Inhalt: 19.
Jahrhundert - Sir Albert (Willi Birgel) gehört zwar zum verarmten Adel, was ihn
aber nicht davon abhält, in London gesellschaftlich selbstbewusst auszutreten.
Er lässt sich von einem reichen Bürgersohn aushalten, den er trotzdem seine
Überlegenheit spüren lässt. Die Sänger Gloria Vane (Zarah Leander), die mit
ihren verruchten Liedern die puritanische Bevölkerung provoziert, hat es ihm
besonders angetan, weshalb er sie mit geschickt gewählten Worten verteidigt.
Trotzdem
sieht er keine Zukunft mehr für sich in England und will nach Australien
auswandern, wo er sich eine Karriere als Offizier erhofft. Um das Schiff nehmen
zu können, muss er zuerst seine Schulden bezahlen, aber sein bisheriger
Financier weigert sich, den dafür notwendigen Scheck zu unterschreiben. Kurz
entschlossen fälscht er den Scheck und verlässt für immer England. Doch nur
wenig später fliegt sein Schwindel auf. Um ihren Geliebten zu schützen, nimmt
Gloria Vane die Schuld auf sich, was ihr eine Verurteilung einbringt und die Deportation
nach Australien in ein Frauengefängnis…
Die Worte
„Zu neuen Ufern“ werden nur einmal im Film gesprochen und sind gleichbedeutend
mit einem Todesurteil. Warum sie von Regisseur Detlef Sierck, der wie in den
meisten seiner Filme auch hier am Drehbuch mit geschrieben hatte, als Filmtitel
genommen wurde, ergibt sich erst aus dem Gesamtkontext. Zarah Leander spricht
sie in ihrer Rolle als Theatersängerin Gloria Vane und lässt damit deutlich
werden, dass sich ihre Haltung geändert hat – und zwar unumstößlich. Im Nazi-Deutschland 1937 bedeutete Haltung
Alles, Grauzonen oder Möglichkeiten der Abwägung waren nicht möglich. Entweder
man war dafür oder dagegen, was gleichzeitig mit Gefahr für Leib oder Seele
verbunden gewesen wäre. Sierck machte aus seiner ablehnenden Haltung gegenüber
den Nationalsozialisten nie einen Hehl, aber im Gegensatz zu anderen kritisch
eingestellten Regisseuren beschwor er mit seinen Filmen keine Verbote oder
Verbannung herauf. Im Gegenteil – seine beiden ersten Filme mit Zarah Leander
(neben "Zu neuen Ufern" noch "La Habanera" (1937)) machten
diese zum umjubelten Ufa-Star der Nazi-Zeit.
Möglicherweise
lag es daran, dass Sierck und Zarah Leander zum Zeitpunkt der Entstehung von
„Zu neuen Ufern“ noch nicht den ganz großen Starruhm erlangt hatten. Zwar hatte
Sierck mit "Das Hofkonzert" (1936) und "Schlussakkord"
(1936) schon zwei populäre Filme abgeliefert, aber Zarah Leander war in
Deutschland noch unbekannt. Zudem spielt die Story, die sich auf eine
Romanvorlage bezieht, zuerst in London und dann größtenteils in Sidney,
Australien, welches Mitte des 19.Jahrhunderts noch einen sehr unfertigen, wenig
zivilisierten Eindruck hinterließ. Diese Konstellation ermöglichte Sierck
Anspielungen auf bigotte und spießbürgerliche Eigenschaften der Gesellschaft
und die Darstellung einer dekadenten Offiziers- und Adeligenkaste, gegen die
auch die Nationalsozialisten nichts einzuwenden hatten, da hier englische
Staatsbürger im Mittelpunkt standen.
Das gilt gleichbedeutend
auch für alle sympathischen Charaktere, so wie das „neue Land“ Australien die
Chance auf einen Neuanfang symbolisierte und damit einen eventuellen Schritt
"zu neuen Ufern". Es wird deutlich, dass es nicht die einmal
gesprochenen Worte sind, die Sierck zum Titel erhob, sondern ihre programmatische
Bedeutung für den gesamten Film liegen. Vielleicht war es auch ein persönliches
Statement, denn nur kurz danach brach Sierck selbst zu neuen Ufern auf und
wanderte über Umwege in die USA aus. Aber auch die Nazis hielten ihre
zerstörerische Ideologie für eine zwingend notwendige Veränderung der
Gesellschaft und konnten sich darin bestätigt fühlen.
Das
Verwirrspiel beginnt schon mit der ersten Szene, in der der Adelige Sir Albert
(Willi Birgel), überlegen parlierend, einem dicklichen Bürgersohn dessen
Niveaulosigkeit humorvoll vor Augen führt. Nur kurz danach befindet er sich im
Theater, um der populären Sängerin Gloria Vane, seiner Geliebten, dabei
zuzusehen, wie sie in gewagtem Outfit ein frivoles Lied vorträgt. Natürlich
erheben sich Stimmen aus dem Volk, die ihre Verderbtheit anklagen, aber Sir
Albert weiß mit wohlgesetzten Worten deren pöbelhaftem Auftreten ein Ende zu
bereiten. Sierck schildert die puritanischen Moralapostel als verlogene
Gesellschaft, die sich den Hals nach Gloria Vane verrenkt, gleichzeitig aber
mit erhobenem Zeigefinger Anstand predigt.
Doch auch
Sir Albert ist kein Musterknabe, sondern ein verarmter Schmarotzer, der den von
ihm kurz zuvor noch veräppelten Bürgersohn benötigt, ihm die notwendigen
Geldmittel für seine gesellschaftlichen Auftritte zur Verfügung zu stellen.
Ausgerechnet als Sir Albert noch dessen Geld für die Bezahlung seiner Schulden
benötigt, um nach Australien ausreisen zu dürfen, wo er sich ein neues
angemesseneres Leben erhofft, weigert sich dieser erstmals, einen Scheck zu
unterschreiben. So sieht er sich gezwungen, diesen zu fälschen und bricht ins
gelobte Land auf, womit er nicht nur einen geprellten Freund hinterlässt,
sondern auch Gloria Vane, an deren Seite sich der Frauenheld in London gerne
zeigte.
Als der
Scheckbetrug auffliegt und Gloria erfährt, dass ihr Geliebter in Verdacht
gerät, nimmt sie spontan die Schuld auf sich, um dessen in Australien
beginnende Offizierskarriere nicht zu gefährden. Sie versucht zwar noch einen
Rückzug, aber ihr, einer Sängerin verdorbener Lieder, glaubt man nicht und so
gelangt sie ebenfalls nach Australien, allerdings als Strafgefangene. Sir
Albert, der in Australien schnell Fuß gefasst hatte und seine Karriere durch
eine Beziehung mit der Tochter des Garnison-Chefs fördert, erfährt nichts von
diesen Vorgängen, obwohl er nur unweit von dem Gefängnis stationiert ist.
Die
Machenschaften der Offiziere scheinen überhaupt nichts mit soldatischem Leben
zu tun zu haben, da man diese nur bei gesellschaftlichen Auftritten und dem
nächsten geplanten amourösen Abenteuer erlebt. Nicht erstaunlich, dass Sir
Albert auch in Australien sofort wieder erfolgreich ist, da er schon in London
der beste Selbstdarsteller war. Während er dort aber noch sympathisch wirkte
und mit seiner Intelligenz den Neureichen und dem Pöbel den Spiegel vor Augen
hielt, so kommt sein Egoismus in Sidney zunehmend zum Vorschein. Als er einen
Brief aus dem Gefängnis erhält, in dem ihn Gloria um Hilfe bittet, zeigt sich
sein wahrer Charakter.
Die Figur
des Sir Albert ist sicherlich die interessanteste, weil ambivalenteste Rolle,
während Zarah Leander hier eher eindimensional als schöne Leidende angelegt
ist, die fast immer mit von Gram gebeugter Haltung auftritt und scheinbar nur
zum Leben erweckt wird, wenn sie ihre wunderschönen Lieder singt, wozu sie auch
ausreichend Gelegenheit bekommt. Trotzdem handelt es sich bei „Zu neuen Ufern“
um kein dramatisches Trauerspiel, sondern um eine Mischung aus burlesken,
komödiantischen Szenen und einer dramatischen Liebesgeschichte, getragen von
einem gut aufgelegten Willi Birgel und einer tragischen Zarah Leander.
Bewundernswert ist Siercks Stilsicherheit bei dem Zusammenspiel von derber
Komödie, Drama und Musikstück, dass bis heute seinen unterhaltenden und
abwechslungsreichen Gestus nicht verloren hat.
Seinen
später prägenden, melodramatischen Stil hatte Sierck noch nicht gefunden. Den
konnte er erstmals in seinem folgenden, als letztem in Deutschland vor dem
Krieg gedrehten Film, „La Habanera“ demonstrieren.
"Zu neuen Ufern" Deutschland 1937, Regie: Detlef Sierck (später Douglas Sirk), Drehbuch: Detlef Sierck, Kurt Heuser, Lovis Hans Lorenz (Roman), Darsteller : Zarah Leander, Willi Birgel, Victor Staal, Carola Höhn, Edwin Jürgensen, Lina Carstens, Laufzeit : 97 Minuten
weitere im Blog besprochene Filme von Detlef Sierck / Douglas Sirk:
"La Habanera" (1937)
"Magnificent obsession" (Die wunderbare Macht, 1954)
"All that heaven allows" (Was der Himmel erlaubt, 1955)
"The tarnished angels" (Duell in den Wolken, 1957)
"Magnificent obsession" (Die wunderbare Macht, 1954)
"All that heaven allows" (Was der Himmel erlaubt, 1955)
"The tarnished angels" (Duell in den Wolken, 1957)
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