Gleichzeitig erreicht Viola (Gitty Djamal) die Villa ihres
Onkels Panezza (Hans Söhnker). Sie gehört zum italienischen Zweig der Familie
und war seit ihrer Kindheit nicht mehr in Mainz, wird von ihrem Cousin
Jeanmarie (Christian Wolff) aber sofort erkannt. Sie reagiert dagegen
überrascht auf ihn, was sie mit ihrer langen Abwesenheit entschuldigt. Trotzdem
gerät ihre Ankunft etwas ins Hintertreffen, denn die allgemeine Aufregung
gehört ihrem Onkel, der in diesem Jahr gemeinsam mit der jungen Katharina
(Helga Tölle) das Prinzenpaar bildet. Dass sich ihre Beziehung nicht allein auf
den Karneval beschränkt, ahnt scheinbar Niemand…
In Erinnerung an Götz George, mit 77 Jahren gestorben am 19.06.2016
Dass zu Götz Georges Tod sofort an seine Rolle als Tatort-Kommissar Schimanski erinnert wird, ist naheliegend, lässt aber vergessen, dass er schon mehr als 25 Jahre vor "Duisburg - Ruhrort" (1981) als Schauspieler aktiv war, erst in den 60er Jahren dank der "Karl May"-Filme zum Kinostar aufstieg, um in den 70er Jahren zunehmend Fernseh-Präsenz zu zeigen. Neben vielen populären Rollen galt sein Augenmerk immer auch engagierten, in ihrer Entstehungszeit provokanten Werken wie den Staudte-Filmen "Kirmes" (1960) und "Herrenpartie" (1964). Auch "Die Fastnachtsbeichte" nach einer Novelle von Carl Zuckmayer gehörte in diese Kategorie, auch wenn der Verfilmung die Reputation als gesellschaftskritisches Werk damals nicht zugestanden wurde - aus heutiger Sicht eher eine Auszeichnung.
Die in meinem Text aufgeführten Hintergrundinformationen, mehr aber noch die vergleichenden Überlegungen zur Literaturvorlage Zuckmayers verdanke ich der sehr ausführlichen Analyse eines Vortrags von 1996 aus Anlass der Nähe des Films zur Stadt Mainz. Nachzulesen auf der Web-Seite "Mainz-Minas" mit einer Fülle weiterer Informationen zum Film und dessen Entstehung.
"Leider erliegt Götz George – wie schon in "Kirmes" – dem Trugschluss, asthmatisches Sprechen wirke schon bei einem Anfang-Zwanziger sehr eindrucksvoll."
Was genau der Kritiker des "Film-Echo" gehört haben will, bleibt sein persönliches Geheimnis. Götz Georges Stimme klingt in "Die Fastnachtsbeichte" schon genauso vertraut wie mehr als 20 Jahre später in seiner bekanntesten Rolle als "Tatort" - Kommissar Schimanski - zwar ruhiger, scheinbar braver, aber selbstbestimmt und konsequent. Wie im erwähnten "Kirmes" (1960) spielte George auch hier einen jungen Soldaten, dessen äußerliche Angepasstheit nicht über seinen freien Willen hinwegtäuschen sollte. In "Kirmes" desertiert er kurz vor dem Ende des 2.Weltkriegs, in "Die Fastnachtsbeichte" geht er 1913 - der 1.Weltkrieg steht kurz bevor - eine Beziehung mit der Prostituierten Rosa (Ursula Heyer) ein. Sein Verstoß gegen die bürgerlichen Regeln erwächst nicht aus Widerstandsgeist oder intellektueller Überzeugung. Er reagiert einzig aus dem Bauch heraus und steht in seiner monolithischen Ausstrahlung in Opposition zu einem Bürgertum, dessen Verlogenheit sich hinter einer Fassade aus Anstand und Moral versteckt.
„Die lasche, auf Seelen- und Kostümpomp bedachte Regie des Hollywood-Spätheimkehrers William (Wilhelm) Dieterle vermochte der literarischen Vorlage nicht mehr abzugewinnen als matten Kino-Schwulst.“ („Der Spiegel“, 1960)
Dabei hatte Carl Zuckmayer seinen Willen zur Verfilmung der im Jahr zuvor herausgegebenen Novelle deutlich zu verstehen gegeben und Drehbuchautor Kurt Heuser hatte sich eng an dessen Text gehalten. Es fehlen im Film nur wenige Figuren und Dialoge, entscheidend für die Intention der Story waren diese nicht. Das gilt auch für den Beginn, der sich wenig Mühe gibt, die Charaktere und ihre Motive näher zu erklären. Eine von Carl Zuckmayer gewollte Nebeneinanderstellung paralleler Geschehnisse, die in seiner Novelle dank der ausführlichen Beschreibung des Mainzer Lokalkolorits während der alljährlichen Fastnachtsfeierlichkeiten zwar weniger abrupt wirken als im Film, trotzdem aber den Einstieg erschweren. Der tödliche Zusammenbruch eines unbekannten Soldaten im Beichtstuhl des Dom-Probst (Friedrich Domin), die Ankunft von Viola (Gitty Djamal), einer jungen Italienerin, im Haus ihres wohlhabenden Onkels Panezza (Hans Söhnker) in Mainz oder die allgemeine Aufregung um dessen bevorstehenden Auftritt als Karnevalsprinz an der Seite der viel jüngeren Katharina (Helga Tölle) scheinen in keinem Zusammenhang zu stehen.
Diese Ausgangssituation und die langsame Aufklärung der tatsächlichen Zusammenhänge mithilfe von Rückblenden brachten der „Fastnachtsbeichte“ den Ruf einer Kriminalgeschichte ein. Für Zuckmayer nur der Rahmen eines doppelbödigen Spiels. Der Karneval mit seinen Maskeraden und Momenten moralischer Freiheit bildete den idealen Hintergrund für die Diskrepanz von Schein und Sein, ließ die heimlichen Sehnsüchte der Protagonisten ebenso erkennen, wie ihre Unfähigkeit sie auszuleben. Dass Selbstbetrug und Vortäuschung äußerlicher Moral tödliche Abläufe in Gang setzen, gehört heute zum Standard-Repertoire des Kriminalfilms. Die wenig spektakuläre Aufklärung des Mordes interessierte den Autor in diesem Zusammenhang aber nur am Rande, mehr lag sein Augenmerk auf der brüchigen Fassade einer bürgerlichen Gesellschaft am Vorabend des 1. Weltkriegs. Und das er seine 1959 herausgebrachte Novelle in diese Zeit versetzte lässt sich nur als Kommentar auf eine Gegenwart verstehen, deren prinzipiellen Mechanismen sich nicht verändert hatten.
Doch diese Figuren-Konstellation täuscht über die Brisanz hinweg, die ihr Verhalten Ende der 50er Jahre noch auslöste. Auch Zuckmayers Theaterstücke und Erzählungen waren in ihrer Gesellschaftskritik eher unterschwellig und verdankten ihre Popularität nicht zuletzt ihrem hohen Unterhaltungswert. Den besitzt auch Dieterles Verfilmung, die nach ihrem sperrigen Beginn zunehmend zu fesseln vermag. Eine generelle Kritik an der Bürgerschicht ließ sich daraus zwar nur schwer herauszufiltern, aber die Sympathien gehörten eindeutig den gegen die Norm verstoßenden Protagonisten.
"Die Fastnachtsbeichte" Deutschland 1960, Regie: William Dieterle, Drehbuch: Kurt Heuser, Carl Zuckmayer (Novelle), Darsteller : Hans Söhnker, Gitty Djamal, Götz George, Christian Wolff, Berta Drews, Grit Boettcher, Friedrich Domin, Rainer Brandt, Hilde Hildebrandt, Wolfgang Völz, Harry Engel, Laufzeit : 96 Minuten
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