Inhalt: Katja (Gila von Weitershausen) will einen
dreiwöchigen Urlaub bei ihrer Freundin Doris (Gudrun Vöge) in München verbringen. So die
offizielle Version für ihren Freund Dieter, den sie in Bamberg am Bahnhof
verabschiedet. Stattdessen sucht sie im liberalen Schwabing nach einer Wohnung,
um ihr selbst gewähltes Ziel zu erreichen – den Verlust ihrer Jungfernschaft. Doch
die Situation vor Ort erweist sich als schwieriger als erwartet. Freier
Wohnraum ist schwer zu bekommen, weshalb sie sich auf den Vorschlag von Gustl (Dieter
Augustin) einlässt, der sie in einem Lokal anspricht und ihr ein Zimmer in
seiner WG anbietet.
Dort wohnt auch Tim (Ulli Koch), der wechselnde
Damenbekanntschaften zu Besuch hat, die er zum immer gleichen Platten-Song
beglückt. Der Womanizer erscheint geradezu ideal, um auch Katjas Wünsche zu
erfüllen, weshalb sie sich ihm unverhohlen an den Hals schmeißt. Als sich ihr Zusammensein
komplizierter entwickelt als erwartet, erfährt er, dass Katja noch Jungfrau ist
– für ihn ein Grund, sofort das Handtuch zu schmeißen…
Katja (Gila von Weitershausen) verabschiedet sich am
Bamberger Bahnhof von ihrem Freund Dieter, um drei Wochen ihre Freundin Doris (Gudrun Vöge) in München zu besuchen. Doch die 19jährige hat ganz andere Pläne. Ihr Weg führt
sie nur aus einem Grund in die Großstadt - sie will keine Jungfrau mehr sein.
Oder wie sie es ausdrückt:
"Ich bin fällig"
Seitdem sind knapp 50 Jahre vergangen und Staub ist gefallen
auf Marran Gosovs ersten Langfilm, der wahlweise als
"Schwabing-Film", "Ausdruck des Vor-68er-Lebensgefühls"
oder "frühe Sex-Komödie" betrachtet wird. Am besten alles zusammen,
immer verbunden mit dem Blick in eine weit entfernte Zeit. Von einer jungen
Frau, die ihre Jungfernschaft loswerden will, lässt sich heute Niemand mehr
provozieren, abgesehen davon, dass eine solche Situation kaum noch vorstellbar
ist. Das Erstaunen aus männlicher Sicht ist entsprechend groß, warum es der
hübschen Katja nicht schneller gelingt, einen Kerl ins Bett zu bekommen, der
mit ihr schläft - eine Reaktion, die sich daraus erklärt, dass die enorme
Diskrepanz zwischen der damaligen bundesrepublikanischen Realität und dem hier
gezeigten lässigen Schwabinger Stadtteilleben inzwischen nur noch schwer
vorstellbar ist.
Dass Katja aus der Provinz in die Großstadt gekommen ist, ist
eine Untertreibung. Im Vergleich zu wenigen Großstadtzentren, war 1967 ganz
Deutschland Provinz, waren die Unterschiede zwischen Schwabing und einer Stadt mit 70000 Einwohnern
wie Bamberg weit größer als heute zwischen Berlin und einem abgelegenen Dorf.
Dass das muntere Bohème-Leben von Gustl (Dieter Augustin), Tim (Ulli Koch) und
dem Grafen (Hans Clarin) in der WG, in der sich auch Katja für drei Wochen
einquartiert, nicht der Norm entsprach, schimmert trotz der sehr
unangestrengten Inszenierung Gosovs immer durch. Wie an den fast zeitgleich in
Schwabing entstandenen "Zur Sache, Schätzchen" (1968) und "Der Griller" (1968) lässt sich auch an "Engelchen - oder die Jungfrau von
Bamberg" - trotz der individuellen Handschrift des jeweiligen Regisseurs -
sowohl die schon vor 1968 eintretende Modernisierung der Gesellschaft ablesen,
als auch die Widerstände, der diese ausgesetzt war.
Dafür bedurfte es weder konkreter Dramen, noch unliebsamer
Nachbarn, die sich über laute Musik beschweren. Schon der flappsig dahin
gesagte Satz von Doris angesichts eines sehr knappen Mini-Kleids, das sich
Katja in München kaufte, dafür würde sie in Bamberg gelyncht werden, genügte.
Das dieses Gedankengut auch in München nicht weit entfernt lag, hatte Peter
Fleischmann in seinem Anfang 1967 veröffentlichten Dokumentarfilm „Herbst der
Gammler“ eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Darin hatte er nicht nur die sich
dem Arbeitsleben entziehenden jungen Männer porträtiert, die von der
Gesellschaft verächtlich als „Gammler“ bezeichnet wurden, sondern auch die
Repressalien, denen sie in München ausgesetzt waren, die damals als „Hauptstadt
der Gammler“ galt.
Der schmale Grat zwischen konservativer Norm und beginnender
Liberalisierung zeigt sich aber besonders in der Thematik des Films. Als
unverheiratete Frau noch Jungfrau zu sein, war zu dieser Zeit keine Ausnahme,
sondern entsprach den bürgerlichen Moralvorstellungen. Die Reaktion der Männer,
vor Sex mit ihr zurückzuschrecken, nachdem sie davon erfahren hatten, lässt
sich beispielhaft an der von Christoph Wackernagel gespielten Nebenrolle
ablesen, der Katja gegenüber betont, er hätte noch seine gesamte Zukunft vor
sich. Der erste Sex mit einer jungen Frau kam damals noch einem Heiratsversprechen
gleich und damit großer Verantwortung - außer ein anderer Mann hatte die Sache zuvor
schon erledigt. Das damit verbundene Vorurteil gegenüber sexuell aktiven Frauen
wird in Gorovs Film nicht näher thematisiert, ist aber immer gegenwärtig, obwohl Katja trotz aller Bereitschaft wählerisch bleibt. Sie will Sex, fordert aber
auch Respekt ein.
„Engelchen oder die Jungfrau von Bamberg“ ist trotz seiner
Leichtigkeit weniger eine Komödie als eine Konfrontation – sowohl im Film, als
auch vor der Leinwand - mit einer Frau, die real nicht existieren durfte. Obwohl
ursprünglich Sabine Sinjen für die Rolle vorgesehen war, erweist sich Gila von
Weitershausen als ideale Besetzung, da sie trotz ihres scheinbar promiskuitiven
Verhaltens jederzeit ihre bürgerliche Ausstrahlung behält. Nicht ohne Grund
beginnt und endet der Film mit einem Blick auf den Glocken-Turm des Bamberger
Doms, denn Katja ist weder Vamp, noch Klassenkämpferin, wirkt mädchenhaft, aber nicht unterwürfig. Sie will auch nicht
ihre Beziehung zu ihrem Freund in Bamberg beenden und widersprach damit allen Stereotypen. Gorrov nahm der Sexualität das Anrüchige wie Provozierende und verlieh ihr einen natürlichen und
selbstverständlichen Charakter – die einzigen konkreten Nacktaufnahmen gelten
einem verliebten nackten Paar im Englischen Garten, dessen Duett im hochgewachsenen Gras keinen Voyeurismus bediente.
Unterstrichen von Jacques Loussiers Jazz-Musik, einem Dieter
Augustin in Hochform als hyperaktivem Erfinder und Ulli Koch als Womanizer, den
unerwartete Selbstzweifel befallen, schuf Gorov eine Atmosphäre unbegrenzter Freiheit,
die Wunder möglich werden lässt. Schließlich erledigt der „Graf“ den Job in
Katjas Sinn und erweist sich damit als einzig souveräne männliche Figur im Film.
„Vom Provinzhascherl zum Betthaserl…“
schrieb die „Abendzeitung“ im März 1968 und bewies damit,
dass sie nichts verstanden hatte – nichts ist Katja weniger als ein Betthaserl.
Aus diesen Worten sprachen allein die eigenen Vorurteile, die sich bis heute
gehalten haben. Und die ebenso zur Klassifizierung des Films als „frühe
Sex-Komödie“ führten, wie zu dem angeblichen Staub, der auf „Engelchen und die
Jungfrau von Bamberg“ liegen soll. Stattdessen schuf Marran Gosovs mit seinem Film
eine Utopie, die bis heute nicht eingetreten ist.
"Engelchen - oder die Jungfrau von Bamberg" Deutschland 1968, Regie: Marran Gosov, Drehbuch: Marran Gosov, Franz Geiger, Darsteller : Gila von Weitershausen, Dieter Augustin, Ulli Koch, Gudrun Vöge, Hans Clarin, Christof Wackernagel, Laufzeit : 82 Minuten
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