Inhalt: Diethard (Diethard Wendtland) arbeitet als Vertreter für Lexika und lebt allein in einer neu bezogenen Sozialbauwohnung in einem noch im Bau befindlichen Block. Sein Tagesablauf ist gut
organisiert und er hat ein paar Ersparnisse zur Seite gelegt, aber zu seinem
Glück fehlt ihm noch eine Ehefrau. Auch Kontaktanzeigen brachten bisher keinen
Erfolg – trotz des Stichworts „Idealer Partner". Entsprechend aufmerksam
reagiert er, als er die asiatische Ehefrau eines Kunden (Horst Pinnow) kennenlernt. Sie wurde dem
Mittvierziger von einem auf ausländische Frauen spezialisierten Institut
vermittelt.
Diethard hebt sein Geld ab und investiert es nicht nur in
eine Ehefrau, sondern auch in die Einrichtung seiner Wohnung. Der erste Weg, nachdem
er die junge Frau aus der Karibik (Alisa Saltzmann) am Flughafen abholte, führt
sie zum Standesamt, wo die Ehe sogleich geschlossen wird. Auch das weitere
Zusammenleben als Mann und Frau wurde von Diethard schon exakt vorausgeplant…
Rückblick auf den 15.Hofbauer Kongress vom 07.01. bis 11.01.2016
Dank Stelzer, der ein Jahr zuvor noch auf der Baustelle drehte, erhielt ich einen Einblick in den Komplex, der mir bisher verwehrt blieb. Ganz abgesehen davon, dass mir 1982 nicht bewusst war, wie neu der Wohnblock war, der ähnlich wie das nicht weit entfernt liegende raumschiffartige Kongresszentrum in einer Zeit - Mitte der 70er Jahre - konzipiert wurde, die noch vom unbedingten Fortschrittglauben geprägt war. Anfang der 80er Jahre zeigten sich erste Risse - eine Entwicklung, die in Stelzers Film gegenwärtig ist.
Die Geschichte vom deutschen Mann, der sich eine Ehefrau aus
dem Ausland besorgt, war 1981 nicht mehr neu. Das Institut, an das sich Diethard
(Diethard Wendtland) wendet, um per Katalog eine Bestellung aufzugeben, hatte
sich auf die Vermittlung solcher Ehen spezialisiert. Ein nicht ganz billiger
Service, der aber professionell abgewickelt wird: pünktlich erreicht die gewünschte
junge Frau (Alisa Saltzman) den Flughafen in Berlin-Tegel, ausgestattet mit den
geeigneten Papieren, um sofort am Standesamt geheiratet werden zu können. Diethard
hatte alle Vorbereitungen abgeschlossen, war zuvor schon in eine neue Wohnung in einem noch im Bau
befindlichen Block eingezogen und hatte sie ehegerecht mit Doppelbett und Einbauküche
eingerichtet. Exakter lässt sich ein solches Arrangement auch in heutigen
Internet-Zeiten kaum planen.
Ebenso wenig hat sich die landläufige Meinung über diese Art
der Beziehungsanbahnung in den letzten Jahrzehnten geändert und Regisseur
Manfred Stelzer bemühte sich auch nicht, gängige Klischees außer Kraft zu
setzen. Herr Diethard ist ein besonders steifes Exemplar Mann, dessen geringe Fähigkeit
zur Empathie offensichtlich beim Verkauf von Lexika aufgebraucht wird. Bei
einem Termin hatte der Vertreter die asiatische Ehefrau eines Kunden
kennengelernt, der sich sehr zufrieden über diese Verbindung äußerte. Einzig
das undurchdringliche ständige Lächeln seiner Frau irritiere ihn, gab dieser zu
bedenken, weshalb Diethard sich für eine andere Variante entschied - eine
„Perle der Karibik“. Mit der vorhersehbaren Konsequenz. Zwischen den Beiden entsteht
keine Nähe und das Arrangement scheitert.
Gerade auf Grund der klaren Voraussetzungen – sie sucht
wirtschaftliche Sicherheit, er eine Sexualpartnerin und Hausfrau – besitzen
diese nach jahrtausendealten Regeln geschlossenen Verbindungen nicht selten gute
Chancen. Hätte der Regisseur einen umgänglichen Typ Mann in den Mittelpunkt
gestellt, hätte ihre Beziehung vielleicht halten können. Doch darum ging es Manfred
Stelzer nicht. Die organisierte Eheschließung zweier Menschen unmittelbar nach
ihrer ersten Begegnung geschieht hier im Stil einer Versuchsanordnung. Über ihre
genaue Herkunft und die näheren Beweggründe der jungen Frau erfährt der
Zuschauer ebenso wenig, wie über die Vergangenheit und sozialen Umstände des 41jährigen Diethard. Im Stil seiner vorherigen Dokumentarfilme („Monarch“
(1980)) nutzte Stelzer die Thematik der Partnervermittlung für den Blick auf
sein eigentliches Interesse – auf Deutschland.
Im Hintergrund das Bauschild mit der innenliegenden Autobahn... |
Berlin-West Anfang der 80er Jahre ist ein Ort der Kälte. Der
noch im Bau befindliche Neubaublock, den Stelzer als Hintergrund wählte, ist
bis heute eines der markantesten Beispiele für die Schaffung neuen Wohnraums
bei größtmöglicher Verkehrs-Mobilität. Turmartig erhebt sich der Wohn-Koloss
über die Stadtautobahn. Detailliert ist das im Film nicht zu sehen, aber
wiederholt fängt die Kamera das Bauschild ein und konfrontiert die junge Frau
aus der Karibik mit den noch aktiven Bautätigkeiten, sobald sie die vier Wände
der Sozialbauwohnung verlässt. Ihr Versuch, diese in einen aus ihrer Sicht lebenswerten
Raum zu verwandeln, scheitert sowohl an den baulichen Voraussetzungen, als auch
an ihrem Ehemann, der die aus seiner Sicht artfremde Nutzung mit Pflanzen und
Früchten ablehnt.
...und Beanboats (Alisa Saltzman) Blick hoch zu den Terrassen. |
Erneut ließe sich die mangelnde Toleranz und Flexibilität
des Ehemanns als Ursache anführen, aber Diethard ist weder frustriert, noch
besonders autoritär. Und er bemüht sich, seiner neuen Frau die Eingewöhnung zu
erleichtern. Er besorgt vermeintlich vertraute Utensilien aus ihrer Heimat und ist
auch beim Haushaltsgeld nicht knausrig. Seine Unzufriedenheit und aufkommende
Strenge entstehen aus seiner Fassungslosigkeit gegenüber dem Verhalten der
jungen Frau, die aus seiner Sicht das Geld für unnütze Dinge ausgibt, die Wohnung
verschandelt und die Aufgaben einer Hausfrau nicht erfüllt. Diethard steht bei
Stelzer für den Geist eines gut organisierten, allein rationale Beweggründe gelten
lassenden Deutschlands, kombiniert mit einer männlichen Haltung, die durch ein
Jahrzehnt Emanzipation verunsichert ist. Diethards Ehe mit einer Frau aus dem
Ausland entsprang nicht zuletzt auch dem Wunsch nach der Aufrechterhaltung der
gewohnten Geschlechterrollen.
In Stelzers Film werden Form und Inhalt zu einer Einheit.
„Die Perle der Karibik“ ist klar strukturiert und linear erzählt. Der Film
interessiert sich weder für Vergangenheit, noch Zukunft, sondern beschreibt
eine Gegenwart, in der für das Irrationale und Spontane kein Platz vorhanden ist. Es wird nicht als Chance, sondern als Bedrohung empfunden. Stelzer
stilisierte Deutschland auf diese Weise zu einem Ort, an dem selbst Lebensfreude bis
in die privatesten Nischen organisiert wird. Dank seines dokumentarischen Stils
und des Verzichts auf emotionale Zuspitzungen bewahrte Stelzer die notwendige
Distanz zu seinen Protagonisten und urteilte nicht. Seine generelle Sicht spiegelt die zwangsläufige Konsequenz wider. Die junge Frau aus der Karibik verschwindet und
Diethard setzt sein normiertes Leben allein fort - verloren sind sie Beide.
"Perle der Karibik" Deutschland 1981, Regie: Manfred Stelzer, Drehbuch: Manfred Stelzer, Wolfgang Quest, Axel Voigt, Darsteller : Diethard Wendtland, Alisa Saltzman, Alfred Edel, Horst Pinnow, Gertrud Hoffmann, Laufzeit : 81 Minuten
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen