Inhalt: Während sie die Reizwäsche ihrer Mitinsassinnen der
Erziehungsanstalt von der Trockenleine holt, erzählt Uschi (Elke Aberle) der
Neuen, was deren Besitzerinnen so alles auf dem Kerbholz haben – Prostitution,
Stripteasetänzerin oder die Verkuppelung von Klassenkameradinnen an alte
Männer. Nur bei Karin (Heidelinde Weis) zögert sie, denn deren Schuld ist nicht
nur ein großes Geheimnis, sondern sie gilt als besonders schwieriger Fall,
weshalb sie von der Heimleitung in einem Einzelzimmer eingesperrt wurde.
Deshalb wird sie auch nicht Zeuge der Ankunft des neuen
Pfarrers (Harald Leipnitz), der mit frischen, neuen Ideen der weiblichen Jugend den
rechten Weg weisen will und sogleich eine überzeugende Vorstellung seines
Könnens gibt. Er greift zur Gitarre und veranlasst die Mädchen mit schmissigen
Rhythmen zum gemeinsamen Singen. Dass er diese Stellung antrat, hatte er Karin
zu verdanken, die seinen Vorgänger vergrault hatte. Und sie lässt keinen
Zweifel daran, auch ihn möglichst schnell wieder loswerden zu wollen…
Schon in der unmittelbaren Nachkriegszeit, noch vor der
Konstituierung der beiden deutschen Staaten, entstanden erste Filme, die
konkret an die Moral der Jugendlichen appellierten. Offensichtlich galt es
einer möglichen Kriminalisierung innerhalb dieser unsicheren und noch wenig
regulierten Phase entgegenzuwirken, denn Filme wie "Wege im
Zwielicht" (1948) oder "Mädchen hinter Gittern" (1948) zeigten
die Konsequenzen für die jugendlichen Straftäter auf, auch wenn die des Mordes
verdächtigte Hauptdarstellerin in "Mädchen hinter Gittern" am Ende rehabilitiert
wird. Ab Mitte der 50er Jahre wurden diese pädagogisch motivierten
"Moral-Filme" zu einem festen Bestandteil der Kinolandschaft
("Die Halbstarken" (1956)), mit der die Produzenten auf die sozialen
Veränderungen in den 50er Jahren reagierten, gleichzeitig aber auch die
Sensationslust der Zuschauer befriedigten. Getarnt als Warnung vor dem
moralischen Verfall war es möglich, tabuisierte Themen wie unehelicher
Geschlechtsverkehr, Prostitution oder Homosexualität zu behandeln, selbst
einzelne Nacktdarstellungen konnten die sehr konservative FSK auf diese Weise passieren
("Anders als du und ich (§175)", 1957).
Die Reihe dieser die unaufhaltbare Modernisierung der
Gesellschaft widerspiegelnden Dramen („…und sowas nennt sich Leben“, 1961) setzte sich bis
zum Sex-Film der späten 60er Jahre konsequent fort. Missachtet
von der seriösen Kritik, traf ihr verruchter, oft spekulativer Charakter zwar den
Geschmack des Publikums, gerieten sie auf Grund ihrer Zeitgeist-Nähe aber
schnell in Vergessenheit. Das galt auch für den 1965 entstandenen „Mädchen
hinter Gittern“, der nicht zufällig den Titel des ebenfalls von Arthur Brauner
produzierten 48er-Films zitierte. Regisseur Rudolf Zehetgruber schrieb zwar ein
eigenes Drehbuch, orientierte sich in der Grundanlage einer wegen Mordverdachts
inhaftierten Jugendlichen aber an dem Nachkriegsfilm und passte die Thematik an
die wesentlich freizügigeren 60er Jahre an. Er schuf damit ein Werk, das genau zwischen
Moral- und Sex-Film angesiedelt war und exemplarisch für diese Übergangsphase
steht.
Betrachtet man den Werdegang des Regisseurs, überrascht vordergründig
dessen Wahl eines solchen Filmstoffs - ein Eindruck, der täuscht. In den
Anfängen seiner Karriere als Regie-Assistent stand der Wiener Zehetgruber dem
Heimatfilm sehr nahe, dessen moralischer Auftrag nur ein volkstümliches Äußeres
wählte. Besonders in der Spätphase des Genres, Ende der 50er Jahre, wurde die
Trennlinie zwischen Heimat- und Moralfilm immer schmaler. In „Der Priester und
das Mädchen“ (1958) unter der Regie Gustav Ucickys, dem Zehetgruber assistierte,
spielten die schöne Landschaft und das dörfliche Umfeld nur noch eine
Nebenrolle in einer Beziehungsgeschichte zwischen junger Frau, ihrem Verlobten
und einem Priester. Das Drehbuch über die Fragilität des Zölibats verfasste Werner
P. Zibaso, der später zu den aktivsten Autoren im Erotik-Film gehörte („Madame und ihre Nichte“, 1969). Selbst Regie führte Zehetgruber erstmals in einem Heimatfilm-Schwank
mit dem vielsagenden Titel „Das Dorf ohne Moral“ (1960), bevor er sich intensiv
dem Kriminalfilm widmete („Die schwarze Kobra“, 1963), der in Folge des
Edgar-Wallace-Hypes exploitive Elemente auf der Kinoleinwand gesellschaftsfähig
machte und ebenfalls zu einem Wegbereiter des Sex-Films wurde.
Ideale Voraussetzungen für „Mädchen hinter
Gittern“, der kaum noch verklausuliert zwischen moralischem Zeigefinger und
voyeuristischen Einblicken wechselte. Zwar spielt die Story in einer geschlossenen
Besserungsanstalt für straffällig gewordene weibliche Jugendliche, aber trotz
des manchmal strengen Blicks der Heimleiterin (Adelheid Seeck) erinnert der
Charakter der Einrichtung mehr an eine Jugendherberge als eine staatliche Anstalt. Entsprechend klingt die Aufzählung der Straftaten durch die knuffige
Uschi (Elke Aberle), für die die Mädchen „einsitzen“ müssen – Nymphomanie, Prostitution,
Kuppelei - mehr nach Ritterschlag als Sozialdrama. Das gab Zehetgruber gleich
zu Beginn die Möglichkeit, an Hand einer fröhlichen Duschszene wippende Brüste
einzufangen. Auch der erste Auftritt von Harald Leipniz als neuem
Fürsorge-Priester Johannes gerät zur Pop-Veranstaltung. Zuerst noch gelangweilt
„Lang, lang ist’s her“ vor sich hin brummend, genügen ein paar Gitarren-Riffs
durch den „modern denkenden“ Geistlichen, um bei den jungen Damen
Tanzbuden-Feeling zu verbreiten. Widerstand, Frust, Perspektivlosigkeit? –
Fehlanzeige.
Denn dafür ist allein Heidelinde Weis in ihrer Rolle als
Karin zuständig. Ein besonders schwerer Fall, weshalb sie in einer Art
Einzelzelle eingesperrt ist. Berührungspunkte zwischen ihrem dramatischen
Schicksal und dem sonstigen Lagerleben gibt es fast nur über die
allgegenwärtige Uschi, weshalb die damals schon bekannte Heidelinde Weis in
keiner der Gemeinschafts-Nacktszenen mitwirkte. Auch Uschi-Darstellerin Elke
Aberle wurde offensichtlich für keine der freizügigen Rollen gecastet, weshalb
sie meist dann noch hochgeschlossen herumläuft, wenn ihre Mitinsassinnen längst
ihre lästige Anstaltsuniform abgelegt haben. Begründet wird das mit ihrer
komischen Art, kann aber nicht kaschieren, wie widersprüchlich Zehetgruber seine
erzählerische Anlage entwickelte. Während er in der Rahmenhandlung die Erwartungen
an einen Film über „leichte“ Mädchen erfüllte, sind es ausgerechnet erotische Aufnahmen,
die Karin ins Unglück stürzten. Der gewissenlose Fotograf Frank Albin (Harry
Riebauer) hatte zuerst ihre Mutter (Helga Marlo) erpresst und dadurch den
Freitod ihres Vaters verursacht, bevor er auch Karin mit Marihuana süchtig machte
und ebenfalls in kompromittierenden Posen fotografierte.
Dass Niemand durch ein paar Züge an einer
Haschisch-Zigarette drogenabhängig und willenlos wird, hatte sich Mitte der
60er Jahre bestimmt auch bis zu Zehetgruber herumgesprochen. Offensichtlich
sollte die Warnung vor Drogen möglichst eindrucksvoll erfolgen, weshalb
Heidelinde Weis hier alle Register eines „kalten Entzugs“ zog, den ihr Pfarrer
Johannes spontan verordnete, nachdem ihm klar wurde, weshalb die liebe Karin so
renitent auftrat. Darüber ließe sich hinwegsehen, hätte es der Film gewagt,
ihre Figur ein wenig zwiespältig zu belassen. Stattdessen erweist sie sich als
reine Unschuld. Nicht nur, dass sie ohne ihr Wissen abhängig gemacht wurde,
auch der angeblich von ihr erschlagene Fotograf erfreut sich bester Gesundheit,
wodurch sie am Ende vollständig rehabilitiert wird. Bleibt nur die Frage offen,
warum sie dann überhaupt in dem Heim bleiben musste? – Wussten weder das
Jugendgericht, noch ihre sorgende Mutter davon? – Die Antworten gaben die
Regeln des „Moral“-Films. Deren Botschaft galt nicht den „gefallenen“ Mädchen,
sondern einer noch unschuldigen weiblichen Jugend, um diese vor den Gefahren
freizügiger Sexualität und Drogen zu bewahren. Karins Odyssee sollte aufzeigen,
in welche Situation auch ein anständiges Mädchen geraten konnte.
Dass diese Warnung beim Publikum ankam, ist anzuzweifeln. Zu
offensichtlich bediente Zehetgruber mit den komödiantischen Szenen um die
vielen hübschen Anstaltsinsassinnen den männlichen Voyeurismus. „Mädchen hinter
Gittern“ wurde in seiner widersprüchlichen Inszenierung ein Abbild der
Übergangsphase Mitte der 60er Jahre – teils Erotik-Film, teils Drama voll rückständiger Moralvorstellungen. Unter diesem Gesichtspunkt ein
sehenswerter und jederzeit amüsanter Einblick in damalige Denkmuster.
"Mädchen hinter Gittern" Deutschland 1965, Regie: Rudolf Zehetgruber, Drehbuch: Rudolf Zehetgruber, Darsteller : Heidelinde Weis, Harald Leipnitz, Elke Aberle, Harry Riebauer, Sabine Bethmann, Adelheid Seeck, Ursula Herking, Uta Levka, Laufzeit : 90 Minuten
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