Inhalt: Hanna
(Heidemarie Hatheyer) kann ihre Freude über die Berufung ihres Mannes, Professor
Thomas Heyt (Paul Hartmann), an das renommierte Münchner Pettenkofer-Institut
kaum zurückhalten. Vor Temperament überquellend lädt sie spontan ihren
Freundeskreis ein, begleitet von ihrer kopfschüttelnden Hausdame (Margarete Haagen) , die die
Tochter aus reichem Hause nach dem Tod ihrer Mutter von Klein auf erzogen
hatte. Selbst Hannas großer Bruder, der ihrem Ehemann immer skeptisch
gegenüberstand, zeigt sich angesichts des Erfolgs seines Schwagers einsichtig,
nur Dr. Bernhardt Lang (Mathias Wieman), der älteste Freund des Paares, selbst
einmal in Hanna verliebt, verspätet sich.
Er musste
noch dringend nach einem schwer erkrankten Neugeborenen sehen, weshalb er wenig
Feierlaune mitbringt. Trotzdem lässt er sich von Hanna dazu überreden, mit ihr
und ihrem Mann gemeinsam zu musizieren. Zuerst erklingt ihr Trio in gewohnter
Qualität, doch dann versagt mehrfach Hannas Hand am Klavier, so dass sie
abbrechen müssen. Die junge Frau verspricht ihrem Mann, sich von Bernhardt
untersuchen zu lassen, ohne die Sache allzu ernst zu nehmen, denn sie vermutet,
schwanger zu sein. Doch Bernhardts Diagnose bedeutet ihr wahrscheinliches
Todesurteil…
Regisseur
Wolfgang Liebeneiner inszenierte 1947, kurz nach dem Krieg, die Uraufführung
von "Draußen vor der Tür" an den Hamburger Kammerspielen, ein
exemplarisches Werk der kritischen deutschen Nachkriegsliteratur, das nach dem
frühen Tod seines Autors Wolfgang Borchert zu Berühmtheit gelangte. Dessen Beschreibung
eines Kriegsheimkehrer-Schicksals verfilmte Liebeneiner zwei Jahre später in "Liebe
47" (1949) - der erneute Startschuss eines intensiven Filmschaffens, mit
dem er fast nahtlos an seine erfolgreiche Karriere während der Zeit des
Nationalsozialismus anknüpfte. Begonnen hatte er unter anderen mit zwei
Rühmann-Komödien ("Der Mustergatte" (1937) und "Der Florentiner
Hut" (1939)), bevor er eng mit dem Propaganda-Ministerium
zusammenarbeitete, Produktionschef der UFA wurde und von Joseph Goebbels 1943
den Professoren-Titel verliehen bekam.
Es entbehrt
nicht einer gewissen Ironie, dass Liebeneiner schon 1945 als Theaterregisseur
weiter arbeiten durfte und sich wenig später eines Autors wie Wolfgang Borchert
annahm, der mehrfach wegen seiner kritischen Haltung gegenüber der NSDAP und
Wehrkraftzersetzung im Gefängnis saß. Zu verdanken hatte Liebeneiner diese Möglichkeit
der Tatsache, dass seine zwei Filme über Bismarck ("Bismarck" (1940)
und "Die Entlassung" (1942)) zwar als historisch verfälschend, aber
minderschwere Propagandafilme eingeordnet wurden. Seine Mitwirkung am
Durchhalte-Film "Kolberg" (1945) war nicht offiziell und der
unvollendete, in den letzten Kriegsmonaten gedrehte "Das Leben geht
weiter" (1945) gilt als verschollen. Einzig der 1941 zwischen den
Bismarck-Filmen entstandene "Ich klage an" darf heute als
"Vorbehaltsfilm" nur beschränkt und unter pädagogischer Anleitung in
Deutschland gezeigt werden, verfügt aber weder über antisemitische, noch
kriegstreiberische Tendenzen, weshalb er Liebeneiner nach dem Ende der
Nazi-Diktatur nicht belastete.
In
Unkenntnis der Zusammenhänge während seiner Entstehungszeit, ließe sich
"Ich klage an" als engagierter Beitrag zu der nach wie vor aktuellen
Diskussion über das Recht zur "aktiven Sterbehilfe" betrachten, zudem
ausgezeichnet gespielt, straff inszeniert und trotz seiner zweistündigen Länge
bis zum Schluss die Spannung hochhaltend. Gehört das erste Drittel des Films
dem Glück des erfolgreichen, gerade an das renommierte Pettenkofer-Institut
nach München berufenen Mediziners Professor Thomas Heyt (Paul Hartmann) und
seiner jungen, lebenslustigen Frau Hanna (Heidemarie Hatheyer), die spontan
eine Feier zu seinen Ehren veranstaltet, beschreibt der Film in seinem zweiten
Drittel die Zerstörung ihres Lebenstraums durch ihr fortschreitendes Siechtum.
In dieser Phase hält der Film das Gleichgewicht zwischen Drama und Action, in
dem er Hannas Todeskampf mit dem verzweifelten Versuch des Forscherteams um
Professor Heyt, ein Mittel gegen die Multiple Sklerose zu entdecken, verzahnt,
bevor das letzte Drittel zum klassischen Gerichts-Drama mutiert bis zum
abschließenden emotionalen Schluss-Plädoyer des Angeklagten.
Wolfgang
Liebeneiner entwickelte aus der Romanvorlage "Sendung und Gewissen"
des Mediziners Hellmuth Unger, Mitglied des Reichsausschusses zur Erfassung
Erb- und Anlagebedingter Schwerer Leiden, ein geschickt manipulierendes
Drehbuch, dass seine wohlwollende Haltung für die aktive Sterbehilfe
strategisch und Gegenargumenten vorgreifend aufbaute. Mit Heidemarie Hatheyer
wählte Liebeneiner eine Darstellerin, die sich als kraftstrotzende und
eigenständig handelnde junge Frau in "Die Geierwally" (1940) einen
Namen gemacht hatte, womit er ihrer Position als um Sterbehilfe bettelnde
Todgeweihte die Passivität nahm. Hanna handelt nicht als Opfer, sondern im
Bewusstsein, nicht mehr ihre Funktion ausfüllen zu können - ihr Tod wird im
Film als Befreiung gezeigt, als erlösender Akt in den Armen des geliebten
Mannes. Dass es sich bei diesem um einen renommierten Arzt handelt, zudem
Leiter eines aus Koryphäen bestehenden Forscherteams, sollte die theoretische
Möglichkeit einer Heilung ausschließen - wenn sie es nicht schaffen, dann
Niemand.
Doch das
hätte nicht genügt, seinen Akt, ihr Gift zu verabreichen, zu legitimieren,
weshalb mit Dr. Bernhardt Lang (Mathias Wieman) ein zweiter, der Sterbehilfe
ablehnend gegenüber stehender Arzt, dem Ehepaar zur Seite gestellt wurde. Bei
der Feier zu Beginn treten sie gemeinsam als musikalisches Trio auf, um ihre
enge Zusammengehörigkeit zu demonstrieren, aber Bernhardt Langs Rolle ist ihre
Konstruiertheit deutlich anzumerken. Hannas Äußerung ihm gegenüber, sie hätte
ihn geheiratet, hätte er sie gefragt, bevor sie ihren jetzigen Mann traf, kann nur
als Kränkung des nach wie vor von ihr begeisterten Mannes verstanden werden und
passt nicht zu ihrem freundlichen Wesen. Ebenso unprofessionell ist die Aussage
ihres sonst so seriösen Mannes, der Bernhardts erschütternde Diagnose, Hanna
hätte Multiple Sklerose, auf dessen Eifersucht zurückführt, obwohl sich deren
Wahrheitsgehalt schon in der nächsten Szene herausstellt.
Liebeneiner
wollte damit die Zögerlichkeit und Unsicherheit des praktizierenden Arztes
betonen, der schon nicht in der Lage war, die geliebte Frau zu erobern, obwohl
er die beste Ausgangssituation besaß. Professor Heyt wird dagegen als Mann der
Tat charakterisiert, der sich auch von Ablehnung und Skepsis nicht abschrecken
ließ, wie sie ihm wiederholt in seinem Berufs- und Privatleben widerfahren war
- zu unrecht, wie seine Berufung an das Pettenkofer-Institut suggerieren soll.
Während die Liebe zwischen dem Professor und seiner Frau im Film mehrfach
idealisiert wird, um den Vorwurf eigennütziger Intentionen auszuschließen, wird
Dr. Lang parallel mit dem Schicksal eines Säuglings konfrontiert, dessen Leben
er mit allen Mitteln der Medizin zu retten versucht, dabei aber nicht
verhindern kann, dass das kleine Mädchen schwere Nebenwirkungen am Gehirn
erleidet. Hatten die Eltern ihn zuvor gebeten, alles für die Heilung des Kindes
zu unternehmen, beknien sie ihn jetzt, dessen Leben ein Ende zu bereiten.
Angesichts des elenden Zustands des Kindes überdenkt Dr. Lang seine Meinung.
Die
Nationalsozialisten hatten 1940 begonnen, systematisch aus ihrer Sicht
„unwertes Leben“ zu vernichten, da dieses dem propagierten Rassenideal nicht
entsprach. Bis 1941 wurden ca. 70000 Behinderte und sonstige „unerwünschte
Elemente“ in der „Aktion T4“ auf Basis von Gutachten in sogenannten
„Euthanasie“ - Anstalten ermordet, bis der Unmut in der Bevölkerung wuchs. Offiziell
wurde die Aktion daraufhin beendet, heimlich aber weiter geführt. An dieser
Schnittstelle entstand „Ich klage an“, um eine positive Stimmung für das als
„aktive Sterbehilfe“ verklausulierte Euthanasie-Programm zu erzeugen. Dem Film
ist diese direkte Verbindung oberflächlich nicht anzumerken, denn Joseph
Goebbels ließ die Urfassung ändern, um jeden politischen Bezug zu vermeiden.
Die Gerichtsverhandlung wirkt fast absurd in der Abwesenheit
nationalsozialistischer Insignien und geprägt von einer toleranten Haltung.
Auch ohne
das Wissen über diese historischen Zusammenhänge – ganz konkret wird im Film
eine Kommission zur Entscheidung über Sterbehilfe vorgeschlagen, da den Ärzten
diese Verantwortung nicht zugemutet werden könnte – und trotz der
unterschwelligen Manipulation entlarvt der Film unfreiwillig das dahinter
stehende unmenschliche System. Es wird zwar viel von Liebe und Aufopferung
geredet, aber immer nur im Zusammenhang mit einem funktionierenden, sinnvollen
Leben. Schwäche, Krankheit, Behinderung oder Niedergang besitzen keinen Wert,
sondern geben nur Anlass, den Menschen von seinem Leiden zu erlösen.
Hier an zwei extremen, unheilbaren und einen allgemeinen Konsens anstrebenden Beispielen
exerziert. Doch sowohl an der geänderten Haltung der Säuglings-Mutter, als auch
an der Hilfestellung des Ehemanns bleibt die Rationalität haften, mit der die
Entscheidung über den Wert eines Lebens abgewogen wurde. Intuitiv, verrückt,
unlogisch oder bedingungslos – und damit schlicht menschlich – ist nichts in
diesem kalten, berechnenden Film.
"Ich klage an" Deutschland 1941, Regie: Wolfgang Liebeneiner, Drehbuch: Wolfgang Liebeneiner, Eberhard Frowein, Hellmuth Unger (Roman), Darsteller : Heidemarie Hatheyer, Paul Hartmann, Mathias Wieman, Margarete Haagen, Albert Florath, Erich Ponto, Hans Nielsen, Laufzeit : 119 Minuten
weitere im Blog besprochene Filme von Wolfgang Liebeneiner:
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