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Hannes (Curd Jürgens) kommt nach acht Jahren wieder frei |
Inhalt: Der nächtliche Einbruch in eine Apotheke im Stadtteil
St.Pauli endet tödlich für den Besitzer, aber von den Tätern, die ihre Beute an
einen anonym bleibenden Kontaktmann weiter reichen, fehlt jede Spur. Das organisierte
Verbrechen hat längst die Reeperbahn im Griff. Auch für Pit Pitter Pittjes (Heinz
Reincke), der ein altmodisches Hippodrom betreibt, sind Schutzgelderpressungen
Alltag, aber mehr noch hat er Probleme mit dem Gerichtsvollzieher, der ihm auch
noch seine Pferde pfänden will. In Zeiten, in denen nur noch Sex zählt, hat
sein Etablissement längst ausgedient.
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Hannes und sein bester Freund Pitter (Heinz Reincke) |
Währenddessen wird sein alter Freund Hannes (Curd Jürgens) nach
acht Jahren aus dem Gefängnis entlassen. Sein erster Weg führt ihn
gezwungenermaßen zum Kommissariat, wo ihn Kriminalrat Norbert Krause (Konrad
Georg) empfängt, um ihn davor zu warnen, das Gesetz in eigene Hände zu nehmen.
Denn Hannes beteuert nach wie vor seine Unschuld und will beweisen, dass ein
Anderer seine damalige Geliebte ermordet hat. Nur so hat er eine Chance, seinen
Ruf wiederherzustellen und damit sein Kapitänspatent zurückzuerhalten. Doch
nach acht Jahren hat sich die Welt draußen stark verändert…
Nach zwei St.Pauli-Filmen wagte sich Rolf Olsen 1969 an einen Klassiker: "Auf der Reeperbahn nachts um halb eins" von 1954 mit den großen Stars Hans Albers und Heinz Rühmann in den Hauptrollen. Damals eine gleichwertige Besetzung gewichtete Olsen seine freie Interpretation wieder in Richtung des erfahrenen Seemanns "Hannes" - eine idealtypische Rolle für seinen favorisierten Hauptdarsteller Curd Jürgens.
Offensichtlich hatten die Macher der DVD zu Olsens Film nur das Original gesehen. Anders ist der Hüllentext "Hannes ist bis vor kurzem zur See gefahren, doch die Wehmut verschlägt ihn zurück nach St.Pauli, wo er sich zur Ruhe setzen will" nicht zu verstehen, der exakt den Inhalt des 54er Films wiedergibt. Auch das Cover-Foto, dass zwei Sekunden vor dem Filmende aufgenommen wurde, zeugt von wenig Kenntnis über Olsens Film. Nichtsdestotrotz eine lohnenswerte Anschaffung.
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Hannes trifft eine alte Bekannte (Birke Bruck) |
Ein Jahr nach "Der Arzt von St.Pauli" (1968) holte
sich Regisseur Rolf Olsen erneut Curd Jürgens ans Set, um mit ihm einen
weiteren St.Pauli-Film zu drehen. Diesmal sollte der charismatische
Schauspieler in besonders große Fußstapfen treten, denn Olsen plante ein Remake
des 1954 erschienenen „Auf der Reeperbahn nachts um halb eins“. Darin hatte das
Hamburger Urgestein Hans Albers die Rolle des „Hannes“ gespielt, seine eigene
Rolle als „Singender Seemann“ aus dem Helmut-Käutner-Film „Große Freiheit Nr.7“
(1944) zitierend, der den titelgebenden Schlager berühmt gemacht hatte. Albers
zur Seite stand Heinz Rühmann als sein bester Freund Pittes, bei
Olsen eine Rolle für Heinz Reincke, der neben Curd Jürgens zur Stammbesetzung
der St.Pauli-Filme zählte. Doch während die Rollen der Filmstars Rühmann und Albers
in der 54er Version gleichwertig angelegt waren, stand Reincke erwartungsgemäß
im Schatten von Curd Jürgens, auf den die gesamte Handlung zugeschnitten wurde.
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Hannes und Pitter: singend durch die Nacht auf der Reeperbahn |
Diese unterschiedliche Gewichtung lässt schon erkennen, dass
Rolf Olsen das Remake sehr frei interpretierte. In den Credits seines Films
tauchten die Autoren der 54er Version konsequenterweise nicht auf -
verantwortlich für das Drehbuch war allein der Regisseur, der der Handlung seinen
gewohnten „Sex and Crime“- Stempel aufdrückte. Zudem war Curd Jürgens anders
als Hans Albers kein großer Sänger, sollte aber ein paar der klassischen
Reeperbahn-Schlager intonieren, was Olsen in einer zentralen Szene unterbrachte:
Hannes (Curd Jürgens) und Pit Pitter (Heinz Reincke) streifen eine Nacht lang
über die Reeperbahn, immer ein Lied auf den Lippen. Eine Parallele zum
Albers/Rühmann-Film, in dem die beiden Protagonisten ebenfalls mit einer gemeinsamen
Nacht auf der Reeperbahn ihr Wiedersehen feierten, aber interessanter sind die
Unterschiede, die viel über die soziokulturelle Entwicklung der BRD in den voraus
gegangenen 15 Jahren aussagen.
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Der Kriminalrat (Konrad Georg) warnt Hannes |
Hannes Rückkehr nach acht Jahren ist hier nicht der Seefahrt
geschuldet, sondern einer langjährigen Gefängnisstrafe, die der frühere Kapitän
wegen des Mordes an seiner Geliebten ableisten musste. Entsprechend desillusioniert
spielte Jürgens einen Mann, der seine Unschuld beweisen will, um seinen Ruf
wieder herzustellen – die einzige Chance, sein Kapitänspatent wieder zurück zu erhalten.
Im Gegensatz zum gut gelaunt vom Schiff kommenden Hans Albers wird der Hannes
der späten 60er sogleich mit Schutzgelderpressung, Mord und den kriminellen
Machenschaften des nach außen hin ehrenwert auftretenden Geschäftsmanns Lauritz
(Fritz Tillmann) konfrontiert, dessen Ehefrau es war, die Hannes angeblich
tötete. Gegenüber dem hier von Olsen entfalteten Moloch wirkt die aufgesetzte Kriminalhandlung
des Originals wie Sozialromantik, auch wenn der Regisseur hinsichtlich der
Gewaltdarstellungen im Vergleich zu seinem „Der Arzt von St.Pauli“ zurückhaltender blieb.
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Schutzgelderpresser (Karl-Otto Alberty und Erik Schumann) bei Pitter |
Die Rettung des verschuldeten und aus der Mode geratenen Reeperbahn-Etablissements
von Freund Pit, die im Rühmann/Albers-Film noch im Mittelpunkt stand, spielte hier
dagegen kaum noch eine Rolle. Zwar zitierte Olsen die Szenen mit den falschen
Etiketten für den Billigwein und die Rettung der Dressurpferde vor dem
Schlachthaus, aber an eine Zukunft mit neuer Einrichtung und modernem
Show-Programm glaubte hier Niemand mehr. Um die Finanzierung dafür zu
übernehmen, fehlte Hannes - anders als seinem potenten Vorgänger - auch
schlicht das nötige Kleingeld. Während der 54er Film einen ungebremsten
Optimismus ausstrahlte, der soziale Schranken und finanzielle Schwierigkeiten
mühelos überwand, entfaltete Olsen einen pessimistischen Blick auf eine
dekadente und egoistische Gesellschaft – und nutzte diesen Hintergrund wie in „Der Arzt von St.Pauli“ für den Kampf des Einzelgängers gegen alle Widrigkeiten.
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Hannes ist von Antje (Jutta D'Arcy) begeistert |
Die Reeperbahn gab dafür den so faszinierenden, wie
verkommenen Handlungsort ab, während sie dem sonst braven Geschehen im 50er
Jahre Original einen Hauch von Unmoral verlieh. Die damals gewagte Konstellation
um Pits Tochter Antje (Jutta D’Arcy) wurde von Olsen konkreter und authentischer
angepackt. Hannes ist ihr leiblicher Vater, erfuhr aber nie davon, da Pit seine
schwangere Freundin während er auf See war heiratete, um das Kind zu
legitimieren. Antjes Mutter war früh verstorben, aber anders als seinem Vorgänger
Heinz Rühmann wurde Reincke keine Pseudo-Ehefrau zur Seite gestellt, die die
hausfraulichen Pflichten erledigte, ohne dem liebenden Vater Emotionen abzuringen.
Den Job übernahm hier Cousine Martha, gewohnt resolut von Heidi Kabel gespielt.
Auch stand noch kein zukünftiger Schwiegersohn aus reichem Haus parat, sondern
verliebt sich Antje in ihren eigenen, höchst charmanten Vater.
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Gemeinsam auf Helgoland kommen sie sich näher |
Da Pit sich nicht überwinden kann, seinem Freund die
Wahrheit zu sagen, kommt es wie im Original zum gemeinsamen Ausflug von Antje
und Hannes nach Helgoland. Nur ein Zufall verhindert, dass sie sich küssen. Ein
Wagnis, dass der 50er Jahre Film nicht einging. Die Fahrt nach Helgoland diente
im Original nur dem Zweck, der Tochter und ihrem Verehrer ein paar gemeinsame
Stunden zu verschaffen, heimlich von Hannes am unwilligen Schwiegervater vorbei
organisiert. Nur ein Missverständnis brachte Pit dazu, seinen Freund über seine
Vaterschaft aufzuklären – bei Olsen ist er dazu gezwungen. Auch die
Konsequenzen daraus sind im Nachfolger ehrlicher. Kein künstlich dramatisierter
Konflikt trennt die Freunde, da Hannes Pits Beweggründe versteht.
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Die feine Gesellschaft um Unternehmer Lauritz (Fritz Tillmann) |
Die Souveränität des alles beherrschenden Curd Jürgens
bleibt das bestimmende Element in Olsens Film, der viel anreißt, aber wenig
vertieft. Die privaten Szenen um die Tochter (Diana Körner) des kriminellen
Unternehmers Lausitz nehmen leider zu wenig Raum ein im aktionistischen
Geschehen. Ihre Empörung über Hannes - für sie der verurteilte Mörder ihrer
Mutter - ihr Verhältnis zum Vater, die Party in dessen Villa oder ihre
angedeutete Liebesbeziehung zu Till Schippmann (Fritz Wepper) bleiben
Momentaufnahmen, höchstens für kurze Nacktszenen geeignet. Wepper, an beiden
vorherigen unter der Regie Olsens entstandenen St.Pauli-Filmen beteiligt, wird
hier zum reinen Stichwortgeber, ohne seiner Rolle eigene Konturen geben zu
können. Das gilt auch für die Vielzahl an Schlägern und gedungenen Mördern, die
hier die Leinwand bevölkern – selbst prägnante Darsteller wie Erik Schumann und
Karl-Otto Alberty konnten sich nur wenig profilieren.
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Nebenfiguren: Till (Fritz Wepper) und Unternehmertochter (Diana Körner) |
Entscheidend für die Wirkung des Films war das nicht, worin
sich beide Versionen von „Auf der Reeperbahn nachts um halb eins“ wieder
gleichen. Zwar hatte sich die Reeperbahn seit Mitte der 50er Jahre parallel zur
allgemeinen Liberalisierung in Westdeutschland verändert, aber sie behielt als
Ort der Extreme weiterhin die Hoheit über das Handeln der hier lebenden
Menschen. Am Ende verlässt Hannes wie zuvor in „Große Freiheit Nr.7“ und der 54er
Version wieder diesen Ort der Sehnsucht, um aufs Meer zurückzukehren. Doch
diesmal ohne das schwermütige Gefühl des Scheiterns an Land, sondern voller
Vorfreude auf die Seefahrt – und begleitet von Pitter. Das wäre Heinz Rühmann in seiner
Rolle damals nicht eingefallen.
"Auf der Reeperbahn nachts um halb eins" Deutschland 1969, Regie: Rolf Olsen, Drehbuch: Rolf Olsen, Darsteller : Curd Jürgens, Horst Naumann, Heinz Reincke, Fritz Wepper, Jutta D'Arcy, Diana Körner, Fritz Tillmann, Erik Schumann, Christiane Rücker, Hans-Otto Alberty, Konrad Georg, Laufzeit : 98 Minuten
weitere im Blog besprochene Filme von Rolf Olsen:
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