Inhalt: Der
17jährige Klaus Teichmann (Christian Wolff) ist nicht nur der Beste seiner
Schulklasse, sondern auch ein begabter Maler, der sich der abstrakten Kunst
widmet. Gemeinsam mit seinem besten Freund Manfred (Guenther Theil), der einen
Roman schreibt, begeistert er sich für moderne, atonale Musik und gegenseitig
spornen sie sich an, ihrer künstlerischen Passion zu folgen. Deshalb stellt
Manfred seinen Freund auch dem Kunsthändler Dr. Boris Winkler (Friedrich
Joloff), einem Förderer der modernen Kunst, vor, der gerne junge Männer in
seinem mondänen Haus zu gemeinsamen Kunst-Happenings versammelt.
Klaus
Eltern, der Bankdirektor Werner Teichmann (Paul Dahlke) und seine Frau Christa
(Paula Wessely), sehen seine Begeisterung nicht gerne, die sie unpassend für
einen jungen Mann finden, aber Sorgen bereitet ihnen vor allem, dass sich Klaus
trotz seines Alters nicht für Mädchen interessiert, sondern die Nähe von
homosexuellen Männern bevorzugt. Während es sein Vater mit vergeblichen
Verboten versucht, begibt sich seine Mutter zu einem Psychologen, um diesen um
Rat zu bitten. Dessen Diagnose führt zu einer folgenschweren Entscheidung...
Regisseur
Veit Harlan war während der Phase der nationalsozialistischen Diktatur für eine
Vielzahl von Propagandafilmen verantwortlich, darunter der antisemitische
Hetzfilm "Jud Süss" (1940), weshalb ihm noch 1944/45, kurz vor dem
Ende des 2.Weltkriegs, alle verfügbaren Ressourcen an Mensch und Material für
den Durchhaltefilm "Kolberg" (1945) zur Verfügung gestellt wurden,
der von Goebbels Propagandaministerium als "kriegswichtig" erachtet
wurde. Obwohl er 1950 endgültig von dem Vorwurf freigesprochen wurde, Mitschuld
an dem Völkermord zu tragen - er hatte argumentiert, zur Regie von "Jud
Süss" gezwungen worden zu sein - konnte er an die großen Erfolge der
NS-Zeit nicht mehr anschließen. Fast alle seiner wenig erfolgreichen
Nachkriegsfilme gerieten in Vergessenheit, darunter auch "Anders als du
und ich (§175)" von 1957, obwohl dieser bei seinem Erscheinen einen
Skandal auslöste und heftige Diskussionen hervorrief.
Ursprünglich
sollte Harlans nach einer längeren Schaffenspause gedrehter Film - sein letztes
Werk "Verrat an Deutschland" war Mitte 1955 in die Kinos gekommen -
unter dem Titel "Das dritte Geschlecht" vertrieben werden, wurde aber
von der "Freiwilligen Selbstkontrolle" stark moniert, weshalb Harlan
gezwungen war, die ursprüngliche Fassung zu schneiden, einige Szenen
nachzudrehen und den Film endgültig zu "Anders als du und ich (§175)"
umzubenennen, womit er auf den Stummfilm "Anders als die Andern" aus
dem Jahr 1919 anspielte, der sich erstmals offen mit der Homosexualität
auseinandersetzte und frühzeitig die Streichung des §175 forderte, unter dem
die Ausübung gleichgeschlechtlicher Liebe von Männern unter Strafe gestellt
war. Veit Harlan behauptete, angesichts der Kritik an den anti-homosexuellen
Tendenzen seines Films, die selbe Absicht gehabt zu haben, wodurch die These
entstand, erst durch das Eingreifen der FSK, die das sittliche Empfinden der
Mehrheit des deutschen Volkes gefährdet sah, wäre der homosexuellenfeindliche
Gestus entstanden.
Einem
Vergleich beider Fassungen kann diese These nicht standhalten, richtig ist
aber, dass "Das dritte Geschlecht" den §175 zumindest in Frage
stellte, während er in "Anders als du und ich (§175)" am Ende
vollzogen wird, obwohl die Handlung dafür keine klaren Beweise liefern kann.
Harlans Kritik am §175 lässt sich aus seiner Aussage "...dass es zweierlei
Homosexuelle gibt – nämlich diejenigen, an denen die Natur etwas verbrochen
hat, und diejenigen, die gegen die Natur verbrecherisch vorgehen..."
(Zitat Veit Harlan) heraus lesen, womit er die Meinung vertrat, dass Menschen
für etwas bestraft werden konnten, woran sie keine persönliche Schuld traf.
Entsprechend angereichert ist sein Film mit wissenschaftlich anmutenden
Vorträgen von Psychologen, die von der Gefährdung Jugendlicher und noch
rechtzeitiger Heilbarkeit der "Krankheit" Homosexualität reden.
Es fällt
entsprechend leicht, Harlan die selben perfiden Absichten zu unterstellen, wie
er sie schon bei seinen geschickt inszenierten NS-Propagandafilmen bewiesen
hatte, aber die Kritik der FSK, "Das dritte Geschlecht" würde die
Homosexualität zu wohlwollend darstellen, lässt deutlich werden, dass Harlans
Haltung in der BRD, Ende der 50er Jahre, schon einen progressiven Touch hatte.
Angesichts der Ungeheuerlichkeit, dass der §175 erst 1994 endgültig aus dem
Gesetzbuch gestrichen wurde, wird häufig vergessen, dass "Ehebruch",
"Unzucht" - gemeint war außerehelicher Geschlechtsverkehr - und
"Kuppelei" bis zur Strafrechtsreform 1969 ebenfalls noch mit
Gefängnis bestraft werden konnten. Ursprünglich sollte bei dieser Reform das
Strafmaß für "Ehebruch" sogar verdoppelt werden, was die neu gewählte
Regierung unter Willi Brandt verhinderte - von einer generellen
gesellschaftlichen Akzeptanz konnte zu diesem Zeitpunkt noch nicht die Rede
sein.
Die von der
FSK geforderten Schnitte an "Das dritte Geschlecht" betrafen deshalb
nicht nur die angeblich zu positiv beleuchteten Aspekte der Homosexualität -
das Gespräch mit einem sehr seriös wirkenden, homosexuellen Anwalt oder den
internationalen Freundeskreis des Kunsthändlers Dr. Boris Winkler (Friedrich
Joloff), der hier die Rolle des Verführers junger Männer spielte - sondern auch
die sexuellen Interaktionen zwischen Mann und Frau. Die ausführlichen
Nacktszenen von Ingrid Stenn in der Rolle der hübschen Gerda, die den
17jährigen, vom homosexuellen Fieber schon befallenen Klaus Teichmann
(Christian Wolff in seiner ersten Rolle) mit weiblicher Verführungskunst heilen
soll, wurden stark gestrichen - das ihr
kurz zu sehender nackter Busen nicht zum Skandal wurde, lag wahrscheinlich an
der allgemeinen Thematik - und dem Psychologen wurden die Worte "die Liebe
einer Frau" in den Mund gelegt, obwohl er vom Liebesakt redete, womit dem
Film das Kunststück gelang, ausschließlich von Sex zu handeln, ohne diesen
Begriff zu erwähnen.
Sollte Veit
Harlan versucht haben, seine Intention ähnlich unterschwellig zu vermitteln wie
in seinen Propagandafilmen, ist ihm das bei "Anders als
du und ich (§175)" (ebenso wie bei der Urfassung "Das dritte
Geschlecht") gründlich misslungen. Der Film verfügt weder über eine Story, noch einen klaren
Handlungsbogen, sondern wirkt wie ein Flickenteppich aus Jugenddrama,
Dokumentation, Kriminal- und Gerichtsfilm. Entscheidender ist aber die
mangelhafte Charakterisierung der Protagonisten und damit die Schlüssigkeit
ihres Handelns. Dass der zuvor so künstlerisch interessierte und sich für
seinen Freund Manfred (Guenther Theil) einsetzende Klaus, nach dem Geschlechtsakt
mit Gerda nur noch händchenhaltend und von Heirat redend (um die moralischen
Regeln zumindest im Nachhinein noch zu erfüllen, obwohl klar ist, dass er nicht
Gerdas erster Mann ist) mit ihr zu sehen ist - seine frühere Vergangenheit
scheinbar vollständig hinter sich lassend - war selbst einem sittlich
gefährdeten Publikum kaum zu vermitteln.
Der zuvor
so engagierte und in seiner Aufmüpfigkeit gegen sein bürgerliches Elternhaus
sympathische, intelligente junge Mann wird zu einem angepassten Duckmäuser - wenig
erstaunlich, dass Harlans Film in der Publikumsgunst keine Chance hatte, da
Klaus damit auch nach seiner Bekehrung nicht als Identifikationsfigur
funktionierte. Um Nachahmungseffekte zu verhindern, gab sich Harlans Film in
der Schilderung homosexueller Vergnügungen zudem bewusst intellektuell
abgehoben und zog sich damit Kritik an seiner Sichtweise über zeitgenössische
Kunst zu, die nicht weniger homophob daher kam. Im Vergleich zu erfolgreichen
Filmen wie "Die Halbstarken" (1956) oder "Der Pauker" (1958),
die ebenfalls die Verführung Jugendlicher und damit die Gefährdung der
bürgerlichen Moral in dieser Zeit anprangerten, wird deutlich, dass
"Anders als du und ich (§175)" jede Authentizität fehlte. Der
Misserfolg des Films beweist, dass die Handlung selbst für ein Publikum
unglaubwürdig wirkte, das der Homosexualität nicht wohlwollend gegenüber stand.
Angesichts
der neuen Gesetzgebung in Russland, in der jede Homosexualität in der
Öffentlichkeit bei Strafe verboten ist, um Heranwachsende nicht zu beeinflussen,
fällt es schwer, "Anders als du und ich (§175)" unter dem Aspekt
unfreiwilliger Komik oder als im Zeitkontext unterhaltenden Film zu beurteilen.
Auch in Deutschland existieren die hier gezeigten Tendenzen noch, aber noch
unerträglicher wirkt die Selbstgerechtigkeit, mit der die Eltern von Klaus,
gespielt von Paula Wessely und Paul Dahlke, hier handeln. Die
Fassungslosigkeit, mit der sie reagieren, als Christa Teichmann (Paula Wessely)
wegen Kuppelei angeklagt wird, das eigene Empfinden, sich immer korrekt
verhalten zu haben und nie gegen Gesetze zu verstoßen, ist auch heute noch
verbreitet - und führt immer wieder dazu, härtere Gesetze zu fordern, ganz im
Bewusstsein der eigenen moralischen Überlegenheit.
Als Christa
Teichmann vor den Richter tritt, um ihr Urteil zu erfahren, erhält sie
Zustimmung von der anwesenden Öffentlichkeit - eine Szene, die nur in "Das
dritte Geschlecht" existiert und erstaunlicherweise in der Endfassung
fehlt. Empfehlenswert sind beide Fassungen nicht, außer als Betrachtung einer
Geisteshaltung, die bis heute nicht ausgestorben ist.
"Anders als du und ich (§175)" Deutschland 1957, Regie: Veit Harlan, Drehbuch: Fritz Lützkendorf, Hans Habe, Darsteller : Christian Wolff, Paul Dahlke, Paula Wessely, Hans Nielsen, Ingrid Stenn, Friedrich Joloff, Siegfried Schürenberg, Laufzeit : 91 Minuten
weitere im Blog besprochene Filme von Veit Harlan:
"Kolberg" (1945)
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