Mittwoch, 29. Januar 2014

Das verbotene Paradies (1958) Max Nosseck

Inhalt: „Das verbotene Paradies“ beginnt, begleitet vom Off-Kommentar Georg Thomallas, mit dokumentarischen Aufnahmen deutschen Badevergnügens und zeichnet die Entwicklung von hochgeschlossenen Badeanzügen und Geschlechtertrennung bis zum freizügigen Bikini nach. Doch damit nicht genug, denn auch die FKK-Bewegung wird in bunten Bildern wieder gegeben, die vor allem junge unbekleidete Frauen bei gymnastischen Übungen auf der Wiese, am Strand und im Wasser zeigen.

Ein Ruderboot mit fünf neugierigen älteren Insassen nähert sich vom See aus einem abseits gelegenen Camp mit jungen Leuten in Badebekleidung. Diese fühlen sich beobachtet, stürzen sich ins Wasser und kippen das Boot um, was eine Diskussion zwischen der Besitzerin der Ferienanlage, Margit Sund (Maly Delschaft), und dem Ehepaar Dettmann zur Folge hat. Herr Dettmann (Bruno Fritz) äußert sich empört darüber, dass der Ruf seiner Tochter Inge (Brigitte Olm), die sich im Camp aufhielt, darunter leidet und ist gegen deren Verbindung mit Margit Sunds Sohn Thomas (Siegfried Breuer Jr.). Erneut scheint eine Liebe an den moralischen Vorstellungen der Eltern zu scheitern, was Dr. Theo Krailing (Jan Hendriks), einem Jugendfreund Margit Sunds, dazu animiert, eine Geschichte aus seiner Jugend zu erzählen, um die Anwesenden umzustimmen…

Der von der PIDAX am 24.01.2014 herausgebrachte Film "Das verbotene Paradies" gehört zu den Skurrilitäten einer sich verändernden Gesellschaft, Ende der 50er Jahre. Obwohl er dank reichlicher Nacktaufnahmen in den ersten Minuten als früher Erotik-Film bekannt sein müsste, geriet er schnell in Vergessenheit, da die Freiwillige Selbstkontrolle die Veröffentlichung vierzehnmal zurückpfiff und dafür sorgte, dass die offenherzigen Bilder des Beginns dank einer die moralischen Grenzen einhaltenden Handlung wieder relativiert wurden. Unterhaltender Einblick in eine Phase des Widerstreits zwischen 50er Jahre Moral und Moderne (Die grünen Links führen zur Amazon-Bestellseite).











Angesichts der jungen Frauen, die sich - fast verschämt zwischen dokumentarischen Bildern eingeblendet - in den ersten 10 Minuten des Films nackt auf der Leinwand tummeln - meist aus einer Totalen bei gymnastischen Gruppenübungen betrachtet, aber auch die körperlichen Vorzüge aus der Nähe in Augenschein nehmend - überrascht es nicht, dass der von Arthur Brauner produzierte Film 1958 vierzehnmal vor seiner Aufführung von der FSK abgelehnt wurde, wie die "PIDAX Film" auf der Hülle ihrer DVD erwähnt. So harmlos und ohne sexuelle Attitüde die Nacktaufnahmen aus heutiger Sicht wirken, erfüllte "Das verbotene Paradies" die Voraussetzungen für einen veritablen Skandal und hätte es zum Ruf eines frühen Erotik-Films bringen können, denn die Einbindung in historische Dokumente deutscher Badekultur und Georg Thomallas launiger Kommentar aus dem Off lassen nicht übersehen, dass entgegen der selbst gewählten alters- und geschlechterübergreifenden Thematik fast ausschließlich junge und attraktive Frauen nackt ins Bild gerückt wurden.

Doch das Gegenteil trat ein. "Das verbotene Paradies", welches mit Wolfgang Lukschy, Günter Pfitzmann, Siegfried Schürenberg und Ingeborg Schöner über damals bekannte Darsteller verfügte und unter der Regie Max Nossecks (als Max Meier) entstand, der während seines Exils nach der Flucht vor den Nationalsozialisten auch in Hollywood arbeitete, erregte weder Aufmerksamkeit, noch blieb er in Erinnerung. Leider lassen sich die von der FSK erwirkten Änderungen nicht mehr nachvollziehen, aber dem Film gelang in seiner endgültigen Fassung das Kunststück, jeden weiteren provokativen oder erotischen Anflug im Keim zu ersticken. Stattdessen entstand ein Unikat, das nach dem dokumentarischen Beginn zwar in der damaligen Gegenwart anknüpfte, diese aber nur als Rahmen für die tatsächliche Handlung des Films nutzte - eine vor 1914 spielende Story über den fiktiven Lehrer Professor Wetterstein (Wolfgang Lukschy), der mit seinen Ideen über die Körperkultur im Freien bei seinen konservativen Zeitgenossen aneckte.

Ob dessen pädagogischen Vorstellungen der Anfang des letzten Jahrhunderts aufkommenden "FKK"-Bewegung nahe standen, wird im Film nicht näher erläutert, denn von Nackten ist nichts mehr zu sehen. Zwar beschwört die Rahmenhandlung einen moralischen Konflikt in der Gegenwart, aber dieser erscheint seltsam zahnlos, als hätte die FSK hier eingegriffen. Als Auslöser dient ein Streit zwischen jungen Leuten in züchtiger Badebekleidung, die in einem Zeltlager abseits des sonstigen Strandlebens campieren, und Neugierigen mittleren Alters, die mit einem Boot über den See fahren, um sich deren Treiben näher anzusehen. Es ist gut vorstellbar, dass ursprünglich die Konfrontation von Spannern und Nackten beabsichtigt war, wie es die Zeichnung auf dem der DVD beigefügten Nachdruck der "Illustrierten Filmbühne" vermittelt. Damit hätte sich auch deren rüde Reaktion erklärt, das Boot mit den "Spießern" umzukippen. Stattdessen entstand eine konstruiert wirkende Diskussion zwischen der Besitzerin der Ferienanlage Margit Sund (Maly Delschaft) und dem Ehepaar Dettmann, deren Tochter Inge (Brigitte Olm) sich gegen den Willen ihrer Eltern in dem keineswegs verrucht wirkenden Camp aufhielt und Gegenstand von Klatsch und Tratsch wurde.

Anstatt das Verhalten der älteren Generation zu hinterfragen, gerät nur die Beziehung von Inge zu Thomas (Siegfried Breuer Jr.), dem Sohn Margit Sunds, in den Fokus, die von den Dettmanns auf Grund der Ereignisse missbilligt wird. Damit schlägt die Stunde des Dr. Theo Krailing (Jan Hendriks), der wie gerufen erstmals nach Jahrzehnten bei Margit Sund auftaucht und eine Geschichte aus ihrer gemeinsamen Jugend erzählt, womit die eigentliche Handlung des Films beginnt. Diese verdankt ihren Unterhaltungswert vor allem einem überzeugend als hinterlistigem Assessor auftretenden Günter Pfitzmann, der nach außen Moral predigt und die Klage gegen den angeblich unsittlichen Professor selbst übernimmt, mit den Kameraden der schlagenden Verbindung aber gerne zwielichtige Lokale aufsucht und das hübsche Industriellen-Töchterchen Elsa (Ingeborg Schöner) wegen der Mitgift heiraten will, da ihm seine Gläubiger auf den Fersen sind. Entsprechend nimmt die Story mehr einen komödiantischen als dramatischen Charakter an und hätte als solitärer Film besser funktioniert.

Dass die Macher ursprünglich ein Plädoyer für die Freikörperkultur beabsichtigten, lässt sich nur noch rudimentär an dem knapp 80minütigen Film ablesen, denn offensichtlich blieb nur die vor dem ersten Weltkrieg spielende Story von Veränderungen verschont, da sie einen moralisch akzeptierten Konsens widerspiegelte. Mit den Absichten des Pädagogen Professor Wetterstein, der die Ausübung sportlicher Betätigung im Freien für Heranwachsende propagierte, um sie vor schädlichen Einflüssen zu bewahren, konnte Ende der 50er Jahre Jeder mitgehen. Nicht aber mit den Freuden der nach dem Krieg wieder auflebenden Freikörperkultur, die in den 60er Jahren ihren Durchbruch erlebte. Dafür kam "Das verbotene Paradies" noch zu früh, dessen Gegenwartsbezug rückständiger wirkt als die Ereignisse kurz nach der Jahrhundertwende. Dass dank der Erzählung von Theo Krailing Inge und Thomas am Ende wieder eine Chance bekommen, ändert daran nichts - zu brav und moralisch integer werden sie beschrieben, als das sich daraus ein Plädoyer für mehr Toleranz, über die Vorstellungen eines Professor Wetterstein hinaus, ableiten ließe.

Dass „Das verbotene Paradies“ keinen bleibenden Eindruck hinterließ, ist schade und verständlich zugleich. Als Gesamtwerk wirkt der Film uneinheitlich, ist in seiner Intention nicht schlüssig und verliert seine aufklärerische Absicht an typische Komödienelemente. Gleichzeitig zeigt sich in seiner Handlung trefflich der Widerstreit zwischen Moderne und der sehr konservativen Nachkriegsgesellschaft. Die Nacktaufnahmen des Beginns wurden akzeptiert, aber die folgende Handlung durfte nicht vom moralischen Pfad abweichen.

"Das verbotene Paradies" Deutschland 1958, Regie: Max Nosseck, Drehbuch: H.G. Bondy, Darsteller : Wolfgang Lukschy, Günter Pfitzmann, Jan Hendricks, Siegfried Schürenberg, Ingeborg Schöner, Bruno Fritz, Georg Thomalla (Specher), Laufzeit : 78 Minuten

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