Sein
Zwillingsbruder Erich (Heinz Rühmann) könnte ihm da einiges erzählen, denn der
Oberprimaner versucht seit zwei Jahren sein Abitur zu bestehen, gilt aber unter
den Lehrern als hoffnungsloser Fall, da er nur Flausen im Kopf hat. Um der
Tochter des Direktors, Eva (Annemarie Sörensen), zu imponieren, hängt er früh
am Morgen ein Schild an das Eingangstor zum Gymnasium, das behauptet, die
Schule wäre wegen Bauarbeiten an diesem Tag geschlossen, ein von den Schülern
gern befolgter Hinweis. Dem Lehrerkollegium ist sofort klar, wer dahinter
steckt und will Erich Pfeiffer bestrafen, aber dieser entzieht sich durch
Flucht nach Berlin. Nichts ahnend erscheint in diesem Moment sein Bruder Hans
an der Schule in der Kleinstadt, um nach seinem Bruder zu sehen und landet
unvermittelt im Karzer…
Sein erster
1933 erschienener Roman "Die Feuerzangenbowle" wurde für den in
Düsseldorf als Rechtsanwalt arbeitenden Heinrich Spoerl der Beginn einer
erfolgreichen Karriere als Schriftsteller. Schon 1934 wurde sein Roman erstmals
verfilmt - ein Erfolg, dem weitere folgen sollten. Die 1936 herausgegebenen
Romane "Wenn wir alle Engel wären" und "Der Maulkorb" erlebten ähnlich
schnell ihr erstes Leinwanddebüt, bevor mit "Der Gasmann" auch sein
vierter Roman 1941 verfilmt wurde. So homogen diese Entwicklung in der Zeit des
Nationalsozialismus klingt, so entscheidend sind die Unterschiede im Detail.
"Der
Maulkorb" verstand sich als ironisch-bissige Beschreibung
kleinbürgerlicher Obrigkeitshörigkeit - seine Verfilmung von 1938 gilt trotz
ihrer zeitlichen Rückdatierung als erstaunlich subversiv - und "Wenn wir
alle Engel wären" war ein liebevoller Angriff auf die Doppelmoral. Einzig
"Der Gasmann" ließ deutliche Konzessionen an den Nationalsozialismus
erkennen und verfügte auch nicht über Spoerls ambivalente Charaktere, weshalb
er sein einziger Roman blieb, der nach dem Krieg nicht wieder verfilmt wurde.
"Die Feuerzangenbowle" dagegen erfuhr noch während der Zeit des
Nationalsozialismus eine erneute Verfilmung, wofür es mehrere Gründe gab.
Spoerls amüsante Erzählung von seligen Gymnasialzeiten zu Beginn des
20.Jahrhunderts, verband die idealisierte Rückschau auf die eigene
Schullaufbahn mit einem spöttischen, aber keineswegs herabwürdigenden Blick auf
die Lehrkräfte, und versprach damit die vom Propaganda-Ministerium geforderte
politisch unverfängliche Unterhaltung – ein Irrtum, wie sich herausstellte –
aber entscheidend war, das die erste Verfilmung „So ein Flegel“ ohne die
Beteiligung Spoerls am Drehbuch entstanden war und stark von der Buchvorlage
abwich.
Stattdessen
hatte Hans Reimann das Drehbuch verantwortet, der auch als Mitverfasser der
„Feuerzangenbowle“ gilt. Wie groß sein Anteil an Spoerls Buch war, konnte nie
genau nachgewiesen werden, aber das Drehbuch zu „So ein Flegel“, dass er in
Zusammenarbeit mit dem Regisseur Robert A.Stemmle schrieb, veränderte nicht nur
die Story, sondern auch ihren fantasievollen Charakter - wie schon der
veränderte Filmtitel verrät, der auf die „Feuerzangenbowle“ verzichtete, die
erst die alkoholisch vernebelten Erinnerungen an die Schulzeit ermöglichte. Entsprechend
unrealistisch erschien den Machern die Vorstellung, dass ein erwachsener Bürger
im bürokratischen Deutschland erneut die Schule besucht – die Grundidee in
Spoerls Roman - weshalb Hartmann nicht nur den Zwillingsbruder Erich Pfeiffer dazu
erfand, sondern beider Dasein gleich auf feste Füße stellte. Während Dr.Hans
Pfeiffer (Heinz Rühmann) ein wahrer Wunderknabe ist, der schon mit Anfang 20
über einen Doktortitel verfügt und als Autor ein Theaterstück über die
Schulzeit in Berlin herausbringt, wiederholt sein gleichaltriger Bruder Erich
(Heinz Rühmann) schon zum dritten Mal die Oberprima und gilt als hoffnungsloser
Fall. Die Zielsetzung dieser Konstellation liegt auf der Hand. Durch den
zufälligen Tausch der identisch aussehenden Brüder – Erich flieht nach einem
Streich aus der Kleinstadt, Hans wollte dort gerade nach dem Rechten sehen –
kann Hans endlich die Schulbank drücken und fehlende Erfahrungen nachholen,
während Erich in Berlin deutlich entspannter mit den Theaterleuten und der
Privatsekretärin umgeht als sein gestrenger Bruder.
Offensichtlich
war Spoerls Einfluss zu diesem Zeitpunkt noch gering, denn der Versuch, seinen
traumwandlerischen Erinnerungen eine realistischere Grundlage zu geben, ging
nur auf Kosten der inneren Schlüssigkeit seines Romans. Das beginnt schon bei
den charakterlich sehr unterschiedlichen Zwillingsbrüdern, deren verschiedener
Werdegang nicht nachvollziehbar ist. Wieso geht Erich auf eine staatliche
Schule, während Hans (wie in Spoerls Buch) bei einem Privatlehrer lernte? –
Auch die romantischen Verwicklungen um Eva (Annemarie Sörensen), die hübsche
Tochter des Schuldirektors (Jakob Tiedtke), benötigten einige Drehbuchverrenkungen.
Kurz nachdem er in der Kleinstadt ankam, landet Hans für fünf Stunden im Schulkarzer
als Strafe für einen Streich, den sein Bruder der Schule gespielt hatte, um Eva
zu imponieren. Es kommt zu einer Szene aus Spoerls Buch, in der Eva den Delinquenten
besucht, teils um ihn zu verspotten, teils weil sie sich geschmeichelt fühlt.
Hans, dem sie sofort gefällt, erkundigt sich später am Telefon bei seinem Bruder,
ob Eva ihm etwas bedeute. Dieser weist das weit von sich, womit zwar das
Binnenverhältnis der Brüder geklärt ist, sich aber die Frage stellt, wieso Erich
sich zuvor so sehr um sie bemüht hatte?
Der
entscheidende Unterschied zur Buchvorlage und damit auch zu deren
originalgetreuen Verfilmung von 1944 liegt in der Vernachlässigung des eigentlichen
Themas – der Schule. Oskar Sima als Professor Crey, der ebenfalls ein Auge auf
Eva geworfen hat, gibt sich zwar die größte Mühe als feindlich gesinnter Lehrer,
kann aber nicht verhindern, dass von der Schulatmosphäre wenig übrig blieb.
Selbst die berühmte Szene mit der Dampfmaschine verliert jede Wirkung, da sie
innerhalb des Lustspiels um die verwechselten Brüder, diverse Damen und die
Theateraufführung in Berlin wie ein Fremdkörper wirkt. Auch wenn der Film einen
Großteil der handelnden Personen, sowie einige Szenen aus dem Buch übernahm,
erzählte er eine völlig anders konzipierte Geschichte. Zu seinem Nachteil, da
er sich von anderen harmlos-witzigen Komödien der frühen
nationalsozialistischen Jahre kaum unterschied und für den überzeugend in einer
Doppelrolle agierenden Heinz Rühmann kein Erfolg wurde. Dass „So ein Flegel“
der Vergessenheit entrissen wurde, verdankt er ausschließlich der zweiten,
wesentlich gelungeneren Verfilmung der „Feuerzangenbowle“.
"So ein Flegel" Deutschland 1934, Regie: Robert A.Stemmle, Drehbuch: Hans Reimann, Robert A.Stemmle, Heinrich Spoerl (Roman), Darsteller : Heinz Rühmann, Oskar Sima, Ellen Frank, Inge Conradi, Rudolf Platte, Jakob Tiedtke, Laufzeit : 78 Minuten
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