Inhalt:
Schneidergeselle Wenzel (Heinz Rühmann) bleibt abends noch in der Werkstatt, um
den Frack für den Bürgermeister fertig zu nähen. Doch nachts beginnen seine
Fantasien mit ihm durchzugehen und er schneidert sich den Frack selbst auf den
Leib. Als am Morgen sein Chef den Bürgermeister empfängt, um ihm das gute Stück
anzuziehen, kann Wenzel die Katastrophe nicht mehr verhindern und wird
achtkantig rausgeschmissen – ohne Geld, nur mit dem Frack und wenigen
Habseligkeiten bei sich.
Schwermütig
sieht er in dem kalten Winter seinem Tod entgegen. Ein Puppenspieler (Erich Ponto), der den armen Wenzel versucht hatte zu trösten, sieht eine Kutsche halten und überzeugt den Kutscher davon, dass es sich bei dem Schneidergesellen um eine hochstehende Persönlichkeit handelt. Dieser glaubt darauf, in ihm den russischen Grafen zu erkennen, den
er abholen sollte, aber nicht angetroffen hatte. Wenzel will zuerst nicht
einsteigen, bis ihn Nettchen (Hertha Feiler), deren Kutsche verunglückt war, bittet, sie in die Nachbarstadt mitzunehmen. Er willigt ein und erzeugt mit
seiner Ankunft große Aufregung unter den Bürgern und Honoratioren…
Der ersten
Zusammenarbeit von UFA-Star Heinz Rühmann und Regisseur Helmut Käutner sollte
erst viele Jahre später mit "Der Hauptmann von Köpenick" (1956) eine
weitere folgen, zudem unter umgekehrten Vorzeichen. Heinz Rühmann erfreute sich
1940 seit Jahren großer Popularität und drehte mehrere Filme jährlich, während
Käutners erster im Jahr zuvor gedrehter Film "Kitty und die
Weltkonferenz" von der Zensurbehörde verboten worden war. Dagegen hatte
Käutner 1956 viel Renomée erworben und war zu einem Stil prägenden Regisseur
aufgestiegen, während hinter Heinz Rühmann schwierige Jahre nach dem Ende des
2.Weltkriegs lagen, die nicht zuletzt mit seiner zwiespältigen Beziehung zu den
nationalsozialistischen Machthabern zusammen hing.
Für
Käutners zweiten Film bedeutete die Besetzung Rühmanns und dessen Ehefrau
Hertha Feiler in der weiblichen Hauptrolle die Chance, dass dieser von der
Zensur verschont bleiben würde, da sie großen Einfluss im
Propaganda-Ministerium besaßen. Zudem hatte er als Vorlage für sein Drehbuch
mit "Kleider machen Leute" eine Novelle aus dem zweiten Teil des
Novellenzyklus "Die Leute von Seldwyla" von Gottfried Keller gewählt, die dieser
zwischen 1860 und 1875 geschrieben hatte. Der Schweizer Schriftsteller Keller
gilt heute als Meister des "bürgerlichen Realismus" des
19.Jahrhunderts, der die sozialen Verhältnisse seiner Zeit genau beschrieb und
auch kritisch betrachtete, aber die Verlegung der Handlung in die Schweiz des
vorigen Jahrhunderts machte aus diesem Stoff ein Lustspiel mit gemäßigt
ironischen Anspielungen, das von der nationalsozialistischen Zensur als reiner
Unterhaltungsfilm eingestuft wurde.
Tatsächlich
wäre es zu viel der Interpretation, erkenne man in der Geschichte um den
unfreiwilligen Hochstapler eine unterschwellige Kritik am Nationalsozialismus,
aber dank Gottfried Kellers Grundlage kam die Rolle Rühmanns, obwohl er erneut
als einfacher Mann des Volkes besetzt wurde, ohne die üblichen Klischees aus.
Auch in den kurz zuvor und danach entstandenen Filmen "5 Millionen suchen
einen Erben" (1938) oder "Der Gasmann" (1941) wurde er der
Versuchung ausgesetzt, mehr sein zu können als es seinem einfachen Stand
entsprach. Nur kurz erlag er jeweils dem Lockruf (des Geldes), um letztlich
seinen ihm zustehenden Platz wieder einzunehmen - nicht ohne in "Der
Gasmann" noch vor Gericht (komödiantisch) abgestraft zu werden. So
eindeutig die Botschaft war - zudem ganz im Sinn der Machthaber - so beliebt
machten diese Rollen Heinz Rühmann beim Großteil der Kinobesucher.
"Kleider machen Leute" hat dagegen einen exakt gegensätzlichen
Aufbau, schon weil die Versuchung, in die Rühmann zu Beginn gerät, auf seinem
Fehlverhalten beruht.
Anstatt den
Frack für den Bürgermeister korrekt fertigzustellen, erliegt der
Schneidergeselle Wenzel (Heinz Rühmann) einen Moment lang seinen Träumen und
kürzt das noble Kleidungsstück auf seine eigene Größe. Am nächsten Morgen
wieder bei klarem Verstand, kann er nicht mehr verhindern, dass der
Bürgermeister den viel zu kleinen Frack bemängelt und er von seinem Meister
rausgeschmissen wird - statt einer anständigen Bezahlung mit dem Kleidungsstück
als Abfindung. Dieses wird zu seiner Eintrittskarte in die bessere
Gesellschaft, obwohl Wenzel sich mit Worten und Taten dagegen wehrt. Selbst
Fluchtversuche werden unterbunden.
Kellers
Novelle führt in eine Zeit zurück, in der jedes Detail der Bekleidung etwas
über die gesellschaftliche Position seines Trägers verriet. Ein Verstoß gegen
diese Regeln galt als unmöglich, weshalb Wenzels Frack für seine Umgebung mehr
Bedeutung hatte, als sein Verhalten oder seine Sprache. Im Gegenteil wird jedes
widersprüchliche Benehmen so interpretiert, dass es wieder in die vorgefasste
Meinung, Wenzel sei in Wirklichkeit ein incognito reisender russischer Graf,
passt. Wirklich geändert hat sich an dieser äußerlichen Beurteilung von
Mitbürgern bis heute nichts, auch wenn sich die Insignien des Erfolges
inzwischen geändert haben. Dass Wenzel diese Posse irgendwann mitmacht, liegt
an Nettchen (Hertha Feiler), der Tochter des wohlhabenden Tuchmachers, in die
er sich spontan verliebt. Zudem unterstützt der richtige russische Graf seine
Position, da ihm das die Freiheit lässt, weiter unerkannt zu agieren.
Der
Unterschied zu den typischen Rühmann-Komödien liegt nicht nur darin, dass er sich
zuerst gegen die Versuchung wehrt, um ihr dann doch zu erliegen, sondern das
sein Objekt der Liebe aus einer gesellschaftlich höheren Schicht stammt,
anstatt das es sich wie üblich um das "liebe Frauchen" von nebenan
handelt. Ein Happy-End war entsprechend nur möglich, wenn Wenzel seinen
bisherigen Stand verlassen würde, worin Gottfried Kellers Intention lag. Dieser
hatte es nicht auf den kleinen Schneidergesellen abgesehen, sondern auf die
hohen Herren, deren Irrtum Konsequenzen haben sollte. Heinz Rühmann alias
Wenzel versucht zwar noch, sich der Schande durch Flucht zu entziehen, aber
Nettchen will nicht nur seine Frau werden, sondern ihre gesellschaftliche
Position selbstbewusst verteidigen.
"Kleider
machen Leute" hat teilweise einen märchenhaften Gestus, auch bedingt durch
Käutners poetische, an Gemälde erinnernde Schwarz-Weiß-Bilder, die besonders in
den Traumsequenzen und den Fastnacht-Szenen einen wunderschönen, unwirklich
scheinenden Charakter annehmen. Damit wies er schon früh auf seinen am französischen
"poetischen Realismus" orientierten Stil hin, den er in "Unter den Brücken" (1945) zu absoluter Reife brachte. Aber auch wenn der Inhalt
des Films wenig realistisch erscheint, erzählt er doch ganz sanft von der
Auflehnung gegen eine bestehende Ordnung.
"Kleider machen Leute" Deutschland 1940, Regie: Helmut Käutner, Drehbuch: Helmut Käutner, Gottfried Keller (Novelle), Darsteller : Heinz Rühmann, Hertha Feiler, Erich Odemar, Hilde Sessak, Erich Ponto, Laufzeit : 99 Minuten
weitere im Blog besprochene Filme von Helmut Käutner:
"Große Freiheit Nr. 7" (1944)
"Unter den Brücken" (1945)
"Bildnis einer Unbekannten" (1954)
"Himmel ohne Sterne" (1955)
"Ein Mädchen aus Flandern" (1956)
"Die Zürcher Verlobung" (1957)
"Schwarzer Kies" (1961)
"Die Rote" (1962)
"Bildnis einer Unbekannten" (1954)
"Himmel ohne Sterne" (1955)
"Ein Mädchen aus Flandern" (1956)
"Die Zürcher Verlobung" (1957)
"Schwarzer Kies" (1961)
"Die Rote" (1962)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen