Dienstag, 18. Februar 2014

José Bénazéraf (1922 - 2012) Das Frühwerk des Erotik-Pioniers 1963 bis 1974

José Bénazéraf in "Le concerto de la peur"
Der 1922 in Marokko geborene französische Regisseur José Bénazéraf wurde ab Mitte der 70er Jahre zu einem der bekanntesten Vertreter pornographischer Langfilme, mit denen nach der Legalisierung der Pornographie versucht wurde explizit dargestellte Sexualität in eine schlüssige Handlung zu integrieren. Mit "Le bordel, 1ère époque; 1900" schuf er 1974 einen der ersten europäischen Genre-Vertreter, aber Neuland betrat er damit nicht. In seinem 1975 in Frankreich veröffentlichten Dokumentarfilm "Anthologie des scènes interdites érotiques et pornographiques de José Bénazéraf“ versammelte er Szenen, die er aus seinen in den 60er Jahren gedrehten Erotik-Film hatte herausschneiden müssen, mit denen er schon früh die Grenzbereiche in der Darstellung von Sexualität auslotete und die ihn zum stilprägenden Künstler des Erotik-Genres werden ließen.

Sein Einfluss auf das europäische Kino - speziell auf die deutschen Filmschaffenden – lässt sich früh feststellen. Bevor er seine erste Regiearbeit mit „L’éternité pour nous“ (Heißer Strand, 1963) vollendete, produzierte er „La fille de Hambourg“ (Das Mädchen aus Hamburg, 1959) mit Hildegard Knef und "La fête espagnole" (Bevor der Mensch zum Teufel geht, 1961) mit Peter van Eyck in der Hauptrolle, zu denen er auch das Drehbuch schrieb. Bénazéraf trat in der Regel in Personalunion als Regisseur, Drehbuchautor und Produzent auf, manchmal übernahm er auch kleinere Rollen wie in seinem zweiten Film „Le concerto de la peur“ (1963). Dieser und sein Erstling „L’éternité pour nous“ beinhalteten schon alle wesentlichen Merkmale seines Stils. Männer und Frauen werden in ihren Geschlechterrollen zu coolen Gangster-Typen und verführerischen Vamps hochstilisiert, daraufhin wieder demontiert und einsam oder tot zurückzulassen.

„…die Ziele und Reaktionen dieser Helden kommen nie über das Kindheits-Stadium hinaus. Ihre brutalen Auseinandersetzungen verbleiben in einem kindischen Charakter und die Absurdität ihrer Spiele kann nur zum Tod führen.“

"Joe Caligula"
Mit diesem persönlichen Statement begann José Bénazéraf seinen zweiten Film „Le concerto de la peur“ – eine Aussage, die als grundsätzlich für den Charakter seiner Filme gelten kann, die er in kühlen Schwarz-Weiß-Bildern umsetzte, die mit wenigen Dialogen und einer gezielt eingesetzten, nie einfach nur untermalenden Musik auskamen. Dass er für „Le concerto de la peur“ die Musik des Jazz-Trompeters Chet Baker auswählte, der sich Anfang der 60er Jahre in Paris aufhielt, unterstrich Bénazérafs Hang zu Melancholie und Selbstzerstörung. Das Leben des drogensüchtigen Musikers war ein ständiger Drahtseilakt zwischen Exzess und Tod, ähnlich wie das der Protagonisten in seinen Filmen. Die Erotik und damit auch deren optische Umsetzung entstanden innerhalb dieses Spannungsfelds und waren nie reiner Selbstzweck, sondern unterstrichen die aufgeheizte, Testosteron geschwängerte Situation. Geradezu prototypisch für Bénazéraf sind tanzende Frauen oder Striptease-Nummern, die parallel zur Handlung stattfinden, in diesem Moment aber zur eigentlichen Hauptattraktion werden.

"L'enfer dans la peau"
Sein fünfter Film „L’enfer dans la peau“ (Sexus, 1965) erscheint als ein auf das Wesentliche reduziertes Remake von „Le concerto de la peur“, auch im Rückgriff auf die Musik Chet Bakers, die hier sparsamer eingesetzt wurde. Doch zwischen diesen beiden Filmen entstanden noch zwei atypische Werke, die Bénazérafs entstehenden internationalen Einfluss widerspiegeln. Gemeinsam mit dem einschlägigen us-amerikanischen Produzenten Dick Randall („Il mondo di notte numero 3“ (Mondo di notte – Welt ohne Scham, 1963)) brachte er „Paris erotika“ (Sex mal Sex, 1963) heraus, in dem dieser einen Amerikaner mimt, der durch das nächtliche Paris irrt. Im Vergleich zu diesem dokumentarisch angehauchten Farbfilm, verbreitete die italienisch-französische Co-Produktion „Cover Girls“ (Cover Girls – die ganz teuren Mädchen, 1964), an der Stars wie Giorgia Moll und Claudio Gora beteiligt waren und junge, schöne Models wie Heidi Balzer an Schauplätzen in mehreren Ländern auftraten, internationales Flair. Nur konkrete Nacktaufnahmen existierten in diesem für ein breiteres Publikum gedachten Film nicht, an dem Bénazéraf erstmals nicht als Produzent beteiligt war.

"Cover Girls"
Doch Anpassung war nicht die Sache des eigenwilligen Regisseurs, der auch den „Cover Girls“ mit seinem Drehbuch einen unverwechselbaren Charakter verlieh, bevor er wieder zu seinen Ursprüngen zurückkehrte und nach „L’enfer dans la peau“ (auch bekannt unter dem Titel „La nuit la plus longue“ (Die sehr lange Nacht)) mit dem Agenten-Thriller „L’enfer sur la plage“ (1966) und der Gangster-Ballade „Joe Caligula – Du suif chez la dabes“ (1966) seinem Oevre zwei weitere ureigene Werke hinzufügte. Die zunehmende Professionalisierung seines Stils hinsichtlich Ausstattung, Bildsprache und Locations führte zu seinem von Erwin C.Dietrich produzierten deutsch-französischen Film „St.Pauli zwischen Nacht und Morgen“ (1967), der trotz des von Wolfgang Steinhardt verfassten Drehbuchs als eine Zusammenfassung der typischen Stilelemente Bénazérafs gelten kann.

"Frustration"
Damit steht der Film am Ende einer Epoche, nicht nur weil es sich um seinen letzten Schwarz-Weiß-Film handelte, sondern weil sich der Erotik-Film generell international durchzusetzen begann. Parallel entstanden immer mehr Kinofilme, die vordergründiger auf nackte Tatsachen setzten, weshalb mit "Un épais manteau de sang" (Heisse Haut, 1967) eine längere, auch von den gesellschaftlichen Veränderungen der späten 60er Jahre beeinflusste Phase begann, in der Bénazéraf Erotik mit politischen und philosophischen Betrachtungen verknüpfte. Nicht zufällig förderte er in dieser Zeit den jungen französischen Regisseur Jacques Scandelari, dessen zweiter Film „Le philosophie de la boudoire“ (Das Paradies, 1971) in der Verbindung erotischer Darstellungen und gesellschaftspolitischer Aspekte Parallelen zu Bénazérafs Werk aufweist. Als signifikant für die Übergangszeit zum Pornofilm kann sein 1971 entstandener Film „Frustration“ gelten, der seine erotischen Bilder mit der Kritik an bürgerlichen Moralvorstellungen verband.

Mit dem Grenzgänger zwischen Sex- und Pornofilm „Adolescence pervertie“ endete 1974 Bènazérafs Softcore-Phase. Die italienisch-französische Co-Produktion erinnert an „Cover Girls“, als ob der Regisseur nachholen wollte, was er dort an Nacktdarstellungen nicht umsetzen konnte. Die Einstellung von der Halle des Bahnhofgebäudes zu Beginn zitiert „Cover Girls“ direkt und schließt damit den Kreis einer Entwicklungsphase im erotischen Film, die maßgeblich von José Bénazéraf beeinflusst wurde.

I. Frühe Filme:

 1963 "L'éternité pour nous" (Heisser Strand)                     
 1963 "Un concerto de la peur"                                           
 1963 "Paris erotika" (Sex mal Sex)                                       (gemeinsam mit Dick Randall)
 1964 "Cover Girls" (Cover Girls - die ganz teuren Mädchen)     (italienisch-französische Co-Produktion)
 1965 "L'enfer dans la peau" (Sexus)                                   
 1966 "L'enfer sur la plage"                                                 
 1966 "Joe Caligula - Du suif chez la dabes"                     
 1967 "St. Pauli zwischen Nacht und Morgen"                     (deutsch-französische Co-Produktion)

"Le concerto de la peur"

















II. Übergangsphase:

1967 "Un épais manteau de sang" (Heisse Haut)                  (us-französische Co-Produktion)  
1970 "Le désirable et le sublime"                                        
1971 "Frustration"                                                                
1972 "The french love" 
1972 "Racism"                                                                       (us-Produktion)
1973 "Le sex nu" (Naked Sex)
1974 "Adolescence pervertie"                                              (italienisch-französische Co-Produktion)       

III. Hardcore - Filme:                                

1974 "L'homme qui voulait violer le monde"
1974 "Le bordel, 1èré époque; 1900"
1975 "Anthologie des scènes interdites érotiques et pornographiques de José Bénazéraf"

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