Samstag, 1. März 2014

Jesús Franco & Erwin C. Dietrich - Die 70er Jahre Erotik-Connection

Jesús Franco in "Die Sklavinnen"
Angesichts der mehr als 200 Filme, die Jesús Franco in über 60 Jahren als Regisseur verantwortete, wirkt die Heraushebung von siebzehn zwischen 1975 und 1978 gedrehten Kinofilmen übertrieben, erscheinen diese im Gesamtkontext doch nur als Momentaufnahme. Trotzdem treten sie wegen ihrer ungewöhnlichen Begleitumstände aus dem Oevre des spanischen Regisseurs hervor, denn sie entstanden in enger Zusammenarbeit mit dem Schweizer Produzenten und Filmemacher Erwin C. Dietrich. Zwar arbeiteten Beide weiter parallel an eigenen Filmen, aber deren Anzahl blieb in dieser Phase überschaubar, weshalb von einer kurzen, aber heftigen Filmehe zweier hinsichtlich ihres Stils unterschiedlicher Partner gesprochen werden kann.

Erwin C. Dietrichs "Eine Armee Gretchen" (1973)
Vergleicht man beispielsweise ihre 1969 herausgekommenen Filme "Paroximus" (Franco) und "Porno Baby" (Dietrich) wirken sie - von der Zugehörigkeit zum Erotik-Genre einmal abgesehen - äußerlich schwer vereinbar, aber das täuscht. Erwin C. Dietrich, der den französischen Erotikfilm-Pionier José Bénazéraf auf den deutschen Markt gebracht hatte ("St. Pauli zwischen Nacht und Morgen", 1967), besaß als Produzent nicht nur ein Auge für Regie-Talente und ein Gespür für publikumswirksame Stoffe, sondern war als Regisseur und Drehbuchautor auch in der Lage, einem Kollegen das Feld zu überlassen. Zudem hatte er seine Neigung zur Sexploitation spätestens mit "Eine Armee Gretchen" (1973) bewiesen, in dem er seine normalerweise Sex-Szene an Sex-Szene reihenden Pseudo-Dokumentationen ("Die Stewardessen", 1972) hemmungslos mit Klischees der Zeit des Nationalsozialismus verband.

Frauen im südamerikanischen Diktatur-Ambiente
Jesús Franco wiederum hatte schon vor der Zusammenarbeit mit Dietrich Filme wie "Sie töteten in Ekstase" (1971) oder "Der Todesrächer von Soho" (1972) - beide unter Mitwirkung von Horst Tappert - für den deutschen Markt gedreht, jeweils produziert von Arthur Brauner. Mit "Jungfrauen-Report" (1972) leistete er sogar einen Beitrag zur damals in Deutschland grassierenden Report-Welle. Als Initialzündung ihrer Zusammenarbeit kann der Film "Midnight Party" (1975) gelten, der ursprünglich für den französischen Markt entstand, aus dem Erwin C. Dietrich auf die Bitte Francos zusätzlich die weniger explizite deutschsprachige Version "Heisse Berührungen" entwickelte, die Anfang 1976 in die deutschen Kinos kam. Ihr erstes echtes gemeinsames Projekt "Downtown - die nackten Puppen der Unterwelt" (1975) erschien schon ein paar Monate früher in der Schweiz und verfügte über alle Ingredienzien einer guten Beziehungsanbahnung. Dietrich brachte neben den finanziellen Mitteln seinen Hofkomponisten Walter Baumgartner mit, der den Soundtrack für alle seine Filme lieferte, und ließ das Drehbuch von Christine Lembach schreiben, die ihre Fähigkeiten bei „Eine Armee Gretchen“ nachgewiesen hatte.

Lina Romay und Jesús Franco
Franco wurde von seiner Lebensgefährtin und Dauer-Hauptdarstellerin Lina Romay begleitet, die sich in weiteren acht Filmen des Teams Dietrich/Franco als attraktiver Mittelpunkt erwies. Zudem spielte er selbst die Hauptrolle und sorgte mit seinem gewohnten Inszenierungsstil für das notwendige südamerikanische Flair der in Porto Rico angesiedelten Handlung und die entsprechenden erotischen Einblicke. Im Gegensatz zu den von Dietrich zuvor gedrehten Soft-Sex-Filmen verfügte Francos Stil schon in „Downtown“ über deutliche Hardcore-Tendenzen, da seine Kameraführung und Schnitttechnik einen expliziten detaillierten Blick auf die nackten weiblichen Körper warf. Der wenige Monate später herausgekommene „Frauengefängnis“ (1976) ähnelt „Downtown“ trotz der hier erstmals thematisierten Folterung an Frauen optisch und inszenatorisch und weist neben den selben in Honduras gedrehten Meerpanoramabildern einen nahezu identischen Cast auf - sowohl vor als auch hinter der Kamera - was auf eine kostengünstig abgedrehte Doppelproduktion hinweist.

"Liebesbriefe einer portugiesischen Nonne"
In den darauf folgenden Filmen übernahm Jesús Franco zwar zunehmend die künstlerische Leitung, war allein für die Drehbücher verantwortlich und vermischte die Erotik-Stoffe bei „Jack the Ripper“ (1976)), dem auch als Hardcore-Film erschienenen „Die Marquise von Sade“ (1976) und „Greta – Haus ohne Männer“ (1977) mit Horror- und Sado/Maso – Elementen, aber gleichzeitig intensivierte sich die Zusammenarbeit von Dietrich und Franco. “Weiße Haut und schwarze Schenkel“ (1976) und „Mädchen im Nachtverkehr“ (1976) gelten offiziell als Dietrich-Filme, zu denen er auch das Drehbuch verfasste, aber die sowohl in einer Soft-Sex, als auch Porno-Version herausgekommenen Filme verfügen eindeutig über Jesús Francos Regie-Stil mit den staccatoartigen Schnitten und den extremen Close-Ups. Entsprechend unterschiedlich autorisierte Filme entstanden in den vier Jahren – zuerst noch in Dietrich- und Franco-Filme unterteilt, liefen die letzten acht gemeinsamen Filme ab „Liebesbriefe einer portugiesischen Nonne“ (1977) nur noch unter Francos Regie, aber immer unter reger Mitwirkung Dietrichs, der sein Team und einige Drehbücher dazu beisteuerte.

Südliches Flair "Marquise von Sade"
Bei der Analyse ihres Gesamtwerks lässt sich der Eindruck allerdings nicht verwischen, dass den beiden Regisseuren langsam die Ideen ausgingen, nachdem die kurze Pornografie-Phase wieder vorbei war. Ob „Die Sklavinnen“ (1977), „Das Frauenhaus“ (1977) oder „Frauen im Liebeslager“ (1977) – wie schon im frühen „Frauengefängnis“ wurde wieder südamerikanisches Diktatur-Flair beschworen und gefangen gehaltene Frauen auf unterschiedliche Weise malträtiert. Inzwischen aber optisch züchtig im Soft-Sex-Stil, der weit hinter den expliziteren Bildern ihrer ersten Filmen zurückblieb. Nachdem sich in „Frauen ohne Unschuld“ (1978) ein letztes Mal Francos Muse Lina Romay in einem Franco/Dietrich-Werk geräkelt hatte, bedeutete „Frauen im Zellenblock 9“ (1978) das Ende ihrer Liaison und damit auch der Frauenfolter-Filme. „Frauen im Zellenblock 9“ wirkt wie ein inkonsequentes Zwitterwesen und macht deutlich, dass die Thematik als Kompensation zum parallelen Durchbruch des Pornofilms ausgeschöpft war. Zwar wurde versucht mit noch fieseren Folterungsmethoden weiter an der Gewaltschraube zu drehen, aber dieses Vorhaben wurde nur noch sprachlich umgesetzt und blieb optisch angedeutet. Besonders im Vergleich zum witzig, skurrilen Beginn ihrer Zusammenarbeit in „Downtown – die nackten Puppen der Unterwelt“ ist das fehlen jeder Erotik auffällig, außer der Betrachter kann sich an den lieblos abgefilmten nackten Frauenkörpern noch irgendwie erfreuen.

Antreten zum Appell in "Frauengefängnis"
Erwin C.Dietrichs Karriere als Regisseur überlebte diese Phase nur noch kurz. Nach zwei weiteren Filmen über die „Sechs Schwedinnen“ wurde „Julchen und Jettchen, die verliebten Apothekerstöchter“ 1982 sein letzter Film, während sich Jesús Franco in gewohnt arbeitsintensiver Form neuen Gefilden zuwandte – dem Ende der 70er Jahre angesagten Kannibalismus. Zurück blieben 17 Filme und damit das Ergebnis einer kurzen, intensiven Filmehe, die der Übergangsphase vom Soft-Sex- zum Pornofilm Mitte der 70er Jahre ihren persönlichen Stempel aufdrücken konnte.

1975:

"Midnight Party" (deutschsprachige Fassung "Heisse Berührungen") Regie: Jesús Franco, Julio Tabernero,                                                        Drehbuch: Jesús Franco, Erwin C. Dietrich (deutschsprachige Fassung)
"Downtown - Die nackten Puppen der Unterwelt" Regie: Jesús Franco, Drehbuch: Christine Lembach

1976:

"Frauengefängnis" Regie: Jesús Franco, Drehbuch: Christine Lembach, Jesús Franco
"Weiße Haut und schwarze Schenkel" Regie: Erwin C.Dietrich, Jesús Franco,
                                                                          Drehbuch: Erwin C. Dietrich (Soft- und Hardcore-Version)
"Die Marquise von Sade" (Hardcore Version "Das Bildnis der Doriana Gray") 
                                                                                Regie und Drehbuch: Jesús Franco 
"Mädchen im Nachtverkehr" Regie: Erwin C.Dietrich, Jesús Franco,
                                                                          Drehbuch: Erwin C. Dietrich (Soft- und Hardcore-Version)
"Jack the Ripper" Regie und Drehbuch: Jesús Franco                                   
"In 80 Betten um die Welt" Regie: Erwin C.Dietrich, Jesús Franco, Drehbuch: Erwin C. Dietrich

Wiederholtes Motiv im Franco/Dietrich Film: leidende weibliche Insassen















1977:

"Greta - Haus ohne Männer" Regie: Jesús Franco, Drehbuch: Erwin C. Dietrich, Jesús Franco
"Die Liebesbriefe einer portugiesischen Nonne" Regie: Jesús Franco,
                                                        Drehbuch: Erwin C. Dietrich, Christine Lembach, Mariana Alcoforado
"Die Sklavinnen" Regie: Jesús Franco, Drehbuch: Erwin C. Dietrich                                  
"Das Frauenhaus" Regie und Drehbuch: Jesús Franco                                                               
"Teufliche Schwestern" Regie: Jesús Franco, Drehbuch: Erwin C. Dietrich 
"Frauen im Liebeslager" Regie: Jesús Franco, Drehbuch: Erwin C. Dietrich                                       
"Der Ruf der blonden Göttin" Regie: Jesús Franco, Drehbuch: Erwin C. Dietrich, Jesús Franco

1978: 

"Frauen ohne Unschuld" Regie: Jesús Franco, Drehbuch: Erwin C. Dietrich, Jesús Franco
"Frauen für Zellenblock 9" Regie und Drehbuch: Jesús Franco                                                

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