Inhalt: „Frau Oberst“ Yanne (Karine Gambier), junge Witwe
eines Offiziers, sorgt sich um ihre hübschen Nichten Florentine (Pascale Vital)
und Julia (Brigitte Lahaie), die sich mehr miteinander vergnügen als mit
Männern. Dabei steht Stallknecht Erik (Eric Falk) immer zur Verfügung und
Florentine wird heftig von Simon (Mike Montana) umworben, der sie heiraten
möchte. Selbstverständlich will sich die Angebetete vorher von dessen
Qualitäten als Liebhaber überzeugen.
Auch für Julia hat Frau Oberst schon einen geeigneten
zukünftigen Ehemann im Blick, einen Maler, den sie zuerst selbst ausprobieren
will. Als sie sich in seiner Nähe über einen Maiskolben hermacht, braucht er
nicht lange, um sie mit etwas Geeigneterem zu beglücken, womit er seine Prüfung
schon bestanden hat. Auch auf dem von ihr geleiteten Gutshof kommt Bewegung in
die Beziehungs-Konstellationen, nur „Frau Oberst“ scheint ihr Witwendasein noch
allein fristen zu müssen…
Und damit des Mannes, der den deutschsprachigen Sex-Film nicht nur prägte, sondern mehr als jeder Andere über die gesamte Phase von Mitte der 60er Jahre bis zu den frühen 80er Jahren intensiv begleitete - und damit alle Bewegungen des jungen, unmittelbar auf die soziokulturellen Veränderungen reagierenden Genres miterlebte. Der Vergleich beider Versionen gibt dank der ähnlichen Voraussetzungen einen Einblick in dessen rasante Entwicklung vom Aufstieg bis zum einsetzenden Niedergang.
Erbost unterbricht "Frau Oberst" (Karine Gambier) .. |
Seit "Die Nichten der Frau Oberst" 1968 zum
Publikumsrenner geworden waren, hatte es Erwin C.Dietrich wiederholt verstanden,
Erfolgsformeln am Kinomarkt zu nutzen. "Mein Bett ist meine Burg"
nannte sich der 1969 erschienene 2.Teil über die Nichten, in dem er zuvor nicht
genutzte Szenen verarbeitete, und mit "Weiße Haut auf schwarzem
Markt" (1969) sowie "Schwarzer Nerz auf zarter Haut" (1970)
setzte er auf die Erinnerung des Publikums an seine frühe Produktion
"Schwarzer Markt der Liebe" (1966). Zu einem Zeitpunkt, als
Pornografie in Deutschland noch nicht legalisiert war, wandelte Dietrich die
US-Porno-Filme "The devil in Miss Jones" und "Whatever happened
to Miss September?" von 1973 in eine Softcore-Variante für den deutschen
Markt. Obwohl beide Filme kaum Parallelen zu ihren berühmt-berüchtigten
Vorbildern aufwiesen, spielten deren Titel "Der Teufel in Miss Jonas"
(1974) und "Was geschah wirklich mit Miss Jonas?" (1974)
unmissverständlich darauf an. Und liefen ebenso erfolgreich in den Kinos wie
Dietrichs diverse Mädchen-Filme, die es von "Mädchen mit offenen
Lippen" (1972) bis "Mädchen im Nachtverkehr" (1976) auf acht
Ausgaben brachten.
...die Vergnügungen ihrer Nichten |
Von 1979 bis 1983 folgten noch drei Filme über "Sechs
Schwedinnen". Was läge da näher, als auch den 1980 gedrehten "Die
Nichten der Frau Oberst" in diese Reihe einzuordnen? - Eine
Betrachtungsweise, die auslässt, dass Dietrich zwar gerne mit ähnlich
klingenden Titeln jonglierte, keinen Film aber konkret wiederholte. Zudem
gelten 12 Jahre im Film-Business als großer zeitlicher Abstand, um sich an
einen früheren Erfolg anzuhängen, im noch jungen Erotik-Genre umfassten sie
eine ganze Epoche. Entsprechend stehen die beiden "Nichten" - Filme für nicht weniger
als für den Anfang und das Ende einer Phase in Deutschland, die ausgehend von
der Liberalisierung der 60er Jahre einen Boom erlebte, der ab der Legalisierung
der Pornografie Mitte der 70er wieder abebbte und in den frühen 80er Jahren
ausklang. Die 68er Verfilmung des Guy de Maupassant-Romans sorgte dank des
großen Publikumszuspruchs für die notwendige Akzeptanz am deutschen Kino-Markt
und die 80er Variante gehörte zu den letzten Softcore-Filmen unter Dietrich,
dessen Karriere als Regisseur größtenteils zwischen diesen beiden Fixpunkten
stattfand.
Julia (Brigitte Lahaie) und Florentine (Pascale Vital) begeben sich auf die Suche... |
Die Unterscheidung Soft-/Hardcore ist eine Erfindung der
späten 70er Jahre, denn als der erste "Nichten"-Film herauskam,
konnte von Hardcore noch keine Rede sein. Mitte der 70er Jahre hatte auch
Dietrich mit zwei Fassungen seiner Filme experimentiert, war aber während der
Zusammenarbeit mit Jesùs Franco (siehe "Die 70er Jahre Erotik-Connection") wieder
von den expliziten Darstellungen abgekommen und pflegte in seinen letzten
Regie-Arbeiten eine rein auf das weibliche Geschlecht konzentrierte Sichtweise,
die nur sanft die Grenze zur Pornografie streifte. Geschlechtsakt und männliche
Attribute wurden nur angedeutet, während die dem Hardcore-Bereich
entstammende Riege attraktiver Darstellerinnen unverkrampft vor
der Kamera agierte. Allen voran Brigitte Lahaie, die in Dietrichs letzten Filmen zu seiner festen Größe wurde.
...nach Männern, doch die Dorfjugend erkennt ihre Chancen nicht |
"Die Nichten der Frau Oberst" wirkt aus heutiger
Sicht wie ein letzter Versuch, das nicht explizite erotische Genre noch über die Zeit zu
retten. Dietrich kombinierte ausgiebige Nacktdarstellungen mit langen Einblendungen
des historischen Anwesens und der landschaftlichen Umgebung, die Story selbst
auf ein Minimum reduzierend. Damit befand er sich auf der Höhe der Zeit, denn
auch der Hardcore-Film hatte die Hochphase des Story-Tellings schon
überschritten, mit dem er in den 70er Jahren versuchte, explizite Darstellungen
mit einer schlüssigen Handlung zu verbinden, um die Akzeptanz beim bürgerlichen
Publikum zu erhöhen. Mit dem beginnenden Siegeszug des Videos und dem
gleichzeitigen Sterben der großen Pornofilm-Kinos verschwand diese Absicht
zunehmend zugunsten möglichst umfangreicher Darstellungen sexueller
Interaktionen.
Da sind Simon (Mike Montana) und... |
In Dietrichs Film halten sich die Damen entsprechend kaum
mit hochgeschlossener Kleidung auf, sondern tragen nur das nötigste, dessen sie
sich möglichst schnell entledigen können. Selbst beim Reiten ist Florentine-Darstellerin
Pascale Vital fast nackt, überwindet bemerkenswert gut den Hindernis-Parcours
und springt auch mit Stöckelschuhen elegant vom Pferd. In der Inszenierung der attraktiven
Frauen liegt die Stärke des Films, gewohnt gekonnt von Kameramann Peter
Baumgartner umgesetzt und mit Walter Baumgartners Filmmusik unterlegt, dem eine
eingängige, die luftige Liebeswelt auf dem Land betonende Melodie gelang. Leider
auch die einzigen Vorzüge eines Films, der sich in seiner 90minütigen Laufzeit
zunehmend wiederholt, in dem er die Damen und größtenteils aus Bediensteten
bestehenden Herren nach immer gleichem Muster in allen
Variationen kombinierte.
...Erik (Eric Falk) von anderem Kaliber |
Dass die 80er Variante moderner wirkt als der 68er Erstling
scheint zwingend, liegt aber nicht nur an den ausgiebigeren Nacktaufnahmen,
sondern dass sich seitdem nicht mehr viel im Softcore-Genre getan hat. Der
reine Erotik-Film spielt in der deutschen Kinolandschaft seit den frühen 80er
Jahren keine Rolle mehr. „Die Nichten der Frau Oberst“ markierten schon das
Ende einer Entwicklung, die sich rasant von den stark reglementierten Filmen
der 60er Jahre über die Report-Filme und krachledernen Sex-Komödien bis zur selbstzweckhaften
Darstellung sexueller Handlungen bewegt hatte - bei gleichzeitigem Verlust
erzählerischer Qualitäten. Der Verweis auf Guy de Maupassant ist hier nur noch
Marketing, denn außer den weiblichen Vornamen und der für ihre Nichten
sorgenden Tante blieb nichts mehr von der 1886 erschienenen Romanvorlage
„Le cousine de collonelle“ übrig.
Doch vor der Verehelichung bedarf es noch des Urteils der Frau Oberst... |
Dietrichs Drehbuch zur 68er Version hatte sich noch an
Maupassant orientiert (siehe meine Analyse zu „Die Nichten der Frau Oberst“
(1968)), sein aktualisiertes Drehbuch basierte dagegen nur noch auf den damals
schon gegenüber dem Roman vorgenommenen Änderungen. Sowohl die verjüngte,
sexuell aktive Frau Oberst als auch deren promiskuitive Nichten kommen in
Maupassants Roman nicht vor. Der französische Autor beschrieb sensibel die ersten
erotischen Erfahrungen der beiden Schwestern innerhalb einer stark von
Etiketten geprägten Gesellschaft. Ihre homoerotische Sexualität, die für Dietrich
jeweils zum Auslöser seiner Filmhandlung wurde, findet erst zu Beginn des
zweiten Teils statt, nachdem ihre Beziehungen zu ihren jeweils ersten Männern
aus unterschiedlichen Gründen endeten. Maupassant begegnete ihrer lesbischen
Liebe mit Sympathie, während Dietrich – ganz der Moral von 1968 verpflichtet –
ihre empört reagierende Tante dazwischen gehen ließ.
...die auch gerne mit der Marquise (France Lomay) anbändelt |
Wer nun glaubt, 1980 hätte sich dieses Ansinnen angesichts
der inzwischen eingetretenen sexuellen Freizügigkeit geändert, irrt. Sex
zwischen Frauen ist in „Die Nichten der Frau Oberst“ zwar an der Tagesordnung,
aber nur zum voyeuristischen Vergnügen männlicher Zuschauer. Deren
Selbstverständnis wird gar nicht erst in Frage gestellt, denn auch die bisher
ausschließlich weiblichen Sinnenfreuden zugetane Marquise (France Lomay) wird
am Ende von einem Mann „bekehrt“ – in dieser Hinsicht hatte sich bis 1980
nichts bewegt, blieb auch die zweite Nichten-Verfilmung im Vergleich zu Guy de
Maupassants aus dem 19.Jahrhundert stammenden Roman rückständig.
weitere im Blog besprochene Filme von Erwin C.Dietrich:
- Regie:
"Die Nichten der Frau Oberst" (1968)
"Ich, ein Groupie" (1970)
- nur Produktion und/oder Drehbuch:
"Der Herr mit der schwarzen Melone" (1960)
"Schwarzer Markt der Liebe" (1966)
"St.Pauli - zwischen Nacht und Morgen" (1967)
"Unruhige Töchter" (1967)
"...und noch nicht sechzehn" (1968)
"Downtown - die nackten Puppen der Unterwelt" (1975)
Essay "Jesùs Franco und Erwin C.Dietrich - die 70er Jahre Erotic-Connection"
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