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José Bénazéraf in "Le concerto de la peur" |
Der 1922 in
Marokko geborene französische Regisseur José Bénazéraf wurde ab Mitte der 70er
Jahre zu einem der bekanntesten Vertreter pornographischer Langfilme, mit denen
nach der Legalisierung der Pornographie versucht wurde explizit dargestellte
Sexualität in eine schlüssige Handlung zu integrieren. Mit "Le bordel,
1ère époque; 1900" schuf er 1974 einen der ersten europäischen
Genre-Vertreter, aber Neuland betrat er damit nicht. In seinem 1975 in
Frankreich veröffentlichten Dokumentarfilm "Anthologie des scènes
interdites érotiques et pornographiques de José Bénazéraf“ versammelte er
Szenen, die er aus seinen in den 60er Jahren gedrehten Erotik-Film hatte
herausschneiden müssen, mit denen er schon früh die Grenzbereiche in der Darstellung
von Sexualität auslotete und die ihn zum stilprägenden Künstler des
Erotik-Genres werden ließen.
Sein
Einfluss auf das europäische Kino - speziell auf die deutschen Filmschaffenden
– lässt sich früh feststellen. Bevor er seine erste Regiearbeit mit „L’éternité
pour nous“ (Heißer Strand, 1963) vollendete, produzierte er „La fille de
Hambourg“ (Das Mädchen aus Hamburg, 1959) mit Hildegard Knef und "La fête
espagnole" (Bevor der Mensch zum Teufel geht, 1961) mit Peter van Eyck in der Hauptrolle, zu denen er auch
das Drehbuch schrieb. Bénazéraf trat in der
Regel in Personalunion als Regisseur, Drehbuchautor und Produzent auf, manchmal
übernahm er auch kleinere Rollen wie in seinem zweiten Film „Le concerto de la
peur“ (1963). Dieser und sein Erstling „L’éternité pour nous“ beinhalteten
schon alle wesentlichen Merkmale seines Stils. Männer und Frauen werden in
ihren Geschlechterrollen zu coolen Gangster-Typen und verführerischen Vamps hochstilisiert,
daraufhin wieder demontiert und einsam oder tot zurückzulassen.
„…die Ziele und Reaktionen dieser Helden kommen
nie über das Kindheits-Stadium hinaus. Ihre brutalen Auseinandersetzungen
verbleiben in einem kindischen Charakter und die Absurdität ihrer Spiele kann
nur zum Tod führen.“
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"Joe Caligula" |
Mit diesem persönlichen Statement begann José Bénazéraf
seinen zweiten Film „Le concerto de la peur“ – eine Aussage, die als
grundsätzlich für den Charakter seiner Filme gelten kann, die er in kühlen
Schwarz-Weiß-Bildern umsetzte, die mit wenigen Dialogen und einer gezielt
eingesetzten, nie einfach nur untermalenden Musik auskamen. Dass er für „Le
concerto de la peur“ die Musik des Jazz-Trompeters Chet Baker auswählte, der
sich Anfang der 60er Jahre in Paris aufhielt, unterstrich Bénazérafs Hang zu
Melancholie und Selbstzerstörung. Das Leben des drogensüchtigen Musikers war
ein ständiger Drahtseilakt zwischen Exzess und Tod, ähnlich wie das der
Protagonisten in seinen Filmen. Die Erotik und damit auch deren optische
Umsetzung entstanden innerhalb dieses Spannungsfelds und waren nie reiner
Selbstzweck, sondern unterstrichen die aufgeheizte, Testosteron geschwängerte
Situation. Geradezu prototypisch für Bénazéraf sind tanzende Frauen oder
Striptease-Nummern, die parallel zur Handlung stattfinden, in
diesem Moment aber zur eigentlichen Hauptattraktion werden.
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"L'enfer dans la peau" |
Sein fünfter Film „L’enfer dans la peau“ (Sexus,
1965) erscheint als ein auf das Wesentliche reduziertes Remake von „Le concerto
de la peur“, auch im Rückgriff auf die Musik Chet Bakers, die hier sparsamer
eingesetzt wurde. Doch zwischen diesen beiden Filmen entstanden noch zwei
atypische Werke, die Bénazérafs entstehenden internationalen Einfluss
widerspiegeln. Gemeinsam mit dem einschlägigen us-amerikanischen Produzenten
Dick Randall („Il mondo di notte numero 3“ (Mondo di notte – Welt ohne Scham,
1963)) brachte er „Paris erotika“ (Sex mal Sex, 1963) heraus, in dem dieser
einen Amerikaner mimt, der durch das nächtliche Paris irrt. Im Vergleich zu
diesem dokumentarisch angehauchten Farbfilm, verbreitete die
italienisch-französische Co-Produktion „Cover Girls“ (Cover Girls – die ganz
teuren Mädchen, 1964), an der Stars wie Giorgia Moll und Claudio Gora beteiligt
waren und junge, schöne Models wie Heidi Balzer an Schauplätzen in mehreren
Ländern auftraten, internationales Flair. Nur konkrete Nacktaufnahmen
existierten in diesem für ein breiteres Publikum gedachten Film nicht, an dem
Bénazéraf erstmals nicht als Produzent beteiligt war.
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"Cover Girls" |
Doch Anpassung war nicht die Sache des
eigenwilligen Regisseurs, der auch den „Cover Girls“ mit seinem Drehbuch einen
unverwechselbaren Charakter verlieh, bevor er wieder zu seinen Ursprüngen
zurückkehrte und nach „L’enfer dans la peau“ (auch bekannt unter dem Titel „La
nuit la plus longue“ (Die sehr lange Nacht)) mit dem Agenten-Thriller „L’enfer
sur la plage“ (1966) und der Gangster-Ballade „Joe Caligula – Du suif chez la
dabes“ (1966) seinem Oevre zwei weitere ureigene Werke hinzufügte. Die
zunehmende Professionalisierung seines Stils hinsichtlich Ausstattung,
Bildsprache und Locations führte zu seinem von Erwin C.Dietrich produzierten
deutsch-französischen Film „St.Pauli zwischen Nacht und Morgen“ (1967), der
trotz des von Wolfgang Steinhardt verfassten Drehbuchs als eine Zusammenfassung
der typischen Stilelemente Bénazérafs gelten kann.
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"Frustration" |
Damit steht der Film am Ende einer Epoche, nicht
nur weil es sich um seinen letzten Schwarz-Weiß-Film handelte, sondern weil
sich der Erotik-Film generell international durchzusetzen begann. Parallel
entstanden immer mehr Kinofilme, die vordergründiger auf nackte Tatsachen
setzten, weshalb mit "Un épais manteau de sang" (Heisse Haut, 1967) eine
längere, auch von den gesellschaftlichen Veränderungen der späten 60er Jahre
beeinflusste Phase begann, in der Bénazéraf Erotik mit politischen und
philosophischen Betrachtungen verknüpfte. Nicht zufällig förderte er in dieser
Zeit den jungen französischen Regisseur Jacques Scandelari, dessen zweiter Film
„Le philosophie de la boudoire“ (Das Paradies, 1971) in der Verbindung
erotischer Darstellungen und gesellschaftspolitischer Aspekte Parallelen zu
Bénazérafs Werk aufweist. Als signifikant für die Übergangszeit zum Pornofilm
kann sein 1971 entstandener Film „Frustration“ gelten, der seine erotischen
Bilder mit der Kritik an bürgerlichen Moralvorstellungen verband.
Mit dem Grenzgänger zwischen Sex- und Pornofilm
„Adolescence pervertie“ endete 1974 Bènazérafs Softcore-Phase. Die italienisch-französische Co-Produktion erinnert an „Cover Girls“, als ob
der Regisseur nachholen wollte, was er dort an Nacktdarstellungen nicht umsetzen
konnte. Die Einstellung von der Halle des Bahnhofgebäudes zu Beginn zitiert „Cover Girls“
direkt und schließt damit den Kreis einer Entwicklungsphase im erotischen Film,
die maßgeblich von José Bénazéraf beeinflusst wurde.
I. Frühe Filme:
1963 "L'éternité pour nous" (Heisser Strand)
1963 "Un concerto de la peur"
1963 "Paris erotika" (Sex mal Sex) (gemeinsam mit Dick Randall)
1964 "Cover Girls" (Cover Girls - die ganz teuren Mädchen) (italienisch-französische Co-Produktion)
1965 "L'enfer dans la peau" (Sexus)
1966 "L'enfer sur la plage"
1966 "Joe Caligula - Du suif chez la dabes"
1967 "St. Pauli zwischen Nacht und Morgen" (deutsch-französische Co-Produktion)
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"Le concerto de la peur" |
II. Übergangsphase:
1967 "Un épais manteau de sang" (Heisse Haut) (us-französische Co-Produktion)
1970 "Le désirable et le sublime"
1971 "Frustration"
1972 "The french love"
1972 "Racism" (us-Produktion)
1973 "Le sex nu" (Naked Sex)
1974 "Adolescence pervertie" (italienisch-französische Co-Produktion)
III. Hardcore - Filme:
1974 "L'homme qui voulait violer le monde"
1974 "Le bordel, 1èré époque; 1900"
1975 "Anthologie des scènes interdites érotiques et pornographiques de José Bénazéraf"
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