Inhalt: Eva (Elke Sommer) verlässt die U-Bahn-Station und
eilt in hochhackigen Schuhen über die winterlichen Straßen Berlins zu einem
Termin. Ihr Aussehen ist gefragt bei der Vorstellung im Haus einer älteren Dame
(Blaženka Katalinić), von der sich Eva einen gut bezahlten Job erhofft. Ihre
Attraktivität überzeugt und sie erhält den Auftrag – 2000 DM bekommt sie
sofort, die restlichen 2000 nach Erledigung.
Schon am nächsten Tag fliegt sie nach Dalmatien an die
Adria-Küste, um dort als Urlauberin einzuchecken. Schnell lernt sie einen
jungen Einheimischen (Branimir Tori Jankovic) kennen, der sich näher für die
junge Blondine interessiert. Eva erwidert seine Avancen zwar nicht, freundet
sich aber mit ihm an und erfährt so, auf welcher der vielen kleinen Inseln sich
der von ihr gesuchte Mann (Peter van Eyck) befindet. Sie mietet sich ein Boot
und legt an dessen Rückzugsort an, muss aber feststellen, dass er sich nicht
nur verbarrikadiert hat, sondern auch die Hunde auf sie hetzt…
"Und das übrige…ist das auch echt?"
Die hübsche Blondine bejaht. Sie will den Job und das Geld,
denn sie mag die Dinge, die sie sich davon kaufen kann. Die eine Hälfte sofort,
die zweite bei Erfolg. Ihr Auftrag wird nicht genannt, aber der deutsche Filmtitel
lässt keinen Zweifel daran: "Verführung am Meer". Sie reist vom
winterlichen Berlin an die jugoslawische Adria-Küste. Schnell bekommt sie
Kontakt vor Ort, denn die junge als Urlauberin getarnte Deutsche weckt
Begehrlichkeiten, die sie für ihre Zwecke nutzen kann. Sie verfolgt eine klare
Strategie - ihre körperlichen Vorzüge am richtigen Ort so zu präsentieren, dass
sie der Zielperson ins Auge fallen. An dessen Reaktion hegt sie keinen Zweifel.
Das Wort "Prostitution" fällt nicht im Film, aber
die Unmoral ist mit Händen zu greifen. Elke Sommer ist "Eva" und sie
nähert sich dem Mann, um ihn aus dem Paradies zu vertreiben. Sie täuscht eine
Notlage vor, um den so herbei gelockten Peter (van Eyck) zum Sex zu verführen.
Er, der auf einem felsigen Eiland vor der Adria-Küste sein Refugium abseits der
Menschen gefunden hat, soll wieder in eine bürgerliche Existenz nach
Deutschland zurückkehren. Verlockt von dem einzigen, was ihm in seiner selbst
gewählten Einsamkeit vermeintlich fehlt - die Nähe zu einer Frau.
"Wer bist du?“ – „Ein Mann, und du?“ – „Eine Frau“
"Verführung am Meer" hätte eine böse, mahnende
Geschichte erzählen können über vorgetäuschte Gefühle und die zunehmende
sexuelle Verkommenheit in der Gesellschaft - Elke Sommer ("...und sowas nennt sich Leben", 1961) und Peter van Eyck ("Endstation 13 Sahara", 1963) besaßen ausreichend Erfahrung im Genre des Moralfilms -
doch der Film wählte einen anderen Weg. Eva und Peter kommen sich näher und die
junge Frau verliebt sich in den deutlich älteren Mann. Eine Entwicklung, die
wiederum reflexartig den Verdacht provoziert, hier handelte es sich um eine
lüsterne Alt-Herren-Fantasie, untermalt von den für diese Zeit offenherzigen
Bildern einer hübschen jungen Frau. Dieser Vorwurf will oder kann den
entscheidenden Unterschied zu einem solchen Männer-Traum vielleicht nicht
erkennen - nicht der Mann steht hier im Mittelpunkt, sondern die Frau, aus
deren Perspektive der Film erzählt wird.
Zwar entfaltet sich im Lauf der Handlung die Vergangenheit
Peters und werden seine Beweggründe deutlich, warum er an diesem einsamen Ort
lebt, aber sein Charakter erfährt keine Entwicklung. Ganz anders dagegen die
junge Frau, auch wenn der Betrachter bis zum Schluss kaum etwas über sie
weiß. Sie agiert, während er reagiert. Zuerst auf ihre Verführung, dann
auf das beginnende Liebesspiel bis zur Offenbarung ihrer ursprünglichen
Intention. Nicht der Mann ist es, der dank seiner moralischen und geistigen
Überlegenheit bzw. seines liebenswerten Wesens der Frau den richtigen Weg weist
– Grundvoraussetzung eines feuchten Männertraums – sondern sie selbst zieht
eigene Konsequenzen. Peter wäre ihr sonst wie geplant auf den Leim gegangen.
„Du spielst mit mir?“ – „Und warum nicht?“
„Verführung am Meer“ ist ein Wunder. Er moralisiert, wertet und
relativiert nicht, sondern erzählt eine einfache Geschichte inmitten einer in
ihrer felsigen Kargheit wunderschönen Landschaft. Die üblichen halbseidenen Assoziationen
– Sex, Nacktheit, junge Frau, älterer Mann – verfangen hier nicht, denn
„Verführung am Meer“ oder schlicht „Ostrva“ (Inseln), wie der Film auf
serbo-kroatisch heißt, ist tief im jungen jugoslawischen Kino der frühen 60er
Jahre verankert, das sich an der französischen „Nouvelle Vague“ orientierte. Im
Jahr zuvor hatte Regisseur Jovan Zivanovic die Romanverfilmung „Čudna devojka“
(Studentenliebe, 1962) herausgebracht – die Geschichte einer jungen Studentin,
die unangepasst und sexuell offensiv ihren eigenen Weg sucht. „Cudna devojka“
spielte vor dem Hintergrund der sozialistischen Gesellschaft in Jugoslawien und
war nur in der DDR in die Kinos gekommen, weshalb „Verführung am Meer“ – mit westdeutschen
Produktionsgeldern entstanden und den Filmstars Elke Sommer und Peter van Eyck
prominent besetzt - vordergründig wenig Gemeinsamkeiten mit seinem
Vorgängerfilm aufzuweisen scheint.
Spela Rozin in "Cudna devojka" (Studentenliebe, 1962) |
Tatsächlich überwiegen die Parallelen, denn Regisseur
Zivanovic versammelte dasselbe Kreativ-Team um sich - nur um den damaligen
Newcomer Rolf Schulz ergänzt, der für die deutschsprachigen Dialoge zuständig
war. Gemeinsam mit Drehbuchautor Jug Grizelj, Kameramann Stevan Miskovic,
Komponist Darko Kraljic und Cutterin Jelena Bjenjas variierte Zivanovic die in „Čudna
devojka“ verfilmte Story einer selbstbewussten jungen Frau neu – vor dem
Hintergrund einer Urlaubslandschaft und ohne offensichtliche Nähe zur
gesellschaftspolitischen Tagesaktualität. Besonders in der Gegenüberstellung
beider Filme wird deutlich, dass die Geschichte um Peter nur als Rahmen dient –
die Charakterisierung der jungen Frau und ihr Weg der Selbstfindung blieb dem
Geist von „Čudna devojka“ treu. Zivanovic betrachtete seine weiblichen
Protagonistinnen mit Sympathie und verurteilte ihre offene sexuelle Attitüde
nicht. Im Gegenteil erweisen sich Beide als intelligent und in der Lage ihr
eigenes Verhalten zu hinterfragen und zu korrigieren.
Damit widersprach „Verführung am Meer“ den damaligen
moralischen Standards, die einforderten, dass junge Frauen für ihr
promiskuitives Verhalten büßen sollten. Zumindest ihr Ruf wurde nachhaltig
beschädigt, wie auch ihre Auftraggeberin annimmt. Doch Eva ordnet sich nicht
unter, sondern behält die Hoheit über ihr Handeln – am Ende wirkt ihr Verhalten
moralischer als das der alten Dame. Unterstützt wurde Zivanovics Gespür für die
beginnenden soziokulturellen Veränderungen durch eine kontrastreiche
Bildsprache, deren Perspektiven die Menschen immer in Bezug zu ihrer
Umgebung setzen. Mal verleiht er ihnen Dominanz, mal bleiben sie im Hintergrund
oder assimilieren sich fast bis zur Unsichtbarkeit in der Landschaft. Obwohl
nur wenige Minuten zu Beginn ins Bild gerückt, vermittelt der Weg Evas durch
Berlin (auch wenn die Anordnung geografisch nicht logisch ist) eine
Verlorenheit, die ihre späteren Motive verständlich werden lässt.
In stilistischer Hinsicht ähnelt „Verführung am Meer“
seinem Vorgänger „Čudna devojka“, aber Regisseur Zivanovic konnte für den
westdeutschen Markt etwas mehr wagen – Elke Sommer inszenierte er in ihrer
Erotik konkreter als zuvor Spela Rozin. Beim Publikum geholfen hat es ebenso
wenig wie die Küstenlandschaft und die populäre Besetzung. Obwohl dem Film
seine inszenatorischen Qualitäten nicht abgesprochen wurden, lassen die wenigen
Kritiken die Unfähigkeit erkennen, sich auf die inneren Beziehungen der
Protagonisten, besonders aber auf die weibliche Hauptrolle einlassen zu wollen
- bis hin zu der zwar werbewirksamen, die Intention des Films massiv missverstehenden Bezeichnung
einer „modernen Robinsonade“. Sowohl „Čudna devojka“ (Studentenliebe) als auch
„Verführung am Meer“ waren hinsichtlich ihres Umgangs mit der Sexualität und
den Geschlechterrollen ihrer Zeit voraus – und sind es immer noch.
"Verführung am Meer" Deutschland, Jugoslawien 1963, Regie: Jovan Zivanovic, Drehbuch: Jug Grizelj, Rolf Schulz, Darsteller : Elke Sommer, Peter van Eyck, Blazenka Katalinic, Branimir Tori Jankovic, Laufzeit : 76 Minuten
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