Inhalt: Irene (Karin Baal) verbringt ihre Zeit meistens in
einem angesagten Musik-Club, wo sie nicht nur den Chef Mario (Claus Wilcke),
sondern auch die Musiker der jeden Abend aufspielenden Kapelle bestens kennt.
Es ist kein Geheimnis, dass sie mit fast allen schon im Bett war, nur der
Klavier-Student Martin (Michael Hinz), der sie liebt, wird von ihr
zurückgewiesen. Außer sie braucht ein schickes Auto. Als sie ihr Freundin
Britta (Elke Sommer) am Busbahnhof abholen will, ist Martin gerade Recht, um
mit dem Cabriolet seines reichen Vaters (Wolfgang Lukschy) den Chauffeur
spielen zu dürfen.
Für Irene ist der junge Mann ein Schwächling, was sie ihm erneut
beweist, als es nach einem Streit zu einem Boxkampf zwischen ihm und dem
kräftigen Bob (Karl-Otto Alberty) kommt. Sie verspricht Bob, mit ihm zu
schlafen, wenn er absichtlich gegen Martin verliert. Eine Gelegenheit, die sich
dieser nicht entgehen lässt und die Irene später Martin gegenüber zum Besten
gibt. Doch sie merkt nicht, dass sie immer mehr an Rückhalt in ihrer Umgebung
verliert…
Die genetische Linie von "Die Halbstarken" (1956),
dem ersten Film, der sich konkret mit den Auswirkungen der sozialen
Veränderungen auf die Heranwachsenden in der Nachkriegszeit auseinandersetzte,
zu "...und sowas nennt sich Leben" lässt sich leicht herstellen.
Beide Filme wurden von Arthur Brauner produziert, Komponist Martin Böttcher
zitierte seine eigene Filmmusik und populäre Jung-Schauspieler gaben sich in
der Besetzungsliste ein Stelldichein, von denen einige schon Einsätze im
moralisch-pädagogisch motivierten Film der späten 50er Jahre vorzuweisen
hatten. Darunter Claus Wilcke ("Verbrechen nach Schulschluss"
(1958)), Elke Sommer ("Am Tag als der Regen kam" (1959)) und
besonders Karin Baal, die seit ihrer Hauptrolle an der Seite von Horst Buchholz
in "Die Halbstarken" auf die Rolle gefährdeter junger Frauen
("Der Jugendrichter", 1960) festgelegt schien. Doch die vergangenen
fünf Jahre waren auch an den Jugend-Dramen nicht spurlos vorüber gegangen. Die
Modernisierung der Gesellschaft schritt so schnell voran, dass die in "Die Halbstarken" ausgesprochenen Warnungen aus Sicht des Jahres 1961
altmodisch wirken mussten.
Ob diese rasche Entwicklung Autor Willy Clever nach 10
Jahren ("Heidelberger Romanze" (1951)) noch ein letztes Mal dazu
motivierte, ein Drehbuch zu verfassen, bleibt Spekulation, aber offensichtlich
wollte er die ganz große Keule schwingen. Schon in der ersten Szene, in der
eine junge Frau (Hannelore Elsner) nach einem Selbstmordversuch ins Krankenhaus
gefahren wird - später stellt sich heraus, dass sie die Sache nur eingefädelt
hatte, um ein Auto zu erpressen - erwähnt der Krankenpfleger, sie wäre schon
der vierte Fall an diesem Tag. Ein ebenso gewöhnlicher Vorgang in der Großstadt
(die Handlung spielt in Frankfurt/Main, gedreht wurde in Berlin) wie die
ausschließlich materiell motivierten Taten fast aller Beteiligten.
Was zählt ist ein schicker Wagen und die dicke Kohle, andere
Kriterien werden weder bei der Partnerwahl, noch bei der Freizeitgestaltung
berücksichtigt. Geldsorgen wie noch in „Die Halbstarken“ scheinen dagegen passé.
Das Thema Beruf bleibt entsprechend Nebensache, sieht man von Britta (Elke
Sommer) ab, die als Mannequin jobbt. Nur die Elterngeneration sorgt für das
notwendige Kleingeld, macht aber auch keine gute Figur. Der Witwer Dr. Bernhard
Dirks (Alfred Balthoff), Vater von Irene (Karin Baal), ist weltfremd und merkt
nicht, was seine Tochter treibt, und Martins Vater, Bauunternehmer Berger (Wolfgang
Lukschy), toppt noch die jungen Leute in Sachen Rücksichtslosigkeit - besonders
hinsichtlich seines Frauenverschleißes.
So vielfältig diese Verflechtungen klingen, in „…und sowas
nennt sich Leben“ geht es vor allem um Sex. Genauer um die Warnung an die
weibliche Jugend vor der Gefahr, ihren guten Ruf zu verlieren. Wolfgang Lukschy
gab zwar gewohnt überzeugend einen egoistischen Chauvinisten, aber keineswegs
eine gescheiterte Figur. Im Gegenteil wirkt der erfolgreiche Bauunternehmer mit
sich im Reinen, nur etwas genervt von seiner Ehefrau (Heli Finkenzeller) und
dem aus seiner Sicht zu weichen Sohn Martin (Michael Hinz). Als er ihm zu
verstehen gibt, dass für ihn eine Frau wie Irene, die mit jedem Kerl ins Bett
geht, nicht in Frage käme – er selbst ließ sich auch einmal von ihr verführen – dann
zeigt sich darin nicht nur seine eigene Doppelmoral, sondern die vorherrschende
Meinung in der Gesellschaft. Nicht er steht in der Kritik, sondern die Frauen,
die so dumm sind, sich auf einen wie ihn einzulassen. Sie müssen sich nicht
wundern, dann als Huren zu gelten.
Obwohl abwechslungsreich von Géza von Radványi inszeniert, geriet „…und
sowas nennt sich Leben“ als einer der letzten Vertreter der 50er Jahre-Moral-Filme
schnell in Vergessenheit - vielleicht weil er keine positive Alternative mehr anbot,
sondern das pessimistische Bild einer materialistischen Nachkriegsgesellschaft
zeichnete. Etwas, das den Film aus heutiger Sicht sehr interessant macht. Während
„Die Frühreifen“ (1957) der im Film angeprangerten jugendlichen Dekadenz eine
fleißige, moralisch ehrbare Jugend gegenüberstellte, existieren solche Charaktere
hier nicht mehr. Weder ein engagierter Lehrer („Der Pauker“ (1958)) oder
verständnisvoller Pfarrer („Alle Sünden dieser Erde“ (1958)) verirrte sich noch
in ein Geschehen, dass die wenigen „Anständigen“ zu Verlierern werden ließ. Martins
Charakter eines musisch veranlagten Muttersöhnchens eignete sich nicht als
Identifikationsfigur, auch seine verzweifelte Moralpredigt am Ende im
Musik-Club verfehlt ihre Wirkung. Und Heli Finkenzeller in der Rolle seiner
Mutter, die in "Wegen Verführung Minderjähriger" (1960) noch
unerschütterlich an der Seite ihres beschuldigten Ehemanns stand, lebt
ausschließlich für ihren Sohn - nicht mehr in der Lage, sich ihrem sie schamlos
betrügenden Mann entgegen zu stellen. Als Vorbild taugt auch sie nicht.
"...und sowas nennt sich Leben" Deutschland 1961, Regie: Géza von Radványi, Drehbuch: Fritz Clever, Darsteller : Karin Baal, Michael Hinz, Wolfgang Lukschy, Heli Finkenzeller, Elke Sommer, Claus Wilcke, Hannelore Elsner, Ilse Pagé, Karl-Otto Alberty, Laufzeit : 91 Minuten
weitere im Blog besprochene Filme von Géza von Radványi:
"Das Schloss in Tirol" (1957)
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