Text ins Deutsche übersetzt hatte. Er meldet sich in dessen Uni-Büro
an und konfrontiert ihn mit dieser Tatsache. Für sein Stillschweigen verlangt
er 10000 Mark und weitere monatliche Zahlungen.
Erste Begegnung: Professor und Ex-Student |
Kolczyk zahlt, macht aber kein Geheimnis daraus, dass er
sich das nicht dauerhaft gefallen lassen wird. Ziegenhals, der sein Geld in ein
Auto steckt und in eine bessere Gegend umzieht, unterschätzt den Professor, der
beginnt, in seinem Privatleben nachzuforschen. Dabei lernt er auch Miezi (Elke
Sommer) kennen, eine Prostituierte, die in Kreuzberg bis vor kurzem mit
Ziegenhals in einer Wohnung lebte. Doch bevor sich Kolczyk erneut mit ihr
treffen kann, wird Mieze ermordet aufgefunden, weshalb wenig später ein
Inspektor (Peter Schiff) der Berliner Polizei vor seiner Tür steht, der seinen
Namen in ihrem Kalender fand. Auch für Ziegenhals interessiert sich der Inspektor,
der erstaunt die hohe Zahlung des Professors an den jungen Mann registriert…
Bernd Ziegenhals (Jürgen Prochnow) ist wütend, sehr wütend.
Erneut erhielt er sein Buch-Manuskript zurück, Absage inclusive. Obwohl er sein
geisteswissenschaftliches Studium an der Freien Universität geschmissen hat,
sind nur die Anderen an seiner Misere schuld - als Untermieter von Opa Melzer
(Walter Gross) wohnt er in einem heruntergekommenen Altbau in Kreuzberg,
gemeinsam mit Miezi (Elke Sommer), die hier anschaffen geht. Die Hochphase der
68er Studentenproteste an der FU lag nur wenige Jahre zurück, als Horst
Bosetzkys unter dem Kürzel -ky seinen ersten Kriminalroman herausbrachte, den
Regisseur Wolfgang Petersen wiederum als Grundlage für seinen ersten Kinofilm
nahm - nur ist von einer klassenkämpferischen Attitüde hier nichts mehr zu
merken.
Ziegenhals (Jürgen Prochnow) mit der Professoren-Tochter (Kristina Nel) |
Dabei ist Bernd Ziegenhals der Idealtypus eines
studentischen Bürgerschrecks, wie er Anfang der 70er Jahre noch provozierte - längere Haare, saloppe Kleidung, keinen Job und ein
entspanntes Verhältnis gegenüber Kriminellen. Als er bei einem Quellenstudium
zufällig feststellt, dass der bekannte Professor Kolczyk (Klaus Schwarzkopf)
seine Doktorarbeit komplett abgeschrieben hatte - er hatte eine
us-amerikanische Arbeit einfach ins Deutsche übertragen - bedarf es keiner
großen Überwindung, ihn zu erpressen. Schuldgefühle gegenüber dem Professor
entwickeln sich auch nicht im weiteren Verlauf der Story. Im Gegenteil nimmt er
sich nur das, was ihm aus seiner Sicht zusteht. Mit Umverteilung von oben nach
unten oder der Demaskierung einer betrügerischen Elite hat das nichts zu tun -
von seinem erpressten Geld kauft sich Ziegenhals zuerst einen Mercedes und
zieht ins gutbürgerliche Zehlendorf.
Zuhälter Prötzel (Claus Theo Gärtner) macht Miezi (Elke Sommer) Ärger |
Dass es in Bosetzkys Kriminalroman auch einen Mord gibt,
erhöht nur die Dynamik in einem Duell auf Augenhöhe, dessen Ausgang bis zuletzt
offen bleibt. Darüber hinaus spielt er nur eine geringe Rolle. Claus Theo
Gärtner gab den Zuhälter so schmierig, dass dessen Schuld an Miezis Tod kaum in
Zweifel steht – zumindest im Kiez. Peter Schiff als ermittelnder Inspektor
interessiert sich dagegen mehr für Ziegenhals und Kolczyk, die Beide Miezi
kannten – und stört damit ihre zuerst noch austarierte Konstellation. Es ist
Jürgen Prochnows überzeugendem Spiel zu verdanken, dass der Erpresser Bernd
Ziegenhals nicht unsympathisch herüber kommt. Ihm gelang die Schere zwischen
lässigen Umgangsformen und intellektuellem Selbstverständnis, die sowohl seine
Beliebtheit bei seinem Vermieter und den Kleinkriminellen im Kreuzberger Kiez,
als auch seinen späteren Erfolg bei Ginny (Kristina Nel), der Tochter des
Professors, glaubwürdig werden ließ.
Kolczyk (Klaus Schwarzkopf) im Kreis seiner Familie |
Zu verdanken ist dieser Eindruck nicht zuletzt seinem
Gegenspieler, Professor Kolczyk, der schon bei der ersten Geldübergabe betont,
dass nur „Einer von uns beiden“ am Ende übrig bleiben wird. Zunehmend geht er
fanatischer vor, um seine gehobene gesellschaftliche Position zu verteidigen. Auf
diese Weise verschob Petersen die Sympathien langsam in Richtung des
verkrachten Studenten und damit entgegen der damaligen Erwartungshaltung, die
er allein schon durch die Besetzung der beiden Hauptrollen erzeugte. Während
Klaus Schwarzkopf seit Jahren zu den beliebtesten TV-Darstellern gehörte –
seine Verkörperung des „Tatort“ - Kommissars Finke zählt heute noch zu den herausragenden
Leistungen des Genres – war Prochnow ein Newcomer, der zwar faszinierte, aber anti-bürgerliche Typen spielte. In der „Tatort“ – Folge „Jagdrevier“ (1973)
hatte er erstmals gemeinsam mit Schwarzkopf unter Wolfgang Petersens Regie vor
der Kamera gestanden - als aus dem Gefängnis geflohener Mörder, dessen Fall
sich ebenfalls weniger eindeutig entwickelte als es zuerst schien.
Der Inspektor (Peter Schiff) |
Mehr als dass Prochnow in seiner Rolle an Sympathie gewann,
überraschte Klaus Schwarzkopfs Dekonstruktion eines hoch angesehenen Bürgers. Dazu
trugen auch die stimmigen Nebenfiguren bei. Während Ziegenhals im Umgang mit den
Menschen seiner Umgebung fair bleibt, kann sich Kolczyk nicht einmal mehr auf
seine Frau (Ulla Jacobsson) einlassen, die versucht, ihm die Angst vor dem
Ansehensverlust zu nehmen. Als sich Ziegenhals ernsthaft in die Tochter des
Professors verliebt, neigt sich die Waagschale endgültig in Richtung des Erpressers.
Ursache und Wirkung geraten in Vergessenheit, Ziegenhals‘ Verfehlungen
wirken angesichts der kriminellen Energie des Professors als lässliche
Sünde.
Treffen an der Mauer mit zwei Mercedes |
„Einer von uns beiden“ kommt ohne konkret formulierte
Gesellschaftskritik aus, zeitgenössische Aspekte scheinen angesichts eines rein
um Besitz und Ansehen geführten Duells nebensächlich. Doch das täuscht. Geschickt
spielte Petersen mit bürgerlichen und anti-bürgerlichen Klischees, manipulierte
Erwartungshaltungen und Gerechtigkeitsempfinden vor der Kulisse einer Stadt im
Umbruch. West-Berlin gibt ein unfertiges Bild ab, bestehend aus staubigen
Straßen inmitten sanierungsbedürftiger Altbauten, kleinbürgerlichen
Villen-Siedlungen, Betonplätzen entlang der Mauer und hohen
Stahlbetonskelettneubauten. Eine Stadt, auf der Suche nach einer eigenen
Identität – und damit das Abbild einer Gesellschaft im Wandel.
Schöne Neubauwelt in Gropiusstadt |
Als Bernd Ziegenhals dem Professor auf der Baustelle eines Hochhausblocks
in der Gropiusstadt voller Stolz erklärt, wo in seiner zukünftigen Wohnung die
Essecke und der Fernseher stehen wird, ist er endgültig zum Spießer mutiert,
ist nichts von seiner unangepassten Attitüde mehr übrig geblieben. Kolczyk
hingegen, angesehenes Mitglied der Gesellschaft, hat jede bürgerliche Moral
hinter sich gelassen und ist nur noch an seiner Rache interessiert. Sie haben
ihre Identitäten getauscht – gesellschaftskritischer in seiner zynischen Konsequenz konnte das Ende nicht sein.
"Einer von uns beiden" Deutschland 1973, Regie: Wolfgang Petersen, Drehbuch: Manfred Purzer, Hans Otto Besetzky (Roman), Darsteller : Klaus Schwarzkopf, Jürgen Prochnow, Elke Sommer, Berta Drews, Otto Sander, Ulla Jacobsson, Walter Gross, Christina Nel, Peter Schiff, Claus Theo Gärtner, Anita Kupsch, Laufzeit : 101 Minuten
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