Inhalt:
Am Checkpoint zum Armeegelände kommt es zu Wartezeiten für die LKW-Fahrer, die
den schwarzen Kies für den Bau einer Landebahn anliefern. Den handgreiflichen
Streit zwischen einem deutschen Fahrer und einem Amerikaner nutzt Otto Krahne (Wolfgang
Büttner) sofort zur Abstempelung weiterer Lieferscheine an Robert (Helmut Wildt),
der damit Kies auf eigene Rechnung verkaufen kann. Ein anderer Fahrer schmeißt
einen Stein nach einem bellenden Hund, trifft ihn damit aber so unglücklich,
dass dieser tot liegen bleibt. Robert nimmt sich dessen auffälliges Halsband
und wirft ihn auf den Kieshaufen, wo der Kadaver zugeschüttet wird.
Nachdem
der Wagen ihres Mannes, Major John Gaines (Hans Cossy), liegengeblieben war, lässt
sich Inge (Ingmar Zeisberg) von einem LKW-Fahrer mitnehmen, um Hilfe zu holen.
Zuerst reagiert sie nicht auf Robert, aber dieser macht kein Geheimnis daraus,
dass er sie sofort wieder erkannte. Vor einigen Jahren, kurz nach dem Krieg,
waren sie ein Paar - bis sich Inge von ihm trennte, weil sie an der Seite des
attraktiven, aber unsteten Mannes keine Zukunft mehr sah. Robert, der ein
Zimmer in einem der Bordelle bewohnt, in denen die US-Soldaten Ablenkung
suchen, flirtet selbstbewusst mit ihr, ohne zu ahnen, dass sie verheiratet ist.
Er erfährt, dass sie ihren Hund sucht, erzählt ihr aber nichts von dessen Tod,
sondern nutzt seinen Wissensvorteil für einen weiteren Annäherungsversuch…
sollte
"Schwarzer Kies" (ursprünglich geplanter Titel "Haut auf
Haut") nach Aussage seines Regisseurs Helmut Käutner werden und auf diese
Weise die Realität im Jahr 1960 abbilden, um "alle deutschen Tabus zu
durchstoßen". Eine so provokante, wie überraschende Aussage, denn Käutners
Filme zeichneten sich von Beginn an durch ihre authentische Darstellung
menschlicher Verhaltensweisen aus. "Große Freiheit Nr. 7" (1943)
spielte vor dem Hintergrund von Liebe, Sex und Prostitution und gemeinsam mit
dem Autoren und Produzenten Walter Ulbrich hatte Käutner schon am Drehbuch zu
"Unter den Brücken" (1945) zusammen gearbeitet, der einfühlsam eine
Geschichte von einer Frau zwischen zwei Männern erzählte.
Dem
Subtext einer modernen, die sozialen Veränderungen realistisch betrachtenden
Sichtweise blieb Käutner auch nach dem Krieg treu, vermied aber eine direkte
Konfrontation. Das änderte sich Ende der 50er Jahre als er mit Wolfgang Staudte
und Harald Braun eine eigene Produktionsgesellschaft gründete, um ihre
Vorstellungen ohne Konzessionen umsetzen zu können. Wegen Brauns frühem Tod
entstanden mit "Der Rest ist Schweigen" (1959, Regie Käutner) und
"Kirmes" (1960, Regie Staudte) nur zwei Filme unter eigener Hoheit. "Schwarzer
Kies" - die letzte Produktion der 1956 reprivatisierten "Universum
Film AG" - vertrat zwar eine ähnlich kompromisslose Haltung, setzte aber
auf reines Unterhaltungs- und Spannungs-Kino, ohne konkrete Gesellschaftskritik
zu üben. Wenig wohlwollend, aber zurecht rückte ihn die zeitgenössische Presse in
die Nähe französischer Thriller, denn besonders die Parallelen zu Clouzots „Le salaire de la peur“ (Lohn der Angst, 1954) sind offensichtlich.
Wildt
verkörperte in seinem ersten Film den selbstständigen LKW-Fahrer Robert
Neidhardt, der einen Teil seiner Kies-Lieferungen an die Amerikaner vortäuscht,
um das Material schwarz zu verkaufen. Das funktioniert dank gefälschter
Lieferscheine, die ihm Otto Krahne (Wolfgang Büttner) besorgt, der auch mit
anderen Fahrern zusammenarbeitet und plant, mit dem verdienten Geld seinen
Lebensabend luxuriös im Ausland zu verbringen. 15 Jahre nach dem Ende des
Krieges hat sich der Respekt vor den Amerikanern längst verflüchtigt und ist, frei
von jedem Schuldbewusstsein, rein wirtschaftlichen Motiven gewichen. Neidhardt
ist gleichzeitig Profiteur und Opfer. Ein attraktiver, selbstbewusst
auftretender Mann, der nach dem Krieg nicht mehr ins geregelte Leben
zurückgefunden hat. Er bewohnt ein einfaches Zimmer in einem Nachtclub, wird
von einer Prostituierten (Anita Höfer) geliebt, ohne deren Gefühle zu erwidern,
und lebt ziellos in den Tag hinein. Das ändert sich als er zufällig Inge wieder
trifft, die er als Anhalterin mitnimmt. Der Wagen ihres Mannes Major John
Gaines (Hans Cossy), Befehlshaber des Stützpunkts, hatte eine Panne.
Inges
Werdegang verlief entgegen gesetzt, nachdem sie sich getrennt hatten. Details
über ihre gemeinsame Zeit werden nur angedeutet, aber trotz der nach wie vor
vorhandenen erotischen Anziehungskraft, entschied sie sich, ihn zu verlassen,
um ein materiell gesichertes und sozial anerkanntes Leben zu führen. Alles in
„Schwarzer Kies“ atmet die Folgen des Krieges. Nicht mehr in der unmittelbaren
Konsequenz von Zerstörung oder Hunger, sondern in der unbändigen und
gleichzeitig unerfüllbaren Sucht nach Sicherheit und Glück. Das propagierte
geordnete Leben existiert hier ebenso wenig, wie emotional gefestigte Menschen.
Ein junges Paar – die jungfräuliche Anni (Edeltraut Elsner) und der US-Soldat
Bill (Peter Nestler) – scheint aus der vergnügungssüchtigen Masse
herauszutreten, stirbt aber bei einem von Neidhardt verschuldeten Unfall. Die wahre
Ursache erfährt nur der Betrachter. Bill war die Genehmigung für ihre geplante
Hochzeit vom US-Konsulat verweigert worden, da Anni aus der DDR stammt, aber er
versuchte noch, sie zum Sex zu bewegen, ohne ihr diese Konsequenz mitzuteilen.
Als sie sich wehrt, losreißt und er ihr auf die Straße folgt, kommt es zu
dem Unglück.
Angesichts
der fatalistischen Mischung aus Egoismus, Sex und Gewalt, die Käutner in
kräftigen Schwarz-Weiß-Bildern entwarf, erstaunen die kritischen Stimmen nicht,
die dem Film damals Klischees und einseitige Charakterisierungen attestierten.
„Schwarzer Kies“ bemühte sich weder um Differenzierungen, noch Ausgewogenheit,
traf damit aber den Nerv einer Zeit, die schon deutliche Schatten in Richtung
der sozialen Veränderungen der späten 60er Jahre warf. Wie missverstanden sein
Film wurde, wird auch an der Anklage wegen Antisemitismus deutlich, der sich
Käutner durch den Zentralrat
der Juden ausgesetzt sah. In einer Szene beschimpft einer der Gäste den Club-Besitzer
mit „Saujud“, nachdem dieser ihn mehrfach freundlich aufgefordert hatte, wegen
der US-Soldaten auf patriotisches Liedgut aus der Juke-Box zu verzichten. Käutners
gegenteilige Absicht lag darin, den latent vorhandenen Hass gegenüber Juden in
der Bevölkerung hervorzuheben, aber allein dass ein ehemaliger KZ-Häftling –
die Kamera erfasst nach dem Streit dessen tätowierten Code am Unterarm - ein
Bordellbetreiber sein sollte, genügte schon als Affront.
Eine
Haltung, der sich Käutners Film generell ausgesetzt sah und die darin gipfelte,
dass „Schwarzer Kies“ gemeinsam mit seinem Nachfolgefilm „Der Traum von
Lieschen Müller“ (1961) als „Schlechteste Leistung eines bekannten Regisseurs“ im
Jahr 1961 ausgezeichnet wurde. Vergeben von der Jury „Preis der jungen
Filmkritik“, die sich parallel zum „Oberhausener Manifest“ um eine Erneuerung
des deutschen Films bemühte und Regisseure wie Helmut Käutner zur Vergangenheit
zählte (passend titelte der „Spiegel“: „Papas Kies“). Ein absurdes Urteil, denn
von der Bildsprache abgesehen, deren schwere Schwarz-Weiß-Optik an Käutners vom
poetischen Realismus beeinflusste frühe Filme erinnert, verwies „Schwarzer Kies“
in seiner so mitreißenden, wie zerstörerischen Mischung aus Maßlosigkeit und
Hedonismus unmittelbar in die Zukunft.
"Schwarzer Kies" Deutschland 1961, Regie: Helmut Käutner, Drehbuch: Helmut Käutner, Walter Ulbrich, Darsteller : Ingmar Zeisberg, Helmut Wildt, Hans Cossy, Wolfgang Büttner, Anita Höfner, Laufzeit : 107 Minuten
weitere im Blog besprochene Filme von Helmut Käutner:
"Unter den Brücken" (1945)
"Bildnis einer Unbekannten" (1954)
"Himmel ohne Sterne" (1955)
"Ein Mädchen aus Flandern" (1956)
"Die Zürcher Verlobung" (1957)
"Die Rote" (1962)
"Bildnis einer Unbekannten" (1954)
"Himmel ohne Sterne" (1955)
"Ein Mädchen aus Flandern" (1956)
"Die Zürcher Verlobung" (1957)
"Die Rote" (1962)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen