Inhalt: Franz
(Rainer Werner Fassbinder), ein mehrfach vorbestrafter Krimineller, soll für
das Syndikat arbeiten, weigert sich aber, obwohl er deshalb zusammen geschlagen
wird. Ähnlich ergeht es Bruno (Ulrich Lommel), der ebenfalls von den Männern
des Syndikats bewusstlos geschlagen wird, weshalb ihm Franz anbietet, zu ihm
nach München zu kommen, wo er mit seiner Freundin Johanna (Hanna Schygulla)
zusammen lebt, die für ihn als Prostituierte auf den Strich geht.
Als Bruno an die Adresse kommt, die ihm Franz gegeben hatte, erfährt er, dass dieser längst mit Johanna weggezogen ist. Ihn zu finden ist sehr schwierig, denn Franz befindet sich auf der Flucht. Er fürchtet die Rache für einen Mord an einem Türken, dem man ihm in die Schuhe geschoben hat. Trotzdem gelingt es Bruno, dessen neue Wohnung ausfindig zu machen und zieht zu Franz und Johanna, was zu neuen Konflikten führt...
Als Bruno an die Adresse kommt, die ihm Franz gegeben hatte, erfährt er, dass dieser längst mit Johanna weggezogen ist. Ihn zu finden ist sehr schwierig, denn Franz befindet sich auf der Flucht. Er fürchtet die Rache für einen Mord an einem Türken, dem man ihm in die Schuhe geschoben hat. Trotzdem gelingt es Bruno, dessen neue Wohnung ausfindig zu machen und zieht zu Franz und Johanna, was zu neuen Konflikten führt...
Dass sich
Rainer Werner Fassbinder bei der Entwicklung seines ersten Langfilms
"Liebe - Kälter als der Tod" an vielen Vorbildern orientierte, bedarf
keiner Interpretation. Schon im Vorspann werden die Namen von Claude Chabrol,
Jean Marie Straub und Eric Rohmer aufgeführt, dazu spielt er mit "Lino et
Cuncho" auf "Quién sabe?" (Töte, Amigo!, 1967) von Damiano
Damiani an, den er in einem Dialog auch leicht abgewandelt zitiert. Auch
innerhalb der Handlung verklausulierte Fassbinder seine Vorbilder nicht,
benennt konkret "Psycho" (1960) von Hitchcock und bekleidet Bruno
(Ulli Lommel) exakt mit dem Outfit von Alain Delon in „Le samouraï" (Der eiskalte Engel,
1967) von Jean-Pierre Melville. Von diesem hat er auch die sparsame Ausstattung
und die langen Kameraeinstellungen übernommen, die die Szenerie aus einer
festen Perspektive betrachten, die den Agierenden nur in wenigen Momenten
folgt.
Entsprechend
entzündete sich die damalige Kritik auch an diesen offensichtlichen Vorbildern
("Und auch die Mittel, Melancholie zu bebildern, waren untauglich: sowohl
das Zitieren von Figuren aus anderen Filmen (Lommel Alain Delon aus dem stark
überschätzten „Eiskalten Engel“)..., Peter Handke in der Zeit, 1969) und werden
in aktuellen Interpretationen gerne die Vielzahl an Anspielungen aufgezählt,
als ob Fassbinder dafür schwere Hürden aufgestellt hätte. Was Handke und Co. zu
erwähnen vergaßen, ist Fassbinders transparenter Umgang mit seinen Vorbildern,
wie ihn kein anderer Regisseur jemals ähnlich direkt in seinem Erstlingswerk formulierte.
Er wollte sich weder mit fremden Federn schmücken, noch ging es ihm allein um
den souveränen Umgang mit vorhandenen Stilmitteln, sondern letztlich um seine
individuelle, persönliche Umsetzung, die er mit dem bewussten Zitieren seiner
Einflüsse erst verdeutlichen konnte.
Auch der
Titel „Kälter als der Tod“ (das Wort „Liebe“ stellte er erst nach der
Uraufführung davor) ließ keinen Zweifel an den Emotionen, die seinen Film
bestimmen sollten. Die bewusst zu hell ausgeleuchteten Figuren (am Ende des
Films verschwindet das Bild in völliger Helligkeit) lassen sie konturloser
erscheinen – einen Eindruck, den das theaterartige Agieren der Darsteller (es
handelte sich um die Mitglieder des von Fassbinder gegründeten „Antiteater“ in
München) noch betont. Die Protagonisten Franz (Rainer Werner Fassbinder), Bruno
(Ulli Lommel) und Johanna (Hanna Schygulla) sind Stereotypen des Genre-Films –
der aufsässige Hitzkopf, der eiskalte Killer und die Hure. Ihre Interaktionen
werden von typgerechten Verhaltensmustern bestimmt – Franz lässt sich nichts
gefallen und rebelliert auch gegen das „Syndikat“ (Fassbinder begnügte sich mit
diesem aussagekräftigen Begriff und verzichtete auf weitere Hintergründe), das
ihn an sich binden will, hat aber kein Problem damit seine Freundin auf den
Strich zu schicken. Bruno ist reserviert und beherrscht, tötet aber skrupellos
und hintergeht seine Freunde. Johanna ist sexuell offensiv und selbstbewusst,
akzeptiert aber Franz’ Position als Zuhälter und will ihn am Ende retten.
Fassbinder
wollte, wie er selbst einmal anmerkte, Menschen in den Mittelpunkt stellen, die
unbewusst gesellschaftlich vorgegebene Rollen einnehmen, obwohl sie ihnen nicht
entsprechen. Emotionen haben darin keinen Platz, denn sie werden nur
missbraucht, da ihr Verhalten zwanghaft ist. Damit kehrt der Regisseur seine an
Genre-Konventionen orientierte Handlung ins Gegenteil, denn die Mörder, Gangster
und Prostituierten agieren nicht selbst bestimmt oder gar cool berechnend.
Obwohl Bruno dem Profikiller in „Der eiskalte Engel“ optisch und in seinem
Verhalten ähnelt, ist er in „Liebe – Kälter als der Tod“ letztlich die
Dekonstruktion dieser Figur. Beeindruckend verdeutlichte Fassbinder diese
Intention mit sehr langen Kameraeinstellungen, in denen mehr geschieht als in
den wenigen Action-Szenen. Es sind die kleinen Regungen, das Zucken eine Fußes,
eine unmotivierte Handbewegung oder – wie in der frühen Szene im Zug, begleitet
nur von den eintönigen Schienengeräuschen – das Beißen in einen Apfel, die
ahnen lassen, was sich unter der nach außen gezeigten Fassade abspielt. Es
lohnt sich, diese Bilder genau zu beobachten.
Zudem
verzahnte er seine an der „Nouvelle vague“ und dem Gangsterfilm orientierte Handlung
eng mit der Realität von Supermärkten, Häusern und Straßenräumen, die konträr
zum im konventionellen Kino gepflegten Deutschlandbild stand. Trotzdem fand
Fassbinders Film 1969 auch bei der studentischen Protestbewegung keine Gnade,
zu sehr widersprach „Liebe - Kälter als der Tod“ allen Erwartungshaltungen –
inhaltlich kritisch, aber von großem Stilbewusstsein bis zum exakten, sparsamen
Einsatz einer musikalischen Untermalung, die den inneren Zustand der
Protagonisten widerspiegelt. Fassbinders Film sieht man das geringe Budget zwar
an, trotzdem erstaunt der souveräne Umgang mit den zur Verfügung stehenden
Möglichkeiten. Den Raum klar definierende Kameraeinstellungen und ruhige,
exakte Schnitte erzeugten den stimmigen Rhythmus eines Films, der weniger ein
Gangsterfilm ist, als ein Film über Deutschland.
"Liebe - Kälter als der Tod" Deutschland 1969, Regie: Rainer Werner Fassbinder, Drehbuch: Rainer Werner Fassbinder, Darsteller : Rainer Werner Fassbinder, Hanna Schygulla, Ulli Lommel, Kurt Raab, Ingrid Caven, Katrin Schaake, Irm Hermann, Laufzeit : 85 Minuten
weitere im Blog besprochene Filme von Rainer Werner Fassbinder:
"Deutschland im Herbst" (1978)
weitere im Blog besprochene Filme von Rainer Werner Fassbinder:
"Deutschland im Herbst" (1978)
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