Inhalt:
1813 – General Gneisenau (Horst Caspar) spricht bei König Friedrich Wilhelm
III. (Claus Clausen) vor, um diesen aufzufordern, mit dem Volk gegen Napoleon
zu ziehen. Dieser reagiert empört, da das Kriegshandwerk gelernt sein müsste,
aber Gneisenau widerspricht ihm, denn die Verteidigung des Vaterlands sei eine
Sache des Herzens. Er erinnert in diesem Zusammenhang an Kolberg, das 1806/07
den französischen Truppen Paroli bot – nicht dank des Militärs, sondern dank
der Opferbereitschaft seiner Bewohner.
Kolberg 1806 – der Bürgerrepräsentant Nettelbeck
(Heinrich George) hatte erfahren, dass Napoleons Truppen Berlin besetzt hatten
und macht sich Sorgen, hinsichtlich der Schicksals seiner Stadt. Doch bei dem
Ortskommandanten Loucadou (Paul Wegener) stößt er mit seinen Hinweisen zur
Lagerung des Vorrats nur auf taube Ohren. Loucadou glaubt nicht, dass Napoleons
Einheiten bis Kolberg vorrücken und hält auch nichts von Leutnant Schills
(Gustav Diessl) Maßnahmen hinsichtlich der militärischen Ausbildung der Bürger.
Auf dessen Kritik über den Zustand der rostenden Kanonen, reagiert er nur mit
Zurückweisung. Als Napoleon Kolberg schriftlich auffordert, sich ihm
unterzuordnen, müssen die Bürger Farbe bekennen. Loucadou will sich ergeben,
aber Nettelbeck will ihre Ehre bis zum Tode verteidigen…
Obwohl
"Kolberg" nach dem Ende des zweiten Weltkriegs nur noch einmal in die
westdeutschen Kinos kam - 1965 mit integrierten Erläuterungen, die aber nicht
verhinderten, dass der Film nach Protesten wieder abgesetzt wurde - und seitdem
als "Vorbehaltsfilm" von der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung nur zu
wissenschaftlichen oder pädagogischen Zwecken gezeigt werden darf, existieren
eine Vielzahl an Informationen über einen Film, der zur teuersten Produktion
während der Zeit des Nationalsozialismus wurde. Schon 1942 beauftragte
Propaganda-Minister Joseph Goebbels Regisseur Veit Harlan mit diesem Projekt,
das er als psychologische Kriegsführung begriff. Basierend auf den
historischen Fakten um die Rolle der alten Hansestadt Kolberg während des
napoleonischen Feldzugs gegen Preußen 1806/1807 sollte eine Beispiel für den
erfolgreichen Widerstand aufrechter Deutscher gegen eine feindliche Übermacht
gegeben werden, für die dem Regisseur und dessen Mitstreiter Wolfgang
Liebeneiner, Produktionschef der UFA, jedes notwendige Mittel zur Verfügung
gestellt wurde.
Entsprechend
legendär sind inzwischen die Zahlen, die um die Entstehung des Farbfilms
kursieren, der 8,8 Millionen Reichsmark gekostet haben soll. Tausende Uniformen
wurden aus den Theatern der besetzten Länder requiriert, ebenso viele Pferde
organisiert und mehr als 100.000 Soldaten für die Massenszenen freigestellt,
während die Wehrmacht gleichzeitig an allen Fronten zurückgedrängt wurde. In
Kolberg selbst konnte nicht mehr gedreht werden, weil die Stadt parallel zu der
Entstehung des Films schon von der russischen Armee eingenommen wurde (was von
der Propaganda bewusst verschwiegen wurde), aber in Potsdam-Babelsberg wurden
die Stadthäuser detailliert nachgebaut, um die verheerenden Schäden der
Kanonenkugeln der französischen Armee zu demonstrieren, während nebenan die
Häuser nach Luftangriffen der Alliierten brannten.
Joseph Goebbels soll erbost reagiert haben, als er die erste Fassung des Films
zu Gesicht bekam, denn Harlan hatte die Gräuel des Krieges genau geschildert,
hatte verschüttete Kinder, getötete Frauen und Schwerverletzte gezeigt, um den
Heldenmut der Weiterkämpfenden noch mehr zu betonen. Doch Goebbels war bewusst,
dass dieser Anblick demoralisierend auf Betrachter wirken musste, die täglich
mit den Konsequenzen des Krieges konfrontiert wurden. Auch die Rolle des Claus
Werner (Kurt Meisel), der sich als musisch veranlagter Mensch allen
kriegerischen Aktionen verweigert, war Goebbels zu stark betont, weshalb Harlan
erhebliche Schnitte an seiner Urfassung vornehmen musste, was in einigen
Sequenzen zu seltsamen Sprüngen führte und vom Tod wichtiger Protagonisten nur aus
Dialogen zu erfahren ist, deren Zustandekommen aber nicht gezeigt wurde.
Trotzdem
entstand dank der zur Verfügung stehenden technischen und finanziellen Mittel
und der Besetzung der Hauptrollen mit großartigen Mimen wie Heinrich George,
Paul Wegener, Horst Caspar, Gustav Diessl und Otto Wernecke, sowie Harlans
unvermeidlicher Ehefrau Kristina Söderbaum als blondem deutschen Mädel, ein
höchst beeindruckender Film, der inszenatorisch und im geschickten Aufbau einer
Story, die die dramatischen Ereignisse langsam steigert und keinen Moment Zeit
zum Luftholen lässt, überzeugen kann. Besonders die Dialoge mit dem Bürgerrepräsentanten
Nettelbeck (Heinrich George) sind von einer Raffinesse, gespickt mit
ironischen, hintergründig manipulierenden Anspielungen, die dem ersten Eindruck
eines patriotischen Durchhaltefilms eher widersprechen.
Zwar wurden
dem Major Gneisenau (Horst Caspar) die Worte Goebbels, die er bei seiner Rede
vom "Totalen Krieg" im Sportpalast benutzte, fast gleichlautend in
den Mund gelegt, aber im
Gesamtkontext des Films wirken diese Worte - zudem sehr zurückhaltend und eher
elegisch von Caspar vorgetragen - nicht patriotischer als viele von
us-amerikanischen Filmen gewohnte, meist von Pathos triefende Reden. Zudem werden
sich diese damaligen Zusammenhänge dem heutigen Betrachtern kaum erschließen,
weshalb sich häufig die Frage stellt, warum "Kolberg" nach wie vor
nur stark eingeschränkt und begleitet von pädagogischen Maßnahmen angesehen
werden darf ?
Historien-
oder Propagandafilm?
„Kolberg“ schildert
ein historisch verbürgtes Ereignis, das den Tagebuchaufzeichnungen des
Bürgerrepräsentanten Nettelbeck, der diese nach dem Ende der französischen
Belagerung autobiographisch veröffentlichte, nachempfunden wurde. Auch das
Schauspiel „Kolberg“ des im 19.Jahrhundert sehr beliebten Schriftstellers Paul
Heyse stand Pate für das Drehbuch, wurde aber im Film nicht erwähnt, da der
Autor im 20.Jahrhundert stark an Reputation verloren hatte und über einen „nichtarischen“
Hintergrund verfügte.
Entsprechend
nah an den damals beteiligten Persönlichkeiten sind auch die Rollen gestaltet.
Der Ortskommandant Loucadou (Paul Wegener) glaubt nicht daran, dass Napoleon es
für nötig hält, seine Truppen nach Kolberg zu schicken, nachdem dieser schon Preussens
Hauptstadt Berlin besetzt hatte. Nettelbecks Vorschläge hinsichtlich der
Lagerung der Vorräte weist er empört zurück, nur wenig an den Belangen der
Bürger interessiert. Doch auch die Kritik von Leutnant Schill (Gustav Diessl),
der zuvor schwerverletzt Kolberg erreichte, am Zustand seiner Soldaten und deren
Ausrüstung, wird von ihm nicht ernst genommen. Als dieser mit Nettelbecks Hilfe
versucht, die Bürger der Stadt auf einen militärischen Angriff vorzubereiten,
reagiert Loucadou mit der abschätzigen Haltung eines Soldaten, der Zivilisten
nicht dafür geeignet hält, im Ernstfall kämpfen zu können.
Diese
negative Darstellung der Figur des Ortskommandanten basiert auf den
Aufzeichnungen Nettelbecks und wird von Historikern inzwischen angezweifelt.
Tatsächlich sollte Loucadou recht behalten mit seiner Einschätzung, dass
Napoleon (Charles Schauten) nicht vorhatte, Kolberg anzugreifen, denn er
forderte schriftlich die Unterordnung unter seine Herrschaft – eine damals
übliche Vorgehensweise, um nicht unnötig Ressourcen an Mensch und Material zu
gefährden. Nettelbeck stellt diese Forderung beim Rat der zehn führenden Bürger
der Stadt zur Diskussion, ohne einen Zweifel an seiner Haltung aufkommen zu
lassen, diese mit Vehemenz zurückweisen zu wollen - letztlich der Auslöser für
die weiteren Ereignisse, denn erst darauf hin schickte Napoleon seine Armee, um
die Stadt zu unterwerfen. Nettelbecks Unbeugsamkeit und seine persönliche
Sichtweise der Abläufe, ließen im frühen 19.Jahrhundert erst die Legende um
„Kolberg“ entstehen, die Viele in einer wenig heroischen Phase mit Stolz
erfüllte – für Goebbels die ideale Vorlage für seine Intention.
Am Aufbau
des Films bis zur Ablösung Loucadous durch den neuen Ortskommandanten Gneisenau
(Horst Caspar), die von Nettelbeck betrieben wird, nachdem Loucadou ihn wegen
Auflehnung verhaften ließ, werden die geschickten manipulatorischen Maßnahmen
unter dem Deckmantel historischer Abläufe sichtbar. Anstatt nach knapp
anderthalb Jahrhunderten und mit dem Wissen um das weitere Geschehen, die
Haltung Nettelbecks neutraler zu betrachten, wird sie mit allen filmischen
Mitteln noch unterstützt. Nicht nur Loucadou wird als ignoranter Feigling
charakterisiert, Jeder, der zu verstehen gibt, mit der Unterwerfung unter
Napoleon sein Hab und Gut schützen zu wollen – zudem nur von wohlhabenden
Großbürgern geäußert - gilt als egoistischer Verräter. Eine objektive Abwägung
zugunsten des Schutzes aller Einwohner lässt „Kolberg“ nicht entstehen, da der
Tod als „freier deutscher Bürger“ dem Leben unter der Herrschaft eines fremden
Despoten unwidersprochen vorgezogen wird.
Entscheidend
für die eindeutige Ausrichtung des Films ist die Sprache Nettelbecks, kombiniert
mit Heinrich Georges Verkörperung eines „Übervaters“, die ihre Wirkung in ihrer
geschickten Argumentation und modernen Ausdrucksweise bis heute nicht verloren
hat. Kein Hurra-Patriotismus oder militärischer Überschwang ist aus seinen
Worten zu hören, sondern ein aus tiefer Fürsorge für die Bürger seiner Stadt
erfüllter Pragmatismus, der vergessen lässt, dass seine Haltung erst den unnötigen
Konflikt mit der französischen Armee hervorruft. Im Gegenteil wirkt Nettelbeck
beinahe wie ein Freiheitskämpfer, der sich erst gegen Loucadou stellt, dann
aber auch von Gneisenau Respekt einfordert, immer unter der
selbstverständlichen Voraussetzung, dass er weiß, was am besten für seine Leute
ist. In diesem Zusammenhang wird auch Joseph Goebbels Forderung verständlich,
diverse Sterbeszenen und Kriegsverletzungen heraus zu schneiden, denn das hätte
Nettelbecks Reputation als Beschützer deutlich geschwächt.
Unterstützt
wird Nettelbeck von Kristina Söderbaum als Bauerntochter Maria Werner, die hier
für jeden Frauentypus gleichzeitig steht – die blonde Unschuld vom Lande, die
Geliebte des Soldaten, die tapfere Kämpferin und die aufopferungsvolle
Bürgerin. Während eine Vielzahl unterschiedlicher Männerrollen die Szenerie
beherrscht, kommen außer ihr nur wenige Frauen in kleinen Nebenrollen vor.
Offensichtlich wollten die Macher jedes Opfer unter Unschuldigen vermeiden,
weshalb sich die pausbäckige, aber immer frisch geschminkte Maria allen
Widrigkeiten entgegen setzt, um dabei regelmäßig von den Herren als „Kleines
Mädel“, „Fräuleinchen“ und „Frauenzimmerchen“ bezeichnet zu werden. Eine
Einschätzung, der sie mit keckem Augenaufschlag und gespielt devotem Verhalten
zu begegnen weiß – ein idealisiertes Frauenbild aus männlicher Perspektive und
keine historisch authentische Gestalt.
So wie
„Kolberg“ auf den entscheidenden historischen Zusammenhang bewusst verzichtete.
Das Ende der Beschießung Kolbergs wird im Film einem Streit unter französischen
Offizieren zugewiesen, verantwortlich dafür war aber der 1807 ausgerufene „Tilsiter
Frieden“, der Napoleon alle Machtbefugnisse beließ und die Hochphase seiner Herrschaft
einläutete. Letztlich blieb der Widerstand der Kolberger Bürger ohne Bedeutung
für die politischen Konsequenzen, war ihr Opfer und die Zerstörung ihrer Stadt
vergebens. Das verschweigt der Film, sondern erzählt die Geschichte eines
erfolgreichen Widerstands der Zivilbevölkerung gegen einen überlegenen Gegner
aus der Sicht Gneisenaus, die er seinem König Friedrich Wilhelm III. (Claus
Clausen) im Jahr 1813 vorträgt, um ihn zum Kampf gegen Napoleon zu motivieren. Vor
dessen Fenster war schon das Volk versammelt, nur noch auf die Anweisungen des
Königs wartend, womit der Film einen stellvertretenden Bezug zu den Menschen in
Deutschland 1945 herstellte, die ebenfalls zum letzten Widerstand aufgefordert
werden sollten.
Doch
„Kolberg“ kam im März 1945 zu spät heraus und wurde in den wenigen noch nicht
zerstörten Kinos trotz seiner überragenden Show-Werte nur spärlich besucht – im
Gegensatz zu dem gleichzeitig laufenden, aber älteren Unterhaltungsfilm
„Münchhausen“ (1943). Angesichts der damaligen Realität funktionierte die
propagandistische Absicht nicht mehr, was die manipulatorische Wirkung aber
nicht verringert. Im Gegenteil spielt „Kolberg“ geschickter auf der Klaviatur
des „Heldenmuts“ und der „Opferbereitschaft“ als es die zeitgenössischen
us-amerikanischen Filme können. Weniger plump und argumentativ geschickter
verzichtet der Film auf ein übertriebenes Feindbild, sondern schildert die
Franzosen neutral, ohne Ressentiments schüren zu müssen. Ähnlich wie in „Jud
Süß“ (1940) ist es diese dramaturgische Qualität, verbunden mit einer beeindruckenden
Bildsprache, die unterschwellig eine Wirkung erzeugt, die eine pädagogische
Begleitung des Films auch heute noch sinnvoll erscheinen lässt – weder ist
„Kolberg“ harmlose Unterhaltung, noch ein Historienfilm.
„Kolberg“ ist ein sehr gut
erzählter, großartig gespielter und technisch überzeugend umgesetzter Film, der
optisch beeindrucken kann, aber seine beabsichtigte emotionale Manipulation und
die Zusammenhänge bei der Entstehung des Films zerstören diesen positiven
Eindruck wieder.
"Kolberg" Deutschland 1945, Regie: Veit Harlan, Drehbuch: Veit Harlan, Alfred Braun, Thea von Harbou, Darsteller : Heinrich George, Kristina Söderbaum, Horst Caspar, Gustav Diessl, Paul Wegener, Otto Wernicke, Paul Henckels, Laufzeit : 104 Minuten
weitere im Blog besprochene Filme von Veit Harlan:
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