Inhalt: Graf Egge (Friedrich Ulmer) und sein Revier-Jäger
Franz Hornegger (Paul Richter) beobachten einen Adler, der entlang der
Gebirgshänge kreist. Als Hornegger auf ihn anlegen will, hält ihn Egge davon
ab. Er will erst wissen, wo der Adler seinen Horst hat, denn er möchte an die Jungtiere herankommen. Ins
Tal zurückkehrt trennen sich ihre Wege und Egge begibt sich zu seinem Schloss,
wo er mitten in eine Geburtstagsfeier platzt. Seine Tochter Kitty (Hansi
Knoteck) feiert ihren 18. Geburtstag und freut sich, endlich ihren Vater
wiederzusehen, der während der Jagdsaison sonst nur im Gebirge verweilt.
Doch die Freude ist nur von kurzer Dauer, denn der Graf
lässt keinen Zweifel an seiner Verachtung für die anwesenden Gäste, die an
einer großen Tafel speisen. Einzig für seine Tochter war er gekommen, begrüßt
auch seinen Sohn Tassilo (Arthur Schröder) nur kühl und ignoriert die
hingehaltene Hand von Kittys Freundin Anna Herwegh (Grete Roman). Sie ist die
Tochter seines Prozessgegners, weshalb er seinen Sohn, dem er zudem ein
besonderes Interesse an der jungen Frau unterstellt, heftig für deren
Anwesenheit kritisiert. Lange hält er es in dieser Gesellschaft nicht aus, verabschiedet
sich allein von Kitty liebevoll und lässt die Anwesenden konsterniert zurück…
1. Ganghofer und die Stereotypen des Heimatfilms
Bei "Schloss Hubertus" handelte es sich schon um
die zwölfte Ludwig Ganghofer-Verfilmung und doch wurde der Film in
mehrerer Hinsicht stilbildend für das Heimatfilm-Genre bis in die Neuzeit.
Obwohl Peter Ostermayr seit 1918 schon im Alleinbesitz der noch persönlich vom
Autor erworbenen Filmrechte war, wurde „Schloss Hubertus“ nach „Der Mann im
Salz“ (1921) und „Die Trutze vom Trutzberg“ (1922) erst seine dritte Produktion
auf Basis eines Ganghofer-Romans. Die Verfilmung des Bühnenstücks "Der
Geigenmacher vom Mittenwald" und damit den ersten Tonfilm auf Ganghofer-Basis
hatte er im Jahr zuvor noch Franz Seitz überlassen, der ihn unter dem Titel
"Die blonde Christel" (1933) herausgebracht hatte. Doch Ostermayr
beließ es nicht bei der Produktion, sondern verantwortete erstmals auch die
Drehbuchfassung – eine Konsequenz, die er bis Ende der 50er Jahre bei nahezu allen Ganghofer-Verfilmungen wiederholte. Auf Basis anderer Vorlagen schrieb er dagegen nur selten Drehbücher („Die Geierwally“ (1955)).
Graf Egge (Friedrich Ulmer) und Jäger Franz Hornegger (Paul Richter) |
Noch prägender für den Heimatfilm war die Besetzung des
Regiestuhls, da diese über das Ganghofer-Universum hinausreichen sollte. Vor „Schloss
Hubertus“ hatte Hans Deppe nur bei der Theodor Storm-Adaption „Der
Schimmelreiter“ (1934) gemeinsam mit Curt Oertel Regie geführt, die meisten
seiner bis in die 60er Jahre folgenden mehr als 60 Kinofilme blieben im
Heimatfilm-Umfeld und machten Deppe zu einem der einflussreichsten Regisseure des Genres.
Eine Karriere, mit der Hansi Knoteck nicht mithalten konnte. Auch für die
damals erst 20jährige stand „Schloss Hubertus“ am Anfang einer sehr
erfolgreichen Phase, die sie zum großen UFA-Star aufstiegen ließ. Doch nach dem
Krieg spielte sie nur noch wenige Rollen – mit über 40 Jahren hatte sie als
Frau keine Chance mehr in der auf jugendliche Schönheit getrimmten Branche.
Anders als Paul Richter, der 1924 schon den Siegfried in „Die Nibelungen:
Siegfrieds Tod“ unter der Regie von Fritz Lang verkörpert hatte und auf eine
erfolgreiche Stummfilmzeit zurücksehen konnte. In „Schloss Hubertus“ spielte er
mit dem Jäger Franz Hornegger eine wichtige positive Identifikationsfigur –
eine Rolle, die er im 1954er Remake mit knapp 60 Jahren noch einmal wiederholte.
Der verschlagene Jäger Schipper (Hans Friedrich Schlettow) |
Der Roman „Schloss Hubertus“ erschien 1895 in zwei Bänden und damit in
einem Umfang, der eine Reduktion auf eine etwa 80minütige Laufzeit zwingend
erforderlich machte. Noch während der NS-Zeit, mehr als 40 Jahre nach seiner
Erstauflage, gehörte Ganghofers Roman zu den Bestsellern (Quelle: Tobias
Schneider „Bestseller im Dritten Reich - Ermittlung und Analyse der
meistverkauften Romane in Deutschland 1933-1944“, Vierteljahreshefte für
Zeitgeschichte VfZ 1/2004), weshalb Peter Ostermayr bei seiner
Drehbuch-Adaption davon ausgehen konnte, dass viele Zuschauer den Inhalt
kannten. Das nutzte er, um auf den Großteil der Nebenhandlungen zu verzichten
und um sich auf die prägenden Protagonisten zu konzentrieren. In einer neu
erdachten Eingangssequenz fasste er in wenigen Minuten die wesentlichen
Konflikte zusammen und führte den Betrachter damit direkt ins Geschehen.
2. Übervater und Führungsfigur
Betonte Ganghofer in seinem Roman die ständige Abwesenheit
Graf Egges (Friedrich Ulmer) von seinem Schloss – er lebt während der
Jagdsaison in einer im Hochgebirge gelegenen einfachen Hütte – trifft er in der
Verfilmung gleich zu Beginn auf die Geburtstagsgesellschaft seiner Tochter
Kitty (Hansi Knoteck). In seiner Jäger-Montur bildet der Graf einen starken
Kontrast zu den festlich gekleideten Gästen, die er wenig freundlich behandelt. Nur kurze Zeit hält er es in deren Nähe aus, um während eines Liedvortrags
von Anna Herwegh (Grete Roman) aufzubrechen, da ihm „sein Viehzeug“ lieber ist,
wie er seinem Sohn Tassilo (Arthur Schröder) mitteilt, der ihm in sein
Arbeitszimmer gefolgt war. Ihr weiteres Gespräch verläuft reserviert, denn der
Vater wirft Tassilo die Anwesenheit
von Anna Herwegh vor, die Tochter seines Prozessgegners, für die er
offensichtlich mehr als Sympathie empfände. Einzig Kitty, die er „sein
Geislein“ nennt, gilt seine Liebe, weshalb er ihr verspricht zum Todestag
seines verstorbenen Sohns Willy wiederzukommen - der Sohn, der ihm
am meisten nachgeraten war, aber früh den Tod fand.
Der Vater und sein "Geislein" (Hansi Knoteck) |
Ostermayr traf damit zwar den Kern der Ganghoferschen Erzählung,
änderte aber durch teilweise verfälschende Details die Gewichtung der Figuren.
Den spielsüchtigen, arrogant standesbewussten Sohn Robert ließ er ganz weg,
Graf Egges Jüngster Willy - von freundlichem Charakter, aber kränklicher Statur
- stirbt im Roman erst spät, hätte aber kaum gegensätzlicher zu seinem Vater sein
können. Auch die Beziehung zwischen Egge und seinem ältesten Sohn Tassilo,
selbstbewusst und finanziell unabhängig, wurde von Ostermayr auf ein Minimum
reduziert. Dessen Vollzug der Ehe mit Anna Herwegh erfährt der Betrachter
später nur aus Tassilos Mund, der daraufhin erfolgte endgültige Bruch zwischen
ihm und seinem Vater hatte sich schon in der Eingangsszene angebahnt. Dass
Ostermayr aus der Münchner Opernsängerin Anna Herwegh nicht nur eine Freundin
Kittys machte, sondern sie in die Nähe eines bei Ganghofer nicht existierenden
Prozesses rückte, bleibt ein Schwachpunkt des Drehbuchs. Auf diesen zu Beginn
noch dramatisch in den Raum gestellten Prozess, der angeblich Egges gesamtes
Vermögen gefährdet, kommt die Handlung später nicht mehr zurück, auch Anna
Herwegh selbst spielt keine Rolle mehr.
Sohn Tassilo (Arthur Schröder) |
Offensichtlich wollte Ostermayr damit den Standesdünkel
abschwächen, aus dem heraus Graf Egge die Verbindung zwischen seinem Sohn
Tassilo und der Künstlerin aus München im Roman verurteilte. Damit unterstrich
er dessen Naturburschen-Charakter, der ihm trotz seines groben Benehmens in
der Eingangssequenz Sympathien einbringt. Der Kontrast zwischen den
majestätischen Berggipfeln, von denen aus Egge in Begleitung seines Jägers
Franz Hornegger (Paul Richter) zum Schloss kommt, um kurz darauf auf die
dekadente Gesellschaft zu treffen, verfehlt seine Wirkung nicht – kaum ein
Betrachter wird es ihm verdenken, dass er wieder dorthin zurückkehren möchte.
Entscheidender für die im Vergleich zu Ganghofers
Charakterisierung positivere, weniger komplexe Ausrichtung dieser Figur ist der
Verzicht auf das wichtigste Symbol in dessen Roman – der seitlich des Schlosses
gelegene große Vogel-Käfig mit den eingesperrten jungen Adlern. Mehr als die
„Krucken-Stube“, der typische Jäger-Raum mit den erbeuteten Geweihen an der
Wand, steht der Käfig für den Fanatismus des Grafen und im Widerspruch zu
dessen im Film behaupteter Naturverbundenheit. Weil sich die Adler gegenseitig
im Käfig zerfleischen und ihre Zahl dezimiert ist, sucht Egge die Lage eines
Adlerhorstes, um neue Jungtiere zu erbeuten. Der wahnwitzige Versuch, mit einer
60 Meter langen Leiter zum Adlerhorst zu gelangen, wurde Höhepunkt jeder
Verfilmung von „Schloss Hubertus“, die dahinter stehende Intention dagegen
abgeschwächt. Regisseur Harald Reinl zeigte in seiner Verfilmung von 1973 zwar
den Adlerkäfig und die sich gegenseitig tötenden Tiere, verzichtete aber wie
seine Vorgänger auf den Racheakt des durch den Adlermist erblindeten Grafen.
Blindwütig im eigentlichen Sinn erschießt er die gefangenen Tiere, wird dabei
von einer Kralle eines um sich schlagenden Adlers verletzt und stirbt wenig
später an einer Blutvergiftung.
Auch der unbedingte Gehorsam, den Egge einfordert, beruhte im Roman nicht allein auf natürlicher Autorität. Detailliert beschrieb Ganghofer dessen finanzielle Alleinstellung. Die Abhängigkeit der in
seinem Territorium lebenden Menschen von ihm ist allgegenwärtig. Als Franz
Hornegger auf Grund einer Intrige seines Konkurrenten Schipper (Hans Adalbert
Schlettow) seine Stellung als Jäger in Egges Revier verliert, ist seine gesamte
Existenz gefährdet, sieht er sich gezwungen sein Haus zu verkaufen und
wegzuziehen, weil er in der Nähe keine Arbeit mehr finden wird. Eheschließungen
unterliegen praktischen Erwägungen, Kindersterblichkeit ist an der Tagesordnung
und die Wilderei entsteht aus dem alleinigen Jagd-Verfügungsrecht eines Mannes
über ein riesiges Gebiet. An Hand der Spielschulden, die Egge für seinen Sohn
Robert begleichen muss, lässt Ganghofer die eklatanten materiellen Unterschiede
deutlich werden – sind für einen Handwerker oder Förster 200 Mark mehr im Jahr
von entscheidender Bedeutung, stellt er Robert wenn auch widerwillig einen
Scheck in Höhe von 16000 Mark aus.
Ganghofer wertete nicht, zog auch die Autorität des Adels
nicht in Zweifel – mit Tassilo gibt es einen selbstlosen Gegenentwurf zum alten
Egge - und forcierte mit der Liebesgeschichte um Komtesse Kitty und den
mittellosen jungen Maler Werner Forbeck manch romantische Träume, bettete die
Handlung aber in einen realistischen Hintergrund. In der Filmversion blieb
davon nicht viel übrig, aber Deppe und Ostermayr idealisierten weder das karge
Leben in der Bergwelt, noch Egge als Führungsfigur. Friedrich Ulmer gelang es, hinter
dem souveränen Auftritt auch die Sturheit und Verantwortungslosigkeit eines
Mannes durchscheinen zu lassen, der erst durch persönliches Unglück zur
Einsicht gebracht wird. Als Führungsfigur im nationalsozialistischen Sinn taugte
er nicht.
3. Das Frauenbild
Neben Graf Egge galt die Konzentration des Films der
Liebesgeschichte um Kitty. Im Roman liegt das Schwergewicht ebenfalls auf diesen
beiden Handlungslinien, die nur wenige konkrete Berührungspunkte aufweisen,
auch wenn Egge immer wieder die emotionale Nähe zu seinem „Geislein“ betont.
Die einzige Begegnung des Malers Werner Forbeck (Hans Schlenck) mit Kittys
Vater gehört deshalb zum festen Bestandteil aller Verfilmungen. Ohne zu wissen,
dass es sich um den Grafen handelt, bittet der Maler den traditionell als Jäger
gekleideten Egge, sich von ihm zeichnen zu lassen und bezahlt ihn danach noch
dafür, dass er Modell gestanden hatte. Zudem äußert er ihm gegenüber die wenig
schmeichelhafte Volksmeinung über den Grafen, was diesen aber nicht dazu bringt,
sich zu erkennen zu geben. Eine Szene, die sowohl Sympathiepunkte für Egge
brachte, als auch Forbeck schon als zukünftigen Schwiegersohn legitimierte. Weniger
wegen seiner künstlerischen Fähigkeiten, mehr wegen seines so selbstbewusst wie
freundlichen Auftretens.
Kitty und ihr Maler (Hans Schlenck) kommen sich schnell näher |
Die sich kurz danach anbahnende Liebesgeschichte – Kitty
gerät bei einem Unwetter in die Waldhütte, in der der Maler sich einquartiert
hatte – verläuft gemessen an den sonstigen Dramen erstaunlich reibungslos.
Forbeck ist nicht nur ein Freund ihres Bruders Tassilo, sondern wird von einem
berühmten Kunstprofessor protegiert, der wiederum früher mit Fräulein von
Kleesberg (Margarete Parbs), Kittys Tante und Anstandsdame, verbandelt war. Diese
aus moralischen Gründen interessante Konstellation mit dem Professor fand ebenso
wenig Eingang in die Verfilmung, wie das kurze Aufbrausen Forbecks gegenüber
Kitty, als diese ihren Bruder für seinen Mut lobt, gegen den Willen des Vaters die
Sängerin zu heiraten. Hätte er dessen finanziellen Hintergrund, wäre er auch
mutiger, entgegnet er ihr – letztlich die einzige Irritation in der
Liebesgeschichte, denn um eine Grafentochter heiraten zu können, muss er zuerst
auf eigenen Füßen stehen können.
Die gesamte Story um die jungfräuliche Kitty, die ihre große
Liebe erlebt und am Ende nach vielen Tränen und Glücksmomenten auch
folgerichtig heiratet, kontrastiert in ihrer vollständigen Abgehobenheit von
der realen Welt das sonstige Geschehen. Vielleicht war es schon mutig von
Ludwig Ganghofer, einen bürgerlichen Maler als zukünftigen Ehemann zu kreieren,
weshalb es sich bei diesem natürlich um den begabtesten und
vielversprechendsten seiner Generation handelt, der mit dem Porträt von Kitty
die Goldmedaille gewinnt. Dank Hansi Knotecks wunderbarer Verkörperung einer so
zarten, wie emotionalen jungen Frau, die in jedem Mann sogleich den
Beschützerinstinkt weckte und sich ihren Spitznamen „Geislein“ damit mehr als
verdiente, wurde sie zum Vorbild für unzählige höhere Töchter und deren
Liebesleid und – freud. Nicht nur der Roman verdankte ihrer Geschichte einen
Gutteil seines Erfolgs, auch Hansi Knotek machte die Rolle zum großen UFA-Star.
Ganz trauten Deppe und Ostermayr dem Frieden offensichtlich
nicht, weshalb sie eine Szene einbauten, die ein wenig Spannung hineinbringen
sollte. Schipper, der hinterhältige Büchsenspanner des Grafen, erzählt diesem
von dem angeblichen Verhältnis zwischen seiner Tochter und dem Maler – und das
sie sich heimlich alleine träfen. Sonst nur an der Jagd interessiert, stapft
Egge wildentschlossen zu der Waldhütte, wo Kitty tatsächlich gerade noch den
abreisewilligen Vorbeck antrifft. Dieser war dem Rat von Fräulein von Kleesberg
gefolgt, wieder nach München zurückzukehren, um Kitty keine falschen Hoffnungen
zu machen. Doch die verliebte Komtesse fordert zumindest einen zärtlichen
Abschied ein, während sich ihr Vater gerade nähert. So scheint es,
doch als er die Hütte betritt, findet er nur noch einen leergeräumten Raum vor.
Diese nicht im Buch enthaltene Szene widersprach Ganghofers Intention – erst
den sicheren Tod vor Augen erfährt Egge von Kittys Verbindung mit Vorbeck.
Zudem sollte die Besetzung des schnittigen Hans Schlenck in der
Rolle des Künstlers dieser Figur ein wenig den fantasievollen Charakter
nehmen. Das SS-Mitglied Schlenck, im Jahr zuvor als „Heideschulmeister Uwe
Karsten“ (1933) bekannt geworden und im selben Jahr noch im Propagandafilm „Um
das Menschenrecht“ (1934) als Frontkamerad Hans aktiv, spielte den Maler mit
breiter Brust und geradlinigem Arbeitseifer. Selbst in Italien lässt er sich
von seinen Kameraden nicht ablenken. In späteren Verfilmungen wurde diese Rolle
mit weniger kernigen Typen besetzt, was Ganghofers Charakterisierung näher kam.
Der Autor wählte einen anderen Weg, um das idealisierte Bild von Kitty etwas zu
relativieren – zwei parallel erzählte Beziehungsgeschichten vom Jäger Franz und
der jungen Mali (Herta Worell), die im Haushalt ihres Bruders dessen früh
verstorbene Frau ersetzen muss, sowie vom Grafen Willi und seinem
Techtelmechtel mit der Liesl, einem Mädchen aus dem Dorf.
Tante Gundi, die Anstandsdame (Margarete Parbs) mit einem Herz für die Liebenden |
Ganghofer betrachtete diese von finanziellen Nöten, sozialen
Abhängigkeiten und moralischen Vorbehalten beeinflussten Verbindungen mit
Pragmatismus. Als Willi beim Fensterln abstürzt und stirbt, wird nicht nur sein
Leichnam in einer Nacht- und Nebelaktion an eine unverfängliche Stelle geräumt,
sondern Liesl noch am frühen Morgen mit einem grobschlächtigen Handwerker
verlobt, der sich schon länger um sie bemühte, den sie aber nicht ausstehen
kann. Liesls Mutter hatte ihre Hoffnung in eine Beziehung mit dem jungen Grafen
gesetzt, doch nach dessen Tod muss schnell eine Alternative her – die Gefahr,
dass Niemand sonst Liesl mehr nimmt, ist zu groß. In Ganghofers Roman machen
die Männer keinen Hehl aus ihrer Meinung über die Frauen, deren Nutzen aus ihrer
Sicht einzig im Kinderkriegen und der Haushaltsführung liegt. Auch Graf Egge,
vor Jahren von seiner Frau verlassen worden, lässt außer seinem „Geislein“ kein
„Weib“ gelten. Und Liesls frischer Ehemann prahlt damit, dass sie ihn jetzt,
nachdem er sie geschlagen hatte, schon ein wenig mehr mag.
Mali (Herta Worell) und Franz sind sich schon versprochen |
Bis auf die Figur der Mali als Zukünftige des anständigen
Jägers Franz, ist nichts davon in Ostermayrs Drehbuch enthalten. Im Film stimmt Malis
Bruder (Viktor Gehring) der Verbindung mit Franz zu. Eine Idee, auf die er im
Roman nicht käme, da er sie braucht, um den Haushalt zu führen und auf die
Kinder aufzupassen. In einer jüngeren Fassung des Romans von 2003 wurden
Passagen von Ganghofers Enkel Bernhard Horstmann gekürzt, die dem heutigen
Rollenverständnis von Mann und Frau nicht mehr entsprechen – eine unglückliche
Konsequenz, die das damalige Frauenbild verharmlost. Ein Vorwurf, der auch dem
Film zu machen ist, der die traditionellen Geschlechterrollen bestätigte, die inneren
Zwänge aber aussparte. Ostermayr entsprach damit der allgemeinen
Erwartungshaltung des Publikums, denn Gefahren sollten den Liebespaaren nur
durch äußere Umstände drohen. Im Heimatfilm waren deshalb wackere Burschen
gefragt, um sich als Beschützer einer holden Maid aufzuschwingen – unabhängig davon,
ob es sich um eine Komtesse oder eine einfache Bauerntochter handelt.
4. Der Heimatbegriff
Die Ende des 19./Anfang des 20. Jahrhunderts erstmals in
Erscheinung tretenden Heimatdichtungen eines Ludwig Ganghofer, Ludwig Thoma
oder die Dramen von Ludwig Anzengruber reagierten auf die großen sozialen
Veränderungen in dieser Phase. Die schnell fortschreitende Industrialisierung führte
dazu, dass viele Menschen aus ländlichen Regionen in die Stadt zogen. Mit ihnen
verschwanden langjährige Traditionen, zerfielen gewachsene Strukturen und die
Rollen von Mann und Frau begannen sich zu wandeln. Dadurch wuchsen Ängste, die den
Gegensatz Stadt/Land besonders aus der Sicht der Landbevölkerung zuspitzten. Stand
das städtische Leben für Anonymität und Unsicherheit, galt das Landleben als
Hort von Vertrautheit und Verlässlichkeit. Eine Sichtweise, die bis heute
tendenziell vorhanden blieb. Nach den Zerstörungen des 2. Weltkriegs und im
Angesicht einer noch ungewissen Zukunft, wusste der Heimatfilm dieses
Lebensgefühl in den 50er Jahren geschickt zu bedienen – auch für die Städter wurde
die scheinbar heile Welt einer intakten Landschaft zum Sehnsuchtsort.
Besonders Ganghofers Werk gilt als Vorbild für diese
Idealisierung des Landlebens, wurden seine Romane doch über Jahrzehnte zur
ständigen Quelle neuer Verfilmungen. „Schloss Hubertus“ kommt als frühem
Tonfilm eine Vorreiterrolle zu, doch der Romanvorlage ist diese einseitige Ausrichtung
nicht anzumerken. Der Schönheit der Bergwelt stehen die harten
Lebensbedingungen gegenüber. Wer es sich leisten kann, wie die Familie Egge,
verbringt die kalten Wintermonate in wärmeren Gefilden. Jagd als Vergnügen ist nur
etwas für die reiche Elite, Franz Hornegger und seine Jäger-Kollegen verdienen
damit ihren kargen Lebensunterhalt und Wilderei wird hart bestraft. Graf Egge,
der die Moderne kritisch betrachtet, steht dessen Sohn Tassilo als Vertreter
einer jüngeren und liberaleren Generation gegenüber. Der Rechtsanwalt schätzt
auch die Großstadt - sowohl seine Frau Anna Herwegh, als auch der Maler Vorbeck
sind Teil des Münchner Kulturlebens. Zwar gelten den in der Bergwelt
beheimateten Menschen die Sympathien des Autors, aber ohne deren Lebensbedingungen
zu idealisieren. Die „Heimat“ als übergeordneter Begriff taucht im Roman nicht
auf. Sie ist selbstverständlich.
Deppes Verfilmung gewichtete einseitiger. Durch den Verzicht
auf die Nebenhandlungen und die Verortung Anna Herweghs in der Region, entfiel
im Film nicht nur die Stadt als Gegenpol, sondern auch Ganghofers Realismus. Der
Wunsch des erblindeten Grafen an seine Tochter Kitty und ihren strammen
zukünftigen Ehemann, bei ihm zu bleiben, betraf mehr den Fortbestand der Familientradition,
weniger den Verbleib in der Heimat. Dass Forbeck mit Kitty nach München ziehen würde, stand außerhalb jeder Vorstellung. Und wenn er schon malen muss, ergänzt der
Graf mit Blick auf einen Schwiegersohn, dem jede Künstler-Aura fehlt, dann die
Berge und Wälder. Auch in der 34er Film-Version von „Schloss Hubertus“ ist
Heimat noch selbstverständlich, wurde aber nicht mehr Ganghofers komplexer
Betrachtungsweise ausgesetzt.
Trotz dieser Vereinfachungen blieb Peter Ostermayr in seinem
Drehbuch dem Geist der Romanvorlage nah. Zu verdanken ist das auch Deppes
ökonomischen, klar strukturierten Inszenierungsstil, der den Charakter der
kargen, rauen Bergwelt stimmig vermitteln kann. Auf ausschmückende, gar folkloristische Elemente
verzichtete er völlig, nur im Zusammenhang mit den Liebesgeschichten gestattete
er sich wenige humorvolle Momente. Dagegen ließ er keinen Zweifel am ständigen
Druck, den der Graf mit seiner Jagd-Leidenschaft auf seine gesamte Umgebung
ausübt – bis auch er schmerzhaft erkennen muss, dass er nur ganz klein ist
angesichts der beeindruckenden Berg- und Tierwelt.
Ob Ludwig Ganghofer mit dem Ende einverstanden gewesen wäre,
lässt sich anzweifeln. Fast unterwürfig wirkt der Graf, als seine letzte Frage
seiner Tochter gilt: ob sie jetzt mit ihm zufrieden wäre? – Das Publikum sollte
die abschließende Versöhnung und Familienzusammenführung als „Happy End“
verstehen, aber die Vorstellung, dass ein Mann wie Egge in Abhängigkeit von
anderen Menschen und dazu noch unfähig, die Natur und die Jagd zu erleben,
seine letzten Jahre im Schloss verbringt, widersprach dessen von Ganghofer entworfenen
so zwiespältigen, wie eigenwilligen Charakter. Sein Tod im Roman - noch dazu
durch einen Adler - ist eine Konsequenz, die Egge akzeptieren konnte.
"Schloss Hubertus" Deutschland 1934, Regie: Hans Deppe, Drehbuch: Peter Ostermayr, Philipp Lothar Mayring, Willy Rath, Ludwig Ganghofer (Roman), Darsteller : Hansi Knoteck, Friedrich Ulmer, Paul Richter, Arthur Schröder, Margarete Parbs, Hans Schlenck, Hans Friedrich Schlettow, Laufzeit : 82 Minuten
weitere im Blog besprochene Filme von Hans Deppe:
"Grün ist die Heide" (1951)
Thematisch weiterführender Link:
- "Vom Bergdrama zur Sexklamotte - der Heimatfilm im Zeitkontext" (Grundlagen des Heimatfilm Genres)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen