Inhalt: Wolfgang
(Christian Doermer) arbeitet unter Tage in einer Essener Zeche. Obwohl er fleißig
und sparsam ist, redet der ältere Kollege Messmann (Paul Esser) nicht mit ihm,
da er mit dessen Tochter Inge (Heidi Brühl) befreundet ist. Wolfgang beabsichtigt
sie zu heiraten, sobald er seine Weiterbildung beendet hat und es sich leisten
kann, aber Inge, die ihre Ausbildung zu einer Verkäuferin in einem Essener
Mode-Geschäft macht, ist er zu vernünftig und abwartend. Sie möchte etwas
erleben und will ihn dazu überreden, sich ein Motorrad zu kaufen, damit sie
gemeinsam Ausflüge machen können. Lange widersetzt er sich ihrem Wunsch, aber
dann greift er seine Ersparnisse an, um sie nach einer Modenschau, wo seine
hübsche Freundin als Mannequin auftritt, mit dem neu erworbenen Motorrad
abzuholen.
Doch sein
Plan misslingt, denn unter den Gästen befanden sich Günther (Peter Kraus) und
seine Freunde, die die Mädchen nach der erfolgreichen Modenschau zu einer Party
in die mondäne Villa von Günthers reichen Eltern einladen – anstatt zu Wolfgang
steigt sie zu Freddy (Christian Wolff) in dessen Mercedes. Die jungen Männer um
Günther verfolgen klare Absichten, aber Freddy gelingt es nicht, Inge
herumzukriegen, die anstatt mit zu ihm zu kommen, am frühen Morgen allein nach Hause
geht. Dort erwartet sie schon ihr Vater, um ihr die Leviten zu lesen, weshalb
sie spontan ihren Koffer packt und auszieht. Als sie nach ihrem Arbeitstag
keine Unterkunft findet und Wolfgang nur Unverständnis für ihre Reaktion zeigt,
steht sie abends vor Freddys Tür und bittet ihn um Hilfe…
Der
Filmtitel "Die Frühreifen" klingt nicht nur ähnlich altmodisch wie
"Die Halbstarken", der 1956 mit Horst Buchholz in der Hauptrolle
erfolgreich in den Kinos lief, sondern machte auch kein Geheimnis daraus, auf
die selbe Thematik zu setzen: eine deutsche Jugend, die Gefahr lief, Anstand
und Moral zu verlieren, verführt von den Errungenschaften eines
Wirtschaftswunders, für das ihre Eltern hart arbeiten mussten. Auch Veit
Harlans kurz zuvor gedrehter Film "Anders als du und ich (§175)"
(1957) warnte unter dem Deckmantel der homosexuellen Thematik vor den
Versuchungen der bis in bürgerliche Schichten vordringenden Moderne, die in
allen drei Filmen nur zu abschreckenden Konsequenzen führen konnte: sexueller
Missbrauch, Gefängnis oder Tod.
Wenig
überraschend wurden mit Christian Wolff ("Anders als du und ich
(§175)") und Christian Doermer ("Die Halbstarken") zwei wichtige
Protagonisten der Vorgängerfilme auch in "Die Frühreifen" in
tragenden Rollen besetzt, ergänzt von der damals erst 15jährigen Heidi Brühl,
die dank der "Immenhof"-Filme schon ein großer Star in Deutschland
war, erstmals Sabine Sinjen und nicht zuletzt Peter Kraus in einer scheinbaren
Nebenrolle. Der 18jährige Kraus, der drei Jahre zuvor in "Das fliegende
Klassenzimmer" (1954) seinen ersten Auftritt hatte, begann 1957 auch seine
Gesangs-Karriere, besaß aber noch nicht die Reputation seiner Mitspieler Wolff,
Doermer und Brühl. Regisseur Josef von Báky, der mit "Münchhausen"
(1943) einen großen Erfolg während der NS-Zeit feierte, ohne sich vor den
Propaganda-Karren spannen zu lassen, galt zudem als Spezialist für dramatische
und gesellschaftskritische Filme – einen Ruf, den er schon kurz nach dem Krieg mit
sogenannten „Trümmerfilmen“ ("...und über uns der Himmel" (1947))
gefestigt hatte.
Er ließ das
Drehbuch nach dem Roman "Wer glaubt schon an den Weihnachtsmann" der
Autoren Klaus Bloehmer und Peter Heim anfertigen, aber wie nah sich der Film an
die literarische Vorlage hielt, lässt sich nicht mehr nachvollziehen, da diese
- wie der Autor Bloehmer – heute unbekannt ist. Einzig Peter Heim verfügt noch
über einen gewissen Bekanntheitsgrad, den er seinem Erfolg "Die
Schwarzwaldklinik" verdankt, nach dem die gleichnamige Fernsehserie
entstand. Letztlich spielt dieser Aspekt nur eine untergeordnete Rolle für die
Bewertung des Films, da der dramatische Aufbau der in Essen, mitten im
Ruhrgebiet, spielenden Handlung vorhersehbar blieb und die gängigen Klischees
über die deutsche Jugend bedient wurden. Entsprechend nah liegt es, "Die
Frühreifen" als veraltetes Abbild der konservativen deutschen
Nachkriegsgesellschaft abzutun, aber ähnlich wie in "Die Halbstarken"
gelang es auch hier, dank überzeugender Darsteller und eines im Detail mutigen
Drehbuchs, die ursprüngliche Absicht des Films zu relativieren.
Christian
Doermer wiederholte seine Rolle als solider junger Mann aus "Die Halbstarken", aber wie dort blieb er der unspektakulärste Charakter,
weshalb seine Vorbildwirkung schwach geblieben sein dürfte. Zwar sollte der
Sprung vom 10m -Turm zu Beginn auch eine verwegene Seite des jungen Arbeiters betonen,
der täglich unter Tage fährt, sich weiter bildet und einen Teil seines Gehalts
spart, aber Wolfgang (Christian Doermer) agiert gegenüber seiner Freundin Inge
(Heidi Brühl) zu unbeweglich und altväterlich, um auf das Publikum attraktiv zu
wirken. In der Realität hätte sein Typus sicherlich gute Chancen gehabt, aber
im Film bedarf es anderer erzählerischer Mittel, wie der im Jahr darauf
entstandene, thematisch verwandte Film "Der Pauker" (1958) bewies,
der seine rückständige Botschaft konsequenter ausarbeitete. Dort spielte der
inzwischen populär gewordene Peter Kraus zuerst die faszinierende Rolle, um -
nachdem er aus den drohenden Konsequenzen die richtigen Lehren gezogen hatte -
zu seinem anständigen jungen Mann zu reifen.
In
"Die Frühreifen" wurde Peter Kraus dagegen noch als übler Charakter
besetzt. Erst stiehlt er zum Spaß ein Auto, um es nach einer verwegenen
Verfolgungsjagd mit der Polizei irgendwo abzustellen - er selbst besitzt als
Sohn reicher Eltern ein eigenes Cabriolet - dann füllt er junge Mädchen mit
Alkohol ab und filmt sie nackt, ohne auf irgendwelche Gefühle Rücksicht zu
nehmen. Sein Spiel orientierte sich an James Dean, was besonders in der
Schlussszene deutlich wird, in der er weinend zusammenbricht. Sollte der Film
beabsichtigt haben, ihn als warnendes Beispiel einer dekadenten, egoistischen
Jugend zu brandmarken, kann dieser Versuch nur als misslungen betrachtet
werden. In seinem coolen Auftreten wurde Peter Kraus zum heimlichen Star des
Films - schade, dass seine steigende Popularität ähnlich zwiespältige Rollen
später nicht mehr ermöglichte.
Noch
bemerkenswerter, wenn auch weniger plakativ und im Zeitkontext feststellbar,
ist die von Heidi Brühl gespielte Rolle der jungen Verkäuferin Inge, deren
strenger Vater (Paul Esser) ihr jeden Umgang mit jungen Männern verbietet und
sie zu Hause tyrannisiert. Vordergründig spielt sie die Rolle der geläuterten Jugendlichen,
die zuerst den Versuchungen erliegt, um nach schrecklichen Erfahrungen wieder
auf den Weg der Tugend zurückzukehren, aber - selbst im Vergleich zum aktuellen
Hollywood-Film - fiel ihr Buß-Gang sehr schwach aus, der sündig gewordenen
Frauen normalerweise abverlangt wurde. Heidi Brühl agierte zudem erstaunlich
selbstbewusst – erst zieht sie aus dem Elternhaus aus, beendet die Beziehung
zum braven Wolfgang, nachdem dieser ihre Konsequenz kritisiert hatte, um wenig
später mit dem attraktiven, aber psychisch gestörten Freddy (Christian Wolff)
zusammen zu ziehen, den sie gemeinsam mit seinen reichen Freunden auf einer Party
nach einer Modenschau kennengelernt hatte. Nachdem sie erwartungsgemäß mit den
Abgründen hinter der glitzernden Fassade konfrontiert wurde, kehrt sie wieder
zurück in ihre einfachen, aber anständigen Verhältnisse, ohne sich unterwerfen zu
müssen – bis zum Ende verzichtete Josef von Báky auf die üblichen plakativen
Korrekturen eines vorherigen Fehlverhaltens. Selbst die Rolle des evangelischen
Vikars (Horst Brockmann), der sich als Tugendwächter in alle Angelegenheiten einmischt, wurde für
die Entstehungszeit des Films modern angelegt.
Trotzdem
lässt sich der Staub der 50er Jahre nicht vollends von „Die Frühreifen“
abschütteln. Die damaligen Aufreger erzeugen heute nur noch ein müdes Lächeln
und Bakys Film ist anzumerken, wie sehr er sich um provozierende Details herum winden
musste. Obwohl Inge und Freddy in einer Wohnung zusammenleben, sind sie nur
einmal bei einem Kuss zu sehen – ihre wahrscheinliche Sexualität wird nicht
thematisiert. Zwar lässt Günther (Peter Kraus) an Hand des gefilmten nackten
Rückens der jungen und naiven Hannelore (Sabine Sinjen) keinen Zweifel daran,
dass sie sich vor ihm auszog, gleichzeitig betont er aber, dass er darüber
hinaus kein Interesse an dem Mädchen gehabt hätte. Ähnlich unrealistisch ist
die Szene im Leichenschauhaus, denn die Polizei hätte die Jugendlichen auf
diese Weise nicht konfrontieren dürfen – hier war der mahnende, moralische
Zeigefinger wichtiger als die sonst schlüssige Milieuschilderung, die die eigentliche
Qualität des Films ausmacht.
Die hier
mit kontrastierenden Bildern von Fördertürmen und modernen Villen gezeigte
materielle Diskrepanz war für die entstehenden Konflikte ausschlaggebend, und
erinnert daran, dass die Phase eines großen sozialen Gefälles auch in der BRD
noch nicht lange vorbei ist. Der nach dem 2.Weltkrieg einsetzende
Wirtschaftsaufschwung verteilte die Einkommen zunächst sehr unterschiedlich. Während
erfolgreiche Unternehmer sich jeden Luxus leisten konnten, war die Anschaffung
eines Motorrads, wie sie hier - wie in „Der Pauker“ – thematisiert wurde, für
die überwiegende Mehrheit der Arbeiter und Angestellten nur mit Ratenzahlungen möglich,
verbunden mit der drohenden Gefahr, sich finanziell zu übernehmen. Eine starke
Mittelschicht, die diese Unterschiede nivellieren konnte, befand sich erst im
Aufbau. Filme wie „Die Frühreifen“ verstanden sich angesichts wachsender
sozialer Brennpunkte als Appell an die Jugend, sich von den Verheißungen eines
Luxus-Lebens nicht verführen zu lassen, bedienten aber gleichzeitig dessen
Faszination. Heidi Brühl und Peter Kraus konnten in ihren Rollen dagegen
anspielen, verkörperten als junge Stars aber den Wunsch nach Ruhm
und sozialem Aufstieg.
"Die Frühreifen" Deutschland 1957, Regie: Josef von Báky, Drehbuch: Gerda Corbett, Heinz Oskar Wuttig, Peter Heim (Roman), Klaus Bloehmer (Roman), Darsteller : Heidi Brühl, Peter Kraus, Christian Doermer, Christian Wolff, Paul Esser, Sabine Sinjen, Laufzeit : 87 Minuten
weitere im Blog besprochene Filme von Josef von Báky:
"Gestehen Sie, Dr. Corda!" (1958)
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