Jesús Franco in "Die Sklavinnen" |
Angesichts
der mehr als 200 Filme, die Jesús Franco in über 60 Jahren als Regisseur
verantwortete, wirkt die Heraushebung von siebzehn zwischen 1975 und 1978 gedrehten
Kinofilmen übertrieben, erscheinen diese im Gesamtkontext doch nur als
Momentaufnahme. Trotzdem treten sie wegen ihrer ungewöhnlichen Begleitumstände
aus dem Oevre des spanischen Regisseurs hervor, denn sie entstanden in enger
Zusammenarbeit mit dem Schweizer Produzenten und Filmemacher Erwin C. Dietrich.
Zwar arbeiteten Beide weiter parallel an eigenen Filmen, aber deren Anzahl
blieb in dieser Phase überschaubar, weshalb von einer kurzen, aber heftigen
Filmehe zweier hinsichtlich ihres Stils unterschiedlicher Partner gesprochen
werden kann.
Erwin C. Dietrichs "Eine Armee Gretchen" (1973) |
Vergleicht man beispielsweise ihre 1969 herausgekommenen Filme "Paroximus"
(Franco) und "Porno Baby" (Dietrich) wirken sie - von der
Zugehörigkeit zum Erotik-Genre einmal abgesehen - äußerlich schwer vereinbar,
aber das täuscht. Erwin C. Dietrich, der den französischen Erotikfilm-Pionier
José Bénazéraf auf den deutschen Markt gebracht hatte ("St. Pauli zwischen Nacht und Morgen", 1967), besaß als Produzent nicht nur ein Auge für
Regie-Talente und ein Gespür für publikumswirksame Stoffe, sondern war als
Regisseur und Drehbuchautor auch in der Lage, einem Kollegen das Feld zu
überlassen. Zudem hatte er seine Neigung zur Sexploitation spätestens mit
"Eine Armee Gretchen" (1973) bewiesen, in dem er seine normalerweise
Sex-Szene an Sex-Szene reihenden Pseudo-Dokumentationen ("Die
Stewardessen", 1972) hemmungslos mit Klischees der Zeit des
Nationalsozialismus verband.
Frauen im südamerikanischen Diktatur-Ambiente |
Jesús
Franco wiederum hatte schon vor der Zusammenarbeit mit Dietrich Filme wie
"Sie töteten in Ekstase" (1971) oder "Der Todesrächer von
Soho" (1972) - beide unter Mitwirkung von Horst Tappert - für den
deutschen Markt gedreht, jeweils produziert von Arthur Brauner. Mit
"Jungfrauen-Report" (1972) leistete er sogar einen Beitrag zur damals
in Deutschland grassierenden Report-Welle. Als Initialzündung
ihrer Zusammenarbeit kann der Film "Midnight Party" (1975) gelten, der ursprünglich für den französischen Markt entstand, aus dem Erwin C. Dietrich auf die Bitte Francos zusätzlich die weniger explizite deutschsprachige Version "Heisse Berührungen" entwickelte, die Anfang 1976 in die deutschen Kinos kam. Ihr erstes echtes gemeinsames Projekt
"Downtown - die nackten Puppen der Unterwelt" (1975) erschien schon ein paar Monate früher in der Schweiz und verfügte über alle Ingredienzien einer guten Beziehungsanbahnung. Dietrich brachte neben
den finanziellen Mitteln seinen Hofkomponisten Walter Baumgartner mit, der den
Soundtrack für alle seine Filme lieferte, und ließ das Drehbuch von Christine
Lembach schreiben, die ihre Fähigkeiten bei „Eine Armee Gretchen“ nachgewiesen
hatte.
Lina Romay und Jesús Franco |
Franco wurde
von seiner Lebensgefährtin und Dauer-Hauptdarstellerin Lina Romay begleitet,
die sich in weiteren acht Filmen des Teams Dietrich/Franco als attraktiver
Mittelpunkt erwies. Zudem spielte er selbst die Hauptrolle und sorgte mit
seinem gewohnten Inszenierungsstil für das notwendige südamerikanische Flair
der in Porto Rico angesiedelten Handlung und die entsprechenden erotischen
Einblicke. Im Gegensatz zu den von Dietrich zuvor gedrehten Soft-Sex-Filmen verfügte
Francos Stil schon in „Downtown“ über deutliche Hardcore-Tendenzen, da seine
Kameraführung und Schnitttechnik einen expliziten detaillierten Blick auf die
nackten weiblichen Körper warf. Der wenige Monate später herausgekommene „Frauengefängnis“
(1976) ähnelt „Downtown“ trotz der hier erstmals thematisierten Folterung an
Frauen optisch und inszenatorisch und weist neben den selben in Honduras
gedrehten Meerpanoramabildern einen nahezu identischen Cast auf - sowohl vor
als auch hinter der Kamera - was auf eine kostengünstig abgedrehte
Doppelproduktion hinweist.
"Liebesbriefe einer portugiesischen Nonne" |
In den
darauf folgenden Filmen übernahm Jesús Franco zwar zunehmend die künstlerische
Leitung, war allein für die Drehbücher verantwortlich und vermischte die
Erotik-Stoffe bei „Jack the Ripper“ (1976)), dem auch als Hardcore-Film
erschienenen „Die Marquise von Sade“ (1976) und „Greta – Haus ohne Männer“
(1977) mit Horror- und Sado/Maso – Elementen, aber gleichzeitig intensivierte
sich die Zusammenarbeit von Dietrich und Franco. “Weiße Haut und schwarze
Schenkel“ (1976) und „Mädchen im Nachtverkehr“ (1976) gelten offiziell als
Dietrich-Filme, zu denen er auch das Drehbuch verfasste, aber die sowohl in
einer Soft-Sex, als auch Porno-Version herausgekommenen Filme verfügen
eindeutig über Jesús Francos Regie-Stil mit den staccatoartigen Schnitten und den
extremen Close-Ups. Entsprechend unterschiedlich autorisierte Filme entstanden
in den vier Jahren – zuerst noch in Dietrich- und Franco-Filme unterteilt, liefen
die letzten acht gemeinsamen Filme ab „Liebesbriefe einer portugiesischen
Nonne“ (1977) nur noch unter Francos Regie, aber immer unter reger Mitwirkung
Dietrichs, der sein Team und einige Drehbücher dazu beisteuerte.
Südliches Flair "Marquise von Sade" |
Bei der
Analyse ihres Gesamtwerks lässt sich der Eindruck allerdings nicht verwischen,
dass den beiden Regisseuren langsam die Ideen ausgingen, nachdem die kurze
Pornografie-Phase wieder vorbei war. Ob „Die Sklavinnen“ (1977), „Das
Frauenhaus“ (1977) oder „Frauen im Liebeslager“ (1977) – wie schon im frühen „Frauengefängnis“ wurde wieder südamerikanisches Diktatur-Flair beschworen und gefangen
gehaltene Frauen auf unterschiedliche Weise malträtiert. Inzwischen aber optisch
züchtig im Soft-Sex-Stil, der weit hinter den expliziteren Bildern ihrer ersten
Filmen zurückblieb. Nachdem sich in „Frauen ohne Unschuld“ (1978) ein letztes
Mal Francos Muse Lina Romay in einem Franco/Dietrich-Werk geräkelt hatte, bedeutete
„Frauen im Zellenblock 9“ (1978) das Ende ihrer Liaison und damit auch der
Frauenfolter-Filme. „Frauen im Zellenblock 9“ wirkt wie ein inkonsequentes Zwitterwesen
und macht deutlich, dass die Thematik als Kompensation zum parallelen Durchbruch des Pornofilms ausgeschöpft war. Zwar wurde versucht mit noch fieseren
Folterungsmethoden weiter an der Gewaltschraube zu drehen, aber dieses Vorhaben
wurde nur noch sprachlich umgesetzt und blieb optisch angedeutet. Besonders im
Vergleich zum witzig, skurrilen Beginn ihrer Zusammenarbeit in „Downtown – die
nackten Puppen der Unterwelt“ ist das fehlen jeder Erotik auffällig, außer der
Betrachter kann sich an den lieblos abgefilmten nackten Frauenkörpern noch irgendwie
erfreuen.
Antreten zum Appell in "Frauengefängnis" |
Erwin
C.Dietrichs Karriere als Regisseur überlebte diese Phase nur noch kurz. Nach
zwei weiteren Filmen über die „Sechs Schwedinnen“ wurde „Julchen und Jettchen,
die verliebten Apothekerstöchter“ 1982 sein letzter Film, während sich Jesús
Franco in gewohnt arbeitsintensiver Form neuen Gefilden zuwandte – dem Ende der
70er Jahre angesagten Kannibalismus. Zurück blieben 17 Filme und damit das
Ergebnis einer kurzen, intensiven Filmehe, die der Übergangsphase vom Soft-Sex-
zum Pornofilm Mitte der 70er Jahre ihren persönlichen Stempel aufdrücken
konnte.
1975:
"Midnight Party" (deutschsprachige Fassung "Heisse Berührungen") Regie: Jesús Franco, Julio Tabernero, Drehbuch: Jesús Franco, Erwin C. Dietrich (deutschsprachige Fassung)
"Downtown - Die nackten Puppen der Unterwelt" Regie: Jesús Franco, Drehbuch: Christine Lembach
1976:
"Frauengefängnis" Regie: Jesús Franco, Drehbuch: Christine Lembach, Jesús Franco
"Midnight Party" (deutschsprachige Fassung "Heisse Berührungen") Regie: Jesús Franco, Julio Tabernero, Drehbuch: Jesús Franco, Erwin C. Dietrich (deutschsprachige Fassung)
"Downtown - Die nackten Puppen der Unterwelt" Regie: Jesús Franco, Drehbuch: Christine Lembach
1976:
"Frauengefängnis" Regie: Jesús Franco, Drehbuch: Christine Lembach, Jesús Franco
"Weiße Haut und schwarze Schenkel" Regie: Erwin C.Dietrich, Jesús Franco,
Drehbuch: Erwin C. Dietrich (Soft- und Hardcore-Version)
"Die Marquise von Sade" (Hardcore Version "Das Bildnis der Doriana Gray")
Regie und Drehbuch: Jesús Franco
Drehbuch: Erwin C. Dietrich (Soft- und Hardcore-Version)
"Die Marquise von Sade" (Hardcore Version "Das Bildnis der Doriana Gray")
Regie und Drehbuch: Jesús Franco
"Mädchen im Nachtverkehr" Regie: Erwin C.Dietrich, Jesús Franco,
Drehbuch: Erwin C. Dietrich (Soft- und Hardcore-Version)
Drehbuch: Erwin C. Dietrich (Soft- und Hardcore-Version)
"Jack the Ripper" Regie und Drehbuch: Jesús Franco
"In 80 Betten um die Welt" Regie: Erwin C.Dietrich, Jesús Franco, Drehbuch: Erwin C. Dietrich
1977:
"Greta - Haus ohne Männer" Regie: Jesús Franco, Drehbuch: Erwin C. Dietrich, Jesús Franco
"Die Liebesbriefe einer portugiesischen Nonne" Regie: Jesús Franco,
Drehbuch: Erwin C. Dietrich, Christine Lembach, Mariana Alcoforado
Wiederholtes Motiv im Franco/Dietrich Film: leidende weibliche Insassen |
1977:
"Greta - Haus ohne Männer" Regie: Jesús Franco, Drehbuch: Erwin C. Dietrich, Jesús Franco
"Die Liebesbriefe einer portugiesischen Nonne" Regie: Jesús Franco,
Drehbuch: Erwin C. Dietrich, Christine Lembach, Mariana Alcoforado
"Die Sklavinnen" Regie: Jesús Franco, Drehbuch: Erwin C. Dietrich
"Das Frauenhaus" Regie und Drehbuch: Jesús Franco
"Das Frauenhaus" Regie und Drehbuch: Jesús Franco
"Teufliche Schwestern" Regie: Jesús Franco, Drehbuch: Erwin C. Dietrich
"Frauen im Liebeslager" Regie: Jesús Franco, Drehbuch: Erwin C. Dietrich
"Frauen im Liebeslager" Regie: Jesús Franco, Drehbuch: Erwin C. Dietrich
"Der Ruf der blonden Göttin" Regie: Jesús Franco, Drehbuch: Erwin C. Dietrich, Jesús Franco
1978:
"Frauen ohne Unschuld" Regie: Jesús Franco, Drehbuch: Erwin C. Dietrich, Jesús Franco
"Frauen für Zellenblock 9" Regie und Drehbuch: Jesús Franco
1978:
"Frauen ohne Unschuld" Regie: Jesús Franco, Drehbuch: Erwin C. Dietrich, Jesús Franco
"Frauen für Zellenblock 9" Regie und Drehbuch: Jesús Franco
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