Nachdem sie zwei junge Frauen einfach auf der Straße
zurückließen, da diese ihnen schon nach kurzer Zeit auf die Nerven gingen,
landen sie auf einer Go-Kart-Bahn, wo sie auf eine Gruppe von Studenten
treffen. Es kommt zu offenen Feindseligkeiten mit den jungen Männern, von denen
sich besonders Werner provoziert fühlt, aber Alice (Helga Anders) versucht
zwischen ihnen zu vermitteln und beruhigt die Situation wieder. Die junge Frau
ist ganz nach dem Geschmack der beiden Freunde, die ihre Chance wittern, als
alle noch zum nächtlichen Baden aufbrechen wollen. Sie nehmen Alice in ihrem
Auto mit, haben aber ein ganz eigenes Ziel…
Schon der Titel klingt verabscheuungswürdig: "Mädchen
mit Gewalt" - Gibt es etwas Feigeres und Niederträchtigeres, als gegenüber
Frauen Gewalt anzuwenden? - Nicht überraschend, dass Roger Fritz‘ dritter
Langfilm nach "Mädchen, Mädchen" (1967) und "Häschen in der
Grube" (1969) in die Ecke "Zynischer Reißer" (Katholischer
Filmdienst) gestellt wurde, obwohl Klaus Löwitsch für seine Rolle als
"Bester Schauspieler" ausgezeichnet wurde. Doch ähnlich der parallel
erschienenen Filme "Deadlock" (Regie Roland Klick) und "Rote Sonne" (Regie Rudolf Thome) blieb Roger Fritz die Anerkennung im Rahmen
des "Neuen deutschen Films" versagt und geriet sein Film schnell in
Vergessenheit als ein gesellschaftskritische Aspekte effektheischend
formulierendes Genre-Werk. Ein Urteil, dass sich wie ein roter Faden durch die
Arbeiten eines Regisseurs zieht, der - ausgehend von Georg Tresslers Film
"Die Halbstarken" (1956), über den der 20jährige Roger Fritz eine
Bildreportage fertigte, bis zu seiner letzten Regie-Arbeit "Frankfurt Kaiserstraße"
(1981) - die soziokulturelle Entwicklung der BRD nach dem Krieg begleitete und wie unter einem
Brennglas fokussierte.
In ihrem sezierenden, schonungslosen und letztlich
fatalistischen Blick auf die Geschlechterrollen ähneln sich beide Filme, aber
Roger Fritz ging in „Mädchen mit Gewalt“ noch darüber hinaus und entwarf eine
kammerspielartige Situation, die zwei Drittel des Films prägt, unterstützt von
der sparsam eingesetzten „Can“-Musik und einer Kiesgruben-Location, die jeden
unnötigen Ballast von der Story fernhalten. Nur die ersten 30 Minuten geben
Zeugnis von der Lebenswelt der zwei männlichen Protagonisten Mike (Arthur
Brauss) und Werner (Klaus Löwitsch), ihrer Arbeit und ihrem Freizeitverhalten,
das allein von der gemeinsamen Jagd auf Frauen bestimmt wird. Als eingespieltes
Team nehmen sie jede Gelegenheit war, um sie genauso schnell wieder
fallenzulassen, wenn sich nicht der erwartete Erfolg einstellt. Nachdem sie auf
einer Go-Kart-Rennbahn Alice (Helga Anders) kennenlernten, die eine
vielversprechende Erotik ausstrahlt, gelingt es ihnen, sie von ihrer Gruppe zu
separieren und nachts allein mit ihr in einer Kiesgrube zu landen. Zuerst
entwickelt sich die Situation wie gewünscht, doch als der jungen Frau bewusst
wird, dass die Anderen nicht mehr nachkommen, fordert sie die beiden Männer
auf, sie wieder zurückzubringen.
Von besonderer Bedeutung dieser ersten Minuten ist der
Konflikt zwischen den beiden knapp über 30jährigen Arbeitskollegen und der
Studentengruppe, zu der Alice gehört. Rolf Zacher, der in den Jahren zuvor
mehrfach als junger Freigeist in den Filmen von George Moorse auftrat („Der Griller“, 1968), steht für das damalige Selbstverständnis der jungen Männer in
ihrem liberalen Umgang mit jungen Frauen – ein Umgang, der 10 Jahre zuvor noch ausgeschlossen
und auch 1970 nur in einer Großstadt wie München vorstellbar war. Der
Betrachter erfährt nichts von der Vergangenheit von Werner und Mike, aber dass
sie mit Anfang 20 noch nicht diese Möglichkeiten hatten, steht außer Zweifel. Das
verleiht ihrer permanenten Baggerei etwas getriebenes, wie der Versuch, die
eigene Jugend nachzuholen. Zacher und seine Kumpels spüren das sofort und
provozieren die „Älteren“ – Alice kann den handgreiflich werdenden Konflikt
zwar schlichten, empfiehlt sich damit aber unbewusst noch mehr als Objekt der
Begierde.
Der von Roger Fritz nicht autorisierte Alternativ-Filmtitel „Mädchen…nur
mit Gewalt“ (gemäß seiner Aussage im Audio-Kommentar) erweist sich schon zu
diesem Zeitpunkt als Unsinn. Weder Werner, noch Mike wollen Gewalt anwenden. Im
Gegenteil überspielt ihr forsches Vorgehen nur ihre Sehnsucht nach Liebe, die
sie sich in ihrer jeweiligen Männer-Rolle nicht zugestehen, die in der später
eskalierenden Situation aber von wesentlicher Bedeutung wird. Die Antipoden Werner
und Mike stehen geradezu prototypisch für den männlichen Charakter – eine legitime,
auch in Theaterdramen übliche Zuspitzung, der nichts „reißerisches“ anhaftet.
Werner ist der Macher, Mike gibt sich intelligent und gebildet. Normalerweise
eine schwer vorstellbare Verbindung, aber Männer verstanden es schon immer, bei
gleichem Interesse Unterschiede zu akzeptieren oder mehr noch, diese für sich
zu nutzen. Für die Jagd auf Frauen erweisen sich ihre jeweiligen Fähigkeiten
als vorteilhaft, vorausgesetzt sie kommen gleichberechtigt zum Zug. Doch Alice
weckt in beiden Männern eigene Bedürfnisse, weshalb die sonst unterdrückten
Empfindungen explosionsartig herausbrechen und zu unvorhersehbaren Konsequenzen
führen.
Die umstrittenste Figur in diesem Dreieck ist die
Frauenrolle. Helga Anders, schon optisch dafür prädestiniert, verkörperte eine
sexuell freizügig auftretende junge Frau, die nicht nur sofort nackt baden
geht, sobald die Drei in der Kiesgrube angekommen waren, sondern selbst nach
der Vergewaltigung nie ihr Dekolleté zuhält. Die oberen zwei Knöpfe ihres
Kleides waren abgerissen und Roger Fritz, der sich sonst mit Nacktaufnahmen
sehr zurückhielt, lässt die Kamera permanent auf ihren nur knapp verhüllten Busen
halten und bediente damit nicht nur den Voyeurismus des Betrachters, sondern
auch das von Werner formulierte Vorurteil, dass Alice doch selbst schuld an
ihrer Situation wäre. Auch das Verhalten der jungen Frau, dass zwischen
verzweifelter Wut und Mitgefühl changiert, fördert diesen Eindruck noch.
Diese Form der Inszenierung, die entscheidend zum „reißerischen“ Eindruck beitrug, lässt wiederholt deutlich werden, welche Risiken Filmemacher eingehen, wenn sie vom Betrachter Selbstreflexion einfordern. Zur Entstehungszeit des Films provozierte Alice' Verhalten zwar deutlich mehr, aber an Mikes Ausführungen über die Folgen einer Anzeige wegen Vergewaltigung hat sich bis heute ebenso wenig geändert, wie an dem allgemeinen Urteil über promiskuitiv auftretende Frauen. Auch Mike und Werner – sieht man von der Verheißung einer damals noch frischen sexuellen Liberalisierung einmal ab – stehen stellvertretend für bis heute übliche männliche Charakterzüge. Zwar storytechnisch fokussiert und einer extremen Situation ausgesetzt, aber in ihrer Demaskierung generell gültig. „Mädchen mit Gewalt“ als zeitlos zu bezeichnen, ist deshalb noch zu schwach, auch Attribute wie „zynisch“ oder „böse“ - heute anerkennend gemeint - lassen nach wie vor den Abstand des Betrachters zum Geschehen erkennen. Doch dieser existiert hier nicht und das macht die Größe dieses Films aus.
Diese Form der Inszenierung, die entscheidend zum „reißerischen“ Eindruck beitrug, lässt wiederholt deutlich werden, welche Risiken Filmemacher eingehen, wenn sie vom Betrachter Selbstreflexion einfordern. Zur Entstehungszeit des Films provozierte Alice' Verhalten zwar deutlich mehr, aber an Mikes Ausführungen über die Folgen einer Anzeige wegen Vergewaltigung hat sich bis heute ebenso wenig geändert, wie an dem allgemeinen Urteil über promiskuitiv auftretende Frauen. Auch Mike und Werner – sieht man von der Verheißung einer damals noch frischen sexuellen Liberalisierung einmal ab – stehen stellvertretend für bis heute übliche männliche Charakterzüge. Zwar storytechnisch fokussiert und einer extremen Situation ausgesetzt, aber in ihrer Demaskierung generell gültig. „Mädchen mit Gewalt“ als zeitlos zu bezeichnen, ist deshalb noch zu schwach, auch Attribute wie „zynisch“ oder „böse“ - heute anerkennend gemeint - lassen nach wie vor den Abstand des Betrachters zum Geschehen erkennen. Doch dieser existiert hier nicht und das macht die Größe dieses Films aus.
"Mädchen mit Gewalt" Deutschland 1970, Regie: Roger Fritz, Drehbuch: Roger Fritz, Jürgen Knop, Winfried Schnitzler, Darsteller : Helga Anders, Klaus Löwitsch, Arthur Brauss, Rolf Zacher, Astrid Bohner, Monika Zinnenberg, Laufzeit : 94 Minuten
"Frankfurt Kaiserstraße" (1981)
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