Inhalt: Gemeinsam
mit seinem Sohn Herbert (Götz George) und dem heimatlichen
Männer-Gesangsverein, dem er vorsteht, verbringt Friedrich Hackländer (Hans
Nielsen) seinen Urlaub in Jugoslawien an der Adria - selbstverständlich
jederzeit bereit, in ein gemeinsames Lied zur Erbauung ihrer Umgebung
einzustimmen. Auch vor ihrer Abfahrt zu einem neuen Ziel genießen sie noch
einmal den Applaus, der für längere Zeit ihr letzter sein wird.
Auf Grund
von Straßenbauarbeiten werden sie mit ihrem Kleinbus zu einem Umweg gezwungen,
der sie über Serpentinen durch die karge Felslandschaft führt. Als ihnen das
Benzin ausgeht, sind sie gezwungen den Wagen abzustellen, aber zu ihrer Freude
entdecken sie ein Dorf ganz in der Nähe, von wo sie sich Hilfe erhoffen.
Tatsächlich scheint ihr Ankunft sämtliche Bewohner aus den Häusern zu treiben,
bei denen es sich ausschließlich um schwarz gekleidete Frauen handelt. Doch
willkommen sind sie nicht...
Nach dem
frühen Tod des Regisseurs und Produzenten Harald Braun endete 1960 das Projekt
der gemeimsam mit Wolfgang Staudte und Helmut Käutner gegründeten
Produktionsfirma FFP, die mit "Der
Rest ist Schweigen" (1959) und "Kirmes" (1960) zwei Filme
herausgebracht hatte, die sich ohne die zu dieser Zeit notwendigen
Relativierungen der jüngeren deutschen Vergangenheit gewidmet hatten. Im
Gegensatz zu dem satirischen Film "Rosen für den Staatsanwalt"
(1959), den Staudte zuvor erfolgreich in die Kinos gebracht hatte, verzichteten
sie in ihrer ernsthaften Auseinandersetzung auf Konzessionen an den
Publikumsgeschmack, weshalb sie bei der Kritik und an der Kinokasse
durchfielen.
Nach
"Kirmes" dauerte es vier Jahre - zwischendurch arbeitete Wolfgang
Staudte für das Fernsehen ("Die Rebellion", 1962) oder verfilmte
Klassiker wie die "Dreigroschenoper" (1962) - bis er noch einmal die
Gelegenheit bekam, einen gesellschaftskritischen Film zu drehen - nach einem
Drehbuch von Werner Jörg Lüddecke, mit dem er 1951 erstmals bei "Das Beil von Wandsbek" zusammen gearbeitet hatte. Der Film kam eher zufällig in einer
deutsch-jugoslawischen Co-Produktion zustande, denn ursprünglich war Staudte
das Manuskript zu dem Kriminal-Thriller "Der Sturm wird schweigen"
angeboten worden, das er dankend ablehnte. In der Regel waren es damals
Karl-May-Verfilmungen, die unter deutsch-jugoslawischer Hoheit entstanden - die
jugoslawische Firma "Avala" war 1964 noch an "Old
Shatterhand" und "Der Schut" beteiligt - aber als Lüddecke,
statt wie gefordert "Der Sturm wird schweigen" zu überarbeiten, sein
Drehbuch zu "Herrenpartie" vorlegte, war nicht nur Staudte, sondern
auch die jugoslawische Seite sofort damit einverstanden.
Autor
Lüddecke hatte zuvor schon mit "Nachts, wenn der Teufel kam" (1956)
und "Das Totenschiff" (1959) bewiesen, das er kritische Themen
unterhaltsam zu präsentieren wusste. Nach seiner Novelle entstand 1965 mit
"Morituri" (1965) ein Hollywood-Film mit Marlon Brando und Yul
Brynner in den Hauptrollen und für Regisseur Jürgen Roland lieferte er später
die Drehbücher zu "Die Engel von St. Pauli" (1969), "St. Pauli Report"
(1971) und "Zinksärge für die Goldjungen" (1973). Auch
"Herrenpartie" ist die Verortung im Unterhaltungsfilm deutlich
anzumerken - die achtköpfige Männer-Gesangsgruppe um deren Leiter Friedrich
Hackländer (Hans Nielsen), Dirigent Werner Drexel (Rudolf Platte), sowie dem
jungen, durchtrainierten Götz George als Hackländers Sohn Herbert absolviert
ihre Dialoge im hohen Tempo und kommt schnell zur Sache. Der Beginn des Films,
wenn sich Herbert (Götz George) mit offenem Hemd am Strand von Freunden verabschiedet,
während die älteren Herren alle in Shorts am Bus noch schnell ein Ständchen zum
Besten geben, erinnert nicht zufällig an eine Komödie.
Diesen
Charakter behält "Herrenpartie" bis zum Schluss, häufig untermalt von
rhythmisch-jazziger Musik oder dem Gesang der Männergruppe. Auch die naiv bis
selbstgefälligen Kommentare zu Land und Leute in dem bei den Deutschen sehr
beliebten Urlaubsland an der Adria und dem nicht ohne Eigenlob betonten
Ansinnen, als höflicher Gast im Ausland auftreten zu wollen, weist Parallelen
zu diversen Komödien der 50er und 60er Jahre auf, in denen deutsche Touristen,
meist als Nebenfiguren auftretend, karikiert wurden. Als die acht Männer nach
einer Autopanne - der Benzintank ist leer und die nächste Tankstelle weit
entfernt - in ein abgelegenes Bergdorf verschlagen werden, dass nur von Frauen
bewohnt wird, scheinen alle Voraussetzungen an eine konstruierte
Komödien-Handlung erfüllt.
Doch das
Gegenteil tritt ein, ohne dass es die acht Männer merken. Vollständig auf
Urlaub, Sonnenschein und gute Laune eingestellt, verstehen sie die feindselige
Haltung der in Schwarz gekleideten Frauen lange Zeit nicht. Selbst als diese
weder bereit sind ihnen zu helfen, noch sie in irgendeiner Form willkommen
heißen, glauben sie an ein Missverständnis auf Grund der Sprachbarriere und
versuchen mit gutem Willen das Eis zu brechen - mit einem gesanglichen, zackig
deutschen Willkommensgesang. "Herrenpartie" lässt nicht einfach zwei
Welten, sondern zwei unterschiedliche Filmgenres aufeinander prallen. Während
der Charakter der Story um die Männergruppe ihren unterhaltenden Gestus, auch
als es zu Streitigkeiten zwischen den Protagonisten kommt, nicht verliert - die
gefährliche Tragweite des Geschehens wird den Deutschen nie ganz bewusst -
schildert Staudte die Lebensverhältnisse der jugoslawischen Frauen als Drama im
neorealistischen Stil.
Sie haben
die Hinrichtung ihrer Männer und Söhne durch die deutschen Soldaten im
2.Weltkrieg bis heute nicht überwunden und leben in fortdauernder Trauer.
Miroslava (Mira Stupica) erkennt im Verhalten der deutschen Touristen das der
früheren Besatzer wieder - ein Eindruck, der sich mit jedem weiteren Schritt
der Männer, es sich im Ort ohne die Hilfe der Einwohner einzurichten,
verstärkt, bis sich die Situation zuspitzt. Vergleichbar zu der anfänglich
karikaturhaft wirkenden Gestaltung der Deutschen, scheint auch der seit fast
zwanzig Jahren unverändert andauernde Hass der Frauen zuerst überzeichnet, aber
zunehmend erweisen sich sämtliche Verhaltensmuster als Abbild der Realität.
Den Männern
fehlt jedes Einfühlungsvermögen für die Situation der Frauen, da sie ihre
eigene Rolle während der Zeit des Nationalsozialismus verdrängt haben und sich
keiner Schuld bewusst sind. Gleichzeitig verfallen sie angesichts der ihnen entgegen
gebrachten und als ungerecht empfundenen Feindseligkeit in typische Muster, die
den Eindruck der Einwohnerinnen noch verstärken, es mit deutschen
Eindringlingen zu tun zu haben. Mit Herbert und der einzig nicht schwarz
gekleideten, jung und modern wirkenden Seja (Milena Dravic) verfügen beide
Seiten über scheinbar unbelastete Charaktere, die aber nicht als Vorbild idealisiert
werden. Herbert freundet sich mit der kleinen Lia, dem einzigen Kind des
Dorfes, an, deren Vertrauen den Männern später das Leben retten wird, und übt
auch einige Male heftig Kritik, aber er bleibt trotzdem ein homogener Teil der
Gruppe und bricht nicht mit ihr, ebenso wie Seja zwar versucht, Miroslava in
ihrem Feldzug gegen die deutschen "Spießer" zurückzuhalten, nicht
aber ihre solidarische Haltung mit den anderen Frauen verrät und zur
versöhnlichen Anführerin wird.
"Herrenpartie"
vermeidet in einer nur selten erreichten Konsequenz jede Eindeutigkeit. Nichts
in diesem Film lässt sich einseitig bewerten, beginnend bei einem Stil, dessen
Interpretation als "pendelnd zwischen politischer Satire und
Schicksalstragödie" erst die Hilflosigkeit verdeutlicht, dem Film
irgendeinen Rahmen geben zu wollen. Staudte und Lüddecke gelang es,
widerstreitende Empfindungen gleichzeitig zuzulassen – Schuld und Unschuld,
Hass und Verzeihen lassen sich hier genauso wenig auseinander dividieren wie tragische
oder komische Momente. Wenn Friedrich Hackländer zum Schluss „Wir Deutschen sind immer bereit, schnell zu vergessen“ sagt, dann ist diese Aussage sowohl komisch, als auch tragisch in ihrer
Ignoranz, und der Anblick der geistig verwirrten Mutter, die
der Gesangsgruppe hinterher läuft, um ihnen selbst gebackenes Brot für ihren
Sohn anzubieten, dessen Tod durch Erschießen sie nicht verkraftet hat, ist in seiner
Absurdität gleichzeitig zum Lachen und zum Weinen.
Diese
Komplexität, die nicht beruhigt und weder Lösungen, noch eindeutig Schuldige
präsentiert, wurde „Herrenpartie“ zum Verhängnis – bis heute wurde Staudtes
Film nicht rehabilitiert, dessen Aufführung in „Cannes“ von der damaligen
deutschen Regierung untersagt wurde und ihm heftige persönliche Kritik
einbrachte. Unterhaltung oder politisches Kino? – „Herrenpartie“ entschied sich
nicht, wählte keinen künstlerisch zurückhaltenden, ausgewogenen Gestus, sondern
nahm sich einer ernsten Thematik in Form einer Räuberpistole an, indem er einen
deutschen Männer-Gesangsverein in den Bergen Montenegros auf eine Horde wilder
Witwen treffen ließ, die zu Waffen und Sprengsätzen greifen – eine explosive
Mischung, die in diesem grandiosen und in seiner Unfassbarkeit einmaligen Film
nichts von ihrer Wirkung verloren hat.
"Herrenpartie" Deutschland, Jugoslawien 1964, Regie: Wolfgang Staudte, Drehbuch: Werner Jörg Lüddecke, Arsen Diklic, Wolfgang Staudte, Darsteller : Götz George, Hans Nielsen, Rudolf Platte, Herbert Tiede, Mira Stupica, Milena Dravic, Laufzeit : 87 Minuten
weitere im Blog besprochene Filme von Wolfgang Staudte:
"Die Mörder sind unter uns" (1946)
"Rosen für den Staatsanwalt" (1959)
"Kirmes" (1960)
"Die Herren mit der weißen Weste" (1970)
"Kommissariat 9" (TV-Serie, 1975)
"Rosen für den Staatsanwalt" (1959)
"Kirmes" (1960)
"Die Herren mit der weißen Weste" (1970)
"Kommissariat 9" (TV-Serie, 1975)
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