Inhalt: Roman
Blatter (Hansjörg Felmy) verabschiedet sich schnell von seiner geliebten Binja
(Cordula Trantow), um zu seiner Mutter und Schwester zu gehen, denn eine Glocke
kündigt eine große Gefahr an, die über dem hoch in den Schweizer Alpen
gelegenen Bergdorf liegt. Roman versucht seine Mutter Fränzi (Gisela von
Collande) zu beruhigen, indem er die Wahrscheinlichkeit als gering erachtet,
dass er oder sein Vater von dem Los erwischt werden, das sie zwingt, in der
Bergwand die hölzerne Wasserleitung zu reparieren, von der das Überleben des
gesamten Ortes abhängt – es gäbe genug andere Männer, die dafür in Frage kämen.
Doch damit kann er sie nicht beruhigen, denn sie hat schon viele Männer sterben
sehen, auf die das Los gefallen war.
Zudem ahnt
Roman nicht, dass sein Vater Seppi Blatter (Karl John) wenig später im Wirtshaus des reichsten Bewohners des Ortes, Hans Waldisch (Gustav Knuth), am Tisch sitzt und
verhandelt. Dieser hat ihm angeboten, seine Schulden zu entlassen und noch
Geld drauf zu legen, wenn Blatter sich freiwillig für den gefährlichen Job
meldet. Er lässt sich überreden und unterschreibt einen Vertrag, aber nachdem
nachts die Lawinen wie erwartet die Leitung zerstört hatten, sieht sich
Waldisch der Kritik der anderen Dorfbewohner ausgesetzt und auch Fränzi spricht
bei ihm vor, um ihn zu bitten, den Vertrag zu zerreißen. Widerwillig setzt auch
er sich in der Dorfkirche dem Losverfahren aus, aber obwohl Waldisch den
Vertrag zuvor verbrannt hatte, meldet sich Seppi Blatter freiwillig. Zuerst
verläuft seine Arbeit wie geplant, aber gerade als das Wasser wieder durch die
intakte Leitung fließt, verliert er die Kontrolle und stürzt in den Tod. Das
gesamte Dorf trauert, aber bald kehrt wieder der Alltag ein und Waldisch setzt
seinen Plan fort, den Tourismus zu fördern – nur Roman will sich damit nicht
zufrieden geben…
Die
Heimatfilm-Welle hatte ihren Zenit längst überschritten, als Regisseur Alfred
Weidenmann und Drehbuchautor Herbert Reinecker mit "An heiligen
Wassern" 1960 noch spät das Genre für sich entdeckten. Diese Entscheidung
war überraschend, da ihre bisherige Zusammenarbeit - Reinecker war seit dem
nationalsozialistischen Propagandafilm "Die jungen Adler" (1944) an
beinahe allen Filmen Weidenmanns als Autor beteiligt - keine Berührungspunkte zu
dem Erfolgs-Genre aufwies. Im Gegenteil galt ihr Interesse, nachdem sie Anfang
der 50er Jahre wieder in der Film-Branche tätig werden durften, einer
kritischen Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und dem daraus resultierenden
Krieg ("Canaris" (1954) und "Der Stern von Afrika" (1957)),
auch wenn ihre frühen Versuche im westdeutschen Film, die jüngste Historie
aufzuarbeiten, umstritten blieben. Mit dem gesellschaftskritischen Kriminalfilm
"Alibi" hatten sie sich zudem schon 1955 auf ein Gebiet gewagt, das erst
in den 60er Jahren Popularität erlangen sollte.
Bei einer
genaueren Analyse des Films wird deutlich, dass "An heiligen Wassern"
mit dem klassischen Heimatfilm der 50er Jahre nur noch wenig gemeinsam hat. Die
Story basiert auf der gleichnamigen Romanvorlage des Schweizer
Heimatschriftstellers Jakob Christoph Heer, in dem dieser vor den Gefahren der
beginnenden Tourismuswelle für die traditionelle Lebensweise der
Bergbevölkerung warnte, gleichzeitig aber auch Chancen darin erkannte. Der 1898
herausbrachte und 1932 schon einmal verfilmte Roman, wurde von Weidenmann und
Reinecker in einer Mischung aus dokumentarischem Charakter und dem Zeitgeist
der Wirtschaftswunderjahre auf die Leinwand gebracht, indem sie die archaische
Lebensweise der Bergbevölkerung mit einem dynamisch und optimistisch
auftretenden Hansjörg Felmy in der Hauptrolle verbanden, der Ende der 50er
Jahre zu einem der populärsten Mimen im deutschen Kino aufgestiegen war.
Aus dem Off
erklärt zu Beginn eine Stimme, wie abhängig die hoch gelegenen Bergdörfer von
dem Gletscherwasser waren, das sie über hölzerne Rinnen bis zu einem
Sammelbecken im Ort führten. Gezwungenermaßen musste die Rinne entlang der
Felswände, hoch über dem Tal, gebaut werden und war dem Wetter schutzlos
ausgesetzt. Wurden Teile davon von einer Lawine zerstört, wurde per Los ein
Mann des Dorfes dazu bestimmt, in die Felswand abzusteigen, um die
Wasserversorgung wieder herzustellen – ein lebensgefährliches Unterfangen, dass
einem Todesurteil gleich kam. Weidenmann widmet das erste Drittel seines Films
ausführlich diesen Vorgängen, dabei nur wenige dramatische Elemente
hinzufügend. Mehr als der junge Roman Blatter (Hansjörg Felmy) spielt der
Ortsvorsteher und als Besitzer des Gasthauses „Zum Bären“ reichste Bürger der
Stadt, Hans Waldisch (Gustav Knuth), die wichtigste Rolle in der frühen Phase
des Films. Er versucht Seppi Blatter (Karl John), Romans Vater, mit dem
Versprechen, ihm seine Schulden zu erlassen, dazu zu überreden, sich freiwillig
für die Reparatur der Leitung zu melden, auch weil er Angst hat, dass das Los
auf ihn selbst fallen könnte.
Gustav
Knuth, einer der beliebtesten Nebendarsteller des deutschen Films, spielte hier
entgegen seines sonstigen Rollenklischees nicht den Sympathieträger, sondern
einen geschäftstüchtigen Mann, der dank seines Kapitals nicht nur den größten
Einfluss im Ort hat, sondern auch vom aufkommenden Tourismus in den Alpen
profitieren kann. Die Besetzung Knuths verweist darauf, dass Reinecker in der
Charakterisierung dieser Rolle ein eindeutiges Gut-/Böse-Schema verhindern
wollte, denn Waldisch ist kein hartherziger Despot, sondern bleibt immer auch
ein Gemütsmensch, der in der Lage ist, eigene Fehler einzusehen. Als die
Dorfbewohner davon erfahren, dass er Seppi Blatter kaufen wollte, gerät er in
die Kritik – auch Fränzi Blatter (Gisela von Collande) bittet ihn, den von
ihrem Mann unterschriebenen Vertrag zu vernichten – weshalb er widerwillig
darauf eingeht. Trotzdem meldet sich Blatter beim Losverfahren freiwillig und
stirbt, nachdem es ihm gelungen war, den Wasserlauf wiederherzustellen.
Offensichtlich wollten Weidenmann und Reinecker die klischeehaften, meist
künstlich hochstilisierten Konflikte im Heimatfilm vermeiden, weshalb selbst
nachvollziehbare Auseinandersetzungen zurückhaltend inszeniert wurden.
Roman
Blatter ist zwar mit der Tochter des „Bären“ - Wirts Binja (Cordula Trantow) liiert,
aber auch als Roman von ihrem Vater des Gasthauses verwiesen wird, weil er
sich darüber beklagte, dass die Bevölkerung nach dem Tod seines Vaters schnell
wieder zur Tagesordnung überging, wird die Beziehung zwischen den Liebenden
nicht in Frage gestellt. Auch der Streit zwischen dem jungen Mann und seinem
möglichen zukünftigen Schwiegervater wirkt im Vergleich zur Genre-üblichen
Dramatik unterschwellig – weder werden Hassgefühle geäußert, noch entsteht der
Eindruck, als ständen sich auf ewig verfeindete Antipoden gegenüber. Diese
pragmatische, immer den Konsens im Auge behaltende Sichtweise, zeigt sich im
bemerkenswertesten Dialog des Films, als Creszens Waldisch (Margrit Rainer),
die zweite Ehefrau des „Bären“-Wirts, ihre Ehe ganz unter dem Gesichtspunkt der
gemeinsamen Aufgabe, ihren Gasthof an die Erfordernisse eines wachsenden
Tourismus anzupassen, unterordnet. Sie verständen sich doch gut, fügt sie gegenüber
ihrem Ehemann noch hinzu, dessen verdutzte Miene fast Mitleid erregen könnte –
wann wurde im Heimatfilm jemals eine funktionierende Beziehung so ehrlich
charakterisiert?
Der
Nachteil dieser Bemühung um Differenzierung liegt in der fehlenden
Dramatik des Films. Obwohl sich „An heiligen Wassern“ zu Beginn ganz den
archaischen Bedingungen der Bergwelt unterordnet – das die Handlung in der
damaligen Gegenwart, Ende der 50er Jahre, spielen soll, ist ihr zuerst nicht
anzumerken – entsteht nie der Eindruck einer lebensfeindlichen, kargen Umwelt,
wie sie etwa Luis Trenker in „Der Berg ruft“ (1938) entwarf. Bedingt durch die
ausschließlich hochdeutsch sprechenden Darsteller und deren glatte, wohl
genährte Gesichter, stellt sich trotz traditioneller Kleidung, Gesänge und einer
stimmigen Umgebung keine authentisch wirkende Situation ein. Selbst die Szenen
am Hang können die Gefahr, in die sich die Männer begeben, nicht vermitteln –
der Tod von Seppi Blatter geschieht ohne eine zuvorige dramatische Zuspitzung.
Als größter Fremdkörper erweist sich jedoch Hansjörg Felmy, dessen dynamisches
Auftreten wenig von einem das karge Leben im Schweizer Hochgebirge gewohnten
Naturburschen, aber viel von einem fleißigen, aufstrebenden jungen
Bundesrepublikaner besitzt.
Ihm
gegenüber steht mit dem von Hanns Lothar gespielten Thöni Grieg, dem Neffen der
neuen Frau des „Bären“-Wirts, die einzige negative Figur des Films. Mit ihm
kommen Schallplatten, moderne Musik, Tanz und Flirt ins Hochgebirge, was zwar
Vorteile bei der Betreuung weiblicher Touristen bringt, Griegs Anerkennung bei
der örtlichen Bevölkerung aber gegen Null fahren lässt. Dieser weiß sich dann
auch nicht anders zu helfen, als zuerst dilettantisch Briefe zu fälschen, um
dann überhastet die Postkasse mitzunehmen. Diese klischeehafte, den unsoliden
Charakter moderner Jugendlicher verkörpernde Figur wirkt wie eine Konzession an
die Publikumserwartung, um zumindest noch ein wenig Spannung in eine Story zu
zwingen, die letztlich nur einen Schuldigen kennt - die veraltete Technik, die
dank eines die Traditionen hochhaltenden, sich den Neuerungen der Gegenwart
aber nicht verschließenden jungen Mannes, der drei Jahre nach Indien geht, um
das Ingenieur-Handwerk zu lernen, bald der Vergangenheit angehören wird.
Dass Weidenmann
in „An heiligen Wassern“ auf Tourismuswerbung, künstliche Eifersuchtsdramen, eindimensionale
Charaktere und klischeehaften Humor größtenteils verzichtete, ist dem Film
positiv anzurechnen, leider fehlen ihm gleichzeitig die dramatischen
Zuspitzungen, die letztlich die Attraktivität des Genres ausmachten. Zudem
klingt Roman Blatter am Ende gönnerhaft, als er auf die Bemerkung eines der
Arbeiter an der neuen Wasserleitung, die Menschen hier wären noch primitiv, mit
den Worten „nicht primitiv, sondern einfach“ antwortet. Daraus sprach keine
Heimatverbundenheit, sondern ein wohlwollender Ingenieur, der die Zukunft
anpackt – die 50er Jahre waren vorbei, der Wiederaufbau hatte einen Großteil
der Kriegsschäden beseitigt und die Menschen brauchten die „Heile Welt“ in den
Heimatfilmen nicht mehr.
"An heiligen Wassern" Schweiz 1960, Regie: Alfred Weidenmann, Drehbuch: Herbert Reinecker, Jakob Christoph Heer (Roman), Darsteller : Hansjörg Felmy, Cordula Trantow, Gustav Knuth, Hanns Lothar, Karl John, Laufzeit : 96 Minuten
weitere im Blog besprochene Filme von Alfred Weidenmann:
"Junge Adler" (1944)
"Weg in die Freiheit" (1952)
"Der Stern von Afrika" (1957)
"Junge Adler" (1944)
"Weg in die Freiheit" (1952)
"Der Stern von Afrika" (1957)
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