Inhalt: 1913 – Mainz am Fastnachtssamstag. Ein Soldat
(Rainer Brandt) schwankt auf den Beichtstuhl des Dom-Probst Canon Henrici
(Friedrich Domin) zu, bricht aber nach wenigen Worten zusammen. Henrici lässt
ihn in die Sakristei bringen und ruft einen Arzt, der aber nur noch den Tod des
Mannes feststellen kann. Ihm fällt zudem auf, dass er trotz seiner Uniform kein
Soldat sein kann – sein Haarschnitt entspräche nicht den Vorschriften.
Gleichzeitig erreicht Viola (Gitty Djamal) die Villa ihres
Onkels Panezza (Hans Söhnker). Sie gehört zum italienischen Zweig der Familie
und war seit ihrer Kindheit nicht mehr in Mainz, wird von ihrem Cousin
Jeanmarie (Christian Wolff) aber sofort erkannt. Sie reagiert dagegen
überrascht auf ihn, was sie mit ihrer langen Abwesenheit entschuldigt. Trotzdem
gerät ihre Ankunft etwas ins Hintertreffen, denn die allgemeine Aufregung
gehört ihrem Onkel, der in diesem Jahr gemeinsam mit der jungen Katharina
(Helga Tölle) das Prinzenpaar bildet. Dass sich ihre Beziehung nicht allein auf
den Karneval beschränkt, ahnt scheinbar Niemand…
In Erinnerung an Götz George, mit 77 Jahren gestorben am 19.06.2016
Dass zu Götz Georges Tod sofort an seine Rolle als Tatort-Kommissar Schimanski erinnert wird, ist naheliegend, lässt aber vergessen, dass er schon mehr als 25 Jahre vor "Duisburg - Ruhrort" (1981) als Schauspieler aktiv war, erst in den 60er Jahren dank der "Karl May"-Filme zum Kinostar aufstieg, um in den 70er Jahren zunehmend Fernseh-Präsenz zu zeigen. Neben vielen populären Rollen galt sein Augenmerk immer auch engagierten, in ihrer Entstehungszeit provokanten Werken wie den Staudte-Filmen "Kirmes" (1960) und "Herrenpartie" (1964). Auch "Die Fastnachtsbeichte" nach einer Novelle von Carl Zuckmayer gehörte in diese Kategorie, auch wenn der Verfilmung die Reputation als gesellschaftskritisches Werk damals nicht zugestanden wurde - aus heutiger Sicht eher eine Auszeichnung.
Die in meinem Text aufgeführten Hintergrundinformationen, mehr aber noch die vergleichenden Überlegungen zur Literaturvorlage Zuckmayers verdanke ich der sehr ausführlichen Analyse eines Vortrags von 1996 aus Anlass der Nähe des Films zur Stadt Mainz. Nachzulesen auf der Web-Seite "Mainz-Minas" mit einer Fülle weiterer Informationen zum Film und dessen Entstehung.
"Leider erliegt Götz George – wie schon in
"Kirmes" – dem Trugschluss, asthmatisches Sprechen wirke schon bei
einem Anfang-Zwanziger sehr eindrucksvoll."
Was genau der Kritiker des "Film-Echo" gehört
haben will, bleibt sein persönliches Geheimnis. Götz Georges Stimme klingt in
"Die Fastnachtsbeichte" schon genauso vertraut wie mehr als 20 Jahre
später in seiner bekanntesten Rolle als "Tatort" - Kommissar
Schimanski - zwar ruhiger, scheinbar braver, aber selbstbestimmt und konsequent.
Wie im erwähnten "Kirmes" (1960) spielte George auch hier einen
jungen Soldaten, dessen äußerliche Angepasstheit nicht über seinen freien
Willen hinwegtäuschen sollte. In "Kirmes" desertiert er kurz vor dem Ende des 2.Weltkriegs, in "Die Fastnachtsbeichte" geht er 1913
- der 1.Weltkrieg steht kurz bevor - eine Beziehung mit der Prostituierten Rosa
(Ursula Heyer) ein. Sein Verstoß gegen die bürgerlichen Regeln erwächst nicht
aus Widerstandsgeist oder intellektueller Überzeugung. Er reagiert einzig aus
dem Bauch heraus und steht in seiner monolithischen Ausstrahlung in Opposition
zu einem Bürgertum, dessen Verlogenheit sich hinter einer Fassade aus Anstand
und Moral versteckt.
„Die lasche, auf Seelen- und Kostümpomp bedachte Regie des
Hollywood-Spätheimkehrers William (Wilhelm) Dieterle vermochte der
literarischen Vorlage nicht mehr abzugewinnen als matten Kino-Schwulst.“(„Der
Spiegel“, 1960)
Wurde dem damals 22jährigen George in seinem schon siebten
Kinofilm insgesamt eine gute Leistung bescheinigt – wenn auch mit
Respektabstand zu den erfahrenen Darstellern Hans Söhnker, Friedrich Domin und
Berta Drews, Götz Georges leibliche Mutter – kam die Inszenierung des Films
schlechter weg. "Die Fastnachtsbeichte" wurde nicht nur Dieterles
letzter deutschsprachiger Kinofilm, bevor er sich fast ausschließlich dem
Fernsehen zuwandte, vermutet wurde zudem, dass ihn nach dem Misserfolg des
Abenteuerfilm-Zweiteilers „Die Herrin der Welt“ (1960) vor allem
wirtschaftliche Gründe bewogen, die Regie bei der Zuckmayer-Verfilmung zu
übernehmen. „Zuckmayer“ ist auch das entscheidende Stichwort, denn Film-Umsetzungen
zeitgenössischer Literatur hatten grundsätzlich einen schweren Stand beim
Feuilleton – mit Vorliebe wurde die gesellschaftskritische Relevanz an der Vorlage
gemessen.
Dabei hatte Carl Zuckmayer seinen Willen zur Verfilmung der im
Jahr zuvor herausgegebenen Novelle deutlich zu verstehen gegeben und
Drehbuchautor Kurt Heuser hatte sich eng an dessen Text gehalten. Es fehlen im
Film nur wenige Figuren und Dialoge, entscheidend für die Intention der Story waren
diese nicht. Das gilt auch für den Beginn, der sich wenig Mühe gibt, die
Charaktere und ihre Motive näher zu erklären. Eine von Carl Zuckmayer gewollte Nebeneinanderstellung
paralleler Geschehnisse, die in seiner Novelle dank der ausführlichen Beschreibung
des Mainzer Lokalkolorits während der alljährlichen Fastnachtsfeierlichkeiten zwar
weniger abrupt wirken als im Film, trotzdem aber den Einstieg erschweren. Der tödliche
Zusammenbruch eines unbekannten Soldaten im Beichtstuhl des Dom-Probst
(Friedrich Domin), die Ankunft von Viola (Gitty Djamal), einer jungen
Italienerin, im Haus ihres wohlhabenden Onkels Panezza (Hans Söhnker) in Mainz
oder die allgemeine Aufregung um dessen bevorstehenden Auftritt als Karnevalsprinz
an der Seite der viel jüngeren Katharina (Helga Tölle) scheinen in keinem
Zusammenhang zu stehen.
Die Einführung weiterer Haupt- und Nebenfiguren steigert
noch die Verwirrung. Warum reagierte Viola so merkwürdig auf ihren Cousin
Jeanmarie (Christian Wolff), der die hübsche junge Frau, die er seit seiner
Kindheit nicht mehr gesehen hatte, mehr als freundlich begrüßte? – Welche Rolle
spielt die ältliche Frau Bäumler (Bertha Drews) in Panezzas Haushalt und warum
hasst sie ihren Sohn Clemens (Götz George)? – Dieser gerät zunehmend in den
Strudel der Ereignisse. Madame Guttier (Hilde Hildebrandt) findet ihn betrunken
in den Armen einer jungen Prostituierten. Als sie versucht ihn aufzuwecken,
bezeichnet er sich als tot und schmeißt mit Geld nur so um sich. Auch eine
Waffe fällt aus seiner Rocktasche, weshalb die Bordellbesitzerin die Polizei
ruft. Clemens wird von der Polizei festgenommen und als es sich herausstellt,
dass es sich bei dem Toten um seinen Bruder Ferdinand (Rainer Brandt) handelt,
gerät er in Mordverdacht. Seine eigene Mutter beschuldigt ihn lauthals, ihr den
geliebten Sohn aus Neid und Eifersucht genommen zu haben.
Diese Ausgangssituation und die langsame Aufklärung der
tatsächlichen Zusammenhänge mithilfe von Rückblenden brachten der „Fastnachtsbeichte“
den Ruf einer Kriminalgeschichte ein. Für Zuckmayer nur der Rahmen eines
doppelbödigen Spiels. Der Karneval mit seinen Maskeraden und Momenten moralischer
Freiheit bildete den idealen Hintergrund für die Diskrepanz von Schein und Sein,
ließ die heimlichen Sehnsüchte der Protagonisten ebenso erkennen, wie ihre
Unfähigkeit sie auszuleben. Dass Selbstbetrug und Vortäuschung äußerlicher
Moral tödliche Abläufe in Gang setzen, gehört heute zum Standard-Repertoire des
Kriminalfilms. Die wenig spektakuläre Aufklärung des Mordes interessierte den
Autor in diesem Zusammenhang aber nur am Rande, mehr lag sein Augenmerk auf der
brüchigen Fassade einer bürgerlichen Gesellschaft am Vorabend des 1. Weltkriegs.
Und das er seine 1959 herausgebrachte Novelle in diese Zeit versetzte lässt
sich nur als Kommentar auf eine Gegenwart verstehen, deren prinzipiellen Mechanismen
sich nicht verändert hatten.
Auch William Dieterles Film ist diese Nähe zur Gegenwart von
1960 anzumerken. Vielleicht nicht beabsichtigt, aber dank der zeitgenössischen
Stadtbilder von Mainz und der Integrierung dokumentarischer Aufnahmen vom
Rosenmontagszug der 50er Jahre, erzeugt „Die Fastnachtsbeichte“ trotz seiner authentischen
Ausstattung nicht den Eindruck einer weit zurückliegenden, abgeschlossenen Historie
– möglicherweise fehlte dem „Spiegel“-Kritiker, der den Film als „Kostümpomp“
verurteilte, noch der notwendige zeitliche Abstand für diese Sichtweise. Trotzdem
ist die Kritik an der mangelnden Relevanz der Verfilmung nicht ungerechtfertigt.
Bis auf Berta Drews als hasserfüllte Mutter loteten die Charaktere nur selten
die menschlichen Abgründe aus. Hans Söhnker in der Rolle des Familienoberhaupts
Panezza und die schöne Viola blieben menschlich nachvollziehbar, Jeanmaries im
Film abgeschwächte Position zwischen zwei Frauen entsprach Christian Wolffs
damaligem Typus als anständiger Vertreter der deutschen Nachkriegsjugend, Friedrich
Domin gab einen so souveränen, wie toleranten Probst und Götz George wurde zum Sympathieträger.
Doch diese Figuren-Konstellation täuscht über die Brisanz hinweg,
die ihr Verhalten Ende der 50er Jahre noch auslöste. Auch Zuckmayers Theaterstücke
und Erzählungen waren in ihrer Gesellschaftskritik eher unterschwellig und verdankten
ihre Popularität nicht zuletzt ihrem hohen Unterhaltungswert. Den besitzt auch Dieterles
Verfilmung, die nach ihrem sperrigen Beginn zunehmend zu fesseln vermag. Eine
generelle Kritik an der Bürgerschicht ließ sich daraus zwar nur schwer
herauszufiltern, aber die Sympathien gehörten eindeutig den gegen die Norm verstoßenden Protagonisten.
"Die Fastnachtsbeichte" Deutschland1960, Regie: William Dieterle, Drehbuch: Kurt Heuser, Carl Zuckmayer (Novelle), Darsteller : Hans Söhnker, Gitty Djamal, Götz George, Christian Wolff, Berta Drews, Grit Boettcher, Friedrich Domin, Rainer Brandt, Hilde Hildebrandt, Wolfgang Völz, Harry Engel, Laufzeit : 96 Minuten
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