Donnerstag, 11. Juni 2015

Bergdrama und Pioniere des Heimatfilms - die frühen Jahre 1930 bis 1933


2.1. Pioniere des Heimatfilms

Joe Stöckel in "Die blonde Christel" (1933)
Die erstaunlich große Anzahl an Heimatfilmen in der nur kurzen Tonfilm-Phase bis zum Beginn der NS-Diktatur 1933 stand noch ganz im Zeichen der Stummfilm-Ära. Regisseure wie Hanns Beck-Gaden, Franz Osten, Franz Seitz sen., Hans Behrendt und Erich Waschneck gehörten zu den Pionieren des Heimatfilms und drehten Anfang der 30er Jahre ihre ersten Tonfilme in dem ihnen vertrauten Genre - mit unterschiedlichen Konsequenzen für ihre Karrieren.

Nur wenige Monate nach der Ganghofer-Verfilmung „Die blonde Christel“, schuf das Team um Regisseur Seitz und die Autoren Joseph Dalmann und Joe Stöckel mit „SA-Mann Brand“ (1933) einen der ersten NS-Propagandafilme – für alle Beteiligten der Startschuss zu einer kontinuierlichen Weiterbeschäftigung in der von den Nationalsozialisten kontrollierten Filmbranche. Seitz wurde bis Anfang der 40er Jahre regelmäßig als Regisseur verpflichtet, darunter bei nicht wenigen Heimatfilmen. Sechs Jahre nach dem Ende des Kriegs fügte er seinem Oevre mit „Der letzte Schuss“ (1951) noch einen letzten Genre-Vertreter hinzu. Joseph Dalman, ebenfalls Stummfilm-erfahren, blieb bis zu seinem Tod 1944 einer der führenden Drehbuch-Autoren des Heimat-Film-Genres und für Joe Stöckel begann eine nur durch die unmittelbaren Nachkriegsjahre unterbrochene Heimatfilm-Ära, die erst 1959 mit seinem Tod endete. Zwar hatte er in den frühen 20er Jahren schon als Schauspieler und Regisseur gearbeitet, aber erst mit seinem Drehbuch zu „Der Schützenkönig“ stellte sich der Erfolg ein.

"Die blonde Christel" - erste Ludwig Ganghofer-Verfilmung der Tonfilmzeit
Parallelen zu Seitz' Karriere lassen sich auch bei Erich Waschneck finden, der im Alter von über 60 Jahren nach dem Krieg noch drei Filme drehte. Auch er hatte sich als Regisseur des antisemitischen Films „Die Rothschilds“ (1940) einmal vor den NSDAP-Propaganda-Karren spannen lassen, „An heiligen Wassern“ (1932) blieb aber sein einziger Heimatfilm. Im Gegensatz zu Hanns Beck-Gaden und Franz Osten, deren Schwerpunkt schon in Stummfilmzeiten auf dem Genre gelegen hatte, die aber nach 1934 keine Regie mehr in Deutschland führten. Franz Osten, älterer Bruder des Münchner Filmproduzenten Peter Ostermayr und bereits im Jahrzehnt zuvor mehrere Jahre in Indien tätig, wechselte erneut nach Asíen und gilt heute als einer der Begründer des Bollywood-Kinos, Hanns Beck-Gaden half auch seine unverhohlene Sympathie für das NS-Regime nichts.

Tragisch entwickelte sich dagegen das Schicksal des jüdischen Regisseurs Hans Behrendt, dessen erste Regie-Arbeit „Alt-Heidelberg“ (1923) schon dem Heimatfilm gewidmet war und dem die erste Fassung von „Grün ist die Heide“ (1932) zu verdanken ist. Im Oktober 1933 erschien noch sein „Hochzeit am Wolfgangsee“, kurz bevor er sich auf eine langjährige Flucht über Spanien und Österreich begab, wo er jeweils noch einen Film drehte, bis er 1938 nach Belgien gelangte. Dort wurde er 1940 verhaftet und kam nach dem Transport durch mehrere Internierungslager 1942 im KZ Auschwitz ums Leben. Sein „Grün ist die Heide“ – Autor  Bobby E. Lüthge blieb dagegen wie schon zu Stummfilmzeiten ein vielbeschäftigter Autor, schrieb parallel das Drehbuch zum Propaganda-Film „Hitlerjunge Quex“ (1933) und war auch für den neuen Heimatfilm-Boom der 50er Jahre mit zuständig - sowohl die zweite Fassung von „Grün ist die Heide“ (1951), als auch das Drehbuch für den ersten westdeutschen Farbfilm nach dem Krieg - „Schwarzwaldmädel“ (1950) - stammen aus seiner Feder. 


2.2. Das Berg-Drama

„Im Unterschied zum Heimatfilm, der sich zur gleichen Zeit immer wieder ins Hochgebirge wagte, blieb die Natur im Bergfilm nie unverbindliche Kulisse, sondern war stets zentrales erzählerisches und visuelles Thema“ (Christian Rapp „Höhenrausch – der deutsche Bergfilm“, S.8, Wien 1997)

"Stürme über dem Montblanc" Arnold Fanck
Anfang der 30er Jahre stand der Heimatfilm noch ganz im Schatten des Berg-Dramas, dessen Erfolg vor allem drei Protagonisten zu verdanken war – Arnold Fanck, Leni Riefenstahl und Luis Trenker. Dank „Berge in Flammen“, „Der weiße Rausch“ und „Stürme über dem Montblanc“ wurde der Bergfilm nach Historiendramen und Komödien zum dritterfolgreichsten Genre des Jahres 1932 (Quelle:„Höhenrausch“, S.11). Fanck hatte nach frühen Dokumentarfilmen erstmals bei „Der Berg des Schicksals“ (1924) mit Luis Trenker zusammengearbeitet, 1926 schloss sich Leni Riefenstahl an, die gemeinsam mit Trenker in Fancks „Der heilige Berg“ die Hauptrolle spielte. Beide lösten sich in den Jahren danach wieder von Fanck und brachten ihre eigenen Filme heraus, was in den Jahren 1930 bis 1932 zur Hochkonjunktur des Genres führte.

Die Rolle des Bergfilms, dessen Hochphase noch vor der Machtübernahme der NSDAP endete, ist heute umstritten. Siegfried Kracauer untersuchte in seiner filmsoziologischen Studie „From Caligari to Hitler“ (1947) den deutschen Film bis 1933 als Spiegelbild zeitgenössischer Stimmungen und emotionaler Fixierungen (siehe auch „Essay zum Heimatfilm“ Kapitel 1.1.). 

"Das blaue Licht" (1932) Leni Riefenstahl
„Mit ihrem heroischen Idealismus und ihren nationalistischen Botschaften kamen sie den zur Machtübernahme rüstenden Nationalsozialisten deutlich entgegen“ 







schließt Kracauer aus seinen Überlegungen, eine These, die nicht beantwortet, warum es nach 1934 keinen nennenswerten Bergfilm mehr gab, sieht man von Trenkers „Der Berg ruft“ (1938) ab, ein Remake seines Stummfilms „Kampf ums Matterhorn“ von 1928. „Der Berg ruft“ wurde Trenkers erfolgreichster Film, lässt aber gleichzeitig den Widerspruch zur nationalsozialistischen Ideologie deutlich werden – die Betonung der Individualität:

„…bleibt der Parameter des egomanen Verhaltens die alpine Landschaft. Überwindet, bezwingt sie der Held, bestätigt und bekräftigt sie seine Autorität – gibt er sich ihr preis, ermöglicht sie ihm das finale Opfer.“ (Christian Rapp, „Höhenrausch“, S. 9)

Luis Trenker in "Der Sohn der weißen Berge" (1930)
Zwar steht der von Trenker gespielte Bergsteiger am Ende als Sieger da, der Film lässt aber an der gleichzeitigen Außenseiter-Position dieser Figur keinen Zweifel. Erst Trenkers nach dem Krieg gedrehte Berg-Dramen „betteten den Helden in ein breiteres soziales Bezugsfeld ein“, wie Christian Rapp in seiner detaillierten Untersuchung des Bergfilms zutreffend formulierte.









Die frühen Tonfilm-Jahre 1930 bis 1933 :             

12.08.1930 Der Sohn der weißen Berge - Luis Trenker, Mario Bonnard
25.12.1930 Stürme über dem Montblanc - Arnold Fanck
03.02.1931 Die Försterchristel - Frederic Zelnik  (auf Basis des Operettenlibretto, 
                                                                                               1952 und 1962 erneut verfilmt)
28.09.1931 Berge in Flammen - Luis Trenker
02.10.1931 Der bebende Berg - Hanns Beck-Gaden (nach dem Roman von Hugo Rüttgers)
27.11.1931 Der Hochtourist - Alfred Zeisler
10.12.1931 Der weiße Rausch - Arnold Fanck
30.12.1931 Im Banne der Berge - Franz Osten
24.03.1932 Das blaue Licht - Leni Riefenstahl (Nach dem Roman "Bergkristall"
                                                                                                                von Gustav Renker)
06.09.1932 Die Zwei vom Südexpress - Robert Wohlmuth
24.09.1932 Der Schützenkönig - Franz Seitz (Drehbuch Joe Stöckel, 
                                                                                      sein Einstieg ins Heimatfilm-Genre)
03.10.1932 Fürst Seppl - Franz Osten (Remake von 1915)
08.12.1932 Abenteuer im Engadin - Max Obal (Drehbuch Arnold Fanck)
09.12.1932 Grün ist die Heide - Hans Behrendt  (Nach Motiven von Hermann Löns,
                                                             Drehbuch Bobby E. Lüthge, 1951 erneut verfilmt)
13.12.1932 An heiligen Wassern - Erich Waschneck (nach dem Roman von J.C. Heer,
                                                                                                               1960 erneut verfilmt)
22.12.1932 Der RebellLuis Trenker
22.12.1932 Die Herrgottsgrenadiere - Anton Kutter
10.02.1933 Die blonde Christel - Franz Seitz (nach dem Roman von Ludwig Ganghofer, 
                  1950 unter dem Originaltitel "Der Geigenmacher von Mittenwald" erneut verfilmt)
30.03.1933 Sprung in den Abgrund - Harry Piel
07.04.1933 Gipfelstürmer - Franz Wenzler (Drehbuch Bobby E. Lüthge)
12.05.1933 Der sündige Hof - Franz Osten (Remake von 1915)
05.09.1933 Wenn am Sonntagabend die Dorfmusik spielt - Charles Klein
09.10.1933 Hochzeit am Wolfgangsee - Hans Behrendt
31.10.1933 Du sollst nicht begehren... - R. Schneider-Edenkoben
03.11.1933 Heideschulmeister Uwe Karsten - Hans Behrendt (Nach dem Roman 
                                                                          von Felicitas Rose, 1954 erneut verfilmt)
10.11.1933 Ein Kuss in der Sommernacht - Franz Seitz  (Drehbuch Joseph Dalman 
                                                                                                         und Joe Stöckel)
15.11.1933 Drei Kaiserjäger - Franz Hofer, R.Land (Die Handlung spielt während des 1.Weltkriegs)
21.11.1933 Der Judas von Tirol - Franz Osten
30.11.1933 Schwarzwaldmädel - Georg Zoch (Remake von 1920, 1950 und 1973 erneut verfilmt)

Gesamtinhalt Essay Heimatfilm:


1. Einleitung und Inhalt:
1.1. Spiegel des Zustands einer Gesellschaft
1.2. Die 50er Jahre – der Versuch von Abgrenzung und historischer Einordnung
1.3. Von Ludwig Ganghofer über den Nationalsozialismus bis zum „Schwarzwaldmädel“
1.4. Kontinuierliche Weiterentwicklung des Genres
1.5. Zielsetzung
1.6. Quellen

2. Bergdrama und Pioniere des Heimatfilms – die frühen Jahre 1930 bis 1933
2.1. Pioniere des Heimatfilms
2.2. Das Berg-Drama

3. Die Phase des Nationalsozialismus - der Heimatfilm der Jahre 1934 bis 1945
3.1. Der "innere Zirkel" der Heimatfilm-Macher
3.2. Der Heimatfilm als Vehikel der NS-Ideologie?

4. Die Nachkriegszeit bis "Schwarzwaldmädel" – der Heimatfilm der Jahre 1947 bis 1950
4.1. Viele alte und wenige neue Köpfe
4.2. Die Ursache des Erfolgs von "Schwarzwaldmädel": Aktion oder Reaktion?

5. Die erste Boom-Phase – der Heimatfilm der Jahre 1951 bis 1954
5.1. Der "Innere Zirkel" wächst
5.2. Die neuen "Mannsbilder"
5.3. Die weiblichen Stars

6. Im Zenit des Wirtschaftswunders - der Heimatfilm der Jahre 1955 bis 1957
6.1. Höhepunkt und beginnender Niedergang
6.2. Lust an der Freizeit statt Flucht aus dem Alltag
6.3. Die Protagonisten der zweiten Welle
6.4. Die Stunde der Komödianten

7. Der Weg in die Moderne - der Heimatfilm der Jahre 1958 bis 1969
7.1. Gibt es ein Ende des Heimatfilms?
7.2. Die unaufhaltbare Modernisierung
7.3. Die alten und die neuen Männer

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