Donnerstag, 19. Dezember 2013

Schulmädchen-Report - Was Eltern nicht für möglich halten (1970) Ernst Hofbauer

Inhalt: Während des Besuchs der weiblichen Oberprima in einer großen Fabrikanlage kommt es zu einem skandalösen Vorfall. Als die Lehrerin eine ihrer Schülerinnen vermisst, läuft sie zurück zu dem Bus, mit dem sie gekommen waren, um sie zu suchen. Und findet sie – gemeinsam mit dem Busfahrer beim Sex auf der Rückbank. Selbstverständlich meldet sie das Verhalten der Schülerin dem Direktor, der daraufhin die Lehrerkonferenz einberuft, um ihren Verweis von dem Gymnasium zu beraten.

Zuvor soll auch der Elternrat dazu gehört werden, der sich einstimmig empört zeigt. Einzig der Psychologe Dr. Bernauer (Günter Kieslich) ergreift Partei für die Schülerin. Mit weiteren Beispielen aus seiner Berufspraxis versucht er den Eltern zu vermitteln, wie sich junge Mädchen heutzutage verhalten…


Ein Film wie "Schulmädchen-Report - Was Eltern nicht für möglich halten", der 1970 eine zehn Jahre andauernde Fortsetzungs-Welle lostrat, gilt heute als rückständig, nur noch dazu geeignet, um sich über die ersten, noch sehr verklemmten Gehversuche eines beginnenden neuen sexuellen Zeitalters zu amüsieren. Auch die wenigen, zurückhaltenden Nacktaufnahmen haben jeden Sensationscharakter verloren, ganz abgesehen von den konstruierten, von Laien gespielten Sexgeschichten, die männlich geprägte Fantasien an allzeit promiskuitiv veranlagte junge Frauen bedienten.

Tatsächlich waren die Macher mit diesem Format ihrer Zeit voraus. Der Psychologe Günther Hunold hatte seit den frühen 60er Jahren Sexualforschung betrieben und 1969 ein Buch mit Gesprächsprotokollen herausgebracht, in dem 14 bis 20jährige junge Frauen von ihren sexuellen Erfahrungen berichteten. Produzent Wolf C. Hartwig, der dieses Buch zum Anlass für seinen Film nahm, bewies schon 1957 mit "Liebe, wie die Frau sich wünscht", dass er die Dynamik der sich verändernden moralischen Standards begriffen hatte, und engagierte mit Ernst Hofbauer einen Regisseur, der mit "Schwarzer Markt der Liebe" (1966) und "Heisses Pflaster Köln" (1967) ebenfalls früh das Potential der zunehmenden Liberalisierung auf der Kinoleinwand erkannte. Doch nicht wegen seiner Nacktdarstellungen wurde der erste „Schulmädchen-Report“ zum überragenden Erfolg an der Kino-Kasse – in dieser Hinsicht hatten schon viele Erotik-Filme der späten 60er Jahre mehr vorzuweisen – sondern aus der Kombination mit einer realistischen, die bürgerliche Gesellschaft polarisierenden Thematik: dem sich verändernden Sexualverhalten junger Frauen, das als Anzeichen einer wachsenden Emanzipationsbewegung gewertet wurde.

Um sich dem Film jenseits heutiger Trash-Gelüste nähern zu können, ist es notwendig sich die historische Schnittstelle vor Augen zu führen, zu der der Film 1970 in die Kinos kam. Weder hatten junge Frauen gerade erst eine neue Einstellung zum Sex entwickelt, noch hatte diese auch nur annähernd den Grad einer Normalität erreicht, wie es die Spielszenen im Film weismachen wollten. Der entscheidende Schritt zur sexuellen Revolution war die Erfindung der Anti-Baby-Pille Anfang der 60er Jahre, die ein Jahrzehnt einleitete, dass mit freier Liebe, Kommunen und Drogen-Exzessen vor allem bürgerliche Fantasien befeuern sollte. Damit zusammenhängende Ereignisse, meist im Milieu von Rock-Bands oder Film-Stars angesiedelt, wurden medial ausgeschlachtet – auch in den Jugendzeitschriften Mitte der 60er Jahre wurde das sexuelle Erwachen schon ausführlich thematisiert - wodurch aus heutiger Sicht häufig der falsche Eindruck entsteht, 1970 hätte schon eine liberalere Haltung vorgeherrscht.

Doch die moralischen Standards hatten sich zu diesem Zeitpunkt kaum verändert. Im Gegenteil galten freie Liebe, lange Haare, Studentenproteste oder Rock-Musik als Ausdruck einer anti-bürgerlichen Haltung, der die große Mehrheit der Bevölkerung kritisch gegenüber stand. Zwar traten junge Frauen in den Großstädten selbstbewusster auf, aber das sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Grenze zur Rufschädigung nach wie vor sehr schmal war – ein sexuell offensives Vorgehen, wie es die Darstellerinnen im Film an den Tag legten, konnte sich keine Frau leisten, auch die solidarische Haltung mit ihrer vom Verweis bedrohten Mitschülerin war unvorstellbar. Entsprechend unrealistisch sind die meisten der im Film gezeigten Spielszenen, aber sie bedienten die Vorurteile aufs trefflichste – letztlich der Auslöser für den Geschlechter übergreifenden Massenansturm auf die Kinosäle. Schon die Szene zu Beginn, die die Versammlung des Elternrats auslöst, um über den Schulverweis der beim Sex mit dem Busfahrer erwischten Schülerin zu beraten, führte direkt in die feuchtesten Vorstellungen von einer moralisch entarteten weiblichen Jugend.

Abgesehen davon, dass der Busfahrer auch heute noch größte Probleme bekäme (und mit Sicherheit seinen Job verlöre), ist besonders die Zurschaustellung des Geschlechtsakts fernab jeder Realität. Selbst vorausgesetzt, sie hätte es vor lauter Geilheit nicht mehr ausgehalten, hätte sich die Schülerin einen versteckteren Ort suchen können, an dem sie nicht mittendrin gestört wird – die Lehrerin musste sie quasi erwischen. Als Ausnahmefall wäre eine solche Szene noch vorstellbar, aber der „Schulmädchen-Report“ nimmt diese per Psychologen zum Anlass, ein grundsätzliches Plädoyer über das veränderte weibliche Sexualverhalten zu halten. Mit weiteren, ähnlich gearteten Beispielen untermauert Dr. Bernauer vor dem Elternrat seine These, um damit den Schulverweis der Schülerin zu verhindern. Allen diesen Storys ist neben den gewährten Blicken auf nackte weibliche Körper gemein, dass die Sexualität ausschließlich von den Frauen ausgeht. Männer werden zu passiven Profiteuren der auf diese Weise dokumentierten gesellschaftlichen Veränderungen, was die Spielszenen als das outet, was sie tatsächlich sind – Ausdruck männlicher Wunschvorstellungen.

Trotzdem wäre es falsch, den „Schulmädchen-Report“ als reines Vehikel für sensationslüsterne Zuschauer zu betrachten, denn das hätte nicht zu dessen nachhaltigen Erfolg geführt. Hartwig und Hofbauer zeigten ein gutes Gespür für die damaligen Tendenzen, die aus den Aussagen der jungen Frauen heraus zu hören sind, die von Friedrich von Thun hinsichtlich ihrer sexuellen Erfahrungen befragt wurden. Seltsamerweise werden diese in heutigen Betrachtungen oft als „Fake“ angesehen, obwohl sie sich im Gegensatz zu den Spielszenen wesentlich näher am damaligen Zeitgeist befanden. Unabhängig davon, wie viele Frauen Thun interviewen musste, um an diese privaten Informationen zu gelangen, oder ob einzelne davon gestellt waren, vermittelten sie das reale Bild einer neuen weiblichen Generation – weder promiskuitiv, noch auf der Suche nach dem nächsten sexuellen Kick, wie es die Spielszenen vorgaukelten, sondern selbstbewusst agierend.

Damit wagte sich der „Schulmädchen-Report“ 1970 weit mehr hinaus als mit den ausgedachten Sex-Szenen, die aber dank des erfolgreichen Plädoyers des Psychologen letztlich auch ihre, die konservative Moral herausfordernde, Funktion erfüllten. So übertrieben, amateurhaft und unfreiwillig komisch Hofbauers Film im Detail häufig erscheint, so richtig war der Zusatz „Was Eltern nicht für möglich halten“ im Filmtitel. Die Welt, die der „Schulmädchen-Report“ 1970 vor den Betrachtern entfaltete, hatte mit der damaligen Realität nur wenig gemeinsam, aber er besetzte Sexualität positiv und verband sie zumindest ansatzweise mit einem realistischen Umfeld. Hofbauers Film gelang so das Kunststück, große Zuschauerkreise zu erschließen, deren sexuelle Ansichten zwar nicht „revolutioniert“, aber langsam und unmerklich ausgehöhlt wurden.

"Schulmädchen-Report - Was Eltern nicht für möglich halten" Deutschland 1970, Regie: Ernst Hofbauer, Drehbuch: Günther Heller, Günther Hunold (Buchvorlage), Darsteller : Günter Kieslich, Wolf Harnisch, Helga Kruck, Friedrich von Thun, Lisa Fitz, Jutta SpeidelLaufzeit : 85 Minuten

weitere im Blog besprochene Filme von Ernst Hofbauer:

"Holiday in St.Tropez" (1964)
"Tausend Takte Übermut" (1965)
"Schwarzer Markt der Liebe" (1966)

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