Inhalt: Thomas
(Marquard Bohm) lässt sich von einem Mercedes-Fahrer per Anhalter mitnehmen und
bittet ihn, an einer Diskothek zu halten, wo er auf seine Ex-Freundin Peggy (Uschi
Obermaier) trifft, die dort an der Bar arbeitet. Er schläft auf der Rückbank
ihres Käfers bis sie am frühen Morgen ihren Arbeitsplatz verlässt. Nachdem sie
am frühen Morgen gemeinsam am Starnberger See spazieren waren, bittet er sie, mit
zu ihrer Wohnung kommen zu dürfen und verspricht ihr, sie nicht zu bedrängen.
Sie willigt
ein und fällt todmüde ins Bett, wird aber bald schon von Christine (Diana Körner) geweckt, die ihre Hilfe braucht. Mit Silvy (Silvia Kekulé) gibt es
Probleme, da sie nicht wie, von den Frauen der Wohngemeinschaft vereinbart, nach
fünf Tagen ihren Geliebten erschießen will, sondern heulend im Bett liegt. Von
diesem Gesetz weiß auch Thomas noch nichts, der erst langsam Peggys
Mitbewohnerinnen kennenlernt, ohne zu ahnen, dass er selbst bald in den Fokus
rücken wird…
Dank des
nach wie vor hohen Bekanntheitsgrades der „60er Jahre Ikone“ Uschi Obermaier gerät
hin und wieder auch ihr Film "Rote Sonne" in den Fokus. Auch wenn er
so nur Ende der 60er Jahre entstehen konnte, die erst den spielerischen Umgang
mit kontroversen Themen ermöglichten, hat der Film sich seine Eigenständigkeit
unabhängig von seiner Hauptdarstellerin und dem 60er Jahre Flair bewahrt. Regisseur
Thome hatte in den früher 60er Jahren als Filmkritiker gearbeitet und man spürt
in seinen Filmen, beginnend bei seinem Erstling „Detektive“ (1969), den
Einfluss nicht nur der "Nouvelle Vague", sondern auch des
amerikanischen Kinos, das sich Ende der 60er Jahre mit seiner Lässigkeit im gesellschaftskritischen
Gestus selbst als "New Hollywood" neu definierte. „Rote Sonne“ setzte
diese Vorbilder eigenständig um, biederte sich aber weder an, noch ahmte er sie
nach, sondern wurde im besten Sinn ein deutscher Film.
Die ersten
Minuten sind von einer unnachahmlichen Dichte, die alleine schon das damalige
Lebensgefühl transportieren. Thomas (Marquard Bohm) sitzt im Fond eines Autos,
während die Großstadt ihre Lichter auf sein unbewegtes Gesicht wirft. Er bittet
den Fahrer um eine Zigarette, was dieser zum Anlass nimmt, sich über den
schweigsamen Thomas zu beschweren, den er nur mitgenommen hätte, um sich mit
ihm unterhalten zu können. Stattdessen hatte er zwei Stunden geschlafen, aber
auch jetzt sieht er weder einen Grund, auf
den Vorwurf zu reagieren, noch bemüht er sich um eine Konversation. Im
Gegenteil - im Stile eines Autobesitzers, der seinem Chauffeur den Weg weist,
fordert er den Fahrer auf, ihn zu einer Diskothek zu fahren. Auf dessen
Reaktion, es läge nicht in seiner Richtung, erinnert ihn Thomas nur daran, dass der
Weg dorthin nur zehn Minuten Umweg bedeuten würde.
Während der
gesamten Szene richtet Regisseur Thome die Kamera ausschließlich auf Thomas und
lässt den Fahrer nur aus dem Off reden. Das Wort "Coolness" war zu
diesem Zeitpunkt noch nicht erfunden, aber wenn es eine Szene gibt, die im
eigentlichen Sinne diesen Charakter verkörpert, dann diese. Erst als Thomas
aussteigt, erkennt man den Mercedes Benz im Hintergrund. Thome betonte
damit Thomas’ Respektlosigkeit vor bürgerlichen Statussymbolen, ohne in eine ideologische Abwehrhaltung zu verfallen. Darin
liegt die Besonderheit von "Rote Sonne", der auf jede
Psychologisierung, politische Haltung oder sonstige Botschaft verzichtete – und
sich damit deutlich von den gesellschaftskritischen Filmen dieser Zeit abhob.
Selbst der feministische Ansatz kommt ohne Zeigefinger aus und zeigte mit
seinen vier sehr hübschen Darstellerinnen einen Mut, wie er im intellektuellen
deutschen Film nicht üblich war.
Deshalb wird
„Rote Sonne“ gerne in die Trash-Ecke geschoben, da auch die Story wild und
Effekt heischend konstruiert wirkt. Dabei ist die Geschichte über die
Frauen-Wohngemeinschaft, die sich die Regel gegeben hat, jeden Liebhaber
spätestens nach fünf Tagen zu ermorden, reine Symbolik, die gar nicht erst
versucht, realistisch zu wirken. Die Leichtigkeit und das spielerische Element stehen
hier im Vordergrund, weshalb die Waffen unecht wirken und die Morde nur
angedeutet werden. Ob dieser Eindruck zufällig entstand oder von Thome und seinem Drehbuchautor Max Zihlmann geplant
war, bleibt nebensächlich - herausgekommen ist ein Film, dem man nicht anmerkt,
dass er inszeniert wurde und bei dem sämtliche Protagonisten authentisch
wirken. Allein ihre Sprache ist in ihrer Rigorosität, die einerseits kein Wort
zu viel zu erlauben scheint, gleichzeitig aber auch von ausschmückender Vielfalt
ist, gänzlich eigenständig.
Uschi
Obermaier als Thomas Ex-Freundin Peggy ist von einer unglaublich lässigen
Natürlichkeit, aber auch Diana Körner, die nach dem Film eine langjährige
Fernsehkarriere startete, ist attraktiv, selbstbewusst und gleichzeitig
verletzlich. Herausragend bleibt trotzdem Marquard Bohm, der alles gleichzeitig
ist - wortkarg und gesprächig, machohaft und sensibel, traurig und
hoffnungsfroh - und diese Mischung selbstverständlich ohne aufgesetzte Attitüde
verkörpert. Ob man ihn für arrogant oder einen kleinen Jungen hält, bleibt
Ansichtssache. Am besten beides gleichzeitig, denn damit repräsentiert er einen
Film, der so künstlerisch wie spielerisch ist, albern und ernsthaft, der eine
spannende Story erzählt und zeitweise einfach vor sich hin plätschert.
Dabei weist
er eine Vielzahl beeindruckender Szenen auf. Besonders die fast 10-minütige Musikszene,
bei der die Frauen und Thomas zur Musik von den "Small Faces" und
"The Nice" tanzen und reden, vermittelt so unmittelbar den Zeitgeist,
das man sie wiederholt ansehen möchte. Doch nicht allein das Lebensgefühl einer
Epoche zeigt sich darin, sondern eine Modernität, die bis heute nachwirkt. Auch
jenseits von 68er Romantik, politischem und gesellschaftlichem Aufbruch oder
der Ikone Uschi Obermaier erschließt sich daraus die filmische Qualität von
„Rote Sonne“.
"Rote Sonne" Deutschland 1970, Regie: Rudolf Thome, Drehbuch: Max Zihlmann, Darsteller : Marquard Bohm, Uschi Obermaier, Diana Körner, Gaby Go, Silvia Kekulé, Laufzeit : 86 Minuten
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