Essay zum Heimatfilm
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Luis Trenker und Marianne Hold in "Flucht in die Dolomiten" (1956) |
1. Einleitung und Inhalt:
1.1. Spiegel des Zustands einer Gesellschaft
1.2. Die 50er Jahre – der Versuch von Abgrenzung und
historischer Einordnung
1.3. Von Ludwig Ganghofer über den Nationalsozialismus bis
zum „Schwarzwaldmädel“
1.4. Kontinuierliche Weiterentwicklung des Genres
1.5. Zielsetzung
1.6. Quellen
2.1. Pioniere des Heimatfilms
2.2. Das Berg-Drama
1.1. Spiegel des Zustands einer Gesellschaft
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Magda Schneider und Willy Fritsch in "Wenn der weiße Flieder wieder blüht" (1953) |
Der „Heimatfilm“ als spezifisch deutsches Film-Genre wird
heute automatisch mit den 50er Jahren verbunden, ganz unabhängig von der
individuellen Vorliebe oder Ablehnung. Konsens besteht auch darin, dass der
überragende Erfolg der Heimatfilme auf dem Bedürfnis der Nachkriegsbevölkerung
nach Zerstreuung und damit Ablenkung vom tristen Alltag der Wiederaufbaujahre
fußte – schöne Menschen, häufig dem Adelsgeschlecht angehörend, erlebten
Liebesleid und -freud inmitten einer intakten Natur, verbunden mit
folkloristischen Einlagen der ortsansässigen Bevölkerung, Musik und Tanz. Die
Grenzen des Genres blieben in dieser Hinsicht fließend: vom Berg-Drama,
Bauern-Schwank über den Historienfilm bis zu den artverwandten Schlager- und
Touristenfilmen passte vieles unter den Oberbegriff „Heimatfilm“, der in den
60er Jahren auch vom aufkommenden Sex-Film in Beschlag genommen wurde.
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"Die Wirtin zur goldenen Krone" (1955) |
Eine Entwicklung, die den sowieso schon miserablen Ruf des Genres noch
weiter beschädigte, gleichzeitig aber auch deutlich werden lässt, dass der
Eindruck eines klar umrissenen Gemischtwarenladens, aus dem sich die
Heimatfilm-Macher mit den immer gleichen Zutaten bedienten, falsch ist. Nicht
nur, dass der „Heimatfilm“ schon seit Stummfilmzeiten zum gängigen Repertoire
gehörte und auch während der Phase des Nationalsozialismus regelmäßige Kinopremieren
erlebte, die jeweiligen Inszenierungen - unabhängig davon, ob sie etwas wagen
oder sich anpassen wollten - orientierten sich sehr genau an den Bedürfnissen
der Zuschauer. Die Gestaltung der Geschlechterrollen, die Art des Humors, die
Integrierung musikalischer Elemente bis zur abschließenden tragischen oder
glücklichen Konsequenz unterlagen Gesetzmäßigkeiten, die noch heute Rückschlüsse
auf die Entstehungszeit und damit eine Alltagsrealität zulassen, wie sie nur
der populäre Film widerspiegeln kann.
„…,soll davon ausgegangen werden, dass alle
Handlungselemente, die wiederholt in den Heimatfilmen vorkommen und die somit
nachhaltig die Heimatfilmwelt prägen, sehr genaue Auskunft über die Hoffnungen,
Wünsche und Sehnsüchte der Deutschen zu dieser Zeit geben, die die Filme zu
großer Zahl rezipiert haben.“ (S.39)
führte der leider früh verstorbene Filmwissenschaftler
Jürgen Trimborn in „Der deutsche Heimatfilm der fünfziger Jahre“ (Teiresias
Verlag Köln, 1998) aus, auf dessen erarbeiteten Grundlagen hinsichtlich der
genauen Differenzierung der Motive, Symbole und Handlungsmuster bis heute die
Auseinandersetzung mit dem Genre basieren.
1.2. Die 50er Jahre – der Versuch einer inhaltlichen und historischen
Abgrenzung
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Rudolf Prack und O.E.Hasse in "Wenn am Abend die Dorfmusik spielt" (1953) |
Trimborn legte in seinem maßgeblichen Werk auch die äußeren
Parameter für das „Heimatfilm“-Genre fest, dessen Beginn er exakt auf den Film
„Schwarzwaldmädel“ terminierte, das genaue Ende aber offen ließ. Trotzdem
galten für ihn die 50er Jahre als abgeschlossener Zeitraum für ein „alleine auf
Deutschland (und Österreich) beschränktes, unnachahmliches, unvergleichliches
Phänomen“ (S.23), dessen Entwicklung er in drei Phasen aufteilte (S.27), die er
an insgesamt zehn Filmen beispielhaft erläuterte:
- Frühphase 1950 –
1952 :
„Schwarzwaldmädel“
(1950), „Grün ist die Heide“ (1951)
- Hochphase 1953 – 1956:
„Wenn am Sonntagabend
die Dorfmusik spielt“ (1953), "Heideschulmeister Uwe Karsten“ (1954), „Solange
noch die Rosen blühn“ (1956), „Heidemelodie“ (1956) „Dort oben, wo die Alpen
glühn“ (1956), „Wo die alten Wälder rauschen“ (1956)
- Spätphase 1957 – 1959:
„Mein Schatz ist aus Tirol“ (1958), „Schwarzwälder Kirch“
(1958)
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Volksfest in "Heidemelodie" (1956) |
Eine bis heute verbreitete These, die aber einer genauen
Analyse nicht standhält, wie schon ein einfacher Blick in die Statistik deutlich
werden lässt. Kamen zwischen 1947 und 1954 etwa 120 Heimatfilme heraus (eine
absolute Zahl kann es nicht geben, da das Genre nicht eindeutig abgegrenzt werden
kann), kam es allein in den drei Jahren 1955 bis 1957 zu fast 100 Produktionen.
Sicherlich auch bedingt durch die erst langsam nach dem Krieg anlaufende
Filmproduktion in Westdeutschland und Österreich, aber die Zahlen von 1953 und
1954 waren gegenüber 1952 leicht rückläufig und die Vorbildwirkung von „Schwarzwaldmädel“
(1950) und „Grün ist die Heide“ (1951) drohte schon zu verpuffen (Trimborn
selbst ging auf diesen Umstand ein, siehe Kapitel 1.4.). Erst nachdem „Der
Förster vom Silberwald“ (Österreich-Premiere noch als „Echo der Berge“ am 25.11.1954,
Deutschland-Premiere 08.02.1955) alle Rekorde gebrochen hatte, kam es zum
eigentlichen Boom.
„Nach Kriegsende gerät der Heimatfilm mehr oder weniger in
Vergessenheit, um dann ab 1955 zum populärsten österreichischen Genre zu werden. Die
österreichische Produktion „Echo der Berge“ ist 1955 ein Kassenschlager und
löst in Österreich die Heimatfilmwelle aus“
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Gerhard Riedmann und Marianne Hold in "Die Fischerin vom Bodensee" (1956) |
schreibt Sabine Ploskov in ihrer Diplomarbeit zum Thema
„Heimatfilm als Spiegel österreichischer Mentalitätsgeschichte“ (2013) – eine
Aussage, basierend auf der Forschungsarbeit von Gertraud Steiner „Der
österreichische Heimat-Film 1946 – 1966“ (Wien 1987). Sicherlich hatte der
„Heimatfilm“ in Deutschland schon seit 1950 Konjunktur und erlebte in Folge von
„Schwarzwaldmädel“ einen ersten Höhenflug, aber die eigentliche „Hochphase“
begann erst 1955, wie auch an Hand verbreiteter Popularitäts-Listen nachvollzogen
werden kann, in denen die vor 1955 erschienenen Filme deutlich
unterrepräsentiert sind. Gemessen an den gängigen Klischees, die heute über den
Heimatfilm kursieren, treffen diese vor allem auf die Filme der zweiten Hälfte des
Jahrzehnts zu, auch weil die Unterwanderung durch Schlagerfilme und Touristen-Komödien
erst in dieser Phase begann. Ein prototypisches Beispiel dafür ist „Die Fischerin vom Bodensee“ (1956), der Bauerschwank, Musikfilm, Tourismus-Werbung
und dramatische Liebesgeschichte publikumswirksam kombinierte und damit die geschmackliche
Richtung vorgab.
„Abgelöst wurden die Heimatfilme in den sechziger Jahren
dann durch das Genre des Schlagerfilms…“ (S.7)
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Barbara Rütting in "Christina" (1953) |
Ein Irrtum, mit dem Jürgen Trimborn das Ende des von ihm
untersuchten Zeitraums zu definieren versuchte. Tatsächlich entstand der
Schlagerfilm schon früh in den 50er Jahren („Schlagerparade“ 1953). Das wenig verbreitete
Fernsehen konnte noch nicht das Bedürfnis nach bewegten Bildern von Musikstars
befriedigen und brachte große Stars wie Peter Alexander, Vico Torriani oder
Catarina Valente hervor, deren Filme nicht weniger ablenkende Wirkung hatten. In
den späten 50er Jahren kam es vermehrt zu einer Kombination beider Stile, was
den Niedergang des Heimatfilms in den frühen 60er Jahren nicht
verhindern konnte. Doch auch der Schlagerfilm, dessen Handlung zunehmend in die
Urlaubsgefilde der reisefreudigen westdeutschen Bevölkerung verlegt wurde, hatte Mitte der 60er Jahre an Popularität verloren. Die Konkurrenz
des aktuelleren Fernsehprogramms wurde zu groß. Ein weiteres signifikantes
Beispiel für die kontinuierlichen Veränderungen, denen sich das Genre ausgesetzt
sah und die es zu Anpassungen zwang. Die Gliederung eines Jahrzehnts mit nahezu
300 Filmen in drei homogene Phasen, wie es Trimborn vorsah, geht entsprechend an der Praxis vorbei.
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Hans Richter in "Auf der Alm da gibt's koa Sünd'"(1950) |
Ihm gelang zwar eine fundamentale Analyse des
Heimatfilms an Hand der Themenbereiche „Antagonismus von Stadt und Land“, „Liebe,
Ehe und Familie“, „Darstellung sozialer und nationaler Problembereiche“ und
„Stereotype Motive und Symbole“, er scheiterte
aber nicht nur an dem Versuch einer klaren zeitlichen Abgrenzung, sondern auch
an einer eindeutigen Typisierung des „50er Jahre Heimatfilm“ gegenüber seiner Vorgeschichte
bzw. der Entwicklung in den 60er Jahren. Die These eines auf „Schwarzwaldmädel“
fixierten Beginns lässt sich nicht halten.
1.3. Von Ludwig Ganghofer über den Nationalsozialismus bis
zum „Schwarzwaldmädel“
„Ohne diese inhaltlichen, thematischen, dramaturgischen und
personellen Kontinuitäten zwischen den Heimatfilmen aus der Zeit des dritten
Reiches und denen aus der Zeit der bundesdeutschen Nachkriegszeit überbewerten
und überinterpretieren zu wollen, erscheint es im höchsten Maße wichtig, diese
gedanklichen Traditionen und die zugrunde liegenden Wurzeln des bundesdeutschen
Heimatfilms der fünfziger Jahre nicht zu vergessen und auch stets im Hinterkopf
zu behalten, will man zu einem umfassenden und adäquaten Bild von der
Heimatfilmwelle der fünfziger Jahre gelangen“ (Jürgen Tramborn, „Der deutsche
Heimatfilm der fünfziger Jahre“ (S.143))
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Luis Trenker in "Der verlorene Sohn" (1934) |
Besser kann man es nicht ausdrücken, nur beließ es Tramborn
bei einem kurzen Kapitel über die Tradition der Heimatfilmdarstellung vor 1950,
ohne diesen Anspruch weiter zu vertiefen. Wissenschaftlicher Konsens besteht
darin, dass das Heimatfilm-Genre unmittelbar auf die Ende des 19.Jahrhunderts
einsetzende Heimatdichtung von Autoren wie Ludwig Ganghofer oder Ludwig Anzengruber
zurückgeht, mit denen diese auf die zunehmende Industrialisierung und damit auf
die entstehenden Ängste der Landbevölkerung vor dem Verlust ihrer Heimat reagierten – der Kontrast Stadt/Land wurde
stilbildend für das Genre. Obwohl die Nationalsozialisten ab 1933 versuchten,
ihre Propaganda-Literatur zu fördern, blieb die klassische Unterhaltungslektüre
weiterhin erfolgreich.
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Ludwig Ganghofer-Verfilmung "Der Klosterjäger " (1935) |
Neben den humoristischen Büchern eines Heinrich Spoerl („Die
Feuerzangenbowle“) gehörten auch Ganghofers Romane während der NS-Zeit zu den
Bestsellern, ebenso wie Felicitas Roses „Heideschulmeister Uwe Karsten“ oder Trygve
Gulbranssens „Das Erbe von Björndalen“ und „Und ewig sind die Wälder“ (Quelle:
Tobias Schneider „Bestseller im Dritten Reich“ Vierteljahreshefte für
Zeitgeschichte, 2004, Heft 1, S.77-97). Die Statistik der etwa 80 zum „Heimatfilm“-Genre zählenden
Tonfilme der Jahre 1930 bis 1945 bestätigt den Einfluss der Unterhaltungs-Literatur
auf die Themen-Auswahl. Mehr als die Hälfte - 43 Filme - basieren auf einem Roman, Theaterstück
oder Operetten-Libretto, allein acht Ludwig Ganghofer-Verfilmungen befinden
sich darunter.
„Die Idee einer „nationalen Gesundung“ durch die
Rückbesinnung auf die Werte und moralischen Vorstellungen des ideologisch höher
bewerteten ländlichen Volkes, wie sie in der nationalsozialistischen Ideologie
enthalten ist, weist starke Parallelen zur uneingeschränkt positiven
Darstellung und Bewertung des Volkes und seiner traditionellen Wertvorstellungen
im Heimatfilm auf.“ („Der deutsche Heimatfilm der fünfziger Jahre“ (S.142)…
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Heinrich George in "Hochzeit auf dem Bärenhof" (1942) |
…schrieb Jürgen Tamborn zurecht, aber diese konservative
Grundlage gewährte den Drehbuchautoren auch gewisse Freiheiten – nicht ohne
Grund gelangten nur wenige Heimatfilme nach dem Krieg auf die US-Verbotsliste,
keiner wurde als „Vorbehaltsfilm“ eingestuft. Um eine propagandistische
Überhöhung der „Blut- und Boden-Ideologie“ der Heimatfilme dieser Phase
nachzuweisen, wie sie Tramborn generell annahm (S.21), ist ein Vergleich
zwischen literarischer Vorlage (schon im Umfeld von Ludwig Ganghofer tauchte
der Terminus „Blut und Boden“ auf (S.142)) und der Drehbuchgestaltung
notwendig.
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Gunnar Möller und Rudolf Prack in "Ferien vom ich" (1952), Remake von 1934 |
Allein der Fakt, dass zwanzig der literarischen Vorlagen nach
dem Krieg erneut verfilmt wurden, schlägt eine Brücke in die 50er Jahre, zudem häufig
unter Beteiligung der schon in den 30er Jahren führenden Regisseure und
Drehbuchautoren. Auch Jürgen Trimborn listete mit Hans Deppe, Joe Stöckel,
Franz Seitz, Veit Harlan und Erich Waschneck (es fehlt Paul May, weder Erich Waschneck, noch Veit Harlan gehörten zu den Heimatfilm-Spezialisten) Filmemacher auf, die sowohl
für den 30er, als auch den 50er Jahre Heimatfilm maßgeblich verantwortlich
waren (S.142) und widersprach damit indirekt seiner an anderer Stelle
formulierten These einer Abgrenzung des 50er Jahre Heimatfilms zu seiner
Vorgeschichte. Hans Deppe, der acht Heimatfilme während der NS-Zeit gedreht
hatte, führte bei „Schwarzwaldmädel“ und „Grün ist die Heide“ Regie, jeweils
unterstützt von Autor Bobby E. Lüthge, der schon an der Erstverfilmung von
„Grün ist die Heide“ (1932) mitwirkte und auch am Propaganda-Film „Hitlerjunge
Quex“ (1933) beteiligt war – mehr Kontinuität war schwer vorstellbar.
1.4. Kontinuierliche Entwicklung
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Marianne Koch in "Der Klosterjäger" (1953), Remake von 1935 |
Dieser fließende Übergang zwischen NS- und Nachkriegszeit in
der Filmproduktion Westdeutschlands war ein Abbild der auch sonst üblichen Vorgehensweise
– die Fachkräfte blieben fast alle in Amt und Würden. Kaum ein Filmregisseur
wurde mit einem Berufsverbot belegt, so dass sie ihre Arbeit wieder aufnehmen
konnten, sobald sich die Filmindustrie nach dem Kriegsende zu erholen begann. Noch
1962 im „Oberhausener Manifest“ wurde kritisiert, dass es nach wie vor keinen
relevanten Filmregisseur in der BRD gäbe, der nicht schon zur Zeit des
Nationalsozialismus gearbeitet hätte („Opas Kino ist tot“). Daraus aber den
Umkehrschluss zu ziehen, der „Heimatfilm“ setze die Intentionen der NS-Zeit
unreflektiert fort, wäre trotzdem eine zu einseitige Betrachtung. Viel zur sehr
musste das Genre auf die sich wandelnden Bedürfnisse der Zuschauer
zugeschnitten werden, um wirtschaftlich erfolgreich zu sein.
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"Ja, Ja, die Liebe in Tirol" (1955), Remake von "Kohlhiesels Töchter" (1943) |
Besonders an Hand der Filme, die in den 50er Jahren als
Remake der vor 1945 erschienenen Versionen herauskamen, lassen sich die
Unterschiede sowohl in der Interpretation der Literaturvorlage, als auch in dem
sich verändernden Gesellschaftsbild vergleichend herausarbeiten – mit teils
überraschenden, den Vorurteilen widersprechenden Ergebnissen. So ist die 1940er Fassung von „Krambambuli“ nach dem Roman von Marie von
Ebner-Eschenbach nicht nur näher an der Literaturvorlage, sondern wesentlich
mutiger hinsichtlich der Figurenzeichnung als das Remake „Heimatland“ von 1955. Am Beispiel von "Krambambuli" lassen sich diese Analysen weiter fortsetzen, denn Von Ebner-Eschenbachs Roman erfuhr 1965 ("Ruf der Wälder") und 1972 ("Sie nannten ihn Krambambuli") noch weitere Verfilmungen. Ein fundiertes Resultat zu den spezifischen Entwicklungsschritten vom
Nationalsozialismus zu den Aufbaujahren, über die 50er bis in die 70er Jahre fehlt insgesamt noch.
„Um die
ununterbrochenen Wiederholung des gleichen zu vermeiden und um die Besucher
auch weiterhin mit den Heimatfilmen in die Kinos locken zu können, startete die
Filmwirtschaft (sowohl in der Bundesrepublik, als aber auch in Österreich) dann
in der Mitte der fünfziger Jahre den Versuch, das bewährte genretypische,
ewiggleiche Schema geringfügig zu verändern, um die Zuschauer auch weiterhin an
die Heimatfilme zu binden.“ (S. 26)
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Adrian Hoven in "Pulverschnee nach Übersee" (1956) |
Von einem ewiggleichen Schema konnte, wie zuvor schon
nachgewiesen, nicht die Rede sein, aber Jürgen Trimborn reagierte mit dieser
Aussage zurecht auf eine entscheidende Veränderung des Genres und widersprach
damit erneut seiner eigenen Definition einer von 1953 bis 1956 andauernden
Hochphase. Ab 1955 wurde die äußerliche Anmutung immer moderner, nahmen die
komödiantischen Einlagen zu – kaum noch ein Film kam ohne eine Witzfigur aus,
in der Regel ein trotteliger Tourist aus dem Flachland – und die Musik passte
sich dem aktuellen Zeitgeschmack an. Gleichzeitig hielt man am konservativen
Frauenbild fest, blieb moralisch restriktiv und betonte weiter den Kontrast
Stadt/Land, was den bunten Bildern voller Errungenschaften der
Wirtschaftswunderjahre aus heutiger Sicht einen zwiespältigen Charakter verleiht,
damals aber den Höhepunkt an Unterhaltungswert versprach und damit die
gewünschte weitere Bindung an den Heimatfilm.
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Beppo Brem in "Der Bauerndoktor von Bayrisch Zell" (1957) |
Aus wirtschaftlicher Sicht eine verständliche Vorgehensweise,
die aber an der These vom Erfolgsmodell als Ablenkung vom tristen Alltag (in
qualitativer Abgrenzung zum sonstigen Kinofilm) rüttelt. Zum Zeitpunkt des
größten Erfolgs und des höchsten Outputs an Heimatfilmen ging es den Deutschen
mehr als 10 Jahre nach Kriegsende schon deutlich besser, verschwanden die
Wunden des Krieges zunehmend auch aus den Städten. An dieser abschließenden Infragestellung
einer zu undifferenziert geäußerten These wird erneut deutlich, dass das Genre
des „Heimatfilms“ trotz einer inzwischen großen Anzahl sehr guter filmwissenschaftlicher
Arbeiten nach wie vor mit klischeehafter Vereinfachung betrachtet wird.
1.5. Zielsetzung
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Toni Salier in "12 Mädchen und ein Mann" (1959) |
Jürgen Trimborns Versuch, an Hand von zehn subjektiv
ausgesuchten Schlüsselwerken feste Regeln herauszuarbeiten, musste in seiner
Aussagekraft beschränkt bleiben, auch weil er sowohl die Vorgeschichte, als
auch die folgenden 60er Jahre nur oberflächlich betrachten konnte. Vorzuwerfen
ist ihm das nicht, zumal die von ihm erarbeiteten Typologien von grundsätzlicher
Bedeutung geblieben sind, denn jede wissenschaftliche Arbeit in Buchform muss
an der schier unübersichtlichen Menge an Filmen scheitern – nicht nur an der
Anzahl der „reinen“ Heimatfilme in mehr als vier Jahrzehnten (unter Verzicht
auf den „modernen“ Heimatfilm ab den 80er Jahren), sondern auch an der Vielzahl
der genrenahen Werke. Zudem standen den Wissenschaftlern bis vor wenigen Jahren
nur eine beschränkte Anzahl an Filmen medial zur Verfügung.
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"Happy-End am Wolfgangsee" (1966) |
In den folgenden sechs Kapiteln werden vier Jahrzehnte Filmgeschichte in historisch sinnvolle Abschnitte unterteilt, die sich thematisch der Entwicklung der Heimatfilme widmen und die hier aufgestellten Thesen an Hand von Fakten differenzierter begründen sollen. Schwerpunkt bleibt aber die Filmliste mit den nach Premierendaten geordneten Heimatfilmen, begleitet von den wichtigsten Angaben zu den Kreativen, eventuellen Originalvorlagen und Remakes. Darauf basierend soll die Analyse des Mediums weiter ins Detail fortgeführt werden. Mit dem Ziel, die Intentionen der Macher und damit deren Reflexion auf die Befindlichkeiten der Deutschen, zu erfassen, aber auch um die Qualitäten der einzelnen Filme wieder zu entdecken. Und warum sie Freude bereiteten und es vielleicht auch heute noch können.
1.6. Quellen:
- Jürgen Trimborn „Der deutsche Heimatfilm der fünfziger
Jahre. Motive, Symbole und
Handlungsmuster“.
Köln:
Teiresias-Vlg. Leppin 1998, 186 S. (Filmwissenschaft. 4.)
- Hans J. Wulff
„Der BRD-Heimatfilm der 1950er Jahre: Eine Biblio-Filmographie,
zusammengestellt von Hans J. Wulff, Stand 2011
- Christian Rapp
„Höhenrausch – Der deutsche Bergfilm“
Sonderzahl
Verlagsgesellschaft Wien, 1997
- Tobias Schneider
„Bestseller im dritten Reich“
Vierteljahreshefte
für Zeitgeschichte, 2004, Heft 1, S.77-97
- Gertraud Steiner „Der österreichische Heimat-Film 1946 –
1966“ (Wien 1987)
- Sabine Ploskov
„Heimatfilm als Spiegel österreichischer Mentalitätsgeschichte“
Diplomarbeit 2013, Uni Wien, Fachbereich Geschichte
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