Inhalt: Vicky
(Ingrid Steeger) wird Zeuge eines Live-Rock-Concerts in einem Londoner Park und
setzt sich zu den anderen Zuschauern auf den Rasen. Der Sänger Stewart (Stewart West) wird
aufmerksam auf die hübsche Blondine und fragt sie, ob sie nicht Lust hätte,
nach dem Konzert noch auf eine kleine Feier mitzukommen. Klar hat sie Lust und
sie landen in einer Londoner Wohnung, wo es sich die Musiker und ihre
bevorzugten weiblichen Anhänger gemütlich machen. Erstmals Hasch rauchend gibt
sich Vicky dem attraktiven jungen Mann hin, aber als sie danach gleich von
Liebe redet, wird Steward schnell einsilbig. Er verspricht ihr, sie auf eine
Tournee, die die Band bis nach Berlin führen wird, mitzunehmen, versetzt Vicky
aber am nächsten Tag und kommt nicht zum verabredeten Treffpunkt.
Von Vivian
(Vivian Weiss) erfährt sie, dass die Band schon abgereist ist, und sie die
Angelegenheit locker nehmen sollte. Doch die verliebte Vicky will Steward
wieder sehen und ihm hinter fahren, was sich auf Grund ihrer knappen Geldmittel
als schwierig herausstellt. Doch Vivian hat eine Idee – sie will sich von ihrem
restlichen Geld in Amsterdam Hasch kaufen und es teurer in der Schweiz
verkaufen. Nur müssen sie dafür noch über die Grenze kommen…
Bevor Erwin
C.Dietrich bei "Hinterhöfe der Liebe" (1968) erstmals auf dem
Regie-Stuhl Platz nahm, hatte er schon intensive Erfahrungen im noch jungen
Erotik-Film-Genre gesammelt. Als Produzent förderte er früh den späteren
"Schulmädchen-Report" - Regisseur Ernst Hofbauer ("Schwarzer Markt der Liebe" (1966)) und holte José Bénazéraf nach Hamburg, wo sich
der für seine stylischen Erotik-Filme bekannte französische Regisseur dem
St.Pauli Milieu widmete ("St. Pauli zwischen Nacht und Morgen"(1967)). Nur wenig später erzielte er mit der Guy De Maupassant-Verfilmung
"Die Nichten der Frau Oberst" (1968) einen großen Erfolg in den
deutschen Kinos, der den Schweizer Produzenten, Drehbuchautoren und Regisseur
zu einem der produktivsten Erotik-Filmer der 70er Jahre im deutschsprachigen
Raum werden ließ - allein als Regisseur verantwortete er zwischen 1968 und 1982
43 Langfilme.
Erwin
C.Dietrich kannte keine Hemmungen, die hohe Nachfrage besonders in den 70er
Jahren mit Filmen zu befriedigen, die nach dem immer gleichen Strickmuster
Sex-Szene an Sex-Szene reihten, ohne das von einer Story gesprochen werden
konnte. "Blutjunge Verführerinnen" (1971 - 1972) kamen gleich in drei
Teilen heraus, um sich mit "Die Stewardessen" (1971) und
"Blutjunge Masseusen" (1972) auf der Leinwand abzuwechseln.
Entsprechend erstaunt es nicht, dass der Überblick verloren ging und Dietrichs
Filme fast ausschließlich mit der Phase der Soft-Sex-Film-Ära des
Vor-Porno-Zeitalters identifiziert werden, die bis heute generell als billiges
Schmuddelkino betrachtet wird. Auch Ingrid Steegers Karriere-Beginn wurde schon
1973, als sie in der Fernsehserie "Klimbim" als erotische
"Ulknudel" groß herauskam, nur noch verschämt betrachtet, meist mit
dem Hinweis auf den "Schulmädchen-Report", obwohl sie nur im 4. und
5. Teil eine Nebenrolle innehatte, während sie in Dietrichs frühen Filmen
häufig besetzt wurde.
"Ich -
ein Groupie" sollte 1970 noch vor dem großen Boom erotischer
Konfektionsware als us-amerikanische/schweizer Co-Produktion entstehen, unter
der Regie von Jack Hill, den Erwin C. Dietrich aber vollständig ersetzte, so
dass dieser nicht einmal mehr in den Credits auftauchte. Vielleicht steht
deshalb ein englisches Mädchen im Mittelpunkt, dass in einem Londoner Park ihre
Begeisterung für einen Rock-Musiker entdeckt, in den sie sich spontan verliebt,
aber Dietrich verließ schnell Swinging-London und erreichte über den Umweg
Amsterdam-Zürich das westdeutsche Staatsgebiet. Für Ingrid Steeger wurde Vicky,
die aus Liebeskummer zu einem Groupie wird, ihre erste große Filmrolle in einem
Genre, das von seinen vielen, nur nach optischen Reizen ausgewählten,
austauschbaren Darstellerinnen lebte. Dank ihrer körperlichen Vorzüge gelang es
ihr zwar aus der Masse heraus zu stechen, aber ihre Rolle in "Ich - ein
Groupie" blieb in der Konzentration auf eine weibliche Hauptdarstellerin
trotzdem eine seltene Ausnahme.
Als
Engländerin wirkte die Berlinerin Ingrid Steeger verständlicherweise nur wenig
authentisch, aber dieser internationale Anstrich spielte in "Ich - ein
Groupie" nur eine äußerliche Rolle, denn Dietrich konzentrierte sich
stattdessen auf die bundesdeutsche Szene, weshalb er mit "Murphy
Blend" und "Birth Control" zwei frühe deutsche Rock-Bands für
den musikalischen Hintergrund sorgen ließ und einige der Musiker auch als Schauspieler
mitwirkten. Angesichts des schon 1983 verstorbenen Gitarristen Bruno Frenzel,
der neben dem Schlagzeuger Bernd Noske entscheidend die Musik "Birth
Controls" prägte, und einer Szenerie, die ein authentisches Bild des
Lebensgefühls dieser Zeit wiedergibt, wie es im deutschsprachigen Film nur
selten zu finden ist, stellt sich die Frage, warum "Ich - ein
Groupie" nicht aus dem Sex-Film-Einerlei heraustrat? Anders als üblich
wiederholten sich die Sex-Szenen nicht in ewig gleicher Form, sondern
integrierten sich in eine Story, die zunehmend ihren naiven "Freie
Liebe" - Charakter verliert.
Die
heutige, meist oberflächlich folkloristische Sicht auf die Jahre nach 1968
verkennt, dass die hier gezeigten Abläufe damals noch vollständig tabuisiert
waren. Zwar feierten Sex-Filme wie der "Schulmädchen-Report" (1970)
große Erfolge im Kino, aber während diese häufig einen verlogenen
dokumentarisch-wissenschaftlichen Gestus vorschoben, war Dietrichs Film
wesentlich näher an der Realität einer sich verändernden Gesellschaft, auch
wenn manche Szenen - etwa in der die Mädchen den Hasch in ihren Höschen
schmuggeln - heute lächerlich wirken. Besonders die minutenlangen
Einstellungen, in denen Vivian (Vivian Weiss) ekstatisch zu der Rock-Musik
tanzt oder "Birth Control" in einem Münchner Club aufspielt, sind
sehr nah am damaligen Zeitgeist, weshalb die ewige Diskussion, welche Fassung
wie lange gekürzt wurde, vollständig am Film vorbei geht. Im Gegenteil wirkt
die kompakte 75minütige Fassung stimmig, während längere, vielleicht
explizitere Sex-Szenen mit Ingrid Steeger keinen Qualitätsgewinn versprechen.
Anders als
viele typische Sex-Filme dieser Zeit, die sich nur an den freizügiger werdenden
moralischen Standards orientierten und daraus die Mär ständig promiskuitiver
junger Frauen strickten, verfügt "Ich - ein Groupie" über eine
deutlich gesellschaftspolitischere Dimension und stellte die bürgerlichen
Schreckgespenste - Drogenkonsum, Rockmusik, Rockerbanden, schwarze Messen und
freie Liebe - gesammelt in den Mittelpunkt des Geschehens. Scheinbar
folgerichtig wird die hübsche Vicky sexuell und emotional ausgebeutet, von
Rockern vergewaltigt und stirbt im Drogenrausch auf Berlins Straßen. Doch
Dietrichs Film sollte nicht als grundsätzliche Warnung missverstanden werden,
denn weniger die konstruiert wirkende Story um Vicky bleibt in Erinnerung als
das der bürgerlichen Ordnung widersprechende Lebensgefühl, dass die vielen
nicht professionellen, unmittelbar aus der Szene stammenden Mitwirkenden hier
vermitteln können und dessen exotische Attraktivität heute nur noch schwer
ermessen werden kann.
Signifikant dafür ist der "Birth Control" –
Songtext: "Be a dragger, shovel music in your home - and you never be
alone. Get high and higher, just like a flyer, high in the clouds and never
come down". Der
Song trägt den Titel “No drugs“.
"Ich - ein Groupie" Schweiz / Deutschland 1970, Regie: Erwin C. Dietrich, Drehbuch: Erwin C. Dietrich, Jack Hill, Darsteller : Ingrid Steeger, Vivian Weiss, Rolf Eden, Stewart West, Bernd Koschmidder (Birth Control), Laufzeit : 75 Minuten
- Regie:
"Die Nichten der Frau Oberst" (1968)
"Die Nichten der Frau Oberst" (1980)
- nur Produktion und/oder Drehbuch:
"Der Herr mit der schwarzen Melone" (1960)
"Schwarzer Markt der Liebe" (1966)
"St.Pauli - zwischen Nacht und Morgen" (1967)
"Unruhige Töchter" (1967)
"...und noch nicht sechzehn" (1968)
"Downtown - die nackten Puppen der Unterwelt" (1975)
Essay "Jesùs Franco und Erwin C.Dietrich - die 70er Jahre Erotic-Connection"
weitere im Blog besprochene Filme von Erwin C.Dietrich:
- Regie:
"Die Nichten der Frau Oberst" (1968)
"Die Nichten der Frau Oberst" (1980)
- nur Produktion und/oder Drehbuch:
"Der Herr mit der schwarzen Melone" (1960)
"Schwarzer Markt der Liebe" (1966)
"St.Pauli - zwischen Nacht und Morgen" (1967)
"Unruhige Töchter" (1967)
"...und noch nicht sechzehn" (1968)
"Downtown - die nackten Puppen der Unterwelt" (1975)
Essay "Jesùs Franco und Erwin C.Dietrich - die 70er Jahre Erotic-Connection"
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